Ligurischer Urlaub - Jean-Pierre Kermanchec - E-Book

Ligurischer Urlaub E-Book

Jean-Pierre Kermanchec

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Beschreibung

Der Luxemburger Kommissar a.D. erfüllt sich seinen Wunsch, einmal in seinem Leben einen mondänen Urlaub zu verbringen. Seine Wahl fällt auf den Ort Santa Margherita in Ligurien. Er lernt die schwerreiche Clara Hartung aus München kennen, als er am ersten Tag nach seiner Ankunft auf das Badeplateau des Hotels geht. Um den lästigen Fragen eines aufdringlichen Bekannten aus dem Weg gehen zu können, stellt Clara Hartung Henri als einen guten Freund vor. Am nächsten Abend wird auf Clara ein Mordanschlag verübt, dem sie nur knapp durch die Hilfe von Medernach entkommt. Es sollte nicht der einzige bleiben. Medernach fühlt sich herausgefordert und begibt sich auf die Suche nach dem Täter.

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Seitenzahl: 288

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Jean-Pierre Kermanchec

Ligurischer Urlaub

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Bisher erschienen:

Impressum neobooks

Kapitel 1

Jean-Pierre Kermanchec

Ligurischer Urlaub

Ligurischer Urlaub

Jean-Pierre Kermanchec

Alle Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Impressum

© 2021 Jean-Pierre Kermanchec, Ulrike Muller

Cover : Atelier Meerkunst 2022

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Die Bibliothéque national du Luxembourg verzeichnet diese Publikation in der luxemburgischen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://bnl.public.lu abrufbar.

Ein leises Klopfen drang an das Ohr von Henri Medernach. Zuerst hatte er das Gefühl zu träumen. Als es aber noch einmal zu vernehmen war, diesmal etwas heftiger als zuvor, erhob er sich von seinem Bett und rief so etwas wie „ich hab's gehört“ oder so ähnlich. Jedenfalls konnte Giuseppe Carponi nichts damit anfangen und klopfte daher erneut. Giuseppe Carponi war es gewohnt, dass die Gäste des Schlafwagens nur schwer aufzuwecken waren. Endlich öffnete sich die Tür einen Spalt breit und Medernach blinzelte hindurch.

Giuseppe Carponi sagte nur: „Il treno arriverà in cinque minuti nella stazione. “

„Grazie“, erwiderte Medernach, schloss die Türe und beeilte sich beim Anziehen. Er brauchte nur zwei Minuten, um sich anzukleiden und die wenigen Utensilien aus der Waschecke einzupacken. Er blickte durchs Fenster und konnte gerade für zwei oder drei Sekunden einen Blick auf die herrliche Küste von Ligurien werfen, bevor der Zug in den nächsten Tunnel eintauchte.

Henri Medernach, seit acht Tagen Kommissar a.D. hatte sich seinen Wunsch erfüllt, einmal einen mondänen Urlaub zu verbringen. Seine Wahl war auf den kleinen italienischen Ort Santa Margherita gefallen, auf Grund eines Gedichtes von Christian Morgenstern. Der Ort lag südlich von Rapallo auf einer Halbinsel, an deren Spitze sich das bekannte Fischerdorf Portofino befindet. Portofino beheimatete jetzt zwar mehr Millionäre als Fischer, aber es hatte noch nichts von seinem Charme verloren.

Ähnliches konnte man von Santa Margherita auch sagen, das nur drei oder vier Kilometer entfernt liegt.

Medernachs Hotel, das Imperiale Palace Hotel war das schönste teuerste und größte am Ort. Im Reisekatalog war es als „selecte“ geführt worden, eine Bezeichnung, die der Reiseveranstalter den außergewöhnlichen Hotels verliehen hatte. Zuerst war Medernach etwas irritiert gewesen als er den Preis gesehen hatte, aber dann entschied er sich doch für das Haus. Der Urlaub sollte schließlich wirklich etwas Besonderes sein. Er konnte es sich durchaus leisten. Als Kommissar verdiente man in Luxemburg nicht schlecht. Er war ledig und unabhängig und so spielte das Geld keine so große Rolle. Er brauchte sich, um niemanden zu sorgen und was er als Pension erhielt, reichte um sich einen angenehmen Lebensabend zu gestalten.

Der Zug war inzwischen im Bahnhof von Genua eingelaufen. Er musste von hier aus noch eine kurze Strecke mit dem Regionalzug nach Rapallo fahren. Medernach schnappte sich seine beiden Koffer, den Fotoapparat hatte er sich um den Hals gehängt und lief eilig zum angezeigten Bahnsteig. Der Regionalzug stand schon bereit und die Fahrt nach Rapallo würde nicht lange dauern.

In Rapallo, das er nach weniger als 30 Minuten erreichte bestieg er ein Taxi und nannte den Namen des Hotels.

Bereits nach wenigen Minuten fuhr das Taxi die Auffahrt zum Hotel hinauf. Der Weg führte durch einen herrlichen Park. Palmen, Rhododendren, Hortensien, Oleander in allen erdenklichen Farben, Oliven, Zitronen- und Orangenbäume wuchsen rechts und links des Weges. Dann tauchte der Eingang zum Hotel auf.

Ein beeindruckender prächtiger Bau aus, der belle epoque, erbaut im Jahre 1889. Der Friedensvertrag von Rapallo war in seinen Mauern unterschrieben worden, so hatte es in seinem Prospekt gestanden.

Die grünen Fensterläden waren alle geschlossen und sollten wohl verhindern, dass die Sonne die Zimmer zu sehr aufheizte. Der untere Teil der Fensterläden konnte ausgeklappt werden. Herrliche Balkone erlaubten, sich abends ins Freie zu setzen und die einmalige Aussicht zu genießen. Großzügige Terrassen, ganz mit weißem Marmor ausgelegt und von marmornen Balustraden umgeben boten den Gästen Platz zum Verweilen und zu gepflegten Essen.

Das war der erste Eindruck den Medernach bekam als er das Taxi verlassen hatte. Der Hoteldiener war sofort mit einem kleinen Wagen herbeigeeilt und nahm sein Gepäck entgegen. Medernach trat durch die Drehtür in den Eingangsbereich des Hotels. Gleich rechts hinter der Tür stand der Empfangsportier, der ihn lächelnd willkommen hieß.

Henri Medernach bekam das Zimmer 110, ein schönes Zimmer mit Meerblick. Die Möbel im Empirestil, das Bad vollständig mit weißem Marmor ausgelegt und die Decke mit Stuckverzierungen versehen, bestätigten seinen ersten Eindruck: er war in einem First Class Hotel.

Aufmerksam las Medernach die Hinweise zum Aufenthalt, die auf dem kleinen Schreibtisch lagen und denen man die Erwartung entnehmen konnte, dass die Malzeiten in gepflegter Kleidung eingenommen werden. Medernach lehnte sich in seinem Sessel zurück, schloss die Augen und entspannte sich. Nach wenigen Minuten war er eingeschlafen.

Ab acht Uhr gab es Abendessen, so hatte der Portier zu ihm gesagt. Seine Uhr zeigte sechs Minuten vor acht als er das Zimmer verließ, über den roten Teppich den Gang entlang ging und die wenigen Stufen zum Restaurant hinunterstieg.

Der Oberkellner kam ihm entgegen, fragte nach seiner Zimmernummer und geleitete ihn zu einem Ecktisch auf dem Balkon, der sich an der Westseite des Hotels direkt über der Terrasse, entlang des Restaurants und den verschiedenen Salons erstreckte. Bei schönem Wetter wurde das Essen hier draußen serviert. Von seinem Platz aus konnte er all das Geschehen beobachten.

Das Haus war nicht mehr sehr belegt, die Nachsaison hatte begonnen und die meisten Urlauber waren bereits abgereist. Medernach sah, wie ein englisches Ehepaar zu einem Tisch geleitet wurde. Wenigstens war er der Meinung, dass es sich um Engländer handeln müsste, kurze Hosen, Kniestrümpfe, ein ungebügeltes Hemd und dazu Sandalen deuteten darauf hin. Der Mann hatte einen beträchtlichen Bauchumfang. Seine Kopfhaut hatte auch schon bessere Zeiten erlebt, denn die wenigen Haare boten ihr fast keinen Schutz mehr vor den Sonnenstrahlen. Die wulstigen Lippen und die buschigen Augenbrauen verliehen ihm ein eher unfreundliches Aussehen. Seine Frau unterschied sich von den Körpermaßen nur wenig von ihm. Ein zerknittertes hemdartiges Kleid mit fünf Knöpfen und weiße Socken verhüllten ihren Körper.

Medernach dachte einen Augenblick an die Zeilen auf seinem Schreibtisch: „Wir bitten um gepflegte Kleidung zu den Mahlzeiten.“ Die Auslegung dieser Worte ist nun einmal sehr individuell, dachte er sich. Beim Eintreten des nächsten Paares vernahm er bekannte Laute. Der Oberkellner begrüßte mit einem herzlichen „bonsoir“ das elegant gekleidete Paar. Die beiden schienen schon länger im Hause zu weilen, denn man sprach sie mit ihrem Namen an. Monsieur et Madame Delacroix, hörte er und schloss daraus, dass es sich um Franzosen handelte. Diese Beiden unterschieden sich rein äußerlich wohltuend von dem ersten Paar.

Wenig später trat eine ältere Frau auf den Balkon, eine nicht gerade attraktive Erscheinung, aber sie war korrekt gekleidet und trug eine Tasche unter dem Arm. Medernach hatte noch nie eine so dürre Frau gesehen. In Luxemburg würde man sagen, ‚nur Haut an Schank‘. Sie sprach den Oberkellner in Italienisch an. Er lächelte freundlich und begleitete auch sie zu einem Tisch.

Medernach hatte zwischenzeitlich seinen Aperitif erhalten, Campari Orange, sein Lieblingsaperitif, dazu Brot und Butter. Das Brot hatte es ihm angetan. Es war mit Oliven und Rosmarin gewürzt, einfach fantastisch, dachte er bei sich. Weshalb kommt man bei uns nicht auf die Idee? Er hatte in Luxemburg noch nirgendwo so ein Brot gesehen, geschweige denn gegessen.

Während er seinen Aperitif genoss, schweifte sein Blick über die Balustrade hinaus aufs Meer. Er sah die Yachten zurück in den Hafen fahren und die Möwen und Tauben über die jetzt verlassenen Badeplätze kreisen, in der Hoffnung, liegen gebliebene Krümel zu finden. Die Sonne versank langsam hinter den Hügeln, die sich westlich von Santa Margherita in Richtung Portofino erstreckten. Die orange, gelb, rot und blau gestrichenen Häuser, die den Hafen perlschnurartig umgaben, warfen das spärliche Sonnenlicht zurück. Beständig vernahm man das leise Dröhnen der Schiffs- und Bootsmotoren. Das war ein Teil des hiesigen Flairs. Ja, hier konnte man es durchaus aushalten, so es das Portemonnaie zulässt.

Das Essen war einfach köstlich und der Chianti ein Genuss. Eine leichte Müdigkeit befiel ihn nun und er ging auf sein Zimmer.

Das Zimmermädchen hatte zwischenzeitlich die Fensterläden geschlossen und die Klimaanlage reduziert.

Die angenehme Temperatur und die Dunkelheit hatten ihn gut schlafen lassen. Als Medernach am nächsten Morgen auf die Uhr sah erschrak er beinahe. Zehn Uhr war es inzwischen. Jetzt hörte er den Straßenlärm. Schnell stand er auf, duschte und beeilte sich noch etwas zum Frühstück zu bekommen. Er konnte sich erinnern, dass das Frühstück nur bis 10 Uhr 30 gereicht wurde.

Für den heutigen Vormittag hatte er sich vorgenommen den Garten zu besichtigen. Nachdem er gestern den ganzen Tag verschlafen hatte, wollte er anschließend hinunter an das Meer. Die lange Fahrt mit der Bahn und die letzten Tage vor seiner Pensionierung hatten ihn doch etwas mitgenommen.

Henri Medernach verließ nach dem Frühstück das Hotel und überquerte den Vorplatz. Er ging auf eine kleine Brücke zu, die die Straße überspannte und über die man in den wunderschönen Garten des Hotels gelangte.

Er zählte die Stufen hinunter zum Meer. 146 hatte er gezählt als er unten angelangt war.

Sofort kam ein junger Mann auf ihn zu. Quer über seinem T-Shirt konnte er den Schriftzug

SALVATAGGIO lesen. Der junge Mann lächelte freundlich und sprach Medernach auf Englisch an.

„Möchten Sie einen Liegestuhl und einen Schirm, Mister?“

Medernach sprach mehrere Sprachen und so konnte er dem jungen Mann auch sofort antworten. Ohne zu übertreiben, durfte er von sich behaupten ein Sprachgenie zu sein. Neben englisch, deutsch, französisch und italienisch konnte er auch noch etwas spanisch, niederländisch und schwedisch sprechen. „Ja, vielen Dank, einen Liegestuhl nehme ich sehr gerne und bei diesem herrlichen Wetter dürfte ein Sonnenschirm genau das Richtige für mich sein.“

Der junge Mann kehrte nach wenigen Minuten mit einer Liege und einem Sonnenschirm zurück. Auch legte er Henri ein Badetuch über die Liege. Genüsslich legte Henri sich nieder und schloss die Augen. Er lauschte auf die Stimmen um sich herum und ließ sich von seinen Gedanken treiben.

Medernach lag unter seinem Sonnenschirm und döste vor sich hin als er die unangenehme Stimme des Engländers vom gestrigen Abend vernahm.

„Meine Liege und Sonnenschirm!“ rief er dem jungen Mann zu. Von Höflichkeit war keine Spur und er schien auch nichts hinzufügen zu wollen.

Ohne eine Regung des Unmutes zu zeigen, rückte der so Angesprochene zwei Liegen zurecht, da die Frau des Engländers ihn begleitete, brachte den gewünschten Sonnenschirm und zwei Badetücher. Dann entfernte er sich mit einem höflichen: „Bitte schön, mein Herr.“

Medernach sah aus den Augenwinkeln, wie sich der stark übergewichtige Mann auf seine Liege fallen ließ. Er unterhielt sich mit seiner Frau in einer Lautstärke, dass Medernach gezwungen war dem Gespräch der Beiden zu folgen.

„Sollen wir es morgen dann erledigen?“ fragte die Frau.

„Es dürfte noch etwas zu früh dafür sein, wir sollten noch ein wenig warten.“

„Aber zu lange wäre schlecht, man kann nie wissen, wie lange sie noch hierbleibt.“ Seine Frau hatte sich aus ihrem Liegestuhl erhoben und wartete auf eine Reaktion ihres Mannes. Der dachte überhaupt nicht daran, eine Antwort zu geben. Stattdessen drehte er sich um, wandte ihr den Rücken zu und blickte hinauf zum Hotel.

So war der Engländer der Erste, der Frau Pellini die Treppe herunterkommen sah. Er wandte sich seiner Frau zu und sagte: „Die Salattante kommt auch wieder, es dauert bestimmt nicht mehr lange, dann fällt sie vor lauter Schwäche die Treppen herunter.“

„Vielleicht solltest du auch etwas mehr Salat essen, dann würden dir die Hosen besser passen und die Knöpfe nicht immer von deinem Hemd abreißen.“ antwortete seine Frau.

Medernach sah nun zur Treppe. Er erkannte die Dame von gestern Abend sofort. Sie ist noch etwas dünner geworden, war sein erster Gedanke. Zwar hatten die beiden recht, was die Figur der Frau Pellini betraf, aber Medernach fand ihre Bemerkungen dennoch unpassend.

„Du solltest den Mund nicht zu voll nehmen,“ fuhr der Engländer fort „dein Gewicht dürfte auch nicht gerade das einer Primaballerina sein.“

„Sie kommt!“ sagte die Engländerin jetzt zu ihrem Mann und beendete damit die Gewichtsdiskussion.

„Jetzt solltest du mit ihr sprechen, die Chancen stehen nicht schlecht. Wenn du ihr das Ganze überzeugend vorträgst, könnte es klappen.“

„Du hast wirklich keine Geduld. Man kann doch nicht nach drei Tagen schon damit anfangen! Wir sollten Sie vielleicht erst einmal zufällig ansprechen und langsam den Kontakt aufbauen.“ antwortete er, legte sich bequem auf die Liege und ließ sich die unerbittliche Sonne auf den prallen Bauch scheinen.

Medernach sah eine junge Frau die Treppe zum Badeplateau herunterkommen. Die Frau war etwa Ende zwanzig. Sie hatte langes blondes Haar, trug einen gelben Badeanzug und ein ebenfalls gelbes Tuch um die Hüften gewickelt. Ihm waren auch die beiden großen Perlen nicht entgangen, die sie als Ohrringe trug. Medernach kannte sich mit Schmuck aus und taxierte das Paar auf ungefähr zwanzigtausend Euro.

Damit könnte man hier im Hotel mindestens sechs Wochen gut leben, dachte er sich.

Der Bademeister war auf die Frau zugegangen und wies auf die Liege neben Medernach. Sie akzeptierte und kam mit eleganten Bewegungen auf ihn zu.

„Guten Tag!“ sagte sie höflich zu Medernach als sie ihre Tasche auf die Liege neben ihn legte.

„Guten Tag!“ antwortete er und stellte sich vor.

"Medernach, Henri Medernach aus Luxemburg."

„Freut mich, Sie kennenzulernen. Ich heiße Hartung, Clara Hartung aus München.“

„Die Freude ist ganz meinerseits.“ erwiderte Medernach und meinte es aufrichtig. Clara Hartung war eine bemerkenswert schöne Frau.

Sie holte die Sonnencreme aus ihrer Tasche, cremte sich die Beine und Arme ein und legte sich dann auf die Liege.

Lange ist sie noch nicht hier, dachte Medernach, denn ihre Haut war noch sehr blass. Sein kriminalistischer Blick hatte ihm auch bereits verraten, dass die Frau dunkelhaarig war und sich nur blond gefärbt hatte.

Etwas später waren dann auch Monsieur und Madame Delacroix aufgetaucht. Jetzt hatten sich beinahe alle Gäste, die er gestern Abend im Restaurant gesehen hatte, hier auf dem Badeplateau versammelt.

Es wurde wenig gesprochen. Hin und wieder ging jemand zu den Duschen oder sprang ins Meer, um sich etwas abzukühlen. Der etwa fünfzehn Meter höher gelegene Pool wurde nur wenig genutzt. Auch die darum herum erbauten Kabinen standen zumeist leer. Zwischen Schwimmbad und Badeplateau befand sich das Restaurant „Le Vele". Von dort kamen immer wieder Kellner und brachten den Gästen die bestellten Getränke. Medernach hatte sich eine Flasche Wasser bringen lassen. Er verspürte am Mittag Hunger und ging in das Restaurant. Man zeigte ihm einen Tisch und er entschied sich für das reichhaltige Buffet.

Es dauerte nicht sehr lang, da kam auch Clara Hartung die 38 Stufen zum Restaurant herauf. Der Oberkellner empfing sie mit freundlichen Worten, die Medernach allerdings wegen der Entfernung nicht verstehen konnte. Dann zeigte er auf einen schön gelegenen Tisch. Clara schüttelte den Kopf und zeigte mit der Hand auf Medernach. Sie kam langsam auf ihn zu.

„Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich mich zu Ihnen setze?“ fragte sie mit einem bezaubernden Lächeln auf den Lippen.

„Im Gegenteil, Frau Hartung.“ erwiderte er und hatte das Gefühl, etwas rot geworden zu sein.

„Fräulein, nicht Frau“ sagte sie „und nennen Sie mich doch einfach Clara. Ich halte nichts von diesen Förmlichkeiten.“

„Dann muss ich aber auch auf Henri bestehen. Sie erstaunen mich, dass Sie auf das Fräulein Wert legen. Ich hatte den Eindruck, dass in Deutschland die Fräulein in den letzten Jahren ausgestorben sind. Selbst kleine Mädchen werden schon mit Frau angesprochen.“

„Sie haben recht Henri, ich finde es höchst merkwürdig, wie man damit in Deutschland umgeht. Ich für mein Teil lege Wert darauf als Fräulein angesprochen zu werden.“

„Sind Sie schon länger hier im Hotel?“ Henri Medernach wollte einerseits etwas Konversation treiben andererseits aber auch seine Neugierde stillen und feststellen, ob seine Vermutung der Wahrheit entsprach.

„Oh nein, seit drei Tagen, ich hatte zuvor einige Tage in Ascona zu tun.“

„Ascona, Santa Margherita, Sie halten sich wohl nur in den schönsten Gegenden auf?“

Clara lachte, schüttelte ihren Kopf und meinte: „Das sieht nur auf den ersten Blick so aus. Ich bin die meiste Zeit über in München.“

„Auch eine schöne Stadt.“ erwiderte Medernach und beide lachten.

„Jetzt machen Sie aber bestimmt einige Tage Urlaub?“

„Ja, einige Tage wollte ich mir hier gönnen.“ Clara zeigte dabei auf das Meer, den Park und das Hotel.

„Es ist schon ein herrliches Fleckchen Land.“ meinte Henri und fuhr fort: „Ich habe mir den Urlaub zur Pensionierung geschenkt. So einen Urlaub kann ich mir nicht immer leisten.“

„Was haben Sie denn in Ihrem Berufsleben gemacht, Henri?“

„Ich war dreißig Jahre lang bei der Kriminalpolizei in Luxemburg. Als Leiter der Mordkommission habe ich so viel Schlimmes gesehen, dass ich mir jetzt einmal etwas Schönes und Erholsames leisten will.“

„Mordkommission, das muss doch bestimmt aufregend sein.“

„Vielleicht war es das am Anfang, später aber bestimmt nicht mehr. Man wird gleichgültig, ja sogar beinahe abgestumpft. Hin und wieder hatte ich so genug davon, dass ich alles hinschmeißen, nur noch den gerade anstehenden Fall lösen und danach aufhören wollte. Dann passierte der nächste Mord und ich nahm mir erneut vor, nach seiner Auflösung aber endgültig aufzuhören und so ging es immer weiter und weiter.“

„Gab es so viele Morde in Luxemburg? Das Land ist doch so klein.“

„Vielleicht nicht so viele wie in den Nachbarstaaten, aber Morde kamen schon vor.“ Henri Medernach schien nachzudenken. Es hatte den Anschein als ging er in Gedanken alle Mordfälle, die er in seinem Leben bearbeitet hatte durch. Dann sagte er zu Clara:

„Lassen Sie uns von etwas Angenehmeren sprechen als von Morden.“

Clara stimmte zu und sie unterhielten sich über das Wetter, die Menschen im Allgemeinen und die wunderschöne Landschaft, als das englische Ehepaar ebenfalls das Restaurant betrat.

„Schau, sie hat eine Bekanntschaft gemacht. Jetzt hast du bestimmt keine Gelegenheit mehr mit ihr zu sprechen.“ Frau Paddington, so war ihr Name, sah dabei ihren Mann vorwurfsvoll an.

„Ich habe dir gesagt sprich sie sofort an, aber nein, du musst ja immer deinen Kopf durchsetzen.“

Paddington kratzte sich am Bauch und tat so, als habe er die Worte seiner Frau nicht gehört. Er sah sich die Boote und die riesigen Yachten an, die sich ihren Weg in den Golf von Tugullio nach Richtung Portofino bahnten.

„Clara, du hier?“ Ein Mann etwa um die vierzig war in Begleitung einer gleichaltrigen Frau an den Tisch von Clara und Medernach getreten. Clara drehte sich um und blickte dem Mann in die Augen. Sie lächelte und begrüßte das Paar.

Medernach hatte den Eindruck, dass es etwas gezwungen war.

„Hallo Peter, Hallo Sarah, auch wieder im Imperiale?“

„Ja, wir wollen ein paar Tage hier verweilen. Wir kommen gerade aus Rom. Peter hatte dort zu tun und ich dachte, es wäre eine gute Gelegenheit etwas Shopping zu machen.“ Sarah zeigte dabei auf ihren, wahrscheinlich neuen Badeanzug und auf den Pareo, den sie lässig um die Hüften gewickelt hatte.

„Darf ich euch Herrn Medernach vorstellen. Henri, das sind Peter und Sarah Krollmayer aus München. Peter ist ein begnadeter Ingenieur und hat schon viele neue Dinge entwickelt und gebaut. Wir kennen uns schon seit Jahren. Ist es nicht so, Peter?“

Clara hatte dabei einen leichten Unterton in ihrer Stimme.

„Oh ja, seit Jahren.“ wiederholte der Angesprochene und fuhr fort „Bleibst du länger in Santa Margherita, Clara?“

„Ich hatte vor, zwei Wochen zu bleiben. Seit dem Tod von Vater muss ich mich um die Geschäfte kümmern. Deshalb geht es leider nicht länger.“

„Dann amüsiert euch gut, wir werden uns bestimmt noch öfter sehen.“ sagte Peter und beide verabschiedeten sich und gingen zum Schwimmbad.

„Ein unangenehmes Paar, diese Krollmayers. Entweder sie erzählt von ihren Einkäufen oder er jammert über die schlecht gehenden Geschäfte. Ich habe manchmal den Eindruck, sie verfolgen mich. Ständig begegne ich ihnen.“

Clara schien wirklich wenig erfreut zu sein, Sarah und Peter hier zu treffen.

Paddington hatte sich genau wie Medernach für das Buffet entschieden und war schon zum wiederholten Mal mit einem reichlich gefüllten Teller zurückgekehrt.

„Wenn du sie heute nicht ansprichst, dann könnte es zu spät sein. Wenn sie den Vertrag erst unterschrieben hat, sind wir ruiniert.“

Alice Paddington sah ihren Mann an und wartete auf seine Antwort.

„Sie hat doch gar keine Ahnung. Es sind ihre Mitarbeiter oder Geschäftsführer, die uns die Probleme bereiten.“

„Stimmt,“ erwiderte Alice „aber Sie muss unterschreiben. Nur Sie kann uns gefährlich werden. Also, heute Abend muss es sein.“ Alice widmete sich ihrem Teller, genauer gesagt all den Speisen, mit denen sie ihn gefüllt hatte.

Kapitel 2

Die Paddingtons besaßen einen Anteil von fünfzehn Prozent an der wohl bekanntesten Kaschmirweberei von Schottland. Die restlichen fünfundachtzig Prozent gehörten dem alten Sir Wilson.

Er hatte keine Familienangehörigen mehr und war schon ziemlich senil. Daher bemerkte er nicht, dass sich die Einkommensverhältnisse zwischen ihm und den Paddingtons inzwischen umgekehrt hatten.

Alice und Richard Paddington hatten beinahe monatlich die Umsatzzahlen nach unten korrigiert und so Gelder auf ihre Konten geleitet. Sir Wilson bekam alles, was er sich wünschte, und hegte somit kein Misstrauen gegen Alice oder Richard.

Wilson bewohnte den Westflügel von Chattwick-Manor, einem herrlichen Bau aus der viktorianischen Zeit, die Paddingtons den Ostflügel. Alice kümmerte sich um den alten Wilson.

Vor etwa zwei Monaten waren dann die Herren aus London bei Sir Wilson aufgetaucht und hatten, in Abwesenheit der Paddingtons mit Wilson über den Kauf seiner Anteile verhandelt. Das Angebot, das die Herren ihm unterbreitet hatten, war so lukrativ, dass er sofort eingewilligt hatte. Als Richard davon erfuhr versuchte er leider vergebens, den Alten umzustimmen. Clara Hartung würde nach der Unterzeichnung des Kaufvertrages die neue Eigentümerin sein. Dann würde es nicht mehr lange dauern bis man die Fälschungen in den Büchern entdecken und die Paddingtons zur Rechenschaft ziehen würde. Daher musste man den Kauf verhindern. Richard, so hatte seine Frau überlegt, sollte Clara überzeugen, dass sich die Investition in die Firma nicht lohne, da die Firma stark überschuldet sei und daraus ein Fass ohne Boden werden könnte. Damit hoffte sie, Clara Hartung von der Unterzeichnung des Vertrages abhalten zu können.

Clara Hartung, der Name war in der Fachwelt gut bekannt. Ihr Vater hatte den wohl größten Textilkonzern der Welt aufgebaut und zahlreiche Edelmarken erworben. Er lebte sehr diskret, so dass man in der breiten Öffentlichkeit nicht viel von den wahren Besitzverhältnissen der renommiertesten Marken wusste. Clara war stets an der Seite ihres Vaters gewesen und kannte sich somit in der Welt des „Big Business“ bestens aus. Sie kümmerte sich aber nicht um alle Einzelheiten und überließ Verhandlungen, wann immer es möglich war ihren Mitarbeitern.

Señora Pellini betrat nun das Restaurant. Clara hatte sie gesehen und ihr zugewinkt. Zu Henri gewandt sagte sie: „Es ist meine Tante, die Schwester meiner Mutter. Meine Mutter stammt aus Italien. Mein Vater war ihr bei einem seiner zahlreichen Messebesuche in Mailand begegnet und hat sich unsterblich in sie verliebt und sie sofort geheiratet. Sie war eine wunderschöne Frau.“

„Das sind Sie auch Clara, wenn ich mir das Kompliment erlauben darf. Einem alten Mann werden Sie sicherlich keine unschicklichen Absichten unterstellen.“

„Danke Henri, das ist sehr lieb von Ihnen.“ Clara schien fast etwas zu erröten, wie zuvor Henri.

„Wenn ich nicht bald heirate,“ fuhr sie fort „und eigene Kinder bekomme, dann wird wohl Tante Maria alles erben.“

„Die Salattante?“ entfuhr es Henri. “Verzeihen Sie, Clara, aber der Ausdruck stammt nicht von mir. Ich habe ihn gestern beim Abendessen vernommen.“

„Er ist aber durchaus passend. Salat ist beinahe das Einzige, was sie isst. Aber sogar beim Salat überlegt sie noch, welcher mehr oder weniger Kalorien hat. Sie kennen doch sicher den Ausspruch von der Duchesse von Windsor, 'man kann nie schlank oder reich genug sein'. Nun, meine Tante lebt genau so, jedenfalls was das Schlanksein betrifft.“

Clara und Henri sprachen nun über Deutschland und Luxemburg, tauschten Besonderheiten des jeweiligen Landes aus, genossen ihr Essen und erzählten sich aus ihrem Leben.

Nach dem Essen gingen sie wieder hinunter ans Wasser.

Es war kurz nach 20 Uhr als sich alle zum Abendessen versammelten. Die Krollmayers, Paddingtons, die dürre Frau Pellini, die beiden Delacroix und Clara Hartung. Medernach war etwas später gekommen und hatte einen kleinen Tisch am Rande der Treppe bekommen, die von dem Balkon zur Terrasse hinab führte. Henri sah von Weitem einen Herrn am Tisch neben Clara sitzen, ohne ihn genau erkennen zu können. Dieser ließ Clara nicht aus den Augen. Er schien sie regelrecht anzustarren. Henri kümmerte sich nicht weiter um den Mann. Er genoss sein Essen. Er hatte noch selten Besseres bekommen. Auch der Service war ohne Tadel. Man schien den Gästen jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Kaum hatte er sein Glas etwas geleert, war sofort ein Kellner zur Stelle, um es erneut zu füllen. Dabei hatte er nicht das Gefühl beobachtet zu werden. Leere Teller oder benutztes Besteck wurden gleich entfernt und durch sauberes ersetzt.

Henri, der diesen Lebensstil nicht alle Tage genoss fiel all dieses auf, für die übrigen Gäste war es vielleicht völlig normal, etwas an das man sich gewöhnt hatte, ja das eher auffallen würde, wenn es nicht so wäre.

Nach dem Essen ging er in die Bar und nahm noch einen Schlummertrunk zu sich. Ein Klavierspieler unterhielt die Gäste mit leisen angenehmen Melodien, ein musikalisches Vergnügen.

Clara trat nun ebenfalls in die Bar und kam auf Henri zu.

„Ich hoffe ich bin Ihnen nicht lästig,“ sagte sie „aber ich unterhalte mich sehr gerne mit Ihnen.“

„Überhaupt nicht, setzen Sie sich zu mir. Ich fühle mich geschmeichelt.“ Clara lachte und setzte sich zu Henri.

Als Krollmayer mit seiner Frau die Bar betrat, tat Clara so als sehe sie die Beiden nicht. Doch Krollmayer steuerte geradewegs auf Clara und Henri zu.

„Hallo ihr Zwei, wir dürfen uns doch sicher dazu setzen.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, setzten sie sich. Peter Krollmayer winkte den Kellner herbei um sich einen doppelten Whisky ohne Eis zu bestellen. Für Sarah bestellte er Martini mit Olive.

„Na Clara, was meinst du, wir könnten doch einmal wieder zusammen eine kleine Seefahrt machen.“

Peter hatte das Gesicht seiner Frau nicht gesehen als er die Frage stellte. Aber Medernach waren die Verfärbungen im Gesicht von Sarah Krollmayer sofort aufgefallen. Er deutete sie als ihren Ausdruck von Eifersucht oder war es Entsetzen, wegen der plumpen Art und Weise der Frage?

„Ich bin schon lange nicht mehr auf See gewesen.“ antwortete Clara.

„Aber deine Yacht hast du doch noch, “ fuhr Peter fort „mir kam es so vor als ob ich sie draußen vor dem Hafen von Portofino gesehen hätte.“

„Ja, sie liegt dort, die gute alte Klarissima I. Mein Vater war, wie du sicherlich weißt ein begeisterter Seemann und hat wohl die Hälfte seines Lebens auf dem Wasser verbracht.“ erwiderte sie ihm.

Sie wandte sich zu Henri und erklärte „Ich benutze sie kaum und der Unterhalt verschlingt ein Vermögen, aber ich konnte mich nicht dazu durchringen, sie zu verkaufen. Sie war Vaters ganze Freude.“

„Es ist auch ein schönes Schiff. Ich wünschte, ich könnte es mein Eigen nennen.“ Peter hatte Clara unhöflich unterbrochen. „Du könntest uns doch zu einer kleinen Kreuzfahrt einladen. Ich glaube dein Freund wäre sicher nicht abgeneigt.“

Medernach wollte gerade einwenden, dass er nur ein neuer Bekannter sei, als Clara bereits antwortete.

„Eine tolle Idee, ich habe Henri sowieso noch nicht allen vorgestellt und das wäre eine gute Gelegenheit. Was haltet ihr von morgen früh?“

„Das wäre schön!“ antwortete Peter, jetzt aber merklich zurückhaltender als zuvor.

Als die zwei endlich gegangen waren wandte sich Clara an Henri und erklärte ihm ihr Verhalten.

„Verzeihen Sie, wenn ich Sie eventuell verärgert haben sollte, aber Sie müssen wissen, dass Peter, obwohl er seit mehr als zwölf Jahren mit Sarah verheiratet ist, mir immer wieder Avancen macht. Ich kann ihn nicht ausstehen. Wenn Sarah wüsste, dass er mich ständig belästigt, dann hätte sie sich schon lange von ihm scheiden lassen. Sie ist außergewöhnlich eifersüchtig. Peter ist ein recht guter Ingenieur aber kein sehr tüchtiger Geschäftsmann.

Sarah hat das Vermögen von ihrem Vater geerbt, es handelt sich dabei um die Kossta-Werke, Kossta war ihr Mädchenname.

Peter leitet die Entwicklungsabteilung der Werke. Sarah kümmert sich um die Geschäftsführung. Sie hat bei ihrem Vater gelernt und ist in ihrer Arbeit absolut top. Ich hätte nichts dagegen, manchmal mit ihr etwas zu fachsimpeln aber der Austausch über neue Modetrends ist ihr bei einem Plausch wichtiger. Manchmal frage ich mich, wie sie das alles hinbekommt, ständig geht sie einkaufen und leitet gleichzeitig eine solche Firma. Man kann sie schon bewundern.

Ich brauche nun Sie, lieber Henri, um Peter endlich loszuwerden.“

Henri Medernach hatte sich alles ruhig angehört. Zuhören war eine seiner Stärken. Jetzt erwiderte er in seiner ruhigen Art: „Machen Sie sich keine Sorgen, ich kann ein solches Kompliment doch nicht übel aufnehmen. Wenn man in meinem Alter noch als Freund einer so jungen und schönen Dame vorgestellt wird, dann dürfte das eher schmeichelhaft sein.“

Clara drückte ihm dankbar die Hand und verabschiedete sich. „Ich werde noch schnell auf dem Schiff Bescheid sagen, damit wir morgen früh auslaufen können. Es stört Sie doch nicht, wenn ich noch einige Freunde aus Portofino einlade?“ „Absolut nicht, liebe Clara, mir stünde es nicht zu, Ihnen Vorschriften zu machen. Ich hätte im Übrigen nicht im Leben daran gedacht, hier in Italien auch noch eine Kreuzfahrt zu erleben!“

Als Clara gegangen war lehnte Henri sich zurück.

Was für ein Urlaub, dachte er. Wenig später ging er auf sein Zimmer.

Peter und Sarah waren noch vor das Hotel gegangen um etwas frische Luft zu schnappen.

„Du musst dich aber auch immer wieder aufdringlich benehmen. Vater hatte schon recht, als er meinte du würdest nicht zu uns passen. Dein Benehmen ist peinlich!“

Sarah hatte sich in Rage geredet.

„Du hattest mir doch in den Ohren gelegen, wir müssten mal wieder von Clara zu einer Tour mitgenommen werden.“

Peter schienen die Worte von Sarah nicht weiter persönlich zu treffen.

„Meinst du, dieser alte Mann ist wirklich ihr neuer Freund?“

Er scheint Franzose zu sein, dem Vornamen nach.“

„Medernach klingt aber nicht unbedingt Französisch.“ meinte Sarah.

„Vielleicht stammt er aus dem Elsass.“ warf Peter ein.

Sarah war von Henri Medernach angetan. Er strahlte eine Ruhe aus, wie sie es nur von ihrem Vater gewohnt war. Peter war eher ein hektischer Mensch. Unruhig, manchmal absolut selbstsicher und im nächsten Augenblick wieder völlig hilflos. Man wusste nie, woran man bei ihm war. Früher hatte Sarah diesen Mann gerade deswegen geliebt. Die Ruhe ihres Vaters war ihr langweilig geworden, jetzt aber sehnte sie sich danach zurück.

„Ich werde ihm morgen auf See etwas auf den Zahn fühlen. Jedenfalls scheint er vermögend zu sein. Hier im Imperiale verkehren nicht die Mittellosen.“

Peter war sicher, dass er es bei Henri mit einem Unternehmer zu tun hatte. Wenig später gingen auch sie auf ihr Zimmer.

Kapitel 3

Henri war früh aufgestanden, er verspürte eine gewisse Aufregung. Zum ersten Mal in seinem Leben würde er im Kreise von Millionären auf einer Privatyacht eine Kreuzfahrt unternehmen. Es sollte gegen zehn Uhr losgehen. Clara hatte es ihm gestern Abend noch per Telefon mitgeteilt. Als er kurz nach acht Uhr zum Frühstück auf dem Balkon erschien, sah er Peter und Sarah Krollmayer auch schon beim Kaffee. Clara war noch nicht zu sehen. Dafür hatte er die beiden Delacroix und Herrn und Frau Paddington erspäht.

Der Oberkellner kam auf ihn zu und geleitete ihn zu dem schönsten, etwas größeren Tisch, ganz vorne auf dem Balkon. Von hier hatte er eine wunderbare Aussicht auf Santa Margherita, auf den Hafen und auf die Halbinsel von Portofino. Beinahe am Ende der Halbinsel sah er ein großes Schiff vor Anker liegen. Wahrscheinlich, so nahm er an, ein kleineres Kreuzfahrtschiff, das von Genua hierhergekommen war, um den Gästen diese phantastische Bucht zu zeigen.

Er war etwas erstaunt, als einzelner Gast einen so großen Tisch zu erhalten. Der Oberkellner rückte ihm den Stuhl zurecht und sagte dann: „Signorina Clara wird in wenigen Minuten bei Ihnen sein.“

Clara hatte das Personal also angewiesen, Henri an ihren Tisch zu setzen. Kurze Zeit später erschien Clara. Sie trug ein wunderschönes Kleid. Gelb schien ihre Lieblingsfarbe zu sein. Die Sonnenbrille hatte sie lässig in die Haare gesteckt und unter dem Arm konnte er eine gelbe Tasche von Louis Vuitton erkennen. Henri war oft genug am Geschäft von Louis Vuitton, in der Philippsgasse in Luxemburg vorbeigegangen und kannte daher das Label.

„Wie geht es Ihnen heute Morgen Henri?“ fragte Clara, als sie an den Tisch trat.

„Es könnte nicht besser sein!“ antwortete er, indem er aufstand, um Clara zu begrüßen.

„Bleiben Sie doch sitzen.“ sagte sie und nahm ebenfalls Platz. Ein Kellner war bereits hinter ihr und rückte ihr den Stuhl zurecht.

„In einer Stunde ist es so weit. Ich habe veranlasst, dass man uns abholt. Ich habe die beiden Delacroix auch eingeladen. Sie sind Geschäftspartner aus Paris. Schon mein Vater hat mit ihnen in Verbindung gestanden. Sie sind angenehm und nicht aufdringlich. Ich müsste sowieso mit ihnen in den nächsten Tagen sprechen, so kann ich es vielleicht auf dem Schiff erledigen. Tante Maria konnte ich natürlich auch nicht auslassen.“

Peter und Sarah hatten die ganze Zeit über zu Clara und Henri herübergeschaut und getuschelt.

Als das Auto, das Clara bestellt hatte vorfuhr hatten sich die Eingeladenen bereits vor dem Hotel versammelt. Da es sich um einen Kleinbus handelte konnten alle gleichzeitig mitgenommen werden.

Die Paddingtons hatten nichts von den Vorbereitungen gemerkt und waren daher erstaunt, als sie Clara mit ihren Gästen einsteigen sahen. Da Richard Paddington am Abend nicht mehr dazu gekommen war mit Clara zu sprechen, hatte er sich vorgenommen es heute Morgen zu versuchen. Als er sie nun in den Bus einsteigen sah, lief er hastig hinterher, um sie vor der Abfahrt noch zu erreichen.

Alice und er waren der Meinung, Clara würde abreisen und nicht mehr zurückkehren. Er riss die Türen des kleinen Busses auf und rief unüberhörbar:

„Mrs Hartung, ich muss Sie unbedingt sprechen!“

„Ich habe keine Zeit, mein Herr, vielleicht ein anderes Mal!“ erwiderte sie und wandte sich Henri zu. Richard sah Clara verdutzt an. Sein Gesicht verfärbte sich. Es hatte den Anschein, als würde er jeden Augenblick explodieren.

Der Chauffeur bat Richard die Türe zu schließen und sie jetzt bitte fahren zu lassen. Richard schloss die Tür, nein, er schlug sie regelrecht zu. Clara Hartung hatte es nicht für Wert befunden, ihn auch nur kurz anzuhören. Außer sich vor Wut war er nicht im Stande irgendetwas zu sagen, als seine Frau zu ihm trat.

„Ich habe es dir gesagt, du bist einfach zu dumm!“ schrie Alice ihn an als der Bus langsam die Auffahrt nach Richtung Portofino hinunterrollte.