Sommerzauber in Venedig - Christiane Martini - E-Book
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Sommerzauber in Venedig E-Book

Christiane Martini

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Beschreibung

Liebessommer und Zitronenküsse in Italien Giulia will nur noch weg – ihr langjähriger Freund hat sie mit einer anderen betrogen. Da kommt das Jobangebot des berühmten Kammerorchesters aus Venedig gerade recht. Mit ihrer Geige im Gepäck zieht Giulia in die Lagunenstadt, auf der Suche nach dem berühmten Dolce Vita. Und sie wird fündig: traumhafte Sonnenuntergänge, leckere Focaccia und dann auch noch die funkelnden Augen des Journalisten Matteo. Frisch verliebt scheint Giulias Glück perfekt. Doch als ihr eine kunstvolle Violine zugespielt wird, offenbart sich ein altes Familiengeheimnis, das ihr Leben erneut auf den Kopf stellt. Ein hinreißender Sommerroman, der zeigt: Unter der Sonne Italiens lebt es sich am schönsten!

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Sommerzauber in Venedig

Die Autoren

Christiane Martini ist Musikerin, Komponistin und Autorin. Sie liebt es, an ihrem Schreibtisch mit Blick in den Garten zu sitzen und an ihren vielfältigen Projekten zu arbeiten. Dazu gehören musikalische Lehrwerke, amüsante Cosy Crimes, Historische Romane, Familienromane, Katzenromane, Philosophische Romane, Kurzgeschichten, Drehbücher und ein Schreibkurs. Sie veröffentlichte bei Piper, Gmeiner und dotbooks. Mit ihrer Tochter gründete sie 2021 die Plattform Writers Concept, mit der sie angehende Autor*innen unterstützen möchte. Sie erhielt Auszeichnungen als Lehrerin, ein Stipendium für ein Lehrwerk und einen kulturellen Förderpreis ihrer Heimatstadt. Mit ihrer Familie und Beagle Buddy lebt sie in der Nähe von Frankfurt.

Katharina Martini ist Musikerin und Autorin. 2021 schloss sie ihr Musikstudium mit Auszeichnung ab. Sie konzertiert regelmäßig bei namhaften Festivals und Konzertreihen in Europa, 2022 erschien ihre CD Diamonds of Flute. Sie ist Preisträgerin zahlreicher internationaler Wettbewerbe, die sie u.a. in die Carnegie Hall nach New York und ins Concertgebouw nach Amsterdam führten. Sie pflegt eine Leidenschaft für Texte jeder Art und schreibt gemeinsam mit Christiane Martini Bücher in unterschiedlichen Genres.

Das Buch

Liebessommer und Zitronenküsse in Italien

Giulia will nur noch weg – ihr langjähriger Freund hat sie mit einer anderen betrogen. Da kommt das Jobangebot des berühmten Kammerorchesters aus Venedig gerade recht. Mit ihrer Geige im Gepäck zieht Giulia in die Lagunenstadt, auf der Suche nach dem berühmten Dolce Vita. Und sie wird fündig: traumhafte Sonnenuntergänge, leckere Focaccia und dann auch noch die funkelnden Augen des Journalisten Matteo. Frisch verliebt scheint Giulias Glück perfekt. Doch als ihr eine kunstvolle Violine zugespielt wird, offenbart sich ein altes Familiengeheimnis, das ihr Leben erneut auf den Kopf stellt.

Christiane Martini und Katharina Martini

Sommerzauber in Venedig

Ullstein

Besuchen Sie uns im Internet:www.ullstein.de

Originalausgabe bei UllsteinUllstein ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH,Berlin August 2022 (1)© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2022Gedicht Venezia ©Caterina Russo-SchnockIn der Übersetzung von Katharina MartiniUmschlaggestaltung:zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®Autorinnenfotos: © privatE-Book powered by pepyrus

ISBN: 978-3-8437-2875-1

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Inhalt

Die Autoren / Das Buch

Titelseite

Impressum

Prolog

Kapitel 1

Giulia

Kapitel 2

Giuseppe

Kapitel 3

Giulia

Kapitel 4

Giuseppe

Kapitel 5

Giulia

Kapitel 6

Giulia

Kapitel 7

Giuseppe

Kapitel 8

Giulia

Kapitel 9

Giuseppe

Kapitel 10

Sizilien, im Sommer 1937

Kapitel 11

Giulia

Kapitel 12

Giulia

Kapitel 13

Giuseppe

Kapitel 14

Giulia

Kapitel 15

Giuseppe

Kapitel 16

Sizilien, im Sommer 1947

Kapitel 17

Giulia

Kapitel 18

Giuseppe

Kapitel 19

Giulia

Kapitel 20

Catania, Sommer 1955

Kapitel 21

Giulia

Kapitel 22

Verona, im Sommer 1960

Kapitel 23

Giulia

Kapitel 24

Verona, Sommer 1960

Kapitel 25

Giulia

Kapitel 26

Giulia

Kapitel 27

Verona, Sommer 1960

Kapitel 28

Giulia

Kapitel 29

Verona, Sommer 1960

Kapitel 30

Giulia

Kapitel 31

Toskana, im Spätsommer 1960

Kapitel 32

Giulia

Kapitel 33

Giuseppe

Kapitel 34

Sommer 1960, Toskana

Kapitel 35

Giulia

Kapitel 36

Toskana, Sommer 1960

Kapitel 37

Giulia

Kapitel 38

Toskana, Sommer 1961

Kapitel 39

Giulia

Kapitel 40

Giulia

Kapitel 41

Giulia

Kapitel 42

Giulia

Giuseppes Lieblings-Rezepte

Focaccia – für 4 Personen

Ciabatta – für 4 Personen

Avocadocreme

Rosmarinstangen – 4 Personen

Leseprobe: Sommertage auf Capri

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Prolog

Widmung

Für unser Dreamteam und jeden, der Italien liebt!

VENEZIA

Una bella signoravestita di pizzodalle onde mi affioraché stupire è il suo vezzo.

Di aspetto piacentebenché sì maturail fascino avvenentenel tempo che dura.

Al primo approccio pensai„ma è ben altezzosa“e un po' la trovaida sposa orgogliosa.

È vero, lo so, il mare hai sposatonon è da poco, d'altrondeda lui venir cullatasu tutte le sponde.

Hai tanti figliuolinell' ampio tuo grembo,da guardia ti fannonel largo immenso.

Da sempre attorniatada folla pellegrinasognata e veneratada città divina.

Pur in tanto frastuonorimani serenaed è questo il tuo donodi aristocratica vena.

Magnanimo è il cuoree tanto il coraggiodi nostra Signorache al mare si appoggia.

Rimani sull'ondete ne scongiuriamo,tu grande Venezia,ché tutti ti amiamo!

(Gennaio 2007)

©Caterina Russo-Schnock

VENEDIG

Eine schöne Damein Spitze gehülltragt empor aus den Wellen verblüffend ist ihre Gabe.

 Recht gut aussehendtrotz ihres reifen Altersihr reizender Charmeüberdauert die Zeit.

 Bei der ersten Begegnung dachte ich"sie ist sehr hochmütig"und sie kam mir vorwie eine stolze Braut.

Ich weiß, mit dem Meer hast du Dich vermählt und das ist wahrhaftige Größevon ihm gewiegt zu werdenan allen Ufern.

Viele Kinder hast Duin deinem weiten Schoßdie dich beschützenauf dem weiten Meer.

Seit jeher umringtvon pilgernden Menschenmengenerträumt und verehrtals eine göttliche Stadt.

Doch  auch im Trubelbleibst du gelassendies ist deine Gabevon so vornehmer Ader.

Das  Herz  großzügigund endlos der Mutunserer edlen  Damedie sich an das Meer schmiegt.

 Verweile auf den Wogenwir beschwören dichDu, großartiges Venedigdenn wir lieben Dich alle!

(Januar 2007)

© Caterina Russo-SchnockÜbersetzung Katharina Martini

Prolog

Aurora trug ein gelbes Kleid mit weißen Blüten. Die Farben und der zarte Stoff schmeichelten ihr und hoben ihren braun gebrannten Teint deutlich hervor. Ein kühler Windhauch, der um die Hausecke wehte, ließ es sachte flattern. Ihre langen schwarzen Haare hatte sie am Hinterkopf eingedreht, nur eine lockige Strähne fiel ihr ins Gesicht. Aurora drückte ihre Tochter sanft an sich. Emilia hatte die Augen geschlossen und ihr rechtes Händchen zu einer Faust geballt.

Von dem glücklichen Funkeln, das immer in Auroras dunklen Augen blitzte, wenn sie ihre Tochter in den Armen hielt, war heute nichts zu sehen.

Nonna Sofia erwartete die beiden.

»Gibst du sie mir? Es wird Zeit für dich.«

»Ich werde sie so sehr vermissen.« Leise und zärtlich flüsterte Aurora Emilia etwas ins Ohr, dann blickte sie auf und schaute ihre mamma wehmütig an, »bitte, pass gut auf sie auf, Emilia ist so winzig und zerbrechlich«.

»Sie ist ein starkes Mädchen, genauso wie du. Mach dir keine Sorgen, sie wird es gut bei mir haben.«

»Ist meine Entscheidung wirklich die richtige?«

»Lebe deinen Traum, mein Kind, die Zeit wird schneller vergehen als dir lieb ist.«

»Es kann so vieles passieren, und ich werde nicht zu Hause sein, nicht bei euch.«

Sofia küsste Aurora auf die Stirn.

»Es wird nichts passieren. Nun nimm schon deinen Koffer und lauf, Benedetto wartet bestimmt ungeduldig am Bahnhof auf dich.«

Er hatte sich bereits einige Minuten zuvor von seiner Tochter verabschiedet und war vorausgegangen. Für ihn waren lange Abschiede schwer zu ertragen, und er wusste, dass es Aurora nicht leichtfallen würde, sich von Emilia zu trennen.

Liebevoll legte sie das kleine Mädchen in die Arme seiner Großmutter. Emilia öffnete die Augen und blickte ihre nonna an. Sofia begann leise zu singen und Emilia sachte zu wiegen.

»Ciao, mia cara«, flüstere Aurora und strich ihr ein letztes Mal sanft über den Kopf.

Dann gab sie ihrer Mutter einen flüchtigen Kuss, nahm ihren Koffer und eilte den schmalen Weg entlang, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Die Gasse verschluckte sie, zarter Wind trocknete ihre Tränen und verwischte ihre Spuren.

Kapitel 1

Giulia

Giulia sprintete die Treppenstufen ins Dachgeschoss hinauf, dabei nahm sie zwei Stufen auf einmal. Sie stürmte an Signor Rossini vorbei, der sich an dem altwürdigen Treppengeländer Stufe um Stufe hinaufzog. Er war mit dem schnaufenden Mops Orlando auf dem Weg zu seiner Wohnung.

»Buongiorno«, rief Giulia, doch Signor Rossini brummte nur kurz, so sehr war er mit sich und seinem Hündchen beschäftigt.

Ein Stockwerk höher rannte sie fast Signora Mercoli um, die schwer bepackt mit drei Einkaufstüten die Treppe erklomm.

»Scusi«, Giulia eilte um die Signora herum.

»Buongiorno.«

»Tut mir leid, Signora Mercoli, heute kann ich Ihnen leider nicht helfen, ich muss mich beeilen, denn ich habe etwas vergessen. Gleich muss ich meine Freundin Alessandra pünktlich vom Bahnhof abholen, sie besucht mich übers Wochenende.«

»Oh, wie schön. Na, dann laufen Sie nur.«

Giulia mochte die alte Signora sehr gerne, Signor Mops und sie würden ein ausgesprochen nettes Paar abgeben, leider hatten sie bisher noch nicht zueinandergefunden.

Mit einem Lächeln auf den Lippen kam Giulia vor ihrer Wohnungstür zum Stehen. Das alte Holz wurde vom Sonnenlicht, das durch eine Dachluke hineinschien, in ein zauberhaftes Licht getaucht.

Was habe ich für ein Glück mit meiner Wohnung.

Sie liebte ihre kleine süße Küche und das lichtdurchflutete Wohnzimmer. Giulia genoss es, am Abend vor den großen Fenstern Geige zu spielen und dabei die Dächer und Kuppeln im letzten goldroten Sonnenlicht zu betrachten. Aus dieser Vogelperspektive hatte die Stadt einen besonderen Charme, denn man konnte die vielen kleinen Dachgärten und begrünten Balkone sehen. Vergessen waren dann Trubel und Hektik, die von Touristen und Einheimischen täglich in Florenz verbreitet wurden.

Rasch ging Giulia zu der kleinen Küchenzeile hinüber, dort hatte sie vorhin den Briefumschlag, der einen Vertrag der Florenzer Musikschule enthielt, vergessen. Schweren Herzens hatte sie ihn unterschrieben, sie verspürte nicht die geringste Lust, zu unterrichten, lieber würde sie häufiger Konzerte spielen. Teil eines Orchesters zu sein, war ihr Traum, doch sie benötigte ein festes Einkommen, um ihre Wohnung, ihren Lebensunterhalt und den von Philippe zu bezahlen. Mit Philippe war sie seit einem Jahr zusammen, er verfügte nur über ein kleines Universitäts-Stipendium, das gerade so für Bücher, Pizzabestellungen und Vino reichte. Das Leben in Florenz war wunderschön, aber ausgesprochen teuer.

Mit zwiespältigen Gefühlen schaute Giulia den Umschlag an, es waren noch genau drei Wochen, dann würde sie an der scuola beginnen. Sie wollte ihn gerade in die Tasche stecken, da hörte sie ein lautes Geräusch, zuckte zusammen und stieß gegen eine halb volle Kaffeetasse, die auf der Küchenablage stand. Der tiefschwarze Kaffee floss ungebremst über den Umschlag.

»Accidenti«, zischte Giulia.

Dann hielt sie den Atem an und schaute zum Schlafzimmer hinüber, denn das Geräusch war von dort gekommen. War Philippe etwa zu Hause? Aber das konnte doch nicht sein, er hatte gesagt, dass er zu einer Vorlesung gehen wolle. Langsam ging sie zum Schlafzimmer hinüber.

»Philippe?«, rief sie und öffnete, ohne eine Antwort abzuwarten, die Tür.

Philippe lag mit zerwühlten Haaren auf der einen Seite des Bettes und grinste sie seltsam an, vor ihm türmte sich die Decke verräterisch auf. Giulias Herz wollte sich überschlagen, so wütend und enttäuscht war sie.

»Schön, dich zu sehen«, säuselte er ihr entgegen. »Hast du etwas vergessen?«

Giulia sagte kein Wort, sie schaute ihn nur an. Womöglich hoffte Philippe, sie würde nichts bemerken und wieder gehen. Doch da bewegte sich die Bettdecke, hektisch wurde sie zurückgeschlagen, und zum Vorschein kam der Lockenkopf von Gabriela. Sie arbeitete als Kellnerin in einer Pizzeria auf der Piazza della Signoria.

»Ich bekomme keine Luft mehr«, keuchte sie.

Giulia verschränkte die Arme, lehnte sich gegen den Türrahmen und fixierte Philippe. Dann ging sie wortlos.

»Warte!«

Er hechtete aus dem Bett und eilte hinter ihr her.

»Bitte, lass dir erklären …«

Giulia schritt zur Küchenzeile hinüber.

»Da gibt es nichts zu erklären, pack deine Sachen und hau ab!«

Nackt und sprachlos stand er da, seinem Blick haftete etwas Flehendes an. Giulia warf den feuchten Umschlag, der eine seltsame Farbmischung aus Blau und Braun angenommen hatte, in den Mülleimer und verließ ohne ein weiteres Wort ihre Wohnung. Leise zog sie die schwere Holztür ran. Sie wollte keine Emotionen zeigen, in Tränen ausbrechen oder laut schreien. Das gönnte sie Philippe nicht.

Erst als sie unten im Hausflur angekommen war, zischte sie:

»Dieser Scheißkerl.«

Tausend Gedanken jagten ihr gleichzeitig durch den Kopf, sie verstand nicht, warum er nach einem anderen Mädchen Ausschau gehalten hatte. In letzter Zeit war er sehr träge und antriebslos gewesen und hatte fast jeden Morgen noch im Bett gelegen, wenn sie bereits zur Probe ins Conservatorio gegangen war.

Hatte er sie etwa die ganze Zeit über hintergangen?

Doch auf diese Frage wollte Giulia eigentlich keine Antwort haben. Die Vorstellung, dass er sich mit Gabriela in ihrem Schlafzimmer vergnügte, war schrecklich. Sie donnerte mit der flachen Hand auf die Briefkästen, lautes Scheppern tönte bedrohlich durch das Treppenhaus, dann holte sie tief Luft, stieß einen fauchenden Laut aus und öffnete die Haustür.

Beim Anblick des strahlenden Sommermorgens und dem Trubel in der Altstadt von Florenz wurde ihr trotz aller Aufgebrachtheit wieder warm ums Herz. Für einen Moment hielt sie inne und beobachtete ein kleines Mädchen, das singend auf seinem Fahrrad neben seiner nonna fuhr. Auf der gegenüberliegenden Seite führte ein Mann seinen Hund spazieren. Giulia war hier glücklich, in ihrer Wohnung, in ihrer Straße, in ihrem Viertel, das ließ sie sich von Philippe nicht kaputt machen. Wie sie es anstellen sollte, ihm so schnell nicht wieder zu begegnen, wusste sie nicht. Das Beste wäre wohl, seinen Koffer zu packen und nachher vor die Haustür zu stellen. Von sich aus würde er bestimmt nicht gehen.

Giulia atmete tief durch und lächelte schwach. Dann marschierte sie los, überquerte die Piazza della Signoria und schlug den Weg zum Bahnhof ein, um Alessandra abzuholen. Einige Touristen kamen ihr entgegen. Darunter ein junges Pärchen, das sich verliebt anschaute und gleichzeitig scherzhaft darüber stritt, welches der schönste Weg zum Ponte Vecchio sei.

Von dieser Brücke aus sah man auf den Fluss und die toskanische Landschaft, die sich mit ihren lieblichen Hügeln ausbreitete. Giulia war diese Brücke allerdings zu überlaufen, sie liebte den Ponte Santa Trinita, der einige Meter entfernt über den Arno führte.

Frühmorgens mochte Giulia die Atmosphäre dort am liebsten, dann konnte man in Ruhe am Rande der Brücke stehen und den Blick auf Florenz genießen. An heißen Tagen war es kaum möglich, die Wohnung zur Mittagszeit oder am Nachmittag zu verlassen. In den lauen Nächten hingegen liebte sie es, mit ihren Freunden auf der Dachterrasse zu sitzen, Wein zu trinken und frisch gebackenes panino zu essen.

In den Arkaden des Ponte Vecchio hatte Philippe sie zum ersten Mal geküsst, wenige Wochen später hatte er sie mit seinem unwiderstehlichen Lächeln gefragt, ob er bei ihr einziehen dürfe. Glücklich hatten sie auf dieser Brücke gestanden und sich eine gemeinsame Zukunft ausgemalt. 

Giulia hatte es nicht bereut, dass er fortan bei ihr wohnte. Bis vorhin. Philippe war charmant gewesen, hatte Humor und sie häufig zum Lachen gebracht. Doch nun sah sie ihn in einem anderen Licht.

»Passen Sie doch auf!«

Erschrocken fuhr Giulia herum. Neben ihr stand ein junger Mann mit einem kleinen Hund an der Leine, der von der Größe her eher einem Meerschweinchen glich. Sie hatte ihn nicht gesehen und versehentlich angestupst. Der Mann nahm seinen Hund auf den Arm und wuschelte ihm über die Ohren.

»Na, Nino, hat dich die Signora übersehen?«

»Scusi, bitte, entschuldigen Sie.«

»Keine Sorge, das passiert uns häufiger«, der junge Mann grinste.

Mit einem Blick auf ihre Armbanduhr ging sie auf die große Basilica Santa Maria Novella zu, die von einigen Touristen voller Neugierde betreten wurde. Wenn man Glück hatte, konnte man auf diesem Platz ein wenig Ruhe finden. Die meisten Touristenströme zogen sich eher hinein in das Centro Storico, dagegen lag die ehrwürdige Basilica schon fast ein wenig außerhalb. Von hier aus war es nicht mehr weit bis zum Bahnhof. Das letzte Mal hatte sie Alessandra vor einem Jahr gesehen, da hatte diese Giulias Abschlusskonzert am Conservatorio besucht.

Alessandra fiel Giulia um den Hals, »du hast großartig gespielt, lass dich drücken!«. Giulia kam gerade aus der Kabine hinter der Bühne im teatro, es grenzte direkt an das Conservatorio an. Überschwänglich herzten sich die beiden Freundinnen. Alessandra hakte sich bei Giulia unter und zwinkerte ihr verschmitzt zu. »Jetzt wird gefeiert!«

Fröhlich verließen die beiden den Ausgang des kleinen Theaters. Eine große, hell erleuchtete piazza öffnete sich vor ihnen.

Alessandra blieb beeindruckt stehen.

»Wow, Florenz ist so eine schöne Stadt, ganz anders als Venedig, wo ich lebe, dort ist alles eher eng und verwinkelt.« Einige Kinder rannten an ihnen vorbei. Obwohl der Abend fortgeschritten war und die Dunkelheit bereits die umliegenden Gassen erfüllte, ließen die Eltern ihre quirligen bambini mit einem Lächeln gewähren.

»Ich möchte dir noch schnell etwas zeigen.«

Giulia führte ihre Freundin einige Schritte weiter, zur großen Eingangstür des Conservatorio. Eine Gruppe Studenten strömte ihnen entgegen, um den warmen Sommerabend zu genießen.

»Komm«, rief Giulia.

Übermütig rannten sie die große Treppe zum Konzertsaal hinauf, Giulia öffnete andächtig die Tür.

»Hier werde ich im Herbst mein erstes Solokonzert geben, ich habe den Auftritt beim ›Concorso di Giovani Musicisti‹ in Barletta gewonnen!«

Giulia betrat das Bahnhofsgebäude. Sie war stets aufgeregt, wenn sie an diesen Ort kam, denn häufig fuhr sie zu Konzerten in andere italienische Städte oder auf eine Tournee. Ihre letzte Reise lag ein paar Wochen zurück, der Wunsch, Neues zu erleben, war aber bereits wieder da. Sie sehnte sich nach Veränderung. Zum Glück hatte sie den Vertrag mit der Musikschule in denMüll geworfen, und sie würde auch keinen mehr unterschreiben. Die ganze Zeit über hatte sie der Gedanke, sich als Lehrerin an die Musikschule zu binden, bedrückt. Das war einfach nichts für sie, sie wollte Konzerte geben. Für einen winzigen Moment war sie Philippe dankbar, dass sie seinetwegen den Kaffee verschüttet und den Vertrag unlesbar gemacht hatte. Sie fühlte sich so erleichtert.

Giulia blieb in der großen Vorhalle etwas abseits stehen, um dort auf Alessandra zu warten.

»Treno di Venezia, cinque minuti di ritardo«, tönte es aus dem Bahnhofslautsprecher. Fünf Minuten Verspätung, na, das ging doch.

Giulia lehnte sich an eine Mauer und beobachtete einige Passanten: Ein junger Mann kramte in seiner Tasche herum, da fielen ihm ein Brillenetui und ein Stift auf den Boden. Ungeschickt griff er danach, dabei stieß er mit einer Frau zusammen, die sich hilfsbereit gebückt hatte. Er entschuldigte und bedankte sich zugleich mit einem charmanten Lächeln. In holprigem Italienisch versuchte die Dame etwas zu erwidern, dem Akzent und dem Aussehen nach zu urteilen, war sie Amerikanerin.

Giulia ließ ihren Blick ein wenig weiter schweifen. Einige ragazzi, mit Skateboards unter dem Arm, gingen vorüber, ein bärtiger Signor warf einen aufmerksamen Blick in einen Mülleimer, eine Dame mit einem großen Strohhut und Sonnenbrille führte einen Hund an der Leine, und drei Herren in Anzügen verließen in gemächlichem Tempo den Bahnhof, vermutlich waren es Pendler, die von einem Arbeitstag aus Bologna zurückgekehrt waren.  

Zwei Beamte in Uniformen bewachten eine Tür, um zu verhindern, dass Unbefugte zu den Gleisen gelangten. An ihnen vorbei schritt nun Alessandra, die winkend auf Giulia zukam. Giulia hatte sie erst in letzter Sekunde gesehen, so aufmerksam hatte sie die Menschen beobachtet, um bloß nicht an Philippe zu denken. Alessandra fiel ihr lachend in die Arme.

Ein warmes Glücksgefühl breitete sich in Giulia aus.

»Ich freue mich so, dass du da bist!«

»Und ich mich erst!«, stimmte ihr Alessandra zu, »es ist schon viel zu lange her, dass ich dich besucht habe. Mein Termin in der Galerie ist erst morgen Nachmittag, wir haben also ausreichend Zeit, damit ich deine Lieblingsplätze in Augenschein nehmen kann.«

Alessandra schob Giulia nun etwas von sich weg und schaute ihr in die Augen.

»Ich hab feine Antennen, das weißt du, dich bedrückt etwas, stimmt’s?«

Giulias Augen füllten sich mit Tränen, die sie die ganze Zeit unterdrückt hatte.

»Magst du darüber reden?«

»Philippe ist ein Scheißkerl«, entfuhr es Giulia, »ich habe ihn vorhin mit einer anderen im Bett erwischt und rausgeschmissen.«

Nun liefen ihr die Tränen über die Wangen, und sie sank schluchzend in Alessandras Arme.

»Das tut mir so leid.«

Es dauerte eine ganze Weile, bis sich Giulia beruhigt hatte, aber dann hakte sie sich tapfer bei Alessandra unter.

»Ich habe mich so auf dich gefreut, lass uns jetzt nicht weiter über Philippe sprechen, ich hoffe, ich werde ihn nicht wieder sehen und er verschwindet wirklich aus meiner Wohnung.«

Sie verließen das Bahnhofsgebäude und machten sich in Richtung Arno auf den Weg.

»Was macht dein Atelier in Venedig?« 

»Es ist wunderbar, der Blick auf den Kanal, die Ruhe und das großartige Licht im Viertel Dorsoduro sind einfach grandios, es könnte nicht besser sein. Meine Kreativität wird täglich aufs Neue geweckt.« Sie strahlte über das ganze Gesicht. »Aber weißt du, was das Beste ist? Ich bin fertig mit Renovieren und kann mein Atelier für die Biennale vorbereiten.«

»Das freut mich für dich!« Giulia schaute Alessandra begeistert an.

Es dauerte nicht lange, da erreichten sie den Fluss, auf dem warmes Sonnenlicht ruhte, und gingen von dort aus zum Centro Storico. Dort drängten sich die Menschen dicht an dicht in Richtung des Doms, um einen Blick auf das berühmte, reich verzierte Gebäude zu erhaschen.

»Was meinst du, wollen wir in eines der weniger touristischen Viertel gehen? Dann können wir uns besser unterhalten.« Giulia musste ihre Stimme erheben, damit Alessandra sie überhaupt verstehen konnte.

»Gerne! Du wolltest mich doch zu der kleinen Kirche führen, von der aus man über die Dächer von Florenz blicken kann.«

Giulia lächelte verschmitzt, »vorher muss ich dir aber noch etwas anderes Umwerfendes zeigen, es dauert nicht lange und liegt direkt auf unserem Weg.«

Sie überquerten langsam den Platz vor dem Dom, umrundeten ihn und schlenderten in eine Straße hinein, die etwas von ihm wegführte. Hier wurde es mit jedem Meter sichtbar leerer, und auch die Geräuschkulisse nahm langsam ab. Giulia steuerte zielstrebig auf ein großes Gebäude zu, es war die Universitätsbibliothek. 

Nacheinander gingen sie durch ein mächtiges, reich verziertes gusseisernes Tor und spazierten durch einige Arkadengänge, die an einem Rosengarten entlangführten. Schüler und Studenten saßen dort auf kleinen Mauern und an Tischen, unterhielten sich, lachten miteinander oder beugten sich über Bücher und lernten. Giulia und Alessandra erklommen eine steile Treppe zum ersten Stock, hier waren Studenten mit ihren Laptops und arbeiteten konzentriert.

Es bot sich ihnen ein grandioser Ausblick, über zahlreiche Dächer hinweg sah man die prächtigen Kuppeln des Domes sowie der angrenzenden Gebäude. Giulia machte eine einladende Bewegung mit der Hand.

»Darf ich vorstellen, der duomo von oben.«

In diesem Moment ertönte der erste Schlag der Achtzehn-Uhr-Glocke.

»Fantastisch.«

Alessandra schaute sie begeistert an.

»Ich möchte dir noch so viel zeigen«, Giulia hakte sich bei Alessandra unter, »wollen wir weitergehen?«

»Na klar.«

Plaudernd spazierten sie durch die Straßen, über einige Plätze hinweg, vorbei an Kirchen und einem Markt, auf dem handgefertigte Taschen, Seifen, Kleider, Pullover und aus Holz gedrechselte Kugelschreiber angeboten wurden.

Ein weiterer kurzer Fußmarsch führte die beiden an einer Moschee und Modegeschäften vorbei zum Ponte Santa Trinita. Zur einen Seite schaute man auf die Stadt, die in warmes Sonnenlicht getaucht war, zur anderen auf einen für die Toskana typischen Hügel mit idyllisch gelegenen Häusern, die in den Hang gebaut waren.

Sie setzten sich für ein paar Minuten auf die Brückenmauer und ließen die bezaubernde Stimmung auf sich wirken. Giulia liebte die Gespräche mit Alessandra, aber da war auch eine Vertrautheit zwischen ihnen, die es zuließ, still beieinander zu sitzen und das Hier und Jetzt ohne Worte zu genießen.

Sie hatten sich auf einem Gutshof am Gardasee kennengelernt, auf dem sie einige Sommer in Folge gemeinsam die Ferien verbracht hatten. Sie waren zusammen ausgeritten, hatten sich Erlebnisse mit ihren ersten Freunden anvertraut, anderen Streiche gespielt, gelacht und miteinander geweint. Es war eine unvergessliche Zeit, die sie innig verband.

Bevor sie ihren Weg fortsetzten, machten sie einige Erinnerungsfotos. Dann gingen sie zu einer steilen Treppe, in deren Wände Springbrunnen eingebaut waren. Diese führte zur großen Piazza Michelangelo, dem beliebtesten Aussichtspunkt von Florenz.

»Wer zuerst oben ist.«

Alessandra rannte übermütig los, lachend und schnaufend folgte ihr Giulia. Doch kurz darauf waren sie so außer Puste, dass sie in gemächlicherem Tempo weitergingen. Auf halber Höhe blieb Giulia stehen. »Dort drüben ist der Giardino delle Rose, er ist wunderschön, wir könnten uns inmitten von duftenden Rosen etwas ausruhen, was meinst du?«

»Gegen eine Pause hätte ich nichts einzuwenden.«

Alessandra folgte Giulia und strahlte über das ganze Gesicht, als sie den Garten betraten.

»Wow, ist der schön, wie wäre es mit der Bank dort drüben, neben dem Engel?«

»Bevor wir uns hinsetzen, musst du dich erst einmal umdrehen.«

Alessandra war sprachlos, ein Meer aus terracottafarbenen Dächern lag vor ihr, über das der Dom, einige Kirchen und hohe Gebäude stolz hervorlugten. In der Ferne erstreckten sich die Hügel der Toskana mit Oliven- und Pinienhainen.

»Jetzt weiß ich, warum du Florenz so liebst«, sagte sie leise.

Kapitel 2

Giuseppe

Giuseppe fuhr die kurvige Pinienallee entlang, die zum Anwesen seiner verstorbenen Eltern Maria und Ricardo Castello führte. Seine Großeltern hatten das Haus vor vielen Jahren gebaut. Giuseppe erfüllte Traurigkeit, denn er hatte den Entschluss gefasst, es zu verkaufen. Ihm stand nun die schwere Aufgabe bevor, es leer zu räumen. Im Testament war ausdrücklich erwähnt, dass er und seine Schwester Camilla gemeinsame Erben waren. Wochenlang hatte er versucht, mit ihr Kontakt aufzunehmen, doch sie hatte irgendwann nur eine kurze Nachricht geschrieben: Lieber Giuseppe, du wirst das Richtige mit diesem Haus anstellen, du bist dort sehr glücklich gewesen. Ich möchte nichts. Bitte, respektiere meinen Wunsch, Camilla.

Giuseppe warf einen Blick aus dem Fenster. Die Landschaft zog an ihm vorbei, sie war einzigartig schön, kleine Hügel und weite Felder mit Obst- und Olivenhainen wechselten sich ab, und überall blühte roter Mohn. Er erinnerte sich, wie er an manchen Abenden mit seinem schwarzen Motorroller diesen Weg zu Isabella, seiner damaligen Freundin, gefahren war. Wenn sie etwas unternommen hatten und er sie nach Hause brachte, hatte sie hinten gesessen und sich an ihm festgeklammert. Bei langsamer Fahrt hatte er die Wärme ihres Körpers fühlen können. Giuseppe seufzte. Es war so lange her, aber er erinnerte sich, wie ihr Atem sanft seinen Nacken gestreift hatte. Camilla hatte sich gut mit Isabella verstanden, sie war eine ihrer wenigen Freundinnen gewesen.

Als Kind war Giuseppe mit seiner Schwester prächtig ausgekommen. Er war im Spiel oft ihr Beschützer gewesen, dann hatte er sie vor fremden Wesen und Monstern verteidigt.

Seltsamerweise hatten ihn seine Eltern anders behandelt als Camilla. Er hatte sich häufig bevorzugt gefühlt, er durfte lange ausschlafen und sich am Wochenende mit seinen Freunden zum Zelten in den Olivenhainen treffen. Camilla hingegen musste immer früh aufstehen und in der Küche helfen, und eine Übernachtung bei Freundinnen wurde ihr untersagt. Je älter Giuseppe und Camilla wurden, desto mehr gingen sie ihre eigenen Wege und entfernten sich voneinander. Als sie die Schule beendet hatte und den Wunsch äußerte, Modedesign zu studieren, hatten sie völlig unangemessen reagiert. Was willst du mit einem Studium? Kommt nicht infrage. Eine Ausbildung genügt. Vielleicht hatten sie gehofft, dass Camilla sich entscheiden würde, Landwirtin oder Obstbäuerin zu werden, aber als sie alt genug war, verließ sie, ohne viele Worte, nur mit einem Koffer, ihr Zuhause. Sie war geflohen in die weite Welt. Giuseppe hatte nicht zugeben wollen, wie bedrückt er sich fühlte, als sie nicht mehr da war, er vermisste sie und dachte häufig an ihre gemeinsamen Gespräche und Erlebnisse.

Giuseppe schaltete das Radio ein, meist liebte er die Stille und hing gerne seinen Gedanken nach, aber heute dachte er an so viel Vergangenes. Tiziano Ferro sang, er mochte dessen tiefe, raue Stimme. Er machte die Musik etwas lauter, leider kam direkt im Anschluss ein langweiliger Werbeblock, deswegen stellte Giuseppe das Radio wieder aus.

Er hatte bereits als halbwüchsiges Kind gespürt, dass das Verhältnis zwischen seinen Eltern und seiner Schwester angespannt war, aber er hatte nicht herausfinden können, warum dies so war. Irgendwann erschien es ihm zu mühsam, immer wieder für Camilla einzutreten, auch weil er befürchtete, er könnte einen Keil zwischen sich und seine Eltern treiben, und das wollte er nicht. Er hatte sich feige verhalten, diese Einsicht nagte schon lange an ihm.

Giuseppe näherte sich dem Anwesen. Er begann zu pfeifen und merkte erst einige Momente später, dass die kleine Melodie aus einem Lied stammte, das seine Mutter früher häufig beim Kochen gesungen hatte.

Als er sie einmal fragte, warum sie zu Camilla so ablehnend sei, war sie in Tränen ausgebrochen. Seit diesem Tag hatte er vermieden, von seiner Schwester zu sprechen. Er war sogar so weit gegangen, den Kontakt zu ihr abzubrechen. Er hatte sich eingeredet, dass es besser sei, wenn man sich eine Weile nicht sehen würde, darüber waren inzwischen einige Jahre vergangen.

Giuseppe war froh gewesen, dass er einen Studienplatz in Padua erhalten hatte und in eine kleine Wohnung ziehen konnte. Das Architekturstudium machte ihm viel Spaß, er freundete sich mit netten Studienkollegen an und genoss die Zeit, die sie gemeinsam um die Häuser zogen und unbeschwert feierten. Sie lenkten ihn von den familiären Problemen ab, und das tat gut. Alle paar Wochen hatte er mit seinen Eltern telefoniert und sich mit ihnen über Erlebnisse und Ereignisse ausgetauscht. Bis auf Weihnachten und den ein oder anderen Geburtstag war er nicht mehr nach Hause gefahren.

Kurz bevor seine mamma verstorben war, hatte sie ihn angerufen und sich lange mit ihm unterhalten. Nach all den Jahren hatte sie das erste Mal von sich aus über Camilla gesprochen.

»Weißt du, dass deine Schwester ein eigenes Restaurant in Verona führt?«, ihre Stimme hatte stolz und froh geklungen. »Sie hat es Luigi nach eurem Großvater genannt. Camilla kannte ihn nur aus Erzählungen, aber die Geschichten, die ich ihr von ihm erzählte habe, haben wohl großen Eindruck hinterlassen.«

Giuseppe hätte sie gerne unterbrochen und etwas dazu gesagt, aber er hatte befürchtet, dass sie nicht weitererzählen würde, und so hatte er sie reden lassen.

»Ich weiß, ich habe sie nicht gut behandelt, und das war nicht richtig. Ich habe ihr geschrieben, viele Briefe, aber ich habe sie nie abgeschickt.« Seine mamma hatte eine Pause gemacht und dann neu angesetzt.

»Ich hätte dich und Camilla nicht auseinanderbringen dürfen. Das ist ein unverzeihlicher Fehler, und es tut mir sehr leid. In diesem Leben kann ich es nicht wiedergutmachen.« Erneut hatte sie geschwiegen. »Giuseppe, ich habe dich lieb …«

Bevor er etwas hatte sagen können, legte sie auf. Wenige Wochen später erhielt er von seinem Vater einen Brief, in dem er ihm mitteilte, dass seine Mutter ruhig und friedlich eingeschlafen sei. Unten angefügt hatte er: Eines Tages wirst du verstehen, warum alles so gekommen ist …

Giuseppe war zu dieser Zeit in Florenz gewesen. Er hatte ein Gespräch mit einem Investor gehabt, der Termin hielt ihn länger auf als erwartet. Kurz bevor er sich auf den Weg nach Hause machte, bekam er einen Anruf von Dottore Valentino, der ihm sagte, dass sein Vater einen Herzinfarkt erlitten und verstorben sei. Giuseppe machte sich große Vorwürfe, dass er sich von ihm nicht hatte verabschieden können, es gab so viele Fragen, die er ihm hatte stellen wollen, die nun für immer unbeantwortet blieben.

Ein Hupen durchschnitt seine Gedanken, ein Auto drängelte von hinten. Ein Blick auf den Tachometer zeigte Giuseppe, dass er in recht bedächtigem Tempo unterwegs war. Er setzte den Blinker und hielt sich, so weit es ging, rechts. Eine attraktive Frau überholte ihn. Sie hatte sich ein Kopftuch um die Haare gebunden und trug eine große Sonnenbrille. Ihre Eleganz erinnerte ihn an Grace Kelly. Er nickte ihr zu, als sie an ihm vorbeifuhr, und setzte einen entschuldigenden Blick auf. Sie verzog ihren rot geschminkten Mund zu einem Lächeln und gab Gas. Tolle Frau, Giuseppe grinste und erhöhte unbewusst sein Tempo.

Es hatte eine Doppelbeerdigung im kleinsten Kreis gegeben. Einige Nachbarn und der Arzt waren anwesend gewesen. Leider war Camilla nicht gekommen. Aber wie hätte sie vom Tod der Eltern erfahren sollen? Er hatte ihr nicht geschrieben. Wahrscheinlich wäre sie auch nicht angereist, zu tief hatte sich eine Kluft zwischen ihnen aufgetan.

Giuseppe hatte nicht lange bleiben können, denn er musste einen unaufschiebbaren Termin bei einer Bank in Brescia einhalten.

In der Zeit nach der Beerdigung hatte er reichlich darüber nachgedacht, ob er das Haus seiner Eltern behalten oder verkaufen solle. Wäre es womöglich, es als Ferienanlage zu nutzen? Aber was war mit der Vergangenheit, die in dem Anwesen steckte? Würde sie gegenwärtig bleiben?

Giuseppe war als Architekt häufig unterwegs; ausreichend Zeit, um sich um das Haus zu kümmern, würde er nicht haben. Seine Reisen führten ihn durch ganz Italien in viele schöne Regionen, die alle etwas Besonderes zu bieten hatten. Es gab herrliche Wein- und Olivenanbau-Gegenden, er hatte einige sehr nette Restaurants und Köche kennengelernt, schwelgte in Pizza- und Pasta-, Fleisch- und Fischgerichten, genoss die leckersten Antipasti und wusste genau, wo es das beste Tiramisu gab. Giuseppe hatte viele Fotos geschossen und sich zahlreiche Stichpunkte zu seinen Reisen notiert. Eines Tages würde er seine Erlebnisse zusammen mit Rezepten in einem Kochbuch festhalten. Das hatte er sich fest vorgenommen.

Er setzte sich etwas aufrechter hin, eine letzte lang gezogene Kurve folgte, dann würde sein Zuhause auf der rechten Seite hinter einer Olivenbaumreihe hervorlugen. Von der rasanten Dame war nichts mehr zu sehen, fast bedauerte Giuseppe es ein wenig. Hatte sie sich wohl in diese abgelegene Gegend verirrt? Womöglich war sie eine wohlhabende Urlauberin, die auf einer Spritztour durch die Toskana war.

Giuseppe fuhr an den Olivenbäumen vorbei und bog in den Weg zum Anwesen ab. Sein Herzschlag erhöhte sich, er war auf einmal richtig aufgeregt.

»Jetzt beruhig dich«, sagte er zu sich mit Nachdruck. »Du schaffst das alles.«

Es gab so viele Aufgaben auf einmal zu erledigen, und er hatte absolut keinen Plan, wie er sie allein bewältigen sollte.

Der Sand und kleine Steinchen knirschten unter den Reifen, er folgte einem schmalen Weg, und da lag es vor ihm, das Anwesen seiner Familie.

Das Haupthaus, das aus sandsteinfarbenen Backsteinen gebaut war, passte sich bestens in die Natur ein. Rechts und links neben der kleinen Treppe, die hinauf zum Eingang führte, wuchsen stattliche Zypressen, und daneben standen zwei Kübel mit üppig blühendem Oleander.

Giuseppe stieg aus, reckte sich und atmete die ihm so vertraute Luft ein. Es roch nach würzigen Oliven, Pinienbäumen und trockener Erde. Er betrachtete das Haus. Dort oben, über dem Eingangsbereich, da war sein Zimmer.

Er ging langsam auf das Haus zu. Auf der Treppe stand ein großer Topf, mit einem üppigen Rosmarin. Giuseppe hob ihn sachte an und erblickte darunter den Haustürschlüssel. Er schüttelte amüsiert den Kopf, denn dieser Schlüssel, an dem eine kleine Eule hing, hatte schon immer dort seinen Platz. Er nahm ihn und schloss auf. Da ertönte lautes Hupen, überrascht wandte er sich um und stutzte: Es war die Dame, die ihn vorhin überholt hatte. Mit quietschenden Reifen und einer mächtigen Staubwolke brachte sie ihr Auto zum Stehen und stieg aus.

»Giuseppe! Dachte ich mir es doch, dass du es bist. Was ist denn das für eine Begrüßung? Erkennst du mich nicht?«

Er ging die Treppe hinab und näherte sich der Frau, die nun langsam auf ihn zukam und die Sonnenbrille absetzte.

Jetzt verzog sich Giuseppes Gesicht zu einem breiten Grinsen.

»Isabella.«

Er öffnete seine Arme und umarmte seine Jugendfreundin.