Leopoldine von Habsburg - Ursula Prutsch - E-Book

Leopoldine von Habsburg E-Book

Ursula Prutsch

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Beschreibung

Tropische Pflanzen und selbst eine Sambaschule sind nach ihr benannt: Leopoldine von Habsburg, Aufklärerin in neoabsolutistischen Zeiten, gilt als eine der bedeutendsten und einflussreichsten Frauen des Landes. Sie war leidenschaftliche Naturforscherin, setzte sich gegen Sklaverei und Armut ein und stellte das Hofzeremoniell ordentlich auf den Kopf. Leopoldine war ihrem Mann Dom Pedro intellektuell weit überlegen – trotzdem ist ihre Biografie auch eine Geschichte der Unterdrückung und Gewalt durch einen machistischen Monarchen, der mit ihren vielfältigen Fähigkeiten nicht zurechtkam. Letztendlich trieb er sie mit nur 29 Jahren in einen frühen Tod. Für die Feiern »200 Jahre Unabhängigkeit Brasiliens« im Sommer 2022 wird die beliebte Habsburgerin endlich wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt, war sie es doch, die das Papier zur Souveränität Brasiliens unterschrieben hat.

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„Mein Muth ist unerschütterlich!“

Eine Kaiserin in der Neuen Welt

Aufwachsen in Wien

Es war anfangs eine heile Welt, Der Kaiser als Hobbyforscher, Die Religion als Trost

Der Wiener Kongress

Ein preußischer Musketier, Ein großmächtiges Geheimnis

Ein König in seiner eigenen Kolonie

Eine stille Ankunft in der Neuen Welt, Rio de Janeiro wird international, Der König in seinem Exil

Zwischen Wien und Rio de Janeiro

Die Grundsätze für die Zukunft, Hochzeitsvorbereitungen, Wer soll die Expedition leiten?

Eine „brasilianische“ Hochzeit

Eine glänzende Hochzeit im Augarten, Weißes Gold

Die lange Reise in das tropische Versailles

Die Revolution in Pernambuco, Brasilien – das Paradies der Erde?, Die Linienschiffe treffen ein, 82 Tage an Bord, Der feierliche Einzug in die Stadt

1818: Eine neue Welt

Leopoldine ritt wie ein Mann, in Hosen, Leopoldine muss sich Grobheiten gefallen lassen, Die Ersten kehren nach Wien zurück

1819: Traurige Tropen und liberale Ideen

Ein reger Handel mit Tieren und Pflanzen, Der Sklave Rio

1820: Zwischen den Stühlen

Eine Totgeburt, Revolutionsängste, Der König will bleiben

1821: Widerstände

Die Lage verschärft sich, Monarchie oder Republik – zerfällt Brasilien?, José Bonifácio und seine Utopie, Abschied und Verzicht, João und Francesca

1822: Unabhängigkeit oder Tod

Der Tod des Prinzen João Carlos, Leopoldine als politisch emanzipierte Ratgeberin, Leopoldine übernimmt das Regierungsgeschäft, Architektin der Unabhängigkeit, Eine neue Ära

1823: Die Freundin und die Feindin

Domitila de Castro kam, um zu bleiben, „Unabhängigkeit oder Tod“ – 3. Mai 1823, Ein politischer Abschiedsbrief, Die kluge Vertraute: Maria Graham, Der letzte Verbündete

1824: Grenzen verteidigen

Die neue Verfassung, Das Leben am Hof, Die zweite Ausländerin, Gefangen im eigenen Palast

1825: Verrat

Brutale Machtumkehr – die Klügere muss weichen, Flucht nach innen

1826: Abhängigkeit und Tod – was blieb?

Tugend ohne Gott, Die Heiratspolitik geht weiter, „Die arme Senhora!“, Der letzte folgenschwere Streit, Leopoldines Sterben gehört dem Volk, Kaiser Franz I. trauert, Anfang und Ende – was blieb?

Archive, Bibliotheken, Literatur

Anmerkungen

Personenverzeichnis

Bildnachweis

Dank

Die Autorin

Eine Kaiserin in der Neuen Welt

Fremdbestimmt – Emanzipiert – Verdrängt

In der Nacht vom 2. zum 3. September 2018 zerstörte ein Großbrand das Museu Nacional in Rio de Janeiro. Zwanzig Millionen Objekte, darunter einige Dokumente von Leopoldine von Habsburg, wurden ein Raub der Flammen.

Am Abend des 2. September 2018 schlugen Flammen aus dem Gebälk des Nationalmuseums in Rio de Janeiro. Der Brand wütete die ganze Nacht und zerstörte eine der weltweit größten naturhistorischen und völkerkundlichen Sammlungen. Viel war nicht zu retten, denn die Hydranten in der Nähe des Gebäudes versagten ihren Dienst – und das in einer Stadt, die an einer 380 km2 großen Meeresbucht gelegen ist.

Als europäische Medien über die Brandkatastrophe berichteten, wussten nur wenige, wie sehr das Museum, ein ehemaliger Palast, mit der österreichischen und europäischen Geschichte verwoben ist. Ihn bewohnte Leopoldine von Habsburg, österreichische Erzherzogin und brasilianische Kaiserin. Und das neun Jahre lang, von 1817 bis 1826. Im Alter von zwanzig Jahren zog sie in den Landsitz ein, dort brachte sie sieben Kinder zur Welt, stellte die Weichen für die Unabhängigkeit Brasiliens und starb schließlich verbittert mit nur 29 Jahren.

Der Palast – Quinta da Boa Vista genannt – thronte auf einem Hügel. Von dort aus bot er einen unvergleichlichen Blick über die Bucht von Guanabara mit ihren markanten Felsspitzen, auf Rio de Janeiro, den Zuckerhut und den Corcovado. Zwischen Rio und dem „Landsitz zur schönen Aussicht“ lagen ausgedehnte Gärten, Wälder, Zuckerrohrfelder und Kaffeeplantagen, die heute längst der rasch wachsenden Metropole gewichen sind.

Das Feuer brachte eine verborgene Mauernische zutage, gerade einmal so groß, um einem Menschen Platz zu bieten. Vielleicht, so imaginierte die Restauratorin, die mich im Februar 2020 durch die verkohlten Mauern führte, war dies ein später Rückzugsraum für Leopoldine. Denn es gilt als sehr wahrscheinlich, dass ihr Ehemann Dom Pedro kurz vor ihrem Tod handgreiflich wurde. Jedenfalls belegt ist jedoch, dass die psychische Gewalt, die er und seine Geliebte Domitila ihr angetan hatten, verantwortlich war für ihren frühen Tod.

Durch den Brand gingen ihre Aufzeichnungen über Naturbeobachtungen verloren, hingegen blieben Bücher und Bilder, die sie mit getrockneten und aufgeklebten Blumen gestaltet hatte, intakt. Zahlreiche Briefe, die sie an ihren Vater, Kaiser Franz I., an Verwandte und die Schwester Marie Louise sandte, sind im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien archiviert, Korrespondenzen mit ihrem Vater hingegen in Rio und der ehemaligen kaiserlichen Sommerresidenz in Petrópolis. Zudem waren ihre Hochzeit und ihre Reise nach Brasilien der Auftakt für die größte Brasilien-Expedition des 19. Jahrhunderts.

Imperatriz Leopoldina, die Kaiserin Leopoldine, gehört zum kulturellen Gedächtnis Brasiliens. Dort, in der ehemals größten Kolonie Portugals, wird sie auch Dona Leopoldina oder Maria Leopoldina da Áustria genannt, wenngleich wohl viele nicht wissen, wo dieses Áustria denn liegt. Nach Leopoldine sind Schulen, Spitäler, Gemeinden, Straßenzüge, ein Bahnhof, Restaurants, eine Biersorte, ein Dinosaurierskelett, eine Palmenart und eine bekannte Samba-Schule in Rio benannt, die Escola de Samba Imperatriz Leopoldinense. Das Gelb in der bekannten brasilianischen Flagge mit ihrem blauen Rund und den Sternen in der Mitte ist dem schwarz-gelben Habsburgerwappen entnommen, das Grün dem Wappen des portugiesischen Herrschergeschlechtes der Bragança.

In den letzten Jahren ist sie dank feministischer Forschung in Brasilien ein Popstar geworden. Kinder- und Jugendbücher, ein Theaterstück, eine Telenovela beschäftigen sich mit ihr und überlagern das konservativ reduktionistische Bild, das in der Zeit der Militärdiktatur (1964–1985) geschaffen wurde. Dem Frauenbild der Diktatoren gemäß wurde Leopoldine, die so entscheidend für die Unabhängigkeit Brasiliens war, in der Erinnerung politisch entmachtet. Ihr Leben wurde auf die Leidensgeschichte einer früh verstorbenen Märtyrerin reduziert, die sich dem Ehemann und damit dem Wohl der Nation unterworfen habe. Dabei traf Leopoldine im August und September 1822 als Regentin wegweisende Entscheidungen, weil ihr Ehemann abwesend war. In jenen Wochen war sie „Amerikas“ einzige Regentin.

Während Leopoldine in Brasilien gerade in die Geschichte zurückgeholt wird, ist sie in ihrem Heimatland Österreich noch weitgehend unbekannt. Carlos Oberackers monumentale Biografie wurde zwar ins Deutsche übersetzt, aber vierzig Jahre nach ihrem Erscheinen nicht mehr aufgelegt. Gloria Kaiser schrieb einen erfolgreichen Roman; in Büchern über die mittlerweile gut erforschte Brasilien-Expedition spielt die Habsburgerin freilich eine Rolle, aber ein Buch, das sie in einen großen, transatlantischen Kontext stellt, das beschreibt, warum Brasilien für den mächtigen Minister und später Staatskanzler des Kaisertums Österreich, für den Fürsten Metternich, so bedeutend war, dass er eine Erzherzogin an das andere Ende der Welt verheiratete, fehlt bislang.

Dem Haupteingang des Museu Nacional gegenüber steht seit 1997 eine Statue von Leopoldine mit ihrer Erstgeborenen Maria da Glória und dem späteren Thronfolger Pedro. Das Werk wurde vom Bildhauer Edgar Duvivier geschaffen.

Ebenso ein Werk, das Leopoldine nicht nur als Spielball dynastischer Interessen sieht, die fast ständig schwanger war, sondern auch als Naturwissenschaftlerin, die regelmäßig ausritt, um Pflanzen zu sammeln, Mineralien zu klassifizieren und seltene Tiere zu erlegen. Als Kind ihrer Zeit war sie eine Anhängerin der Aufklärung. Ihr Denken entsprach dem Wissenschaftsverständnis ihrer Zeit, in der die Welt minutiös zu vermessen war. Sie glaubte an eine „unberührte“ Natur, die so üppig war, dass die Besonderheiten, die sie ihr entnahm, die Vielfalt nicht schmälerten.

Deshalb erzählt diese Biografie Leopoldines Emanzipation und Bedeutung, ihre Spielräume und ihr Image, ihren Forschergeist und ihre brutale Entmachtung, ihre brasilianische und ihre österreichische Identität. Ihr Denken und Handeln kann dabei nur im historischen Kontext verstanden werden. So mag es aus heutiger Sicht verwundern, dass Leopoldine einerseits Forscherin, aber andererseits leidenschaftliche Jägerin war. Dass sie die Sklaverei verabscheute, aber zugleich einen Sklaven nach Wien verschiffte.

Kaiserin Leopoldine war die einzige habsburgische Regentin in der Neuen Welt und gehört zu den interessantesten, klügsten und ungewöhnlichsten Töchtern des Kaiserhaues. Sie hat Außergewöhnliches erreicht und letztendlich fast alles verloren. Deshalb ist ihre Lebensgeschichte, ihre Begeisterung für die Naturwissenschaften, ihre Bedeutung für die brasilianische Unabhängigkeit und ihr Schicksal, eine von Habsburgs verkauften Töchtern zu sein, so erzählenswert.

Aufwachsen in Wien

„Ich bin viel besser mit ihr zufrieden, sie wird solider“

„Die kaiserliche Familie in Laxenburg“. Die Lithografie von Johann Nepomuk Hoechle zeigt Kaiser Franz I. mit seiner zweiten Gemahlin Maria Theresia von NeapelSizilien vor der Franzensburg im Jahr 1807.

Leopoldine Caroline Josepha kam am 22. Januar 1797, einem Sonntag, in der Wiener Hofburg zur Welt. Sie war das fünfte Kind von Kaiser Franz II. (später dem I.) und seiner zweiten Frau Maria Theresia von Neapel-Sizilien, die noch dazu eine beidseitige Cousine ersten Grades von ihm war. Leopoldines ältere Geschwister waren Maria Ludovica (die spätere Marie Louise), mit der sie zeitlebens den engsten Kontakt haben würde, Ferdinand, der spätere Kaiser Österreichs, und zwei Mädchen, die bald starben. Sie bekam noch sieben jüngere Geschwister, von denen drei ebenfalls nicht lange lebten. Leopoldine wuchs in einer klassisch kinderreichen Familie der Habsburgerdynastie auf. Ihre Eltern waren beide Enkel von Kaiserin Maria Theresia von Österreich gewesen.

Leopoldines Vater, Franz II. (I.), war bis 1806 der letzte Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, das in den napoleonischen Kriegen zerfallen sollte. Bereits zwei Jahre zuvor erhob er Österreich zu einem unabhängigen Kaisertum und nahm damit den Titel eines Kaisers von Österreich an.

In Wien, der Reichshauptstadt, hatten sich schon seit dem 17. Jahrhundert einige führende hochadelige Familien um den Hof geschart, die Liechtenstein, Schwarzenberg, Esterházy, Lobkovicz, deren Palais heute noch in Wien, Prag und Budapest die Innenstädte zieren. Sie bildeten eine festgefügte Elite, die „Erste Gesellschaft“ des Landes, grenzten sich sozial stark nach unten ab und erhielten die prestigereichsten Hofämter und Posten im Militär verliehen. Welchen Titel die Adeligen jeweils führten, ob sie Fürsten, Grafen, Freiherren (Barone), Ritter oder Edle waren, welche Sprache sie sprachen und welcher Religion sie angehörten, bestimmte ihren Rang und ihre Beziehung zum Hof. Durch eine sorgfältige Auswahl der Heiratspartner und -partnerinnen sollte die Zukunft des Hauses Habsburg gesichert werden. Dass die habsburgische Hocharistokratie mehrfach miteinander verwandt und verschwägert war, bestimmte ihre Dominanz im damaligen Europa.

Die Habsburger sprachen Deutsch, nicht alle waren im deutschsprachigen Raum geboren. Allerdings waren sie meist tiefkatholisch und konservativ und ihre Vorstellungen von der Monarchie lange absolutistisch geprägt. Liberalismus jeglicher Form lehnten sie ab. Als Leopoldine aufwuchs, gab es kein Parlament, wie etwa in der britischen Monarchie, sondern eine vom Kaiser eingesetzte Regierung. Gleichzeitig wäre es falsch, die Habsburgermonarchie als repressives Gefängnis der Völker zu bezeichnen. Sie war vielmehr ein funktionstüchtiges Staatswesen, in dem Aufklärer und Anti-Aufklärer, Intellektuelle in und außerhalb von Institutionen darüber stritten, wie die Vielfalt der zahlreichen Sprachen, Rechtskulturen, Wissenssysteme, Religionen und sozialen Unterschiede in einem Großreich Bestand haben konnte, welche Nationalitäten mehr Gewicht hatten und welche es schwerer hatten, sich durchzusetzen.1 Diese Vielfältigkeit drückte sich zum einen in kultureller Offenheit und Aufstiegsmöglichkeiten aus, zum anderen aber auch in politischer Repression, die sich manchmal sogar bis zur Todesstrafe auswuchs.

Wien, Prag und Budapest waren Zentren der Naturwissenschaften, der Malerei und Musik. Schwerer hatten es Theologen, Philosophen, Schriftstellerinnen und Theatermacher. Waren sie zu staatskritisch, wurden die Schriften verboten und die Stücke abgesetzt. Vorzensur gehörte ebenso zum kulturellen Leben im Habsburgerreich wie das heimliche Lesen verbotener Texte in privaten Salons.

Unterschiedlich waren auch die Mitglieder der Familie Habsburg. Die einen waren belesen und weltoffen, sprachen fließend Französisch und Italienisch, förderten Kunst und Wissenschaft, die anderen waren intellektuell überfordert, weil sie Opfer einer zu intensiven Heiratspolitik zwischen Cousins und Cousinen geworden waren.

Leopoldines Vater, Kaiser Franz I., stand in der Tradition der bürokratischen Aufklärung, wenn es um die Verwaltung seines Reiches ging. Dessen Böden wurden nun akribisch vermessen und kartiert. Seine Beamten reisten mit Linealen, Senkblei, Lotgabeln und Wasserwaagen bis in die letzten Winkel der Monarchie, vermaßen Grundgrenzen neu, prüften die Böden, schätzten die Erträge, studierten Anbauformen, suchten Bodenschätze für künftige Industrien und trugen alles in einen einheitlichen Kataster ein. Felder wurden einheitlich besteuert, unabhängig davon, ob sie Adeligen oder Bauern gehörten, das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch wurde geschaffen, da der Kaiser an ein universales Recht ebenso glaubte wie an eine angeborene Vernunft, eine allumfassende Natur und eine menschenwürdige Religion.2 Schließlich galt es, die Geschichte der Menschheit zu studieren und Vergangenes mit Zukünftigem zu verbinden, mit Maß, Ziel und Ordnung sowie dem Segen der katholischen Kirche.

Das Reich sollte ein organisches Ganzes bilden, indem jene an Rohstoffen und Bevölkerung reicheren Regionen den ärmeren helfen sollten. Doch dieses Vorhaben war viel mehr Theorie als Praxis. Die sozialen Unterschiede waren groß und sollten es auch bleiben. Von Leopoldines Geburtsjahr 1797 an taumelten Hof und Regierung ständig an der Grenze zum Staatsbankrott und verordneten einen Sparkurs nach dem anderen, von dem die kaiserliche Familie selbst ausgenommen war.

Vermessen, Archivieren, Sammeln – das alles faszinierte und interessierte den Kaiser. Doch radikale Ideen, die die ständischen, „gottgegebenen“ Ordnungen umstoßen könnten, lehnte er ab. Seine Polizeihofstelle musste deshalb mögliche Aufrührer, sogenannte „Wühler“, sogar unter den Geistlichen aufspüren. Moderne Wissenschaften, Industrien und Gesellschaftsideen mussten im Habsburgerreich allesamt von oben kontrolliert werden. Loyalität zur Dynastie und ihren Wertvorstellungen waren in dieser Logik unabdingbar.

Die Umgangssprache am Hof war ein wienerisch gefärbtes Österreichisch, das schon seinerzeit norddeutsche Literaten irritierte, wenn sie in die größte deutschsprachige Stadt Europas reisten.3 Leopoldine sprach von „bloßfüßig“, wo Deutsche „barfuß“ gesagt hätten. Sie war „grantig“, wenn ein hartnäckiger Husten nicht vergehen wollte, und konnte sich „narrisch“ freuen.

Ihre Mutter, die aus Neapel stammte, war im Deutschen nie recht firm geworden. Den Eltern von Leopoldine wurde Intelligenz, Witz und Ironie ebenso nachgesagt wie eine gewisse Lockerheit im Umgang mit ihren Kindern. Diese bewegten sich in Schlössern und Gärten ungezwungen, durften neben den Erwachsenen spielen und den Kaiser in seinem Arbeitszimmer aufsuchen, wenn sie etwas auf dem Herzen hatten. Sie wurden kulturell gefördert, religiös hingegen streng erzogen.

Latein, Französisch und Italienisch beherrschte Leopoldine gut. Ihre Orthografie im Deutschen handhabte sie etwas willkürlich, was jedoch der Zeit entsprach. Einen Duden und einheitliche Rechtschreibregeln gab es noch nicht. Auch mit den grammatischen Fällen nahm sie es nicht immer so genau. Musik spielte eine große Rolle am Wiener Hof. Leopoldine spielte dank ihres Lehreres Leopold Kozeluch ausgezeichnet Klavier. Der gefeierte böhmische Pianist war nach dem Tod von Wolfgang Amadeus Mozart zum Kammerkapellmeister und Hofkomponisten ernannt worden und widmete seiner Schülerin drei Klavierkonzerte, deren einzige Noten in Brasilien überlebten.4

Dass sie schon als Kind ausgezeichnet malte und richtige Perspektiven zustande brachte, dass sie Motive und Stimmungen festzuhalten vermochte, beweisen ihre Zeichnungen, die in der Wiener Nationalbibliothek erhalten sind. Besonders mochte sie die Rokoko-Malereien von Johann Wenzel Bergl, den bereits ihre Urgroßmutter Kaiserin Maria Theresia besonders schätzte. Bekanntheit erlangte dieser mit seiner Illusionsmalerei tropischer Pflanzen.5

Leopoldine hatte blonde Locken und einen weißen, sehr sonnenempfindlichen Teint, große, hellblaue Augen und ein wenig von der unvermeidlichen Habsburgerlippe. Sie galt nicht gerade als Schönheit. Einmal schenkte die ältere Schwester Luise ihr einen Vergrößerungsspiegel. „[E]s ist gar kein Wunder, wenn ich hinein sehe, dass meine Lippen besonders groß mir vorkommen, da er xmahl vergrößert“, schrieb sie irritiert.6 Von manchen Zeitzeugen wurde sie aber als hübsch beschrieben, wobei ihre Intelligenz, ihre Fähigkeit zur Emphatie und ihre natürliche, offene Art ihre Attraktivität ausgemacht haben sollen. Auf teure, aufwendige Kleidung legte sie allerdings wenig Wert. Vielleicht hielt der Kaiser seine Kinder auch ein wenig knapp. In einem Brief bat Leopoldine ihren Vater einmal um mehr Taschengeld, weil das ihre nicht ausreiche, um die Kleider zu bezahlen, die sie hatte anfertigen lassen.7

Es war anfangs eine heile Welt

Freilich waren Leopoldine und ihre Geschwister abgeschirmt von der restlichen Welt. Sie verbrachte ihre Kindheitstage in der Hofburg in der heutigen Wiener Innenstadt, in Schönbrunn und in Laxenburg, südlich von Wien, wo ihre Mutter Maria Theresia von Neapel-Sizilien trotz der finanziell stets angespannten Lage glanzvolle Feste und Maskenbälle gab, Theaterstücke inszenierte und Gesellschaftsspiele erfand. Im Park des Schlosses ließen der Kaiser und die Kaiserin – nach der zeitgenössischen romantischen Mode – die neugotische Franzensburg errichten und eine Grotte in den Felsen hauen, die ideale Kulissen bildeten.8 Mitunter wurden auch Familienmitglieder in die Darbietungen eingebunden. Sie traten dabei als Musikanten und Schauspielerinnen in den Stücken auf, die ihre Mutter sich ausdachte. Der Komponist Joseph Haydn ließ die Kaiserin gelegentlich als Sopranistin auftreten und widmete ihr die sogenannte Theresienmesse. Gelegentlich wurden Ausflüge in Kurorte wie Baden südlich von Wien und Karlsbad im heutigen Tschechien unternommen, wo die habsburgischen Kinder von Kammerzofen und Kindermädchen betreut und unterhalten wurden, Pflanzen und Steine sammelten und ihren daheimgebliebenen Geschwistern kleine Briefe mit krakeliger Handschrift sandten.

Erzherzogin Leopoldine war eine talentierte Zeichnerin. Diese „Felslandschaft mit Wanderer und Ruine“ entstand um 1808.

Es war die heile Welt von Schönbrunn und die Naturvielfalt von Laxenburg, in die Leopoldine einzutauchen pflegte. Als gegen Ende des 18. Jahrhunderts sogenannte „englische Gärten“ mit ihrer vermeintlichen Natürlichkeit gegenüber den barocken „französischen Gärten“ und ihren geometrischen Formen in Deutschland in Mode kamen, beschloss das Habsburgerhaus, auch den Laxenburger Schlosspark umzugestalten. Sie holten den Deutschen Peter Joseph Lenné, einen späteren einflussreichen Gartentheoretiker, ins Land. Er formte den Park von Laxenburg zu einem englischen Garten mit weichen geschwungenen Formen, mit Teichen, Inseln und Auen um, der Leopoldine faszinierte.

Hier besaß Leopoldine ihren eigenen Garten, in dem zahlreiche Obstbäume wuchsen, und Beete, die sie umgraben und bepflanzen durfte. Sie erlebte das romantische Ideal, nach dem der Mensch die Natur nicht zerlege, sondern selbst eine Einheit mit ihr bilde. Ihr gehörten Hunde, weiße Füchse, ein paar Hasen und ein Papagei. Auch Zwerghühner aus Angola wurden dort gehalten. Leopoldine trocknete und presste Blumen, wenn sie nicht gerade von der Obersthofmeisterin Gräfin Marie Udalrike von Lazansky in Fragen der Etikette und Bildung instruiert wurde. Für Kleidung, Frisur, Medizin und Toilette sorgte Franziska Annony, ihre Kinderfrau. Die stärkste Bezugsperson war allerdings die fünf Jahre ältere und attraktive Schwester Maria Ludovica, in der Familie Luise oder Marie Luise genannt. Leopoldine bewunderte sie und vertraute ihr all das an, was sie bewegte. Dafür folgte ihr wiederum die kleine Schwester Maria Clementine wie ein Schatten.

Die kolorierte Zeichnung „Fischerdörfl im Schloßpark Laxenburg“ schuf Leopoldine etwa 1808.

240 Briefe sind von Leopoldine an Luise im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien erhalten, von ihren Kindertagen an bis zu ihrem Tod. Die Korrespondenzen geben tiefe Einblicke in die Persönlichkeit der Erzherzogin. Sie war lebhaft und widerständig, humorvoll, manchmal aber auch zurückhaltend, nervös und empfindsam. Mit „Liebste Luise“ setzen die Briefe an die Schwester ein und enden für gewöhnlich mit „1.000 Umarmungen“. Vor Leopoldines Abreise aus Europa wurden sogar „10.000“ daraus. Schrieb Luise nicht sofort zurück, war Leopoldine tief gekränkt, verzieh aber der Schwester rasch, wenn die ersehnte Antwort kam. In der Familienkorrespondenz fallen Achtsamkeit, Zärtlichkeit und die Offenheit, mit der über Krankheiten, Schwangerschaften, Ängste, Glück, Leiden und Geburten geschrieben wurde, auf – und das nicht nur zwischen den beiden Schwestern, sondern auch zwischen dem Vater und seinen Töchtern.9

Erkältungen, Bronchitis, rheumatische Anfälle, kalte und heiße Fieber wurden mit größter Aufmerksamkeit beobachtet und kommentiert, was angesichts der hohen Kindersterblichkeit verständlich war. Die erhalten gebliebenen Rezepturen aus der kaiserlichen Hofapotheke lassen darauf schließen, dass Leopoldine selten krank war. Meist wurden Tees, Wickel und komplizierte pflanzliche Tinkturen zubereitet. „Gelsenwasser“ wurde im Sommer, wenn die Familie in Laxenburg war, häufig gemixt. Es enthielt geringe Mengen Bleiessig und Kampfergeist. Auch Zahnpflegemittel wie Zahnpulver und Mundwässer aus Melisse und ein wenig Spiritus standen am Hof hoch im Kurs. Mandelöl und Bergamottenöl waren als Düfte bei Leopoldine und ihren Geschwistern beliebt.10

Das Jahr 1805 bereitete den unbeschwerten Kindheitsjahren ein jähes Ende. Die französischen Heere des gefürchteten Feldherrn Napoléon Bonaparte drangen überraschend schnell nach Wien vor und zwangen die kaiserliche Familie zur Flucht. Einige Mitglieder bezogen in der Burg von Ofen (Buda, später ein Teil von Budapest) Quartier, Leopoldine floh mit ihrer Mutter nach Brünn (Brno, im heutigen Tschechien), während der selbstgekrönte Kaiser der Franzosen das Schloss Schönbrunn für zwei Monate in Beschlag nahm und im Dezember 1805 mit Unterstützung des Kurfürstentums Bayern einen entscheidenden Sieg über die österreichischrussischen Truppen in Austerlitz bei Brünn feierte.

Leopoldine zog von Brünn mit ihrer mittlerweile kranken Mutter weiter nach Olmütz (Olomouc) und Friedek (Frýdek) in Österreichisch-Schlesien, während sich die Verliererstaaten mit Napoléon einigten und das Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation besiegelten. Leopoldine und ihre Geschwister hassten den französischen Aggressor zutiefst und besaßen sogar eine Napoléon-Puppe, die sie malträtierten.11 Niemand konnte zu diesem Zeitpunkt ahnen, dass Luise eines Tages denjenigen heiraten würde, den die beiden Schwestern so sehr verachteten.

Zuvor aber, Leopoldine war gerade einmal zehn Jahre alt, verstarb ihre Mutter am 13. April 1807 im Alter von 34 Jahren an einer Rippenfellentzündung. Franz I. heiratete ein Jahr darauf Maria Ludovica von Österreich-Este, die ebenfalls eine seiner Cousinen war. In Briefen an seine Kinder nannte er sie „meine Frau“, während Leopoldine und ihre Geschwister sie pflichtbewusst als „die liebe Mama“ ansprachen.

Die junge Stiefmutter blieb kinderlos und begeisterte sich für deutsche Literatur, allen voran für Johann Wolfgang von Goethe. Sie traf ihn persönlich in Karlsbad, als sie mit Leopoldine dort im Juni 1810 zur Kur weilte.12 Ihre Stiefkinder unterwarf Maria Ludovica einem genauen Lehr- und Erziehungsplan, der Sprachen, Geschichte und Literatur, Botanik, Mineralogie, Astronomie und Physik umfasste. Da Leopoldine bereits zu diesem frühen Zeitpunkt von der Mineralogie fasziniert war, bekam sie von ihrem Vater eine Mineraliensammlung mit seltenen Gesteinen geschenkt.13

1809 zogen die österreichischen Truppen in den nächsten napoleonischen Krieg und auch dieser endete mit einer Niederlage des Kaisertums Österreich. Wieder hieß es, die Koffer zu packen, Kutschen zu beladen und nach Ofen zu fliehen. War Wien ein paar Jahre lang glimpflich davongekommen, so rechneten der Kaiserhof und die Bevölkerung diesmal mit plündernden Soldaten. Deshalb wurden die kostbarsten Objekte der Museen und Bibliotheken, der Schatzkammer und anderer kaiserlicher Sammlungen vor den anrückenden Franzosen nach Temesvár (im heutigen Rumänien) in Sicherheit gebracht.14

Die zwölfjährige Leopoldine war mittlerweile alt genug, um den Verlauf des Krieges zu verstehen. Ihrem Vater gratulierte sie zur gewonnenen Schlacht bei Aspern.15 Doch der Sieg der österreichischen Truppen half wenig. Der Kaiser der Franzosen ließ Wien mit modernen Kanonen bombardieren und residierte wieder eine Zeit lang im Schloss Schönbrunn. Den Zeremoniensaal machte er zu seinem Audienzraum, den Blauen Chinesischen Salon zum Wohnzimmer. Ein Attentat, das in Schönbrunn auf ihn verübt werden sollte, wurde vereitelt.16

Leopoldine und ihre Geschwister reisten mit der Stiefmutter von Ofen nach Eger (Cheb) in Böhmen weiter und vertrieben sich die Wartezeit mit Lernen und Musizieren. „Ich bin viel besser mit ihr zufrieden, sie wird solider, doch braucht sie immer, dass man sie scharf hält“, schrieb die Stiefmutter über Leopoldine, als sei sie ein ungezogener Hund, den man noch abrichten müsse.17

Kaiser Franz I. lenkte zu einem Frieden ein. Im November 1809 zogen die napoleonischen Truppen wieder ab und die kaiserliche Familie konnte nach Wien zurückkehren. Leopoldine unternahm mit ihren Verwandten und Bediensteten Ausflüge nach Pressburg (Bratislava) und Budapest. Dort besichtigten sie landwirtschaftliche Musterhöfe und Manufakturen, Burgen und Schlösser. Auch Wiener Münzsammlungen, Galerien, Bibliotheken und Gärten standen auf dem Programm. Die botanischen Gärten und Naturalienkabinette hatten es Leopoldine besonders angetan – sie gehörten schließlich zu den besten der Welt.

Der Kaiser als Hobbyforscher

Der Holländer Nicolaus Joseph von Jacquin war ein halbes Jahrhundert zuvor nach Wien geholt worden und hatte für den botanischen Garten in Schönbrunn ein detailliertes Pflanzenverzeichnis angelegt. 1754 sandten ihn Leopoldines Urgroßeltern, die Kaiserin Maria Theresia und ihr Ehemann Franz Stephan von Lothringen in die Karibik, um für Schönbrunn wohlriechende Pflanzen, Samen, Sing- und Wasservögel, aber auch Muscheln, Korallen und Mineralien zu sammeln. Besonders Ananas hatte sich das Kaiserhaus damals gewünscht. Weil Jacquin nicht sicher sein konnte, ob in Wien auch alles heil ankam, zeichnete er die Funde mit akribischer Detailtreue nach. Kaiser Joseph II. setzte das Interesse seiner Eltern fort und beorderte eine Forschergruppe in die Karibik und in die USA. Die Pflanzen, die dort gesammelt, die Samen, die nach Wien geschmuggelt wurden, gediehen in den Glashäusern von Schönbrunn. Dort bestaunte sie Alexander von Humboldt, den seine Neugierde auf die karibische Pflanzenwelt nach Wien getrieben hatte. Sie habe in ihm den Wunsch erweckt, „Länder zu sehen, welche Jacquin besucht hatte. Ich freute mich darauf, die majestätischen Pflanzen, welche ich in den Treibhäusern von Schönbrunn bewundert hatte, an ihrem natürlichen Standort zu sehen“18, schrieb Humboldt rückblickend.

Auch Leopoldines Vater, Kaiser Franz I., führte die Forschertradition seiner Vorfahren fort. Er drängte den Direktor des k. k. Naturalien-Cabinets Carl von Schreibers, Sammlungen des berühmten Naturforschers James Cook zu erwerben, der das Vorbild so vieler Wissenschaftler gewesen war. Schreibers kaufte die Objekte tatsächlich an, doch im k. k. Naturalien-Cabinett, das sich bereits über vier Säle und 26 kleinere Zimmer der weitverzweigten Hofburg erstreckte, wurde es langsam eng.19

Im Erdgeschoss standen dicht gedrängt ausgestopfte Säugetiere; eine Giraffe und ein Kamel waren wegen ihrer besonderen Größe in der Mitte platziert. Exquisit war die Vogelsammlung. Die Körper der Amphibien und Reptilien wurden in Weingeist präpariert oder ausgestopft aneinandergereiht. Die Würmersammlung schien unüberschaubar, die Insekten mussten bereits aus Platzmangel in Laden und Wandschränken verstaut werden. Auch eine Kollektion wertvoller Mineralien musste ihren Platz finden. Kaiser Franz pflegte regelmäßig durch diese getrocknete, konservierte Welt zu spazieren, die nur durch den Augustinergang von seinen Privatgemächern getrennt war.20

Direktor Schreibers war ein Bürokrat des Leblosen, das er beschriftete und säuberlich etikettierte. Glücklicherweise hatte er sich einen gewissen Sinn für Ethik bewahrt. So setzte er durch, dass die vier ausgestopften schwarzen Menschen, damals als „Mohren“ bezeichnet, die bei den Säugetieren aufgestellt waren, auf den Dachboden der Hofburg kamen. Einer von ihnen war der berühmte Angelo Soliman, der es vom afrikanischen Sklaven zum Diener des Fürsten Wenzel von Liechtenstein gebracht hatte. Durch einen Spielgewinn war Soliman reich geworden, heiratete eine Wienerin, kaufte ein Haus und stieg zum hochgeschätzten Intellektuellen und Freimaurer auf. Mit Mozart hatte er die Zugehörigkeit zur Loge „Zur wahren Eintracht“ gemein. Nach Solimans Einsegnung im Währinger Friedhof entschloss sich der damalige Direktor des k. k. Naturalien-Cabinets Abbé Eberle, ihn nicht würdig bestatten, sondern ausstopfen zu lassen. Der Kaiser und der Hof hatten das geschmacklose Museumskonzept abgesegnet.

Angelo Soliman, der elegante Kleidung geliebt hatte, der integriert gewesen war, lehnte im Tod halbnackt, mit einem Lendenschurz und tropischen Federn notdürftig bekleidet, von ausgestopften Tieren umgeben, in einem Raum, der als „tropische Waldgegend“ dekoriert wurde. Auch Leopoldine dürfte bei ihren Besuchen des k. k. Naturalien-Cabinets die Eingemeindung des Verstorbenen in den Bereich der Natur wahrgenommen haben. Direktor Eberle hoffte auf Gewinn, wenn er Soliman einem sensationsgierigen Publikum als „Edlen Wilden“ verkaufte. Doch die Rechnung ging nicht auf. Dem Protest der Tochter Solimans und der katholischen Kirche schlossen sich viele Wienerinnen und Wiener an, die ihn geschätzt und gekannt hatten.21 Unter Direktor Schreibers wurde er schließlich in den Dachboden der Hofburg verlegt, ein würdiges Grab blieb ihm bis zuletzt verwehrt.

Die Religion als Trost

Die Erzherzogin, deren Faszination für die Naturwissenschaften durch ihren Vater und ihre Lehrer, den Mineralogen Rochus Schüch und Carl von Schreibers, geweckt worden war, konnte angesichts dieser Vielfalt aus dem Vollen schöpfen. Vom Vater lernte sie das Klassifzieren, das Vergleichen und erarbeitete sich ein Verständnis für das „System der Natur“, wie es Carl von Linné begründet hatte. Dieses Vermessen lag im Wesen der Aufklärung, da sie von einer Welt ausging, die bestimmten Gesetzen folgte, welche wiederum von einem göttlichen Schöpfer festgelegt worden waren. Die einzelnen Elemente dieses Kosmos bildeten ein in sich geschlossenes System, ein wohlgeformtes Ganzes.

Leopoldines Stiefmutter Maria Ludovica war streng katholisch und legte auf religiöse Erziehung, auf Sakramente und Rituale, wie Kommunion, Exerzitien und tägliches Gebet, großen Wert. Einer empfindsamen Jugendlichen, die ihre Mutter verloren hatte und zweimal vor den napoleonischen Truppen geflohen war, bot der Glaube eine geistige Flucht in eine heile, sinnstiftende Welt. Die Pflicht der habsburgischen Kinder, katholisch zu sein, ging mit einer Verpflichtung zur Mildtätigkeit einher – wiederholt bat Leopoldine ihren Vater um Geld, damit sie es an Bedürftige weitergeben konnte.22

Wohlhabenheit und der Trost eines überirdischen Lebens waren zwei Konstanten im Leben habsburgischer Töchter, die als Waren auf dem Markt der europäischen Machtpolitik fungierten. Einmal jemandem versprochen, waren ihre Handlungsspielräume stark eingeschränkt. Die Wahl war begrenzt, der Druck der Dynastie lastete auf den Erzherzoginnen. Der Vater, der Kaiser, entschied, welches Kind mit wem zu verheiraten war, wenn Familie und Staatsräson es geboten. Sich zu fügen bedeutete, dem Vater besondere Gunst und Wertschätzung zu erweisen.

So muss es ein Schock für Leopoldine gewesen sein, als ihr eigener Vater ihre Lieblingsschwester Luise an den Erzfeind Napoléon auslieferte. Sie musste denjenigen heiraten, vor dem sie zweimal hatte fliehen müssen, den „Antichristen“ Bonaparte, eine Ausgeburt der Französischen Revolution, die Marie Luises Großtante Marie Antoinette aufs Schafott brachte und vom österreichischen Kaiserhaus gehasst wurde. Dem französischen Aggressor eine Tochter zu geben war für Franz I. eine besondere Demütigung.

Am 11. März 1810 wurde ihre Ehe mit Napoléon, der sich von Erzherzog Karl vertreten ließ, in der Augustinerkirche in Wien geschlossen. Zwei Tage später wurde die Frischvermählte in eine Kutsche gesetzt und quer durch Europa nach Paris gesandt.

Es war Metternich, der gemeinsam mit dem französischen Politiker Charles-Maurice de Talleyrand den Kaiser überredet hatte, Marie Luise mit Napoléon zu verheiraten, und dies gegen den Willen ihrer Stiefmutter Maria Ludovica. Auch das wusste Metternich, der Maria Ludovicas Briefe heimlich las und selbst intime Zeilen nicht aussparte, in denen sie ihre Ehe mit dem Kaiser als schwierig beschrieb.

Marie Louise, Leopoldines Lieblingsschwester, musste im März 1810 Napoléon Bonaparte, den selbstgekrönten Kaiser der Franzosen, heiraten. Ein Jahr später brachte sie den Sohn Napoléon Franz Joseph Karl (den späteren Herzog von Reichstadt) zur Welt.

Dass Kaiser Franz I. von Metternich abhängig war, lässt sich aus einem Brief schließen, den er seiner frischvermählten Tochter sandte, nachdem Metternich aus Frankreich zurückgekehrt war.

Die Rückkunft des Gr. Metternich hat mir unendliche Freude gemacht wegen allem was er mir von dir und deinem Glück gesagt hat; ich kann dem Kayser [Napoléon] nicht genug dafür danken, denn er macht mich auch dadurch als Vater glücklich, der dich von jeher sehr geliebt hat. Schone dich nur recht damit ich bald Großvater werde.23

Leopoldine litt darunter, dass ihre Lieblingsschwester den Hof verließ.24 Sie wollte ihr, die sich ganz französisch nun Marie Louise nannte, so oft als möglich schreiben und ihr selbst die Belanglosigkeiten des Wiener Lebens erzählen. „Ich will Dir eine kleine Beschreibung von meiner Tagesordnung machen. Um ½ 8 Uhr stehe ich auf, dann um ½ 9 Uhr gehe ich in die Kirche, um 9 Uhr kömmt Felsenberg alle Tage.“ Dienstag, Donnerstag und Sonnabend mache sie ihre Aufgaben, schrieb die Dreizehnjährige im Oktober 1810.25

Einige Wochen nach Marie Louises Abfahrt trat Leopoldine am 3. Mai in den Sternkreuzorden, einen hochadeligen Damenorden, ein, der heute noch besteht. Gemeinsames Gebet und Wohltätigkeit waren die Prinzipien des aristokratischen Netzwerks, dem auch Kaiserin Maria Theresia angehört hatte.

Im Sommer 1812 trafen die beiden Schwestern einander in Prag wieder, als ihr Vater mit Napoléon verhandelte, dessen Stern gerade im Sinken war. Der Feldherr zog mit seiner Großen Armee noch im selben Jahr gegen Russland, unterschätzte jedoch den strengen russischen Winter und die Weiten des Landes. Er wurde vernichtend geschlagen und zog sich aus dem Zarenreich zurück. Beratungsresistent und realitätsverloren, führte Napoléon seine Armee im Herbst 1813 in die „Völkerschlacht“ bei Leipzig gegen eine Allianz der Heere aus Österreich, Preußen, Russland und Schweden. Mehr als eine halbe Million Soldaten wurden ins Feld getrieben.

Leopoldine beschäftigte das Kriegsgeschehen sehr. Ende Oktober besuchte sie mit der Stiefmutter das Stück Das österreichische Feldlager im Theater an der Wien und berichtete dem Vater davon.26 Die gewonnene Schlacht wurde auch in Wien heftig gefeiert. Beeinflusst von ihrer deutschnationalen Stiefmutter, hatten es ihr gerade die preußischen Helden der Völkerschlacht angetan.

Im März 1814 war Napoléon Bonaparte besiegt und verzichtete auf den französischen und italienischen Thron. Seinen Kaisertitel durfte er behalten. Er bekam eine jährliche Abfindung und die Insel Elba als Fürstentum auf Lebenszeit. Die Briten und Kaiser Franz I. fanden diesen Einfall töricht, lag Elba doch Frankreich zu nah.27

Napoléon zog auf die Insel, allerdings ohne Marie Louise. Sie musste mit dem gemeinsamen Sohn Napoléon Franz Joseph (dem späteren Herzog von Reichstadt) nach Schönbrunn zurückkehren, wo sie eine Zeit lang im Verborgenen lebte. Dies fiel ihr schwer, wurde Wien doch gerade zum prominenten Schauplatz zäher Nachkriegsverhandlungen, die fast ein ganzes Jahr andauerten und der Stadt und Europa ihren Stempel aufdrückten.

Der Wiener Kongress

„Ich bin ganz verzweifelt, die hohen Souverains kommen erst Ende September“

„Der Kongreß schreitet nicht voran, er tanzt“, soll der Schriftsteller Charles-Joseph de Ligne gesagt haben. Monatelang gingen die Verhandlungen schleppend voran. Aber ständig wurden Feste und Maskenbälle gegeben, wie hier im Redoutensaal der Hofburg im Jahr 1815.

Im Juli 1814 schrieb Lepoldine ungeduldig an Marie Louise: „Ich bin ganz verzweifelt, die hohen Souverains kommen erst Ende September.“28 Tatsächlich trafen im September die ersten illustren Gäste in der Donaustadt ein, darunter Zar Alexander I. von Russland mit seiner Gemahlin und seinen Schwestern, König Friedrich Wilhelm III. von Preußen mit zwei Prinzen, begleitet vom Gelehrten Wilhelm von Humboldt, ebenso König Maximilian I. Joseph von Bayern und die Königin, zahlreiche deutsche Fürsten mit Sekretären und Dienstpersonal, Abgesandte der Schweiz, Vertreter von Ritterorden und Hansestädten. Wissenschaftler und Künstlerinnen, die Ideen und Werke verkauften, gesellten sich dazu. Die zensierten Zeitungen berichteten ständig, wer an- und wer abreiste. Viel mehr durften sie nicht schreiben. Schaulustige beäugten die Menschenmassen, die sich durch die Straßen von Wien schoben. Feste lösten einander ab, das Rotlichtmilieu boomte.29

Auf der glänzenden Redoute sei man fast erdrückt und erstickt worden, „so sehr hatten sich Menschen aller Klassen versammelt“, berichtete das Morgenblatt für gebildete Stände, das in Goethes Hausverlag Cotta erschien. Ein „sich unaufhaltsam fortwährender Strom“ ziehe an „dreyfachen Reihen der Damen vorüber […]. Die Monarchen und alle großen und bedeutenden Männer sieht man wie schlichte Privatleute umhergehen. So war gestern der König von Preußen recht lang dort, und unterhielt sich mit zwey schwarzen weiblichen Masken.“30

Der Kongress tagte. Die junge Erzherzogin Leopoldine erlebte die Bälle und Redouten, Promenaden und Jagdausflüge aus nächster Nähe. Über den Fortgang der Verhandlungen war auch sie auf Vermutungen und Gerüchte angewiesen. Wien hatte damals bereits 250.000 Einwohner. Je nach Schätzung kamen jetzt noch 30.000 bis 100.000 internationale Gäste hinzu, deren Ansturm es zu bewältigen galt. Zahlreiche Palais und Häuser waren renoviert und eiligst 170 Kutschen gezimmert worden. Sie waren dunkelgrün lackiert und mit Goldbordüren versehen. Beamte huschten in reich bestickten Uniformen umher, aber Kriegsinvaliden wurden bestraft, wenn sie in ihrer Uniform bettelten. Schließlich wollte man den schönen Schein wahren. Die Hofküche verköstigte täglich achthundert Menschen. Außenminister und Staatskanzler Metternich veranstaltete Maskenbälle, Majestäten jagten Fasane im Prater und Wildschweine im Lainzer Park.

Gemeinsame Sitzungen aller Delegierten, wie der Künstler Jean-Baptiste Isabey sie hier darstellte, waren auf dem Wiener Kongress eine Ausnahme. Zu den heftig diskutierten Themen gehörte auch die Abschaffung des transatlantischen Sklavenhandels.

Wenngleich der tanzende Kongress schon bald zum geflügelten Wort avancierte, gingen die politischen Debatten nur schleppend voran. Die vormals geeinten Gegner Napoléons zankten sich nun um die Trümmer, die er in Europa hinterlassen hatte. Sie verhandelten darüber, wie eine Balance der europäischen Mächte geschaffen werden konnte, ob der Sklavenhandel zu verbieten und wie die Schifffahrt zu regeln war. Zur Debatte stand ebenso, wie Interessen der Handelskammern und Orden zu berücksichtigen wären, ob jüdischen Gemeinden Bürgerrechte zustünden und wie sich Buchhändler gegen Raubdrucke wehren konnten.

Fast wäre es wieder zum Krieg gekommen, weil der russische Zar Polen begehrte und der preußische König Sachsen. Da sich die Visionen und Begehrlichkeiten vieler Herrscher ständig wandelten, behinderten sie die Arbeit der Diplomaten sehr.

Insgesamt lässt sich der Kongress als „Krieg im Frieden“ zusammenfassen, dessen Fronten beobachtet und bespitzelt wurden. Baron Franz Hager, der Chef der Polizeihofstelle, und seine zahlreichen Agenten belauschten die Salongespräche, um sie dem Kaiser zu berichten. Sie notierten Geheimabsprachen, erfassten Intrigen, interpretierten Doppelzüngigkeiten, lauschten auf Stiegen, in Vorzimmern und Bedientenkammern, durchwühlten Papierkörbe, öffneten Briefe und suchten in Kaminen nach halbverbrannten Fetzen Papier. Als Lakaien, Kutscher, Heizer und Stubenmädchen getarnt, spionierten Subagentinnen und -agenten ihre Umgebung aus. Auch die Spitzel des russischen Geheimdienstes waren in jenen Monaten aktiv. Zar Alexander erfuhr Allianzen, die heimlich gegen ihn geschmiedet wurden, bereits am selben Tag. Nach außen drang wenig Konkretes, nur Vermutungen, „nichts Genaues“ und vor allem „Gerüchte“.

Leopoldine war 1814 siebzehn Jahre alt. Sie tanzte damals nicht gerne, nahm lieber die Rolle der Beobachterin ein, beschrieb Aussehen und Sprache der Gäste und tauschte sich darüber mit ihrer Schwester aus, die sich vermutlich in Schönbrunn langweilte. „Unser jetziges Leben will mir gar nicht behagen“, berichtete sie Marie Louise Ende September.

[D]enn man ist von Früh Morgens 10 Uhr bis Abends 7 Uhr beständig im Hofkleid auf seinen Füßen und bringt seine Tage mit Complimenten schmieden und Müßiggang zu. Sie geben alle Tage ein Dinner von 34 convois welches 3 Stunden dauert und erst um 4 Uhr anfängt da der Kaiser von Rußland […] gut 8 Stunden warten läßt; der Prinz von Preußen gefällt mir sehr gut, denn er ist ein schöner und artiger Fürst. Die Kaiserin von Rußland hat auch meinen ganzen Beyfall.“31

Ein preußischer Musketier

Von den Bällen bekam sie „Schwindel und Herzklopfen“. Ihre Eindrücke hielt Leopoldine in einem Tagebuch fest. Es ist im Kaiserlichen Museum in Petrópolis bei Rio de Janeiro erhalten und spiegelt den amüsierten Blick der Siebzehnjährigen auf Zeremonien, Ordensverleihungen und Gespräche wider: wie der englische Lord Castlereagh ihrem Vater den Hosenbandorden überreichte; wie lustig sie es fand, wenn die Briten Französisch sprachen; wie schlecht sich der dicke König von Württemberg benahm; dass der König von Bayern eher wie ein Bürgermeister denn wie ein Monarch aussah. Den König von Dänemark fand sie sympathisch, weil er ein gewisses Verständnis für Napoléon aufbrachte (den sie als ihren Schwager verteidigen musste). Den preußischen König fand sie hübsch, aber unsympathisch, weil er zu sehr den Russen schmeichelte. Immerhin sprach er mit anderen Geladenen Deutsch statt Französisch, was ihr gefiel. Der französische Regierungschef Charles-Maurice de Talleyrand erschien ihr wie der Teufel in Person, weil er Marie Louises Zwangsehe mit veranlasst hatte, und der russische Zar zeichnete sich durch ein „Mondgesicht“, sehr kleine Augen und eine Stupsnase aus. Sie schwärmte hingegen für den Bruder des Königs von Preußen, für Prinz Wilhelm. Er sei „einer der liebenswürdigsten, besten und tapfersten Prinzen, mit einer reitzenden, recht altdeutschen Physiognomie, deren Reize noch durch seinen zugespitzten Schnurrbart und sehr feinen Spitzbart vermehrt werden“.32 Nach ihrem Eindruck schien er eine Art preußischer Musketier zu sein: „Er vereinigt eine außerordentliche Güte des Herzens und viel militärisches Talent.“

Dass die deutschen Adeligen nicht sogleich in die klassische Diplomatensprache des Französischen fielen, fand sie gut, denn Leopoldine sah sich unmissverständlich als Österreicherin, was den Staat betraf, bezeichnete sich aber als „Deutsche“, sprich Deutschsprachige, wenngleich sie die österreichische, pluriethnische Kultur nicht mit der deutschen gleichsetzte. Darüber hinaus gab es damals noch kein Deutsches Reich. Zwar stand Goethe hoch im Kurs, aber die Kaiserfamilie fand es selbstverständlich, im Wiener Burgtheater Stücke heimischer Dichter zu sehen.

Auf dem Wiener Kongress wurde nicht nur um ein einiges, stabiles Europa gerungen, sondern auch darum, den internationalen Sklavenhandel endlich zu ächten. Die Angelegenheit war dringlich. Großbritannien, Schweden, Dänemark und die Niederlande hatten den Sklavenhandel gerade aus humanitären und wirtschaftlichen Gründen abgeschafft, nachdem sie sich hunderte Jahre lang daran bereichert hatten.33 Die mächtige britische Marine scheute sich nicht, portugiesische Sklavenschiffe im Atlantik zu kapern, um den Prinzregenten João in die Schranken zu weisen. Ohne Erfolg. Die Sklaverei würde auch Leopoldines Leben in Brasilien begleiten. Dieser Sklavenhandel, erklärte der britische Außenminister Viscount Castlereagh auf dem Wiener Kongress, sei ein „Menschheitsthema“. Deshalb wurde eine Erklärung verfasst, die erstmals den Handel mit afrikanischen Menschen ächtete, weil er „gegen die Prinzipien der Humanität und der allgemeinen Moral“ verstoße.34

Nur sehr widerwillig unterzeichnete der portugiesische Gesandte die Erklärung. Seine kleine Delegation fühlte sich in Wien ohnehin von Großbritannien bevormundet, das seit Jahrhunderten wirtschaftlich eng mit Portugal verbunden war. Aber die Briten bestimmten die Regeln dieses Austausches von Wein, Oliven und Korken gegen englische Silberwaren und Stoffe.

Selbst die USA hatten ein paar Jahre zuvor den transatlantischen Sklavenhandel offiziell eingestellt, was für Portugal von großem Vorteil war. Da fast alle früheren Konkurrenten auf dem Sklavenmarkt weggebrochen waren, wurde der Menschenhandel für Portugal nun erst richtig lukrativ. Denn es besaß die afrikanischen Kolonien Mosambik, Guinea-Bissau und Angola. Von dort aus tausende Sklaven pro Jahr in seine größte Kolonie Brasilien zu verschiffen war ein boomendes Geschäft und noch dazu eines, in das sich andere Imperien nicht einzumischen hatten.

In Wien heftig unter Druck gesetzt, versprach der Gesandte, den Sklavenhandel binnen acht Jahren einzustellen, wenn Großbritannien den Brasilienhandel nicht so sehr dominiere und Portugal für die Schiffe entschädige, die es seit Juni 1814 gekapert hatte.35