Leben mit dem Feind - Barbara Beuys - E-Book

Leben mit dem Feind E-Book

Barbara Beuys

4,7

Beschreibung

Ein zentrales Stück deutsch-niederländischer Geschichte: Das bewegende Porträt der Stadt Amsterdam unter deutscher Besatzung. Beuys erzählt vom Alltag in der größten Stadt der Niederlande zwischen 1940 und 1945: davon, wie die Amsterdamer zunächst versuchen, durch Anpassung das Lebenswerte ihrer Stadt zu bewahren, von der Wut nach den ersten Deportationen jüdischer Mitbürger, von Terror und Razzien, von mutigen Menschen, die das kulturelle Leben der Metropole aufrechterhalten und unter Lebensgefahr jüdische Kinder verstecken. Die Meisterin des historisch-biographischen Sachbuchs verbindet Schicksale von Menschen mit Straßen, Plätzen und Gebäuden der Stadt - Bilder, die sich tief einprägen

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Hanser eBook

Barbara Beuys

Leben mit dem Feind

Amsterdam unter deutscher BesatzungMai 1940 bis Mai 1945

Carl Hanser Verlag

Mit zeitgenössischen Fotografien

ISBN 978-3-446-24071-1

Alle Rechte vorbehalten

© Carl Hanser Verlag München 2012

Karte: © Peter Palm, Berlin

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Es war noch nicht ganz hell, als die Kinder die Treppe zu den Eltern hochliefen: »›Es geht los! Schiphol steht in Flammen!‹ Ich versuchte, Jan, der fest schlief, wach zu bekommen«, schreibt die Schriftstellerin Annie Romein-Verschoor in ihren Erinnerungen an den frühen Morgen des 10. Mai 1940 über den Ehemann. »Wie abwesend murmelte er etwas von ›Unsinn‹ und schlief weiter.« Die Mutter geht mit den Kindern auf das Dach des Hochhauses in Amsterdam Zuid. Sie starren auf den Rauch und die Flammen am Horizont. Sie hören den Lärm der Flugzeuge und haben »das unwirkliche Gefühl, einem Schauspiel beizuwohnen«.

In dieser Nacht überfielen die Deutschen das Königreich der Niederlande. Für die Menschen in Amsterdam hatte der Krieg begonnen.

Was war das für eine Stadt, in der nur fünf Tage später die Stiefel der deutschen Soldaten über das Pflaster knallten, und für die fünf Jahre unter deutscher Gewalt begannen? In welche Lebenswelten brachen die Besatzer ein? Was prägte das Lebensgefühl der Amsterdamer, seit die Hauptstadt der Niederlande um 1900 endgültig zu einer europäischen Metropole geworden war?

Inhalt

I

Vom Kirmes-Platz zur Berlin-Revue

1875 bis 1919

II

Monne de Miranda und die »Amsterdamer Schule« – Königin Wilhelmina und die Olympischen Spiele – Pastor Kuyper und die »Versäulung« – Dazu Jazz und andere neue Töne

1919 bis 1929

III

Umjubelte Immigranten im Tuschinski – Immer mehr Arbeitslose – Die »Bei-uns-Menschen« – Holländische Nazis – Keine Judenfrage – Hitlers Krieg, aber nicht bei uns!

1930 bis 9. Mai 1940

IV

5-Tage-Krieg – Selbstmord und Flucht übers Meer – Kapitulation – Die deutschen Besatzer: sehr korrekt – Der Bürgermeister: passt sich an – Hoffnung auf Ruhe und Ordnung

10. bis 31. Mai 1940

V

Die NSB macht Randale – Deutsche Polizei mischt mit – Ausbruch am »Nelkentag« – Hochkonjunktur – Illegale Flugblätter – Ariererklärung – Die Jüdische Revue spielt weiter

Juni bis Dezember 1940

VI

Für Juden verboten – Willige Helfer – Judenviertel gesperrt – Razzien: 427 Männer deportiert – 25. Februar: Fröhlicher Streik – Alptraum: 9 Tote, 15 Millionen Gulden Buße – Juden sind keine Niederländer

1. Januar bis 12. März 1941

VII

Politikmüde – Salamitaktik der Diskriminierung – Abschied im Concertgebouw – Surrogat-Rezepte – »Li-Ro« Raubbank – Het Parool: Widerstand ohne Netz – Hollandsche Schouwburg: Insel jüdischer Kultur – Subventionen gegen Freiheit

Mitte März bis 31. Dezember 1941

VIII

Alle Juden nach Amsterdam – Öfter mal ins Kino – Der Gelbe Stern – Raub aller Wertsachen – »Arbeitseinsatz« in Deutschland – Run auf die Sperre – Nach Westerbork: Züge ohne Wiederkehr – Mordquote übertroffen

Januar bis Juli 1942

IX

Pellkartoffeln und Rohkost – Die Flüsterkarte – »Durchgangslager Schouwburg« – Raubzug Hausratstelle – Vom Wohnzimmer ins Lager – Rettung für 80 Kinder – Ohnmächtige Wut – Zufriedene Mörder

August bis Dezember 1942

X

Auf Transport: Alte, Kranke, Waisenkinder – Erste Anschläge – Studenten nach Deutschland – Netzwerk für Untergetauchte – Immer beliebter: Kino, Theater, Sport – Das Einwohnermeldeamt brennt – Perfekte Fälscherwerkstatt – Kolonne Henneicke

Januar bis März 1943

XI

Krippe für die Deportierten – Netzwerk zur Kinder-Entführung – Betrunkene Bewacher – Gefälschte Listen – Eltern mit Puppe auf Transport – Im Lyzeum bleiben die Schüler fort

XII

Streik: 175 Tote – Zwangsarbeit oder Untertauchen – Radio-Verbot – Die letzten Razzien – Keine Sperren mehr – Neuer Fluchtweg aus der Crèche – 600 Kinder gerettet – Bomben aus der Luft – Die Revue geht weiter

April bis Dezember 1943

XIII

Mutlos – NSB-Kampagne – Hawaii-Musik eingeschränkt – Das Drama der portugiesischen Juden – Gerrit Jan van der Veen scheitert – Im Stimmungshoch der Invasion – Der Terror steigert sich – Brüssel ist befreit

Januar bis 4. September 1944

XIV

Die Besatzer flüchten – Die Alliierten bleiben aus – Die Eisenbahner streiken – Rhein-Übergang misslingt – Wieder unter deutscher Gewalt

4. bis 24. September 1944

XV

Die letzten Züge in den Tod – Die Mordbilanz

XVI

Schiffer-Streik: Kein Nachschub an Nahrungsmitteln – Öffentliche Küchen – Öffentliche Erschießungen – Schabbatfeier im Untergrund – Bombenangriff: 50 Tote – Kein Jahr ohne Sinterklaas und Zwarte Piet – Katastrophe: Das IJsselmeer friert zu

25. September bis 23. Dezember 1944

XVII

Verweigert den Arbeitsdienst – Rache der Besatzer: Mord am Rozenoord – Hungerfahrten – Zum Mittagessen Tulpenzwiebeln – Keine Särge für die Toten – Wally van Hall: Verraten – Noch mehr Terror – Der Hass wächst

24. Dezember 1944 bis 24. April 1945

XVIII

Flugzeuge bringen die Wende – Es regnet Lebensmittel – Kapitulation der Besatzer – Die Befreier bleiben aus – Das Drama am Dam – Endlich: Welcome Boys – Wechselbad der Gefühle

29. April bis 8. Mai 1945

Literaturhinweise

Verzeichnis der Abbildungen

I

Vom Kirmes-Platz zur Berlin-Revue

1875 bis 1919

Er müsse sich noch mit seiner Frau beraten, hatte der Vierundvierzigjährige den Genossen gesagt, die ihn im Dezember 1919 als einen der beiden sozialdemokratischen Beigeordneten im Gemeinderat von Amsterdam aufstellen wollten. Es wird spät gewesen sein, als Salomon Rodrigues de Miranda nach intensiven Gesprächen mit seinen politischen Freunden zuhause in der Pretoriusstraat 71 ankam, einer modernen geräumigen Genossenschaftswohnung im Transvaalviertel. Beim Umzug der Familie von Nummer 48 nach 71 waren die Hühner, die man im Gemeinschaftsgarten halten konnte, verkauft worden, sehr zum Bedauern der Kinder. Aber Monne de Miranda, wie ihn alle nannten, konnte sich wirklich nicht um die Familien-Hühner kümmern. 1911 war er in den Gemeinderat von Amsterdam gewählt worden, und sein bisheriges Arbeitspensum als führender Politiker in der Sozialdemokratischen Partei der Niederlande (SDAP) und der landesweiten Gewerkschaft der Diamantarbeiter (ANDB) wurde deshalb nicht weniger. De Mirandas Frau Selly Elion war eine selbstbewusste Ehepartnerin, interessiert an Politik und Kultur. Doch den Familien-Alltag mit den fünf Kindern musste sie, obwohl von labiler Gesundheit, allein bewältigen; da waren die Hühner einfach zu viel.

Das Gespräch zwischen Monne de Miranda und seiner Frau konnte nur ein Ergebnis haben: Ein Mann mit seinen Erfahrungen und Visionen musste die Chance ergreifen, in Amsterdam politische und gesellschaftliche Reformen anzustoßen und voranzutreiben, vor allem für die Klasse der Arbeiter, aus der er selber kam und für deren Fortschritt er sich seit zwanzig Jahren engagierte. Am 2. September 1919 wurde Monne de Miranda vom Amsterdamer Gemeinderat zum Beigeordneten für die Lebensmittelversorgung gewählt.

Die niederländische Regierung hatte – und hat – ihren Sitz traditionsgemäß in Den Haag, ebenso die königliche Familie, das Fürstenhaus Oranien. Amsterdam jedoch war – und ist – seit 1815 die Hauptstadt des Königreichs der Niederlande. Und nun gehörte der gelernte Diamantschleifer Monne de Miranda, in der Nieuwe Kerkstraat 69 in eine arme Familie jüdisch-portugiesischer Herkunft geboren, zum Magistrat dieser Stadt, die an Menschen, politischem Gewicht, ökonomischer Kraft und kultureller Bedeutung alle anderen im Land weit überragte.

De Mirandas Biografie bis 1919 verkörpert und spiegelt den Aufbruch Amsterdams in die Moderne: den rasanten Prozess aus vorindustrieller Verschlafenheit in die Betriebsamkeit und die Lebendigkeit einer europäischen Metropole, zu der bald das imponierende Äußere dazu gehörte. Mit dem Jahr 1875, als am 21. März, einem Sonntag, Monne de Miranda im Amsterdamer Judenviertel auf die Welt kam, begann in der Hafenstadt an Amstel und IJ eine neue Zeit, von der alle, auch die Ärmsten, profitierten.

Das Neue wird nicht immer mit Zustimmung empfangen. Im Sommer 1875 erklärte der Magistrat, dass die traditionelle Amsterdamer September-Kirmes mit diesem Jahr ihr Ende finden würde. Protest wurde laut, in einigen Vierteln kam es zu Unruhen. Ob Dienstmädchen, Arbeiter- oder Kaufmannsfamilien: Man lebte und sparte auf diese drei Wochen im September hin, wenn Amsterdam ein einziger Rummelplatz war mit Drehorgeln, Puppenspielern, Gauklern, Krambuden und Akrobaten auf allen Plätzen. Das Zentrum des fröhlichen Volksfestes lag am Botermarkt.

Die Stadtverwaltung setzte sich durch: Nicht mehr Kirmes-Tingeltangel sollte das Bild Amsterdams prägen, sondern großstädtische Eleganz. Nicht mehr in Zelten und Buden sollte man Alkohol nebst billiger Unterhaltung suchen, sondern in steinernen Tempeln von der Kunst erhoben werden oder Vergnügungen in feinen Etablissements finden, wie Paris es ganz Europa vormachte.

Nach dem Kirmesverbot folgte 1876 die Umbenennung vom Botermarkt in Rembrandtplein. Schon 1852 hatte man mit feierlichem Pomp auf dem Botermarkt ein überlebensgroßes Rembrandtdenkmal aufgestellt. Als Rembrandtplein sollte dieser zentrale innerstädtische Platz an die glorreiche Epoche im 17. Jahrhundert anknüpfen, als Amsterdam modern, urban und international war. Der Maler Rembrandt hatte in jenem »Goldenen Jahrhundert« gelebt, als an der Amstel Wohlstand und Kunst harmonierten. Als die kosmopolitischen Amsterdamer Kaufleute sich an Heren-, Keizers- und Prinsengracht prächtige Häuser bauten, als der Magistrat unterschiedliche christliche Konfessionen tolerierte und ebenso die jüdischen Gemeinden – augenzwinkernd, aber verlässlich.

Gesichert wurde der Aufstieg Amsterdams, als 1648 beim Westfälischen Frieden in Münster, der auch den Dreißigjährigen Krieg beendete, die Weltmacht Spanien nach acht blutigen Jahrzehnten endlich die Niederlage gegenüber ihren nördlichen niederländischen Provinzen eingestand und deren Unabhängigkeit anerkannte. Damit endete der Aufstand der Calvinisten gegen den katholisch-habsburgischen »Tyrannen« glorreich wie der Kampf von David gegen Goliath. Innerhalb des damaligen europäischen Staatensystems etablierte sich ein einmaliges revolutionäres Gebilde: die Republik der Vereinigten Niederlande.

Es war ein föderalistischer Bund. Kein erblicher Monarch hatte die oberste Gewalt inne. Die »Generalstaaten«, in denen die Vertreter der Stände aus allen Provinzen permanent in Den Haag tagten, bestimmten die Politik der Republik nach innen und außen. Den militärischen Oberbefehl über alle Truppen hatte ein Statthalter; aufgrund der historischen Verdienste ein Prinz aus dem Hause Oranien. Diese niederländische Republik, geboren im Aufstandsjahr 1568, hatte Bestand bis 1795. Erst 1815, nach einem Intermezzo revolutionär-napoleonischer Machtübernahme, wurde auf dem Wiener Kongress das Königreich der Niederlande proklamiert. Im Laufe des 19. Jahrhunderts machte es sich ohne Revolution auf den Weg zu einer parlamentarischen Monarchie, die bis heute Bestand hat.

Schon 1879 wurde am Rembrandtplein 11–15 das Mille Colonnes festlich eröffnet. Ein Etablissement nach Pariser Vorbild mit vielen zierlichen Säulen, das schnell zum beliebten Treffpunkt einer bunt gemischten Gesellschaft aus Kaufleuten, Künstlern und Journalisten wurde. Sänger hatten hier ihren Auftritt, Kleinkünstler vergnügten das Publikum mit Sketchen. Kaum ein Abend, an dem es im Mille Colonnes nicht rappelvoll war.

Wer sich das ruhmreiche »Goldene Jahrhundert« zum Vorbild nahm, wusste, dass die Bedeutung Amsterdams und der Reichtum seiner Bürger auf dem Hafen gründete. Dieser Ruhm war längst hinfällig. Ein Beobachter beschrieb um 1870 die Hauptstadt als eine »stille, um nicht zu sagen verschlafene Hafenstadt mit ungefähr 250000 Einwohnern, … das Haupttransportmittel waren Gemüsekarren und Handwagen«. Die Hafenstadt stagnierte in allen Bereichen, weil ihre wichtigste Lebensader schrumpfte: Die Zuiderzee (heute: IJsselmeer), über die seit Jahrhunderten die Schiffe mit Gütern aller Art von der Nordsee ihren Weg nach Amsterdam nahmen, versandete. Als der niederländische König im November 1876 den Nordsee-Kanal einweihte, der Amsterdam quer durch die Dünen mit IJmuiden am Meer verband, war die entscheidende Grundlage geschaffen, dass Handel und Wandel wieder aufblühen konnten.

Aber Amsterdams Kaufleute investierten nicht nur in die Wirtschaft: Im sumpfigen Gelände südwestlich der innerstädtischen Grachten begann der Bau des prächtigen Rijksmuseums, ein Zuhause für die holländischen Maler des »Goldenen Jahrhunderts«, die inzwischen Weltruhm genossen. 1885 wurde es eingeweiht, und im Jahr darauf traf sich erneut ein festlich gestimmtes Einweihungskomitee, um auf der verlängerten südlichen Achse des Museums die Fertigstellung des Concertgebouw zu feiern. Das elegante Konzerthaus mit goldener Lyra am Dachfirst, das damals im Niemandsland entstand, ist ebenfalls bis heute ein Magnet – einer der besten Konzertsäle der Welt und ein nicht weniger exzellentes Orchester.

Die Vision der Stadtväter steckte an. Ab 1863 hatte die deutsch-französische Zirkusdynastie Carré während der September-Kirmes ihr Zelt in Amsterdam aufgeschlagen, berühmt für ihre Pferdenummern mit akrobatischen Einlagen. Ihr fester Sitz war ein großer Bau in Köln. Jetzt riskierten die Zirkusleute den hohen finanziellen Einsatz für einen Ableger in Amsterdam. Im Dezember 1887 waren alle 2200 Plätze des neuen glanzvollen Zirkus-Theaters besetzt, als mit großem Orchester ein Gala-Programm Premiere hatte. In den Ställen konnten mindestens siebzig Pferde untergebracht werden. Bis heute steht der breite helle Bau an der Amstel unweit der Magere Brug, auf dem originellen Flachkuppeldach der rote Schriftzug CARRÉ.

Juni 1886: das Concertgebouw entsteht und wird ein Konzerthaus mit internationalem Renommee

1889 war wieder eine Einweihungsfeier das Stadtgespräch von Amsterdam. Die Hauptstadt fand Anschluss an das neue Verkehrsmittel, das seit einigen Jahrzehnten über alle Grenzen hinweg Europa auf revolutionäre Weise zusammenführte. Kein Fortschritt ohne Eisenbahn. Da, wo die Amstel ins IJ mündet und bisher der Blick frei war auf Schiffe und Hafen, wurde ab 1881 eine künstliche Insel angelegt. Auf ihr entstand mit neugotischen Türmen und Türmchen die Centraal Station, Amsterdams Hauptbahnhof. Die 307 Meter lange Fassade wurde das monumentale Entree einer Metropole, deren Fokus auf städtischen Glanz gerichtet war.

Noch bevor die ersten Touristen am Hauptbahnhof ankamen, hatte Adolph Wilhelm Krasnapolsky, Sohn eines polnischen Schneiders, sein beliebtes Pfannkuchen-Lokal im Jahre 1883 zur Weltausstellung in ein Luxushotel mit 125 Zimmern umgebaut. Heute zaubert im Café des Fünf-Sterne-Krasnapolsky der Mann am Klavier zur Tea-Time Vergangenheits-Flair für die Gäste, die dem Treiben auf dem Dam zuschauen. Ähnlich im Café des illustren American Hotel direkt am Leidseplein: Wer dort in schweren Holzstühlen sitzt, kann stimmungsvoll in die alte Zeit eintauchen, als der Bau mit seinem Interieur Aufsehen erregte – der eigenwillige Jugendstil war bei der Einweihung 1900 das Modernste an Architektur und Lebensart.

Reisen, im Café sitzen, ins Konzert oder Museum gehen: Freizeit ist ein Schlüsselwort der neuen Zeit, und mit ihr verknüpft ist ein anderes Phänomen – der Massensport. 1890 wurde erstmals im Winter die freie Fläche hinter dem Rijksmuseum geflutet und zu einer riesigen Eisbahn umfunktioniert, wo die Amsterdamer ihrem Lieblingssport frönen konnten. 1893 wurden auf dem IJsclub-Terrain, wie der Platz von nun an hieß, die ersten Weltmeisterschaften im Schlittschuhlaufen ausgeführt.

Für viele Amsterdamer jedoch war freie Zeit ein äußerst knappes Gut. Der kleine Monne de Miranda aus dem Judenviertel musste es früh im Leben erfahren. Er war ein schmächtiger Junge, der Raufereien mit Gleichaltrigen aus dem Weg ging. Aber er blühte auf, als er mit sechs Jahren in die kostenlose öffentliche Grundschule ging. Im Viertel um Nieuwe Kerkstraat und Weesperplein kamen rund 95 Prozent der Schulkinder aus jüdischen Familien, die sich kein Schulgeld leisten konnten. Wie das Gesetz es für alle öffentlichen Schulen in den Niederlanden vorschrieb, fiel der Unterricht am Samstag, dem jüdischen Schabbat, aus, wenn über fünfzig Prozent der Kinder jüdischen Glaubens waren.

Monne de Miranda, der drei ältere Geschwister hatte, sieben jüngere kamen noch hinzu, war lernbegierig und saß auch nach dem Unterricht gerne hinter seinen Büchern. Um so größer war der Schock, als der Elfjährige eines Tages im Frühjahr 1886 gut gelaunt nach Hause kam und der Vater ihm mitteilte, er habe für ihn einen Lehrvertrag in einer Diamantschleiferei unterschrieben. Am nächsten Tag schon sollte Monne um fünf Uhr morgens aufstehen, um von sechs Uhr bis um sechs Uhr abends in der Fabrik zu arbeiten. Tränen und Bitten halfen nichts, auch nicht die Fürsprache der Mutter. Der Vater war arbeitslos, es musste Geld ins Haus kommen.

Wenngleich arm und ohne Arbeit, verlor der Vater nicht den ausgeprägten Stolz auf seine jüdischen Vorfahren, die einst aus Portugal und Spanien nach Amsterdam eingewandert waren. An der Amstel wurden sie vereinfachend »portugiesische Juden« genannt oder Sefarden, weil Sefarad im Mittelalter die jüdische Bezeichnung der Iberischen Halbinsel war. Monne de Mirandas Vater wachte rigoros darüber, dass seine Frau und die Kinder alle Vorschriften einhielten, die der jüdische Glaube verlangte. Der kleine Monne hatte keine Wahl: Er musste jedes Ritual vollziehen, lernte die Gebete auf Hebräisch; an jedem Schabbat und Feiertag ging er mit dem Vater in die Synagoge. Es ist an der Zeit, noch einmal ins Goldene Jahrhundert der Niederlande zurückzukehren, als die Geschichte der Amsterdamer Juden begann.

Im Jahre 1492 waren durch königliches Dekret alle Juden aus Spanien vertrieben worden; 1497 mussten sich in Portugal alle Juden zwangstaufen lassen und wurden »Neue Christen«. Ab Mitte des 16. Jahrhunderts wurden auch die Neuen Christen verfolgt, gefoltert, ermordet. Als 1568 der Unabhängigkeitskrieg zwischen den spanisch-habsburgischen Herrschern und den sieben niederländischen Provinzen ausbrach, hatten die Neuen Christen – portugiesische Kaufleute, die mit Waren aus aller Welt handelten –, ein gutes Gespür für die wirtschaftlichen Potentiale in den Städten der calvinistischen Rebellen, die auch für »Religionsfreiheit« in den Kampf gegen den katholischen Tyrannen zogen. Der erfolgreiche Kaufmann Emanuel Rodrigues Vega kam 1597 aus Portugal und erhielt für acht Gulden das Amsterdamer Bürgerrecht. Er kam als Neuer Christ, wurde als erster Jude an der Amstel heimisch und wie hunderte weiterer Glaubensgenossen auf der Flucht vor der Inquisition nicht enttäuscht.

Kaum zehn Jahre nach seiner Ankunft engagierte Vega sich unter dem Namen Jakob Tirade in der ersten jüdischen Gemeinde Amsterdams. Sie zählte inzwischen über 400 Mitglieder, portugiesisch-spanische Einwanderer, die sich in Amsterdam wieder zum Glauben ihrer Vorfahren bekannten.

1616 – Der Magistrat von Amsterdam erkennt die Gemeinde portugiesischer Juden als autonome »Jüdische Nation« an, die ihre inneren Angelegenheiten selber regelt. Außerhalb der Landesgrenzen wird die Stadt sie als »Amsterdamer Bürger« schützen. Juden können Fernhandel, Kleinhandel und Druckereien betreiben, freie Berufe wählen und in jedem Teil Amsterdams wohnen. Es soll kein Getto entstehen, und es wird ausdrücklich erklärt, dass die Juden keine Kennzeichen tragen müssen.

1642 – Der Prinz von Oranien, der als Statthalter die republikanischen Truppen befehligt, besucht zusammen mit der Königin von England die Synagoge der Sefarden in Amsterdam. Er hört ein flammendes Bekenntnis, das der angesehene Rabbi Menasseh ben Israel für die Gemeinde ablegt: »Wir halten nicht mehr Kastilien und Portugal, sondern Holland für unser Vaterland.« Es ist ein Bündnis auf Gegenseitigkeit, denn natürlich wusste die christliche Obrigkeit, wie sehr Amsterdams goldene Epoche von den Kapitalströmen und den internationalen Geschäftsbeziehungen der neuen Bürger profitierte. Gleichsam nebenbei machten Grandezza und das selbstbewusste öffentliche Auftreten der sefardischen Männer und Frauen die Hafenstadt zu einer ersten Adresse für Kultur und Lebensart in Europa.

August 1675: festliche Einweihung der portugiesischen Synagoge durch Juden und Christen

1675 – Anfang August ziehen in langer Reihe Musikanten, Sänger, Rabbis und die führenden Männer der sefardischen Gemeinde, nach neuester Mode gekleidet, und in nüchternem Schwarz die hohen Repräsentanten der christlichen Amsterdamer Gesellschaft zur Einweihungsfeier in die neue portugiesische Synagoge, die »esnoga«. Bis heute beherrscht der imposante strenge Backsteinbau den Platz zwischen Mr. Visser- und Jonas Daniel Meijerplein. Die Synagoge mitten in Amsterdam demonstrierte: Die Juden waren ein Teil der bürgerlich-städtischen Gesellschaft, während sie in anderen Ländern Europas diskriminiert, verfolgt und ermordet wurden.

Zur Zeit der Synagogeneinweihung lebten in Amsterdam ungefähr 3500 Sefarden, aber sie waren nicht mehr die einzigen Juden. Ab 1630 hatten sich rund 5000 Glaubensgenossen aus Deutschland und Osteuropa vor Pogromen und bitterer Armut nach Amsterdam geflüchtet. »Hochdeutsche Juden« oder Aschkenasen nannten sich die neuen Zuwanderer, denn »Ashkenaz« war die jüdische Bezeichnung für alles Land nördlich der Alpen. Sefarden wie Aschkenasen hatten getrennte Gemeinden und Gebetshäuser, getrennte Bäcker und Metzger und eigene Friedhöfe.

Im Gegensatz zu den portugiesischen Juden suchten die Aschkenasen keinen Platz in der christlichen Amsterdamer Gesellschaft. Sie trugen weiterhin ihre altmodische schwarze Tracht und sprachen Jiddisch. Sie lebten vom Straßenhandel und Abfallsammeln, von Gelegenheitsarbeiten und Botendiensten im Hafen und auf den Werften. Viele waren auf milde Gaben angewiesen. Doch sie hatten schon 1671 – noch vor der sefardischen Synagoge – direkt gegenüber am anderen Ufer der Gracht ihre große Synagoge, die »Grote Schul«, errichten lassen. (Heute ist sie ein Teil des Jüdischen Museums.)

Der christliche Magistrat gewährte den Aschkenasen die gleichen Rechte. Es störte ihn nicht, welche Kleider die jüdischen Bewohner trugen, welche Sprache sie sprachen. Amsterdam lebte und profitierte davon, die unterschiedlichen Lebensweisen und Konfessionen seiner Bewohner zu tolerieren – wie die gesamte junge Republik der Niederlande.

Die Führungsschicht im Kampf gegen das katholische Spanien hing der Theologie des Johannes Calvin an. Der Genfer Reformator hatte sich wesentlich radikaler als Martin Luther von der römisch-katholischen Kirche abgewandt. Schmucklos und kahl sind die Kirchen der Reformierten, und im Zentrum befindet sich der »Predigtstuhl«, die mächtige Kanzel, wie man es in der Westerkerk an der Prinsengracht eindrucksvoll sehen kann.

Die Calvinisten, auch Reformierte genannt, waren überzeugt, mit ihrer Konfession den einzig wahren Glauben zu besitzen. Doch als Führungselite in Politik und Wirtschaft fühlten sie sich für den sozialen Frieden und den Wohlstand in ihrer Stadt verantwortlich. Das hatte Priorität vor allen Wahrheitsansprüchen. Um beides zu erreichen und bewahren, brauchte man die Arbeit, die Talente und den Einsatz aller Bewohner. Deshalb tolerierte die calvinistische Obrigkeit die unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen, auch wenn sie ihnen in der Öffentlichkeit eine unterschiedliche Rangfolge zuwies. Diese Freiheit der Religionsausübung, die auch zuließ, dass der Philosoph Spinoza keiner Glaubensgemeinschaft angehörte, war für das 17. Jahrhundert in Europa eine Ausnahme. Sie fand erst Jahrhunderte später in demokratischen Verfassungen anderer Länder Nachahmer.

In Amsterdam – wie in den Niederlanden – hatte die Reformierte Kirche das Monopol auf die öffentliche Darstellung des christlichen Glaubens, ohne deshalb Staatskirche zu sein. Staatliche Festakte, städtische Feiern oder die religiöse Betreuung der Soldaten: Alles geschah ausschließlich im Beisein und mit den Gebeten calvinistischer Pastoren, die aber weiterhin allein ihrer Gemeinde verpflichtet waren. Ämter in Staat und Gesellschaft konnten nur Bürger reformierten Glaubens übernehmen.

Am anderen Ende der Bewertungsskala rangierten die Katholiken. Der alte Glaube wurde auch nach der Unabhängigkeit in Amsterdam geduldet, nur durfte er nicht im Stadtbild auftauchen. Statt in prächtigen Kirchen mussten die Katholiken sich unauffällig in Hinterhäusern und unter den Dächern der Stadt treffen, um ihre Gottesdienste zu feiern.

So verhasst ihnen der Katholizismus war, so groß war die Hochachtung der Calvinisten gegenüber dem Judentum. Die reformierte Theologie hat im Alten Testament, der hebräischen Bibel, tiefe Wurzeln geschlagen und fühlt sich dem auserwählten Volk der Juden eng verbunden. Der Geschäftssinn der Amsterdamer und ihre geistig-religiöse Sympathie kamen zusammen, als sie den jüdischen Einwanderern garantierten, dass sie an der Amstel sicher leben und ihre Religion ohne Einschränkungen praktizieren, Betschulen, Altenheime, Kranken- und Waisenhäuser betreiben konnten.

Als die jüdischen Einwanderer aus Osteuropa, die Aschkenasen, kamen, hatte die sefardische Elite ihre anfänglichen Häuser auf Vlooienburg schon wieder verlassen. Vlooienburg war eine quadratische künstliche Insel an der Binnen Amstel, von der Stadt eigens für die kapitalträchtigen Portugiesen angelegt. Wer heute vom Waterlooplein kommend das moderne Rathaus/Stadhuis samt angrenzender Oper und Balletttheater – »Stopera« nennen die Amsterdamer den riesigen Komplex – umrundet, befindet sich auf Vlooienburger Grund.

Gegenüber auf den Inseln Uilenburg, Valkenburg und Rapenburg hatten sich Werften und Schiffsindustrien angesiedelt. Als die Betriebe von dort ins östliche Hafengebiet umsiedelten, wurde Vlooienburg das Zentrum der aschkenasischen Juden in Amsterdam. Bald bewohnten sie auch die verlassenen Inseln. Wenn vom alten ursprünglichen Judenviertel Amsterdams – »Jodenhoek« – die Rede ist, dann ist dieser innerstädtische Bereich gemeint, den die Jodenbreestraat durchzieht.

Die jüdisch-portugiesischen Kaufleute und Financiers hatten Vlooienburg verlassen, um sich dort niederzulassen, wo ab dem zweiten Viertel des 17. Jahrhunderts die reichen Amsterdamer zuhause waren: an den drei frisch ausgehobenen Hauptgrachten zwischen Brouwersgracht und Leidsestraat. Vor allem an der Herengracht stehen noch die prächtigen Häuser der Sefarden. In den Zimmerfluchten hingen damals die Gemälde der geliebten holländischen Meister, hinter dem Haus lagen exquisite Gärten. Die literarischen Soireen der Amsterdamer Sefarden, der Schmuck ihrer Frauen und die opulente Bewirtung bei ihren Hauskonzerten waren Stadtgespräch.

Ob Sefarden oder Aschkenasen, ob arm oder reich: Die Juden feierten am Freitagabend nach Sonnenuntergang den Schabbat-Beginn mit einer besonderen Mahlzeit und gingen an den hohen Festtagen unbehelligt in ihre Synagogen. Es gab keinen Druck, sich wegen ihres Glaubens gegenüber den Christen zu rechtfertigen, niemand versuchte sie zu bekehren. Und so blieb es über die Jahrhunderte, Amsterdam war für Juden ein sicherer Hafen. Sie konnten nicht jeden Beruf ergreifen, es gab Diskriminierungen im Kleinen, aber das empfanden sie nach allen Erfahrungen, die ihnen seit Generationen unter der Haut steckten, als Kleinigkeiten.

Als man 1805 erstmals Statistiken über alle Einwohner Amsterdams aufstellte, lebten rund siebzig Prozent der Juden in Elendswohnungen im »Jodenhoek«. Doch nie kam es der christlichen Stadtverwaltung in den Sinn, die armen Juden aus der Stadt zu weisen, wie es im aufgeklärten 18. Jahrhundert in Europa üblich war. Dafür hatten die Niederlande nach dem Vorbild der Französischen Revolution im September 1796 ein Emanzipations-Dekret verabschiedet, das die »Gleichheit der Juden mit allen anderen Bürgern« festschrieb – und nie mehr bestritten wurde. Alle Juden waren nun »Niederländer israelitischen Glaubens«.

Als mit der Industrialisierung wieder eine neue Zeit anbrach, hatten die christlichen Bewohner der Hauptstadt längst die zärtliche Namensnennung übernommen, mit der die Juden ihr Amsterdam bedachten: Mokum. Im Hebräischen bedeutet makom Ort, Stadt. Für die Juden, die aus fernen Heimaten dorthin flüchteten, war Amsterdam längst DER Ort geworden, geliebtes Zuhause. Bis heute ist es ein Code-Wort für stolze Heimatliebe, wenn Amsterdamer sagen: Ich bin aus Mokum.

Für die Familie De Miranda im Judenviertel war Amsterdam Heimat, verbunden mit dem Stolz auf ihre sefardischen Vorfahren. Der junge Monne de Miranda aber machte die Erfahrung, dass die jüdischen Arbeiter sich von der Vergangenheit emanzipieren mussten, um eine bessere Zukunft zu erleben. 1886 hatte der Elfjährige, der so gerne weiter auf die Schule gegangen wäre, auf Befehl des Vaters eine Lehre als Diamantschleifer begonnen. Nach sechs, sieben Jahren war die Lehrzeit vorbei und Monne de Miranda einer von 10000 Diamantschleifern in der Hafenstadt, die nach Ansehen und Verdienst in der Arbeiterklasse den obersten Rang einnahmen. Das änderte nichts daran, dass selbst ihre Arbeitsumstände, Bezahlung und die Absicherung bei Unfall oder Krankheit miserabel waren im Vergleich zum Gewinn der Unternehmer. Die große Mehrheit, rund 7000 Schleifer, waren Juden, die in jüdischen Betrieben arbeiteten. Ungefähr 3000 von ihnen waren Christen, die meisten lebten und arbeiteten im Jordaan, dem Arbeiterviertel westlich vom Grachtengürtel.

1894 solidarisieren sich Tausende von jüdischen Arbeitern mit christlichen Diamantschleifern, die für einen Mindestlohn streiken. Zusammen ziehen sie in einer gewaltigen Demonstration quer durch Amsterdam, mittendrin Monne de Miranda. Schon am nächsten Tag wird die Streikforderung erfüllt.

Die Erfahrung, wie stark ein gemeinsamer Kampf macht, führt wenige Tage später zur Gründung vom Allgemeinen Niederländischen Diamantarbeiter-Bund – ANDB. Jüdische und christliche Arbeiter bilden zusammen die erste moderne niederländische Gewerkschaft. An der Spitze der Gewerkschaft steht ein jüdischer Diamantschleifer, der sechsundzwanzigjährige Henri Polak, eine charismatische Persönlichkeit. Nur zwei Monate zuvor, im August 1894, hatte er zu den Mitbegründern der niederländischen Sozialdemokratischen Arbeiter-Partei, SDAP, gehört, deren politisches Programm nach dem der deutschen Sozialdemokraten ausgerichtet war. Polak hatte früh mit dem orthodoxen Glauben seines Elternhauses gebrochen, ohne sein Judesein zu leugnen. Er sah keinen Widerspruch darin Jude, Sozialist und Niederländer zu sein.

Weil Henri Polak beim ANDB und der SDAP streng auf konfessionelle Neutralität achtete, schuf er eine neue Heimat für Monne de Miranda und Tausende von jüdischen Proletariern, die eine bittere Erfahrung machten: Die Führer der jüdischen Gemeinden in Amsterdam – Unternehmer, Bankiers, Kaufleute – bekämpften zusammen mit den Rabbinern die sozialen Bewegungen, die für die Rechte und Lebensverbesserungen aller Arbeiter eintraten.

Bald nach ihrer Gründung wurde Monne de Miranda, er war um die zwanzig Jahre alt, Mitglied bei den Sozialdemokraten und in der Gewerkschaft. Um diese Zeit brach auch er mit dem Glauben, in dem sein Vater ihn erzogen hatte; entschlossen, nie mehr einen Fuß in eine Synagoge zu setzen. Sich von der väterlichen Autorität zu emanzipieren und von einem Glauben, der im Stolz auf die Vergangenheit erstarrt war, wurde Monne de Miranda wie vielen seiner Glaubensgenossen außerordentlich erleichtert, weil sie nicht allein standen in ihrem Herkunftsmilieu. Sie waren keine Einzelkämpfer. Am Arbeitsplatz, in der Gewerkschaft, in der sozialdemokratischen Partei trafen sie Gleichgesinnte: jüdische Emanzipation als Massenbewegung, wieder waren die Niederlande eine große Ausnahme in Europa.

1900 – In Amsterdam wurde feierlich ein markantes Gebäude eingeweiht: die »Burg der Arbeit« in der Franselaan, heute Henri Polaklaan, nur Minuten vom Amsterdamer Zoo entfernt. Die Burg – »de Burcht« – fügt sich eindrucksvoll in die Reihe der neuen Bauten, die in kaum zwei Jahrzehnten gegen Ende des 19. Jahrhunderts das Bild einer verschlafenen Stadt ins Großstädtische wendeten. Henri Polak, der Gewerkschaftsführer, hatte seinen Freund Hendrik Petrus Berlage, den neuen Star-Architekten Amsterdams, dafür gewonnen, eine großräumige Zentrale für den ANDB zu bauen. Das entsprach der Machtposition und dem Ansehen der Diamantarbeiter-Gewerkschaft, das sie in wenigen Jahren innerhalb der Gesellschaft erworben hatte. Berlage, von der großen Zukunft des Sozialismus überzeugt, stellte in die kleine bürgerliche Villenstraße einen wuchtigen Stadtpalazzo nach italienischem Vorbild. Er konzipierte ein Gesamtkunstwerk, ganz im Sinne von Henri Polak. Für Polak sollte der Sozialismus – im Gegensatz zum Kapitalismus – alle Sinne des Menschen ansprechen und zur Entfaltung bringen: Verstand und Gefühl, Ethik und Ästhetik.

Für den Architekten Berlage, 1856 in Amsterdam in eine liberal-bürgerliche Familie geboren, war es kein Gegensatz, gleichzeitig für Arbeiter und Kaufleute zu arbeiten. Während der Bau entstand, der die Würde der Arbeiterklasse verkörperte, wuchs nach seinen Entwürfen die neue Kaufmannsbörse empor.

Wie eine Burg des Kapitals steht der Steinkoloss am Damrak, mit hundert Meter langer strenger Backstein-Fassade und mächtigem Kampanile. Die Ähnlichkeiten mit der Burg der Arbeit entsprechen den sozialistischen Überzeugungen des Architekten: dass die Börse einst zum Palast des Volkes mutieren würde. 1903 wurde die »Berlage Beurs« feierlich eingeweiht. Hendrik Petrus Berlage war Avantgarde. Er hatte die Mode der neogotischen Paradebauten wie Rijksmuseum und Hauptbahnhof und das neuklassizistische Concertgebouw hinter sich gelassen und dem architektonischen Gesicht Amsterdams eine neue Vision von pathetischer Nüchternheit hinzugefügt.

1901 genehmigte die Stadtverwaltung, was sie in den Jahren zuvor stets abgelehnt hatte: Mit Musik, roten Fahnen, Liedern und Spruchbändern zogen die Arbeiter am 1. Mai offiziell durch Amsterdam, und so würde es nun jedes Jahr geschehen. 1902 wurde Henri Polak als erster Sozialdemokrat Mitglied im Gemeinderat von Amsterdam. 1903 wurden auf Vorschlag der Gewerkschaft zu Spitzenzeiten am frühen Morgen und Abend »Arbeiterstraßenbahnen« mit verbilligten Fahrkarten eingesetzt. Die Stadt hatte am 1. Januar 1900 die privaten Pferdestraßenbahnen übernommen und sofort mit Elektrifizierung und Netzerweiterung begonnen. Bei einer Probefahrt der »Arbeitertram« durften die Arbeiter allerdings nur den Beiwagen nutzen. Empört meldete sich Henri Polak im Gemeinderat zu Wort: »Die Tram ist ein demokratisches Verkehrsmittel, das keinen Unterschied von Rang und Klasse kennt noch kennen darf!« Niemand im Rat widersprach. Die Diskriminierung wurde umgehend aufgehoben.

Am Beginn des 20. Jahrhunderts hatte sich Amsterdams Bevölkerung mit 520000 Menschen im Vergleich zu 1875 mehr als verdoppelt; gut 11 Prozent der Hauptstadt-Bewohner waren Juden. Neben den Straßenbahnen füllten 20000 Fahrräder und 15000 zweirädrige Handkarren die Stadt. Auch Pferdekutschen waren noch unterwegs. Um das Chaos wenigstens etwas zu regulieren, wurde 1902 die erste Verkehrsregel in Amsterdam eingeführt und galt für alle: »Rechts halten.« 1906 verschwanden die letzten Pferdetrams aus dem Straßenbild, und zwölf elektrische Straßenbahnlinien versorgten nun die Bevölkerung. Nachdem 1904 die erste elektrische Straßenbeleuchtung am Bahnhofsvorplatz installiert wurde, verschwand nach und nach auch das Gaslicht aus Amsterdam.

Monne de Miranda gehörte zu denen, die redegewandt für den Fortschritt und die neue Zeit warben. Er war in Partei und Gewerkschaft in höhere Ämter gewählt worden und organisierte mit viel Geschick die Wahlkämpfe; alles neben seinem Beruf als Diamantschleifer. Die Eltern und Geschwister waren weiterhin auf seine Unterstützung angewiesen. Amsterdam, das war Mokum für Monne de Miranda. Zugleich waren Neugierde und Wissbegier, die er nicht mit einem ordentlichen Schulabschluss hatte befriedigen können, geblieben. Im Herbst 1903 stieg der Achtundzwanzigjährige in den Zug nach Paris und organisierte sich dort eine Stelle als Diamantschleifer.

Eine der ersten Postkarten, die Monne de Miranda nach Hause schrieb, ging an die achtzehnjährige Selly Elion im Amsterdamer Judenviertel. Im April hatten zwei ihrer Brüder, aschkenasische Juden, zwei Schwestern von de Miranda geheiratet. Aus Protest gegen diese Verbindung seiner Töchter war der sefardische Vater der Hochzeit ferngeblieben. Der ersten Karte aus Paris folgte ein reger Briefwechsel. Als Monne de Miranda zum Jahreswechsel für einen kurzen Familien-Besuch nach Amsterdam zurückkehrte, macht er mit Selly Elion einen für damalige Zeiten verwegenen Plan. Kaum ist de Miranda wieder in Paris, schreibt sie ihm Ende Januar aus Amsterdam über ihre Brüder: »Bah, wie mich die Jungen enttäuschen. Wie denken sie doch in dieser Beziehung noch konservativ.« Zusammen mit den Eltern wollen die Brüder ihre Schwester Selly davon abhalten, für ein paar Monate zu Monne nach Paris zu ziehen.

Doch die junge Frau überwindet alle Widerstände. Samstag, den 28. Februar 1904, steigt Selly Elion um 8 Uhr 15 in Amsterdam in den Zug. Um 17 Uhr 40 kommt sie in Paris an, und dort steht Monne de Miranda am Bahnhof. Selly kann bei seiner Untermieterin einziehen, und Arbeit hat er für die gelernte Näherin auch gefunden. Ein halbes Jahr erleben die beiden Europas kulturelles Zentrum und nutzen ihre freie Zeit bis zum Äußersten: Sie besuchen Oper, Theater, Museen und lesen gemeinsam französische Literatur. De Miranda hatte gleich nach seiner Ankunft begonnen, Französisch zu lernen.

Im September 1904 sind beide zurück in Amsterdam, endgültig. Monne de Miranda nimmt seine Arbeit als Diamantschleifer und seine Tätigkeit im Vorstand der Gewerkschaft wieder auf. Am 31. Mai 1905 heiraten Monne de Miranda, dreißig Jahre alt, und die zwanzigjährige Selly Elion im Rathaus von Amsterdam. (Wie es üblich ist, behält sie ihren Mädchennamen, Kinder werden nach dem Vater benannt.)

Amsterdam ist nicht Paris. Aber wenn die frisch Verheirateten am Abend Unterhaltung suchten, hatte die Hauptstadt der Niederlande seit der Wende zum 20. Jahrhundert einiges zu bieten. Vom Judenviertel war es nur ein kurzer Weg über die elegante Blauwbrug in die Amstelstraat, wo Café-chantant Flora, Centraal Theater und Grand Theatre miteinander konkurrierten. An der Ecke zum Rembrandtplein spielten im Nieuwe Karseboom ein Damen- und ein Herrenorchester um die Wette; jeden Abend waren alle Plätze besetzt. Keiner dieser beliebten Vergnügungsorte hat eine Spur in der kleinen Amstelstraat hinterlassen.

Das Café De Kroon hatte 1898 am Rembrandtplein eröffnet, rechter Hand, wenn man von der Amstelstraat kommt. Heute noch gehört es zu den populären Adressen am Platz. Damals wussten alle, dass der Name De Kroon die achtzehnjährige Wilhelmina aus dem Haus Oranien ehrte, die acht Jahre nach dem Tod ihres Vater, König Wilhelm III., im September 1898 Königin der Niederlande wurde. Die Hauptstadt huldigte ihr zum Amtsantritt feierlich in der Nieuwe Kerk und schenkte ihr eine goldene Kutsche. 1901 heiratete Königin Wilhelmina einen deutschen Landedelmann, Herzog Heinrich von Mecklenburg-Schwerin. Die königliche Familie, im Palais Huis ten Bosch in Den Haag zuhause, kam drei- bis viermal im Jahr in die Hauptstadt und nahm im Königlichen Schloss am Dam Wohnung. Königin Wilhelmina, eine eigenwillige Persönlichkeit, wird uns all die Jahre begleiten.

Rechts von De Kroon etablierte sich 1904 das Rembrandttheater. Es bot, was das Publikum besonders schätzte: deutsche Operetten und Berliner Revuen, bevorzugt mit deutschen Künstlern. Von den Originalaufführungen in Berlin wurden die großen Finale kopiert. Als 1904 der Kabarettist Rudolf Nelson in Berlin mit seinem »Ladenmädel« – »Erst kommen die Blusen, die Kleider…« – einen Erfolgsschlager landet, war das Lied wenig später in Amsterdam ein Hit. Im Theater Carré an der Amstel, wo der Zirkus Carré nur im Winter auftrat, hatte man seit 1900 ebenfalls mit Operetten und Revuen Erfolg. Gegen Abend strömten die Gäste ins Hotel Krasnapolsky, denn zum Diner – und anschließend zum Tanz – spielte das »Wiener Damenorchester von Frau Roll« Wiener Walzer und die beliebtesten Stücke der Wiener Operetten.

Rembrandtplein um 1910: jeden Abend füllen sich hier die Revue-Theater und Cafés

Am Sonntag war Amsterdam eine ernste Stadt. Die Calvinisten gingen am Vormittag und am Nachmittag für je einen langen Gottesdienst in die Kirchen, öffentliche Vergnügungen waren verboten. Doch einen Ort gab es, wo es sonntags gesellig, lebhaft und lustig zuging. Der Markt im alten Judenviertel rund um die Jodenhouttuinen und in den umliegenden engen Straßen Richtung Uilenburg und Oudeschans war ein Amsterdamer Markenzeichen. Ein Trödelmarkt, auf dem alles angeboten wurde, von alten und neuen Fahrrädern, Uhren und Porzellan, einzelnen Schuhen bis zu rostigen Nägeln.

Die Händler umgarnten ihr Publikum mit komödiantischen Einlagen; Quacksalber priesen mit lauter Stimme ihre Wundermittel an. Straßenbahn-Linie 8, die seit 1905 durch die Jodenbreestraat fuhr, hängte einen extra Beiwagen an, denn die nichtjüdischen Amsterdamer drängten ins Judenviertel, um der Sonntagslangeweile zu entkommen. Es waren vor allem die Männer, so wurde gewitzelt, die sonntags auf dem Judenmarkt den ausgedienten Plunder kauften, den ihre Frauen die Woche über an jüdische Straßenhändler verscherbelt hatten.

Am Montagmorgen war der Markt am Amstelveld, Ecke Reguliers- und Prinsengracht, ein beliebtes Ziel. Ein bronzenes Standbild erinnert dort an »Professor Kokadorus«, der eigentlich Meijer Linnewiel hieß und seit seinem vierzehnten Geburtstag 1881 auf dem Amstelveld stand. Kokadorus beherrschte die Kunst, alles, wirklich alles zu verkaufen – mit Geschichten, Witzen, Sketchen und angeblichen Informationen aus höchsten Kreisen: »Als ich letzte Woche zum Tee bei der Königin war …« 1906 feierte der stadtbekannte fromme Jude sein Silbernes Jubiläum als Marktverkäufer. Bis zu seinem Tod 1934 stand er jeden Montag am Amstelveld auf einer Kiste und erzählte seine unerschöpflichen Geschichten.

Wem das Markttreiben zu laut und unruhig war, der fand im Judenviertel nur wenige Minuten entfernt einen Ort, wo auch Geschäfte gemacht wurden, aber der Lebenstakt ruhiger schlug: die Jodenbreestraat. Hier standen solide vierstöckige Häuser mit schönen Wohnungen und Geschäften mit breiten Auslagen, soliden Waren und Sonnenjalousien. Hier konnte man seinen gesamten Hausrat erstehen, feine Kleidung und kostbaren Schmuck. Längs der Bordsteinkante am Bürgersteig standen hölzerne Handkarren, auf denen Gemüse und Obst kunstvoll aufgeschichtet waren. Vom westlichen Ende der Jodenbreestraat grüßt der schlanke schmucke Turm der Zuiderkerk, und im Osten der breite Bau der portugiesischen Synagoge.

In der Jodenbreestraat war für Armut kein Platz. Doch mit wenigen Schritten in die umliegenden engen Gassen war man unübersehbar im Elend, es stank aus den Grachten, die übervoll waren mit Abfällen. Die Kinder hier lebten fast nur auf der Straße, im Durchschnitt kamen zehn Personen auf einen Raum der baufälligen Häuser. Auch die Kellerräume waren mit Menschen überfüllt, jeder Gang über die morschen Treppen im Innern war gefährlich. Es gab kein fließendes Wasser, keine Toiletten, geschweige denn eine Heizung. Doch was die städtische Verwaltung im Einklang mit der Gesellschaft lange als gottgegeben hingenommen hatte, wurde immer stärker als Skandal empfunden.

Ein Wohnungsgesetz eröffnete 1901 erstmals die Möglichkeit, verfallende Häuser zu enteignen. Wohnungsbaugenossenschaften wurden gegründet, um solide Wohnungen zu bauen, deren Mieten für Arbeiter, Handwerker und kleine Beamte erschwinglich waren. 1903 fasste der Gemeinderat von Amsterdam zwei Beschlüsse: Die Wohnungen auf Uilenburg sollen abgerissen, das Viertel saniert werden. Für die Bewohner von Uilenburg wird im Südosten der Stadt, unterhalb vom Bahnhof Muiderpoort und jenseits der Bahnlinie, ein komplett neuer Stadtteil gebaut – Transvaalbuurt, das Transvaalviertel.

Alles braucht seine Zeit. 1910 beginnen in Uilenburg die Enteignungsprozesse; 1916 kann mit dem Abriss der Häuser und teilweiser Sanierung begonnen werden. Zeitlich parallel entstanden im Transvaalviertel, längs der Linnaeusstraat und in der neu angelegten Pretoriusstraat, die ersten Wohnblocks durch private Initiative. Dann engagieren sich die jüdische Genossenschaft »Handwerkerfreundeskreis« und der sozialdemokratische »Allgemeine Wohnungsbauverein« großflächig zwischen Tugelaweg und Transvaalkade.

Als Monne de Miranda 1911 für die Sozialdemokraten in den Gemeinderat von Amsterdam gewählt wird, zieht der ehemalige Diamantschleifer mit seiner Frau Selly und drei Kindern in die Pretoriusstraat in der Transvaalbuurt; erst in die Nummer 48, dann in die 71. Die Familie fühlt sich wohl hier, es ist fast das vertraute Milieu wie im Judenviertel in der Innenstadt. 1919 wird Monne de Miranda im Amsterdamer Magistrat zum Beigeordneten für die Lebensmittelversorgung gewählt, kein Grund, aus dem vertrauten Quartier fortzuziehen.

II

Monne de Miranda und die »Amsterdamer Schule« – Königin Wilhelmina und die Olympischen Spiele – Pastor Kuyper und die »Versäulung« – Dazu Jazz und andere neue Töne

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