Leichenschmaus und Katerfrühstück - Christiane Martini - E-Book

Leichenschmaus und Katerfrühstück E-Book

Christiane Martini

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  • Herausgeber: Midnight
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

Ein ominöser Todesfall erschüttert Sylt – Kater Apollo ermittelt Melinda ist fassungslos. Ganz unerwartet ist ihre gute Freundin Hilde gestorben und sie erbt deren Haus auf Sylt und den schlauen Kater Apollo. Also macht sich Melinda von ihrer Wahlheimat Venedig auf an die Nordseeküste. Doch der Neustart auf der Insel ist schwieriger als gedacht. Die Inselbewohner beäugen Melinda misstrauisch, sie munkeln, dass Hilde ermordet wurde. Auch Melinda kann nur schwer an einen natürlichen Tod ihrer Freundin glauben. Als sie Drohbriefe erhält, ist klar, dass hier etwas nicht stimmt und jemand sie von der Insel vertreiben will. Etwa Hildes Mörder? Zum Glück gibt es Kater Apollo, der immer den richtigen Riecher hat und zusammen mit Melinda und Dorfpolizist Kai Hansen die Ermittlungen aufnimmt. Schon bald offenbaren sich ihnen höchst kriminelle Machenschaften und die Idylle Sylts gerät ins Wanken. Perfekt für alle Fans von gemütlichen Krimis und tierischen Detektiven!

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Leichenschmaus und Katerfrühstück

Die Autorin

Christiane Martini ist Musikerin, Komponistin und Autorin. Sie liebt es, an ihrem Schreibtisch mit Blick in den Garten zu sitzen und an ihren vielfältigen Projekten zu arbeiten. Dazu gehören musikalische Lehrwerke, amüsante Cosy Crimes, Historische Romane, Familienromane, Katzenromane, Philosophische Romane, Kurzgeschichten, Drehbücher und ein Schreibkurs. Sie veröffentlichte bei Piper, Gmeiner und dotbooks. Mit ihrer Tochter gründete sie 2021 die Plattform Writers Concept, mit der sie angehende Autor*innen unterstützen möchte. Sie erhielt Auszeichnungen als Lehrerin, ein Stipendium für ein Lehrwerk und einen kulturellen Förderpreis ihrer Heimatstadt. Mit ihrer Familie und Beagle Buddy lebt sie in der Nähe von Frankfurt.

Das Buch

Melinda ist fassungslos. Ganz unerwartet ist ihre gute Freundin Hilde gestorben und sie erbt deren Haus auf Sylt und den schlauen Kater Apollo. Also macht sich Melinda von ihrer Wahlheimat Venedig auf an die Nordseeküste. Doch der Neustart auf der Insel ist schwieriger als gedacht. Die Inselbewohner beäugen Melinda misstrauisch, sie munkeln, dass Hilde ermordet wurde. Auch Melinda kann nur schwer an einen natürlichen Tod ihrer Freundin glauben. Als sie Drohbriefe erhält, ist klar, dass hier etwas nicht stimmt und jemand sie von der Insel vertreiben will. Etwa Hildes Mörder? Zum Glück gibt es Kater Apollo, der immer den richtigen Riecher hat und zusammen mit Melinda und Dorfpolizist Kai Hansen die Ermittlungen aufnimmt. Schon bald offenbaren sich ihnen höchst kriminelle Machenschaften und die Idylle Sylts gerät ins Wanken.

Christiane Martini

Leichenschmaus und Katerfrühstück

Ein Sylt-Krimi

Kriminalroman

Midnight by Ullsteinmidnight.ullstein.de

Originalausgabe bei MidnightMidnight ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH,Berlin Juli 2021 (1) © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2021Umschlaggestaltung:zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®Autorenfoto: © privatE-Book powered by pepyrus.comISBN 978-3-95819-311-6

Emojis werden bereitgestellt von openmoji.org unter der Lizenz CC BY-SA 4.0.

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Widmung

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Epilog

Danksagung

Leseprobe: Dünen, Diebe, Dorfgeplänkel

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Widmung

Widmung

Für meine wundervolle Familie

Prolog

Hilde hatte schlecht geschlafen. Sie saß mit einem dampfenden Becher Friesentee und einem Teller Pralinen in Jeans, ihrem Lieblingssweatshirt und nackten Füßen in den frühen Morgenstunden auf dem blau gestreiften Sofa. Sie hatte die Beine angewinkelt und schaute hinaus in den Garten. Es war schon hell, aber der Tau ruhte noch auf dem Rasen und den Pflanzen. Sylt schlief.

Die Terrassentür war einen kleinen Spalt weit geöffnet und die frische Morgenluft kam hinein. Apollo war nirgends zu sehen, sie vermutete, dass ihr schwarzer Kater zu einem Frühspaziergang hinausgeschlichen war. Das tat er fast jeden Morgen.

Hilde war sehr früh erwacht und grübelte seitdem über die Galerie Diercksen nach. Am späten Vormittag würde sie den Galeristen noch einmal aufsuchen und zur Rede stellen, denn sie hatte an zwei Bildern, die sie dort gekauft hatte, eine Entdeckung gemacht, die sie nicht hinnehmen konnte. Sie nippte an ihrem Tee, der inzwischen etwas abgekühlt war, und steckte sich die letzte Praline in den Mund. Sie seufzte genüsslich, doch verspürte sie plötzlich einen unangenehmen Druck auf der Brust. Sie rang nach Luft und machte ein paar Schritte zur Terrassentür hin. Da durchfuhr sie ein heftiger Stich im Rücken. Sie hielt sich vornübergebeugt am Sessel fest, aber die Kraft in ihren Beinen gab nach. Sie sackte in sich zusammen und fiel seitwärts auf den Boden.

Ihr Blick ging nach draußen, in ihren geliebten Garten, in dem sie so gerne ihre Zeit verbrachte. Da huschte unerwartet Apollo herein. Sie sahen einander an und spürten beide die Wärme und Liebe, die sie miteinander verband. Ein weiterer Stich durchfuhr Hilde, ihr Körper verkrampfte sich. Apollo schoss auf schnellen Pfoten zu ihr. Doch es war zu spät. Ein letztes Lächeln huschte über ihr Gesicht, dann schloss Hilde für immer die Augen.

Kapitel 1

Bin gleich wieder da, der Schlüssel liegt unter dem Blumentopf. Gruß Bettina Thomsen

Diese Zeilen waren auf einen kleinen Zettel geschrieben. Er war mit einem Klebestreifen am Gartentor befestigt und flatterte im frischen Nordseewind hin und her.

Melinda las die Nachricht und atmete tief durch, dann drückte sie die Klinke hinunter und ging langsam auf das reetgedeckte Haus zu. Es schien, als wolle es sich hinter dem hohen Schilfgras verstecken, das im Vordergarten wuchs. Sie stellte ihren roten Koffer ab und blickte sich um. Das Grundstück sah verwildert aus, der Rasen war hochgewachsen, Klee und blühendes Unkraut lugten hervor. Über einem Kieselsteinweg wucherten Rosen und unter den Obstbäumen lagen Äpfel.

»Was für eine Idylle«, dachte Melinda, genauso hatte sie es in Erinnerung.

Melinda mochte wilde Gärten und eben diesen ganz besonders.

Sie schaute wehmütig zur grünen Friesentür hinüber und sah Hilde vor sich, wie sie lächelnd, mit ausgebreiteten Armen aus dem Haus auf sie zukam und sie willkommen hieß. Heute öffnete sich die Tür nicht, denn Hilde war plötzlich und unerwartet verstorben.

Melinda war tief bestürzt gewesen, als sie ein Schreiben des Notars erhalten hatte. Er stellte darin sachlich Hildes Tod fest und fügte ihren letzten Willen an: »Mein Haus mit seinem gesamten Inventar und meinem geliebten Apollo, vermache ich meiner Freundin Melinda.«

Die Nachricht über Hildes Tod hatte Melinda in eine tieftraurige Stimmung versetzt. Wie ein Film waren Bilder gemeinsamer Erlebnisse an ihr vorbeigezogen. Sie hatte sich Vorwürfe gemacht, dass sie ihre Freundin lange nicht besucht hatte. Aber wie hätte sie ahnen können, dass diese so plötzlich sterben würde.

Über die genaue Todesursache hatte der Notar nichts geschrieben. Es war ein Rätsel für Melinda. Noch vor Kurzem hatte sie mit Hilde telefoniert. Da war sie putzmunter gewesen und hatte Pläne für eine Schiffsreise nach Norwegen gemacht.

Ob sie Melinda etwas verschwiegen hatte? Eigentlich standen sie sich sehr nahe. Obwohl Melinda seit einigen Jahren in Venedig lebte, hatten sie sich fast täglich geschrieben.

Melinda hatte sich in der Lagunenstadt mit ihrem Mann eine Wohnung im Viertel Dorsoduro gekauft. Für sie als Schriftstellerin lebte es sich dort ausgesprochen gut, denn die ungewöhnliche Atmosphäre der Serenissima ließ sich wunderbar in ihre Romane einarbeiten.

Im letzten Jahr war ihr Mann Gregor unerwartet an den Folgen eines Herzinfarktes gestorben. Hilde war für einige Wochen nach Venedig gereist, um ihr beizustehen. Sie hatte versucht, Melinda zu überreden, ihre Wohnung zu verkaufen und nach Deutschland zurückzukehren. Aber das hatte Melinda nicht fertiggebracht. Es tat zu weh, diese neu gewonnene Heimat aufzugeben.

Einige Zeit später hatte sich Melinda dann aber doch entschlossen, für ein paar Monate nach Deutschland zu reisen, denn sie hatte von ihrem Verlag den Auftrag erhalten, einen Nordseekrimi zu schreiben. Der Versuch, sich in Venedig in nordische Stimmung zu versetzen, war gescheitert. Die Entscheidung war ihr am Ende aber nicht mehr schwergefallen, denn sie fühlte sich seit ein paar Wochen von einem Unbekannten beobachtet und verfolgt. Er war ihr aufgefallen, weil er sie aus einem Café heraus anstarrte. Er sah gut aus, mit seinen blonden, etwas längeren Haaren, aber die Art, mit der er sie ansah, empfand sie als unangenehm. Seltsamerweise hatten sich ihre Wege von diesem Tag an häufig gekreuzt. Das konnte kein Zufall sein und machte Melinda Angst.

Den Brief vom Notar sah Melinda deshalb als Wink des Schicksals an. Sie hoffte, dass sie ihre Schreibblockade auf Sylt überwinden und ihre Ausgeglichenheit wiederfinden würde. Außerdem war sie froh, sich dem aufdringlichen Unbekannten entziehen zu können.

Die Möbel in Venedig hatte sie vorübergehend mit weißen Leinentüchern zugedeckt. Bevor sie die Tür hinter sich ranzog und abschloss, versprach sie, bald zurückzukehren. Schweren Herzens, aber mit einer Prise Neugierde und großer Motivation für ihr neues Nordsee-Schreibprojekt machte sie sich dann auf die Reise nach Sylt.

»Ach, Hilde, wie schön wäre es, wenn du jetzt da wärst.«

Eine übermütige Nordseeböe rüttelte an Melindas kurzem Mantel und riss sie aus ihren Gedanken. Sie stellte ihren Kragen auf und rieb die Hände aneinander. Vorsichtshalber hatte sie den roten Trenchcoat angezogen, aus Hildes Berichten wusste sie, dass häufig ein starker Wind um die Häuser wehte.

In Venedig war es in den letzten Tagen sonnig und sehr heiß gewesen. Auf Sylt hingegen herrschte ein Wechsel aus üppigen Wolken und wenigen Sonnenstrahlen, die versuchten, sich durch sie hindurch zu mogeln.

Melinda wollte nicht über das Wetter nörgeln. Ohnehin war niemand da, der ihr zugehört und eventuell ein wenig Verständnis gehabt hätte. Obwohl, wo war eigentlich Hildes Kater Apollo?

Der Notar hatte seinem Schreiben ein paar Fotos von ihm beigefügt. Sie wusste von dem schlauen Kater aus Hildes Erzählungen. Er hatte im letzten Jahr zitternd und vor Hunger miauend vor ihrer Tür gesessen. Sie hatte ihn aufgepäppelt und gleich ins Herz geschlossen. Ihre Befürchtungen, es könnte jemand nach ihm suchen, bewahrheiteten sich glücklicherweise nicht. Sie vermutete, dass er ein Urlaubskater war. Vielleicht hatte ihn seine Familie vergessen. Womöglich war Apollo herumgeschlichen und nicht rechtzeitig zurückgekehrt, als es an die Heimreise ging.

Der schwarze Kater war Hildes treuer Freund geworden und fast immer an ihrer Seite gewesen. Aber wie würde er auf Melinda reagieren?

Sie hatte sich im Vorhinein überlegt, dass man einem Kater gewiss vortrefflich sein Herz ausschütten konnte. Sie hoffte, dass sie sich schnell annähern und aneinander gewöhnen würden. Der Gedanke, ihn als Wegbegleiter an ihrer Seite zu haben, gefiel ihr und beruhigte sie etwas.

Mit Katzen hatte sie allerdings keine große Erfahrung. Wegen Apollo hatte sie aber etwas über die Samtpfoten recherchiert, nun wusste sie zumindest, welches Futter Katzen mochten. So wie sie Hilde einschätzte, hatte ihre Freundin einen kleinen Vorrat für ihn angelegt.

In Venedig waren ihr die vierbeinigen Streuner fast täglich begegnet. Sie schlichen herum und gehörten ebenso wie die Tauben zum Stadtbild. Besonders gerne belagerten sie den Fischmarkt und hofften auf Häppchen.

»Leider habe ich keinen Fisch bei mir.« Dieser Gedanke erschien ihr im gleichen Moment aber etwas abwegig. Sie schüttelte den Kopf über sich. »Wie locke ich Apollo nur zu mir? Ob er unter irgendeinem Busch hockt und mich beobachtet?«

Da hörte sie ein Scheppern.

»Katerchen, Katerchen, bist du das? Wo steckst du denn?«

»So werden Sie ihn bestimmt nicht anlocken.«

Melinda fuhr erschreckt herum. Am Gartentor stand der Briefträger neben seinem Fahrrad und blickte sie finster an.

»Man lockt Katzen überhaupt nicht an, wissen Sie das nicht?« Der Mann sah streng aus. »Katzen sind eigenwillige Tiere mit einem sehr ausgeprägten Charakter. Die kommen und gehen, wann sie wollen, es sei denn, es ist Zeit zum Fressen.«

»Das habe ich mir schon gedacht.« Melinda versuchte freundlich zu sein. Sie wollte auf keinen Fall direkt bei ihrer Ankunft Streit und schon gar nicht mit dem Briefträger. Der kam überall herum und wenn er schlecht über sie reden würde, hätte sie keinen guten Start. Das musste sie vermeiden. Sie lächelte ihn an und ging zum Gartentor. »Darf ich mich vorstellen, Melinda Harries ist mein Name.« Sie reichte ihm die Hand. »Ich bin, also, ich war Hildes Freundin. Also irgendwie bin ich es ja immer noch, auch wenn sie...«

Er schaute sie abschätzend an und musterte sie von Kopf bis Fuß. »Sie sind die Erbin, das habe ich mir gleich gedacht, als ich Sie da mit dem Koffer stehen sah. Moin!« Er ergriff nicht ihre Hand, er lächelte nicht, er ließ sie stehen.

Melinda schaute ihm hinterher und stieß einen frustrierten Seufzer aus. So etwas in der Art hatte sie befürchtet.

»Machen Sie sich nichts aus ihm.« Eine Frau mit fröhlicher Stimme kam schräg über die Straße geeilt. Sie reichte Melinda über das Tor hinweg die Hand und riss gleichzeitig den Zettel ab. »Herzlich willkommen, Frau Harries. Ich habe Ihren Namen gerade gehört, als Sie mit Ole Sommerfeld, unserem Briefträger, sprachen. Nehmen Sie es ihm nicht übel, er ist Fremden gegenüber immer etwas misstrauisch. Außerdem mochte er Hilde sehr gerne, die zwei haben morgens des Öfteren mal die Köpfe zusammengesteckt, sich famos unterhalten und das eine oder andere Likörchen miteinander gepichelt.«

Melinda nickte wissend. Ihr fiel ein, dass Hilde ihren Briefträger als freundlichen, eloquenten Mann beschrieben hatte. Sie konnte kaum glauben, dass ihre Freundin den stoffligen Kerl von eben gemeint haben könnte.

»Darf ich fragen, wer Sie sind?«

»Entschuldigung, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Bettina Thomsen, meine Physiotherapiepraxis ist gleich dort drüben.« Sie zeigte auf ein hübsches Haus mit einem rosablühenden Hortensienbusch im Vorgarten. »Ich war mit Hilde befreundet. Als ich vor zwei Jahren meine Praxis eröffnet habe, hat sie mir sehr geholfen, ich hatte große Schwierigkeiten Patienten zu finden. Als Zugezogene hat man es hier in Keitum nicht leicht. Es gibt so viele gut betuchte Leute und Prominente auf der Insel. Die Sylter, die hier schon lange wohnen, halten zusammen. Die schauen ganz genau über den Gartenzaun und wollen wissen, was beim Nachbarn so los ist.« Sie öffnete das Tor und schnappte sich Melindas Koffer. »Kommen Sie, ich zeig Ihnen das Haus. Apollo wird etwas herumstreunen, der Kater ist gerne mal auf Entdeckungstour unterwegs, da dürfen Sie sich nicht wundern. Der ist spätestens wieder da, wenn er Hunger hat.« Sie schaute auf ihre Uhr. »Schätzungsweise in einer halben Stunde.«

Frau Thomsen ging nun zu einem Blumenkübel hinüber, zog darunter einen Schlüsselbund hervor und reichte ihn Melinda. »Der gehört nun Ihnen, passen Sie gut darauf auf. Falls Sie sich mal ausschließen, können Sie gerne bei mir klingeln, Hilde hat mir einen Zweitschlüssel gegeben. Ihr war das sicherer, weil ihr der Schlüssel mal aus der Tasche gerutscht ist, als sie im Garten war. Hilde hatte Sonnenblumen für eine Freundin abschneiden wollen, in dieser Zeit hatte sie die Haustür offen stehen lassen. Tja, es gab unerwarteten Durchzug und schwups fiel die Tür zu. Ausgerechnet an diesem Tag hatte Hilde alle anderen Türen und Fenster verschlossen. Sie konnte nicht wieder hinein und musste eine Scheibe einschlagen, darüber hat sie sich sehr geärgert. Deswegen hat sie dann den Zweitschlüssel bei mir abgegeben.«

Melinda war bisher nicht zu Wort gekommen, Bettina Thomsen plapperte in einem fort und zog den Koffer hinter sich her, der auf dem unebenen Boden hin und her tänzelte. Aber sie war ihr für die freundliche Begrüßung dennoch sehr dankbar. Die Schlüssel steckte sie in die Manteltasche.

»Ihr Koffer ist ganz schön schwer, aber Sie wollen ja bestimmt auch eine Weile bleiben. Sind Sie schon mal hier gewesen?« Frau Thomsen schaute Melinda neugierig an.

»Das ist schon länger her, leider. Ich wünschte, ich könnte Hilde gleich in die Arme schließen.«

»Tja, manchmal kommt der Tod schneller als man denkt«, murmelte Bettina Thomsen, schloss die Haustür mit dem Ersatzschlüssel auf, den sie extra eingesteckt hatte, und öffnete sie ein Stück.

Melinda zog die Augenbrauen nach oben. Sie fand die Bemerkung unpassend, erwiderte aber nichts darauf. »Es ist sehr nett, dass Sie mir so freundlich geöffnet haben, vielen Dank. Ich komme jetzt auch gut allein zurecht.« Sie wollte das Haus mit seinen Erinnerungen gerne ohne eine fremde Person auf sich wirken lassen.

»Aber natürlich. Bestimmt sind Sie von der weiten Reise schrecklich müde. In den nächsten Tag müssen Sie mir unbedingt von Venedig erzählen, ich war noch nie dort. Vielleicht darf ich zu einer Tasse Tee vorbeikommen, oder Sie klingeln bei mir, wenn Ihnen nach Gesellschaft ist.«

»Danke für Ihr Verständnis und die Einladung.« Melinda reichte Frau Thomsen die Hand. Sie brauchte jetzt Ruhe. Der Flug bis Hamburg und die anschließende Weiterfahrt mit dem Zug waren anstrengend gewesen.

»Ich habe den Kühlschrank gefüllt.« Frau Thomsen zeigte mit einem strahlenden Lächeln ihre weißen, ebenmäßigen Zähne. »Wenn Sie etwas brauchen, um die Ecke ist ein kleiner Laden.«

»Den kenne ich, danke. Wenn ich etwas benötige, komme ich vorbei. Ich weiß ja jetzt, wo Sie wohnen.«

»Ach bitte machen Sie das, Sie sind jeder Zeit herzlich willkommen.« Bettina Thomsen ging fröhlich den Kiesweg zurück und verschwand winkend durch das Gartentor.

Melinda atmete tief durch und dachte zugleich: »Puh. Diese freundliche Überschwänglichkeit ist mir heute echt zu viel. Aber es ist gut, dass ich eine hilfsbereite Person in meiner Nähe habe.« Sie ertastete den Schlüsselbund in ihrer Manteltasche. »Ach, Hilde«, flüsterte Melinda und seufzte, aber für trübsinnige Gedanken blieb keine Zeit, denn im Haus klingelte das Telefon. Etwas zögernd trat sie ein. Es stand direkt neben der Tür auf einer schmalen Kommode. Sie nahm es zur Hand und ging reflexartig wieder nach draußen. »Pronto, ich meine, hallo? Mit wem spreche ich?«

Eine tiefe Männerstimme unterbrach sie unfreundlich: »Ich bin’s. Das hätten Sie nicht tun sollen.«

»Ähm, was meinen Sie? Mit wem spreche ich? Könnten Sie mir bitte erst mal sagen, wer Sie sind?«

»Stellen Sie sich nicht dumm, Sie haben etwas, das mir gehört!«

»Bitte? Ich glaube, hier liegt ein Missverständnis vor.«

Am anderen Ende erklang ein hämisches Lachen. »So würde ich das nicht nennen. Ich warne Sie, entweder Sie händigen es mir freiwillig aus, oder ich hole es mir persönlich ab, und zwar dann, wenn Sie nicht damit rechnen.«

»Das soll ja jetzt wohl keine Drohung sein!«

»Doch! Sie haben mich richtig verstanden. Sie werden mich kaum bemerken, ich werde lautlos sein, wie ein Schatten und dann...«

»Jetzt ist es aber genug, worum geht es überhaupt?«

»Sie haben die Wahl: Donnerstag, elf Uhr in Keitum am Bahnhof, Gleis eins, oder...«

»Oder was?«

Statt einer Antwort legte der Typ eiskalt auf.

Sie schluckte. »Himmel noch mal, wer war das? Und was wollte der von mir?Hilde, hast du irgendetwas angestellt, das ich wissen sollte?!« Aufgewühlt schüttelte sie den Kopf, da hörte sie ein lautes Miauen. Beklommen schaute sie sich um, das musste Apollo sein. Schnell brachte sie das Telefon zurück, zog die Tür hinter sich zu und blickte sich im Garten um. Tatsächlich, nicht weit von ihr entfernt saß ein großer schwarzer Kater neben einem Blumenkübel und sah sie aufmerksam an.

Melinda sank auf ihren Koffer und schaute ihm tief in die Augen. »Du bist aber ein hübscher Kerl, du musst Apollo sein.«

Für einen Moment vergaß sie das seltsame Telefongespräch. »Wenn ich eine Katze wäre, würde ich mich augenblicklich zu deinen Verehrerinnen zählen.« Sie zwinkerte ihm zu. »Bestimmt hast du einige davon.«

Der Kater spitzte die Ohren und hob das Kinn etwas an. Sie betrachtete ihn.

»Na, willst du mir sagen, dass ich damit richtigliege? Ich habe keine Erfahrung mit Katzen und Katern, musst du wissen. Wenn ich in nächster Zeit etwas falschmache und du irgendetwas Bestimmtes von mir möchtest, dann zeig es mir. Ich würde mich gerne gut mit dir verstehen, so wie es dein Frauchen getan hat.« Ihr traten Tränen in die Augen, sie war überrascht, dass sie so emotional reagierte. »Das liegt bestimmt an der ungewohnten Umgebung und dem durchgeknallten Typen. Eigentlich galt die Drohung wohl Hilde, das tut nur leider nichts zur Sache. Schließlich bin ich die Erbin und wenn der Typ nachts vorbeikommt, wird er mich bestimmt nicht nach meinem Namen fragen, sondern kaltblütig mit einem Kissen ersticken.« Sie fuhr sich aufgebracht durch die Haare,die Krimiautorin ging mal wieder mit ihr durch.

Mit zittrigen Fingern putzte sie sich die Nase. Da spürte sie neben sich einen Ruck auf dem Koffer. Apollo war hinaufgesprungen und saß nun dicht neben ihr.

Sie fühlte seine Wärme, das tat so gut, sie traute sich kaum zu atmen. Was sollte sie jetzt tun? Den Arm um den schwarzen Kater legen, erschien ihr seltsam, ihn zu streicheln ebenso. Sie blieb still sitzen und plauderte mit ihm. »Wir werden Freunde, das spüre ich. Du bist bestimmt wegen Hilde genauso traurig wie ich, vielleicht sogar noch ein bisschen mehr, schließlich bist du jeden Tag an ihrer Seite gewesen. Sie muss dir unglaublich fehlen. Wir schaffen das, wir zwei, hm? Was meinst du?«

Apollo wandte ihr sein Gesicht zu und schaute sie mit seinen schönen Augen an. Dann rieb er sachte seine Nase an ihrer Hand und schnurrte. Er hatte ein hübsches Gesicht mit unglaublich markanten Schnurrbarthärchen. Jedes einzelne konnte sie genau erkennen.

Als sie da so einträchtig nebeneinandersaßen, lächelte Melinda zuversichtlich, sie würde sich einleben und wieder schreiben. Doch im gleichen Moment fiel ihr der Typ am Telefon ein.

»Was mache ich, wenn er wirklich vorbeikommt?«, dachte sie voller Schrecken.

Einen Augenblick blieben Melinda und Apollo auf dem Koffer sitzen. Doch dann gaben beide ihren Platz auf.

Apollo verschwand zielstrebig hinter dem Haus, Melinda seufzte tief und folgte ihm. Als sie um die Ecke bog, hockte er auf der Terrasse neben seinem Näpfchen und schaute sie erwartungsvoll an.

Kapitel 2

Apollo war unglaublich aufgeregt gewesen, während er auf Melinda im Garten gewartet hatte. Zusammengekuschelt unter einem Ligusterbusch hatte er sie bestens im Blick gehabt. Dort war sein Lieblingsplatz, denn die Blüten der Hecke dufteten so wunderbar. Außerdem konnte er von dort aus die vorbeigehenden Leute, die gerne mal neugierig über den Zaun sahen oder mitunter auch stehen blieben und sorgenvoll zum Haus hinüberschauten, sehr gut beobachten.

Bettina Thomsen hatte sich, seit dem Tod seines Frauchens Hilde, sehr fürsorglich um ihn gekümmert.

Dorfpolizist Kai Hansen hatte ihn in ein Tierheim geben wollen, aber das hatte Bettina nicht übers Herz gebracht. Er war ihr sehr dankbar dafür. Sicher hatte sie seine tiefe Verzweiflung gespürt.

Hildes Tod war so plötzlich gekommen und ganz und gar nicht vorhersehbar gewesen, denn ihr war es gut gegangen. Irgendetwas stimmte für ihn da nicht. Viele Male hatte Apollo über diesen Tag und die Zeit davor nachgedacht. Ihm war eingefallen, dass sein Frauchen einen Brief geschrieben hatte, den sie anschließend in ihren Sekretär gelegt hatte. Er hatte Hilde noch genau vor Augen: Während sie den Brief las, schüttelte sie den Kopf und wirkte verärgert.

Er hatte angenommen, dass es sich vielleicht um eine hohe Rechnung handeln könnte, das kam immer mal vor. Inzwischen vermutete er aber, dass der Inhalt des Briefes ein ganz anderer war. Er würde versuchen, Melinda auf ihn aufmerksam zu machen, bestimmt würde sie sich irgendwann an den Sekretär setzen.

Außerdem hatte Hilde, ein paar Tage bevor sie starb, eine Schachtel mit Pralinen geschenkt bekommen. Leider hatte er nicht mitbekommen, wer sie ihr gegeben hatte. Sein Frauchen liebte Pralinen. Um nicht gleich in Versuchung zu geraten, hatte sie die Packung ganz nach hinten in den Küchenschrank gelegt.

Apollo war dieses Präsent seltsam vorgekommen, er konnte sich auch nicht erklären, warum dies so war. Er hatte gehofft, dass Hilde die Schachtel vergessen würde. Inzwischen war er überzeugt, dass sie am Morgen ihres Todes eine oder auch mehrere Pralinen daraus genascht hatte. Ihm war buntes Glitzerpapier aufgefallen, das auf dem Küchentisch gelegen hatte.

»Warum bin ich auch ausgerechnet an diesem Tag zu einem Frühspaziergang unterwegs gewesen und erst zurückgekehrt, als es schon zu spät war«, ging es Apollo durch den Kopf.

Er würde nie den Moment vergessen, als er durch die Terrassentür zurück ins Haus schlich und sein Frauchen auf dem Boden gelegen hatte und nach Luft rang.

Noch Minuten zuvor hatte er gute Laune gehabt, die Luft war klar gewesen und er hatte frische Tautropfen von den Gräsern abgeschleckt. In aller Ruhe war er um die Maisfelder herumgeschlichen und war voller Freude über den schönen Morgen und darüber, wie gut es ihm bei Hilde ging. Und dann war auf einmal alles anders und sein Glück war wie eine Seifenblase zerplatzt.

Als Hilde da auf dem Boden gelegen hatte und plötzlich ganz ruhig geworden war, hatte er sie angestupst und zärtlich über ihr Gesicht und die Hände geschleckt, aber seine Versuche, sie zu wecken waren fehlgeschlagen, sie hatte keine Bewegung gezeigt. Schließlich war er in ihre Armbeuge gekrochen und hatte sich dort hinein gekuschelt, um ganz nah bei ihr zu sein. Die schlimmsten Befürchtungen waren ihm in den Sinn gekommen, so lange wie möglich hatte er bei ihr sein wollen. Irgendwann hatte es an der Tür geklingelt, da war er aufgesprungen und durch die Terrassentür nach vorne gewetzt. Es war der Briefträger gewesen, er hielt ein Einschreiben für

Hilde in der Hand. Apollo hatte ihn sekundenlang angesehen und war dann zurückgeeilt. Kurz darauf war ihm der Briefträger gefolgt. Als er Hilde tot vorgefunden hatte, war er völlig überfordert gewesen, alle Nummern, die ihm einfielen, hatte er angerufen: Die Polizei, den Krankenwagen und die Feuerwehr

Das war zu viel für Apollo gewesen, er hatte sich unter seinen Lieblingsbusch verkrochen und die Augen geschlossen, um nichts mehr zu sehen und zu hören. Leider war der Lärm, den die vielen aufgeregten Menschen veranstaltet hatten, nicht zu überhören gewesen.

Apollo machte sich immer wieder große Vorwürfe, dass er Hildes Tod nicht verhindert hatte. Beweise für seine Vermutungen, dass sie keines natürlichen Todes gestorben war, hatte er nicht. Der Arzt ging von plötzlichem Herzversagen aus. Der Bürgermeister, der ein guter Freund von Hilde war, akzeptierte diese Annahme nicht. Er war völlig durcheinander und äußerte, dass es keinerlei Anzeichen gegeben habe, dass sich Hilde in einem schwachen Gesundheitszustand befände. Er hatte eine Freundin und engagierte Person verloren, die sich um zahlreiche Hilfsprojekte gekümmert hatte.

Apollo schaute gerne bei Bettina Thomsen vorbei, sie war noch recht jung und arbeitete den lieben langen Tag in ihrer Praxis. Leider durfte er nur von draußen durchs Fenster blicken. Sie hatte Kunden mit einer Katzenhaarallergie und da durfte er natürlich nicht in den Räumen herumschleichen. An der frischen Luft fand er es ohnehin viel schöner.

Ach, er liebte die frische Nordseeluft, obwohl er ja ursprünglich aus Frankfurt kam. Dieser Abschnitt seines jungen Katerlebens lag viele Jahre zurück. Er hatte bei einer recht wohlhabenden Familie in einer Altbauwohnung gelebt. Zu dieser Zeit war er noch sehr klein gewesen, deshalb waren es nur wenige Erinnerungen, die ihm geblieben waren. Sie hatten ihn aus einem Wurf der Kirchenkatze bekommen und Caspar genannt, das wusste er. Diesen Namen hatten sie ihm gegeben, weil sein Vater der Küsterkater gewesen war und Caspar gerufen wurde.

Eines Tages hatte diese Familie bei einer Ausstellung im Frankfurter Römer ein Bild von einem jungen Maler gekauft. Er hieß Edgar Presius. Sie freundeten sich mit ihm an und luden ihn zum Essen ein. Irgendwann hatte die Familie eine Reise nach Kuba gebucht. Sie konnten und wollten Apollo nicht mitnehmen, deshalb fragten sie Edgar, ob er sich in dieser Zeit um Caspar kümmern könne. Edgar willigte ein. Seltsamerweise hatte ihn der Maler nie zurückgebracht und er hatte die Familie auch nie wiedergesehen. Warum dies so war, wusste Apollo bis heute nicht.

Edgar war freundlich zu ihm gewesen, er hatte ihm zu essen und zu trinken gegeben, aber die meiste Zeit war er sich selbst überlassen, spazierte durch die Gassen, sonnte sich auf Mauern und traf den einen oder anderen Katzenkumpel in Hinterhöfen. Edgar war fleißig und ein erfolgreicher Maler geworden. Er arbeitete mit einer Galerie auf Sylt zusammen. Zu seinem letzten Termin hatte er ihn mitgenommen und ohne eine Verabschiedung herzlos zurückgelassen. Apollo war tagelang herumgeirrt. Der Duft von Hildes Ligusterhecke hatte ihn angelockt. Und das war sein großes Glück gewesen. Denn sie hatte ihn nicht nur aufgenommen und aufgepäppelt, sondern als Freund angesehen, dem sie vertraute. Sie hatte ihm auch den Namen Apollo gegeben.

»Ein Kater ohne Namen, das geht nicht. Lass mich überlegen.«

Dann hatte sie ihn einen Moment betrachtet und ihm tief in die Augen gesehen. Schließlich hatte sie überzeugend gesagt: »Ich nenne dich Apollo. Ohne dich werde ich mich nie mehr einsam und allein fühlen. Weißt du, Apollo ist in der griechischen Mythologie der Gott der Poesie, der Heilung, des Frühlings und des Lichts. Da waren noch ein paar weitere Eigenschaften, die fallen mir aber gerade nicht ein, die werde ich später nachlesen. All das, was ich aufgezählt habe, passt ganz wunderbar zu dir.«

Nur durch ihre Liebe hatte Apollo überwinden können, dass ihn Edgar wohl vergessen hatte.

Es hatte so wehgetan, als sein Herrchen das Auto belud, den Kofferraum schloss und nicht mehr nach ihm rief. Stattdessen hatte er telefoniert und sein Gespräch mit: »Ja Schnucki, ja, ich denke daran«, beendet.

Wer Schnucki war, wusste Apollo nicht. Auch als Edgar eingestiegen und davongebraust war, hatte er sich nicht noch einmal nach ihm umgeschaut. Er schien an etwas ganz anderes zu denken, wahrscheinlich an Schnucki. Vielleicht hatte er auch einen neuen Auftrag in der Tasche, der ihm Kopfzerbrechen machte.

Apollo hatte auf ihn gewartet, zwei Tage lang. Er hatte das Grundstück nicht verlassen und in Kauf genommen, dass ihm ganz schwindelig vor Hunger und Durst wurde. Aber Edgar war nicht zurückgekehrt.

Apollo war über sich, sein Herrchen und all die Schwierigkeiten, die man als mittelloser Kater wohl haben würde, sehr unglücklich und stinksauer zugleich gewesen. Die Tage, die folgten, waren schlimm.

Aus seiner heutigen Sicht war es aber ein Segen gewesen, dass er geblieben war, denn er hatte Hilde kennengelernt. Das beste Frauchen auf der Welt.

Bettina hatte ihm sein neues Frauchen angekündigt und überschwänglich gelobt. »Melinda Harries ist eine sehr nette und warmherzige Person. Du musst dich nicht vor ihr fürchten. Sie ist zwar eine Krimiautorin und lässt in ihren Romanen gerne morden, aber sie schreibt mit sehr viel Liebe über die samtpfotigen Vierbeiner, die in Venedig leben.«

Diese Aussage hatte Apollo Mut gemacht und er wünschte sich, dass sie nicht nur sein neues Frauchen wurde, das ihm täglich sein Fresschen gab und ab und zu mal seine Öhrchen kraulte, sondern eine richtige Freundin, so wie Hilde.

Hilde war in dieser Hinsicht großartig gewesen.

Kapitel 3

»Bin gleich bei dir.« Melinda wetzte mit großen Schritten erneut um das Haus herum. Währenddessen zog sie den Schlüsselbund aus der Manteltasche. Ein kleiner Delfin baumelte neben vier Schlüsseln daran. Gewiss war er ein Talisman. Hilde liebte Delfine, das wusste Melinda. Sie hatte ihr selbst einmal einen aus Murano-Glas geschenkt. Einer der Schlüssel ließ von seiner Form her vermuten, dass es sich um einen Haustürschlüssel handele.

Fast lautlos schloss sie auf und trat in Hildes vertraute Umgebung ein. Zum Glück klingelte das Telefon diesmal nicht. Es roch angenehm, gar nicht nach Sterben und Vergänglichkeit. Ein leichter Duft von Hildes Lieblingsparfum war noch zu erahnen. Ordentlich und wohnlich sah es aus, fast so, als würde Hilde gleich um die Ecke kommen und Melinda einen warmen Kaffee und ein Stück ihrer leckeren Friesentorte anbieten. Instinktiv hielt Melinda den Atem an und lauschte. Sie hörte das Brummen und Glucksen des Kühlschranks und Apollos Gemaunze.

Melinda eilte zur Terrassentür und ließ ihn herein. »Katerchen, du hast bestimmt mächtigen Hunger, jetzt bekommst du dein Fresschen.«

Sie hoffte, dass Apollo in die Küche springen würde, um ihr zu zeigen, wo Hilde sein Futter aufbewahrte. Der Kater machte jedoch keine Anstalten, sich dorthin zu begeben. Er strich Melinda genussvoll schnurrend um die Beine und rieb seinen Kopf an ihren Fußgelenken.

»Du bist mir vielleicht ein verschmustes Kerlchen. Ich dachte, du hättest Hunger.« Sie bückte sich zu Apollo hinunter. »Na, zeigst du mir, wo dein Futter steht?«

In diesem Moment wurde es hell im Wohnzimmer, denn es schoben sich einige Wolkengebilde auseinander und machten Platz für die Sonne. Melinda war überrascht und berührt zugleich. Der Raum wirkte warm und gemütlich. Auch der Garten, der sich hinter der Terrasse öffnete, zeigte im hellen Sonnenlicht seine wahre Schönheit. Begeistert erhob sich Melinda und ging nach draußen.

Als sie den Nordseewind spürte und ein zarter Rosenduft sie in der Nase kitzelte, hatte sie plötzlich das Verlangen, diese Eindrücke sofort zu Papier zu bringen. Dieses Gefühl war ihr in der letzten Zeit abhandengekommen. Voller Tatendrang zog sie ihr kleines, rotes Ideenbüchlein aus der Jackentasche. Dorthinein schrieb sie immer Gedanken und Ideen zu neuen Buchprojekten.

Melinda schlug es an der zuletzt beschriebenen Seite auf. Wolken stand dort als Stichwort und salziger Duft des Meeres.

Sie konnte sich genau erinnern, wie sie vor einigen Wochen in Venedig in einem Café direkt am Wasser gesessen und hinüber zum Lido geschaut hatte. Es war heiß gewesen, die Luft klar und der Himmel wolkenlos und strahlend blau. Sie hatte einen Eiskaffee getrunken und immer wieder die Augen geschlossen, um sich vorzustellen, wie es in jenem Moment wohl an der Küste war. Sicher würden üppige Wolkenformationen vorüberziehen, sie waren es, die den Himmel der Nordsee so einzigartig machten. Melinda hatte fast vergessen, wie sie aussahen. Doch jetzt, als sie im Garten stand und zu ihnen hinaufschaute, wusste sie, wie sie diese beschreiben würde. Es waren dicke Wolkenpakete, die im Wind ihre Form veränderten. Alle paar Minuten konnte man etwas anderes darin erkennen. Gerade noch sah sie das Profil eines Schafes, doch während sie dorthin schaute, wehte ihm ein Ohr ab und wurde zum Schwanz eines Hundes. Dessen Kopf blieb aber im Verborgenen, denn die ganze Wolke verschmolz plötzlich mit einer anderen. Sie waren zum Greifen nah, auch dies war ein Phänomen, das Melinda nur von der Nordseeküste kannte.

Sie spürte, dass sich jemand an ihr Bein drückte. Es war Apollo. Er hatte sich dicht neben sie gesetzt.

»Ach Katerchen, du bist es.« Melinda schaute Apollo an, »in diesem Garten ist es wunderschön.«

Er hob seinen Kopf und sah zu ihr hinauf. In seinem Blick lag ein Ausdruck, der Melindas Herz erwärmte. Es schien, als wolle er sagen: »Lass dir Zeit, genieß den Moment der Ruhe.«

Er senkte seinen Kopf und schaute ebenfalls in den Garten.

»Du bist ein sehr ungewöhnlicher Kater. Weißt du, ich bin Schriftstellerin und möchte ein Buch schreiben, in dem ganz viel Nordseeatmosphäre steckt. In Venedig, dort wo ich die letzten Jahre gewohnt habe, konnte ich nicht die richtigen Worte finden. Ich war richtig frustriert, aber nun bin ich hier und ich glaube, ich kann wieder schreiben. Für dich sind die Wolken etwas ganz Alltägliches, aber so wie heute habe ich sie schon lange nicht mehr erlebt. Und das Sonnenlicht, das den Garten und das Haus mit seiner Wärme berührt und erhellt, ist wunderbar. Wenn ich etwas notiert habe, kann ich es dir vielleicht vorlesen, wenn du magst. Und wenn dir etwas nicht gefällt, dann wirst du mir das schon zeigen, schätze ich.«