lit.Love.Stories 2019 - Nora Elias - kostenlos E-Book

lit.Love.Stories 2019 E-Book

Nora Elias

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Beschreibung

Alle Leseproben zur Lit.Love 2019

Mit Leseproben von: Nora Elias, Anne Freytag, Adrienne Friedlaender, Persephone Haasis, Lucinde Hutzenlaub, Manuela Inusa, Wladimir Kaminer, Lena Kiefer, Silvia Konnerth, Julius Kraft, Marie Lacrosse, Beate Maly, Beth O’Leary, Adriana Popescu, Brenda Strohmaier, Kristina Valentin, Jana Voosen, Katherine Webb, Meike Werkmeister, Annette Wieners

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Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalt keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright © 2019 Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: © Christian Held unter Verwendung eines Motivs von © iStock.com Rohappy

ISBN 978-3-641-26124-5V001

Besuchen Sie uns auch auf www.litlove.de

www.randomhouse.de

Treffen Sie Ihre Lieblingsautoren live auf der lit.Love – dem Lesefestival für alle, die sich für Liebesromane begeistern.

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Die Besonderheit? Statt eines starren Ablaufs bietet die lit.Love verschiedene Programmpunkte, die sich die TeilnehmerInnen selbst zusammenstellen können. Zwei Tage lang haben Sie die Möglichkeit, bei Lesungen Bücher und deren Autoren zu entdecken, in Workshops praktische Tipps und Tricks zu sammeln, bei Podiumsdiskussionen spannende Einblicke zu gewinnen, und in Meet & Greets die Geschichten hinter den Geschichten zu erfahren.

Freuen Sie sich mit uns auf Nora Elias, Anne Freytag, Adrienne Friedlaender, Persephone Haasis, Lucinde Hutzenlaub, Manuela Inusa, Wladimir Kaminer, Lena Kiefer, Silvia Konnerth, Julius Kraft, Marie Lacrosse, Beate Maly, Beth O’Leary, Adriana Popescu, Brenda Strohmaier, Kristina Valentin, Jana Voosen, Katherine Webb, Meike Werkmeister, Annette Wieners

Alle Informationen finden Sie unter: www.litlove.de

Um Ihnen die Vorfreude noch zu versüßen, haben wir Ihnen in diesem E-Book Leseproben aller teilnehmenden Autoren zusammengestellt. Tauchen Sie ein in die Welt der Liebesromane und lernen Sie Ihre neuen Lieblingsautoren kennen – vielleicht sogar persönlich auf der lit.Love!

Viel Freude beim Lesen,

Ihr lit.Love-Team

Unsere Empfehlungen für Sie…

LeseprobeNora EliasKönigsberg. Glänzende ZeitenRomanKönigsberg-SagaGoldmann VerlagHier geht’s zum Shop

Buch

Ostpreußen Ende des 19. Jahrhunderts: Die hübsche Kaufmannstochter Adela Lamberg liebt den reichen Gutsbesitzererben Carl von Reichenbach. Doch dann wird sie von ihrem Vater in eine Ehe mit dem Adligen Leonhard von Schletter genötigt. Die Verbindung steht unter keinem guten Stern. Zwar versucht sich Adela mit der neuen Situation zu arrangieren, doch die einstmals enge Freundschaft zwischen Carl und Leonhard zerbricht, und Carl sinnt auf Vergeltung. Schließlich werden auch Leonhards Schwestern von Carl in den Zwist hineingezogen. Zwischen den Familien herrscht bald eine offene Feindschaft, die ihren Schatten auch auf die nächste Generation werfen wird …

Informationen zu Nora Elias sowie zu weiteren Titeln der Autorin finden Sie am Ende des Buches.

Nora Elias

––––––––––––––––––––––––

KönigsbergGlänzende Zeiten

Roman

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Copyright © 2019 by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover

Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur München

Umschlagfoto: © Novarc Images / Alamy Stock Foto;

FinePic®, München; mauritius images / Michael Harker

Redaktion: Regine Weisbrod

BH · Herstellung: kw

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN: 978-3-641-22475-2 V003

www.goldmann-verlag.de

Teil 1

1880–1885

I

»Eine solche Stadt, wie etwa ­Königsberg am Pregelflusse, kann schon für einen ­schicklichen Platz zur Erweiterung sowohl der Menschenkenntnis als auch der Weltkenntnis genommen werden, wo diese, auch ohne zu reisen, erworben werden kann.«

Immanuel Kant

September 1880

Der Altweibersommer spann silbrige Fäden in die Bäume, ein zartes Gespinst, in dem sich das Licht verfing. Magdalena lag im Laub auf dem fedrigen Boden unter den Platanen, in dem sie noch die Reste sonnenwarmer Tage spürte, als wolle dieser den Sommer ebenso beharrlich festhalten wie sie. Hier waren die geschäftigen Geräusche, die vom Gut kamen, nur eine beschaulich anmutende Kulisse, vor der es sich träge in den Tag träumen ließ.

Wäre da nicht die Stimme Gesa von Reichenbachs. »Magdalena! Ich muss mit dir sprechen!«

Aber ich doch schon lange nicht mehr mit dir, Mutter. In früher Kindheit hatten Magdalena und ihr Bruder Carl ein Spiel gespielt, das lautete: sich taub stellen. Während sie einander fortwährend lustige Geschichten erzählten, durfte der andere nicht einmal mit den Lippen zucken. Meist war es Carl, der als Erster mit dem Lachen herausgeplatzt war. Inzwischen waren sie erwachsen, aber das Spiel beherrschte Magdalena immer noch.

Schritte waren zu vernehmen, langsam und fest, unverkennbar die eines Mannes. »Was denkst du, wie lange du ihr aus dem Weg gehen kannst?«

Magdalena gab einen Moment lang das Taubstellen auf, erkannte glänzende Stiefel, in denen Reithosen steckten, und beschattete die Augen, obwohl sie seine Stimme längst erkannt hatte.

»Carl?« Die Stimme Gesa von Reichenbachs hatte sich von soldatischer Strenge in mütterliches Entzücken gewandelt. Sie kam über die Veranda in den weitläufigen Garten. »Warum kommst du nicht rein?« Abrupt blieb sie stehen. »Grundgütiger! Was für ein Benehmen! Sofort stehst du auf!«

Aufreizend langsam – Rebellion konnte auch in Gehorsam gekleidet sein – erhob Magdalena sich und strich ihr Kleid glatt. Carl grinste.

»Die von Dornheims kommen zum Nachmittagstee, und du bist noch nicht einmal passend angezogen.«

Als müsse sie den Wahrheitsgehalt dieses Vorwurfs überprüfen, sah Magdalena an sich hinab.

»Na, für die wird’s reichen«, sagte Carl und zupfte ein Laubblatt aus Magdalenas Haaren.

Gesa von Reichenbach presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und scheuchte beide vor sich her ins Haus. Wenn er sich zu offensichtlich auf die Seite seiner Schwester stellte, wurde Carl in ihren Augen stets wieder zum rotznasigen Bengel, dem es an Benehmen mangelte.

»Zieh dich um!«, befahl sie, kaum, dass sie das Haus betreten hatte. »Und du wirst nachher pünktlich sein und dich reizend präsentieren, sonst kommst du mir nicht mehr zu deinem Pferd, auf keine zehn Schritte, das verspreche ich dir.«

Magdalena tat einen tiefen Atemzug und stieß die Luft in einem langen Seufzer aus, mehr Widerspruch wagte sie nicht, denn es galt, die Konsequenzen gegen den Gewinn aufzuwiegen. Ihre Mutter war unbeirrbar gerad­linig in der Unterscheidung dessen, was sich gehörte und was nicht, und wenn sich etwas nicht gehörte, war jeder Disput müßig. Sie waren privilegiert in der Gesellschaft, das, so wurde sie nie müde zu betonen, verlangte ein gewisses Benehmen, und dieses bestand darin, nur zu tun, was sich gehörte. Insbesondere als junge Frau. Und wenn etwas nicht verboten war, so galt es doch, Maß und Ziel zu kennen.

Schon in ihrer Kindheit war jedes Aufbegehren, jeder Widerspruch damit abgewürgt worden. Magdalena, das gehört sich nicht. Carl bekam dergleichen nie zu hören, dafür galt es für ihn, die Ehre zu wahren, ein überaus komplexes Gut, das durch einen zu kurzen Rock oder eine allzu freimütige Bemerkung der Schwester schon arg ins Wanken geraten konnte, jedoch nicht den kleinsten Makel bekam, widmete der Hüter derselben sich amourösen Abenteuern.

»Wo warst du?«, fragte Magdalena, als sie an Carls Seite die Treppe zum Obergeschoss betrat und ihre Mutter außer Hörweite wusste.

»Beim alten Schneidbrenner. Ein Kaufmann aus Masuren hat eines der Füllen gekauft, die Papa letztes Jahr gezogen hat.«

»Gloriette?«

Ihr Bruder nickte nur, wohl wissend, dass Magdalena gerade diesen Jährling nur ungern ziehen ließ. »Er möchte sie für seine Tochter.«

Etwas in Carls Tonfall ließ Magdalena aufmerken, und sie wandte den Kopf, um ihn anzusehen, bemerkte, wie ein Anflug von Röte in seine Wangen kroch. Dass er schwieg und nicht in Schwärmerei geriet, nicht beteuerte, er habe »das schönste Mädchen der Welt« gesehen, gab mehr Aufschluss über die junge Frau, als Worte es vermocht hätten. Carl war beeindruckt, so tief beeindruckt, dass er offenbar befand, Worte könnten dem nicht gerecht werden.

»Lebt er hier, dieser Kaufmann?«, fragte Magdalena.

»Nein, er hat hier nur geschäftlich zu tun.«

Also würde er wohl bald wieder gehen und das beeindruckende Mädchen mit ihm. Aber begannen so nicht alle großen Liebesgeschichten?

Adela wusste die Blicke auf sich gerichtet, als sie die kastanienbraune Stute am Halteseil führte – der ihres Vaters streng und prüfend, der ihres Bruders aufmerksam und die aller übrigen Männer in trägem Begehren. Sie ignorierte sie allesamt und wandte sich der Stute zu, die die Ohren aufmerksam aufgestellt hatte und mit geblähten Nüstern witternd den Kopf hob. Leise Koseworte murmelnd streichelte Adela ihr die Stirn, strich die Ponyfransen zur Seite und klopfte den glänzenden Hals. Sie wusste, dass sie sich bei ihrem Vater für das Geschenk bedanken sollte, aber sie ahnte, dass dieses nicht ohne Hintergedanken gemacht worden war. Erfahrungsgemäß sollte es ihr eine noch zu erwartende bittere Pille versüßen.

Ihr Vater, Oskar Lamberg, sah in allem eine mögliche Kapitalanlage, selbst in seinen Kindern, da er zwar über viel Geld verfügte, nicht aber über einen großen Namen. Und was dies anging, war Adela sein größtes Kapital, darüber hatte er sie nie im Unklaren gelassen. Da war nun also dieses wunderschöne Pferd. Klug investiertes Geld in etwas, das so viel Gewinn versprach, dass es den horrenden Preis für das Tier aufwog. Innerlich begehrte Adela auf, wollte sich umdrehen und ihm entgegenschreien, dass sie das Tier nicht annahm, das ihr nun zutraulich seinen warmen Atem ins Gesicht blies.

»Und? Was sagst du?«

Sie drehte sich zu ihrem Vater um. »Sie ist wunderschön.« Das musste ihm Dank genug sein, und offenbar gab er sich damit zufrieden. Ihr Bruder Justus sah sie an, dann das Pferd, und nicht der leiseste Anklang eines ­Lächelns trat auf seine Lippen. Er kannte den Vater ebenso gut wie sie, und ihm schien wahrhaftig nicht zum Lächeln zumute zu sein.

Adela wandte Vater und Bruder den Rücken und streichelte die Stute ein weiteres Mal. Dann drehte sie sich erneut um. »Ich würde gerne einen Spaziergang machen.«

»Ja, tu das ruhig«, antwortete ihr Vater, nickte ihr zu und wandte sich zu Jakob Schneidbrenner, seinem alten Freund, auf dessen Gut sie logierten. Adela ging langsam vom Hof, versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr es sie fortzog, denn das könnte ihren Vater dazu veranlassen, ihr unvermittelt Zügel anzulegen.

Ob sie den hübschen jungen Mann noch einmal sah, der das Pferd gebracht hatte? Offizier war er, hatte ­Jakob Schneidbrenner gesagt, hatte sein Patent erworben und seine militärische Ausbildung abgeschlossen, ehe er sich den Belangen des väterlichen Gestüts widmete. Adela wusste um die Bedeutung jener Männer, denn die Gutsbesitzer gehörten zu der Gesellschaftsschicht, die die Stimmungslage im Land beeinflusste. Allerdings schien dieser junge Mann – Carl von Reichenbach – ihrem Vater nicht wichtig genug zu sein, um ihm mehr Aufmerksamkeit zu schenken, als Begutachtung und Bezahlung der Stute erforderten. Er war sogar so unbedeutend, dass er die Blicke zwischen ihm und Adela nicht bemerkte, die Bestürzung beider, als sie ihre eigenen, so plötzlich aufflammenden Gefühle in den Augen des jeweils anderen gespiegelt sahen.

Schritt um Schritt entfernte Adela sich vom Schneidbrenner-Gut. Satt und grün erstreckte sich die Landschaft, gesäumt vom schwarzen Grün dichter Wälder. Adela folgte dem Weg, den sie den jungen Mann hatte nehmen sehen, und hoffte, dass dieser nicht irgendwo unvermittelt abzweigte. Es war ohnehin eine Torheit, sie konnte ja unmöglich bis zum Gestüt gehen und im Hof stehend darauf hoffen, dass er zur Tür hinaustrat.

Ihr begegnete niemand, und in der in einer – wenn auch kleinen – Stadt aufgewachsenen Adela, die emsige Geschäftigkeit auf den Straßen gewohnt war, löste diese Einsamkeit eine Mischung aus Beklemmung und Befreiung aus. Würde sie jetzt das Kleid bis über die Knie raffen und sich tanzend im Kreis drehen, würde es niemand dem Vater zutragen können. Bei dem Gedanken stieß sie ein Lachen aus, hob instinktiv die Hand an den Mund und erinnerte sich dann daran, dass hier niemand war, der sie ob des Lachens für närrisch halten könnte.

Sie tauchte in die Schatten einer langen Allee ein, auf der die Sonnenstrahlen nur mehr goldfarbene Tupfer waren, die durch das halb entlaubte Geäst zu Boden tropften. Bunte Blätter raschelten unter Adelas Füßen, und sie überkam der Impuls, wie ein Kind hindurchzulaufen, dass das Laub zu allen Seiten aufwirbelte. Ehe sie jedoch ernsthaft in Versuchung geriet, diesem kindischen Trieb nachzugeben, machte sie in der Ferne die hohe Gestalt eines Reiters aus, der sich in gemächlichem Trab näherte. Vielleicht trug sich jemand, der so unvermittelt und unbändig verliebt war, mit Ahnungen, die über die Vernunft hinausgingen, aber Adela war sich gewiss, dass er es sein musste. Langsam ging sie weiter, beobachtete den Reiter, dessen schlanke Statur nun keine Silhouette mehr war, sondern Farbe und Gestalt bekam. Und als er nahe genug war, erkannte sie ihn und wusste, ihre Ahnung hatte sie nicht getrogen. Es zog ihn zu ihr wie sie zu ihm.

»Vorsicht, sie bricht aus!«, war die Stimme des Stallmeisters Hans Wolters zu hören, gefolgt von dem Scheppern eines Blecheimers.

»Spricht er von einem Pferd oder von seiner Frau?«, witzelte Leonhard von Schletter, und seine Schwester Elisa prustete recht undamenhaft los. Von seinem Vater allerdings bekam er einen derben Klaps auf den Hinterkopf, als sei er noch ein Bub, dem Benehmen eingebläut werden musste.

»Ins Haus, Elisa«, befahl er. »Und du, Leonhard, hilf, die Stute einzufangen.«

Im Stall schien es hektisch zuzugehen, aber noch ehe ­Leonhard sich in Bewegung setzen konnte, war trommelnder Hufschlag zu hören, und im nächsten Moment jagte das Tier im fliegenden Galopp durch das Stalltor hinaus auf den Hof und von dort aus über das angrenzende Feld.

»Verdammt noch mal!«, fluchte sein Vater. »Los, fang sie ein, ehe sie sich ein Bein bricht!«

Leonhard rannte zum Stall, wo einer der Burschen bereits sein Pferd sattelte und aufzäumte. Er nahm die ­Zügel, saß auf, dann ritt er hinaus in den Hof und trieb den noch sehr jungen und ungestümen Wallach in einen raschen Trab, von dem aus er ohne weiteres Zutun in einen gestreckten Galopp fiel. Weit vorn sah er die Stute, und das flatternde Halteseil, das ihr zwischen die Beine zu geraten drohte, tat seinem Reiterherzen weh. Er trieb seinen ­Wallach an, aber obwohl dieser in einen schnellen Jagd­galopp fiel, holten sie kaum auf, und kurz darauf geriet die Stute wieder außer Sicht.

Sein Wallach drohte durchzugehen, und so parierte Leon­hard durch, damit der Galopp sich verlangsamte und weniger raumgreifend wurde. Die Stute holte er ohnehin nicht ein, da brauchte er weder sich noch sein Pferd zu gefährden. Er ritt auf eine Allee zu, zwischen deren Bäumen er das Tier hatte verschwinden sehen. Und da stand sie, das Halteseil in den Händen einer jungen Frau, die in Begleitung Carl von Reichenbachs war. Das Tier zitterte am ganzen Körper, aber die Frau schien einen beruhigenden Einfluss zu haben. Sie sprach leise auf das Tier ein, während Carl einige Schritte entfernt stand, bereit einzugreifen, falls sich die Stute befreite. Sein Hengst stand an einen Baum gebunden, unruhig, den Kopf zurückwerfend.

»Rosst die Stute?«, fragte er, als er Leonhard bemerkte und offenbar die richtigen Schlüsse auf die Herkunft des Pferdes zog.

»Ja.« Leonhard zügelte seinen Wallach und stieg ab. »Danke, dass du sie eingefangen hast.«

»Der Dank gebührt Fräulein Lamberg, die Stute hat sich von ihr einfangen lassen, während ich damit beschäftigt war, Grandeur zu beruhigen.«

Leonhard wandte sich an die junge Frau. »Vielen Dank.«

Sie schenkte ihm ein bezauberndes Lächeln. »Gern geschehen.« Sanft klopfte sie der Stute den Hals, während diese immer wieder den Kopf hochwarf und auf der Stelle tänzelte. Leonhard bemerkte den Blick, mit dem Carl die junge Frau ansah, die in der Tat ausgesprochen hübsch war mit dem Haar in der satten Farbe von altem Gold, dem sahneweißen Teint und den grünblauen Augen. Nun, es sei ihm gegönnt, dachte er und ging zu der jungen Frau, um ihr das Seil aus der Hand zu nehmen. Er tauschte einen Blick mit Carl und zwinkerte ihm zu, dann stieg er auf seinen Wallach.

»Wir sehen uns«, verabschiedete er sich von seinem Freund.

»Auf bald«, antwortete dieser.

Leonhard ritt im Schritt zurück, was den Pferden die Gelegenheit gab zu verschnaufen. Dreißig Minuten später kam das Gut in Sicht, von Weitem imposant und hochherrschaftlich. Erst wenn man näher kam, wurden die Anzeichen des Verfalls deutlich, anfangs ein wenig verwunschen und romantisch anmutend, ehe es sich schließlich in seiner ganzen Verwahrlosung offenbarte. Schloss ­Lilienau war seit Hunderten von Jahren im Besitz der Familie, und auf Leonhard von Schletter ruhte die Erwartung, das Fami­liengut vor dem endgültigen Untergang zu bewahren. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, wie er das bewerkstelligen sollte, aber derzeit schien es ohnehin, als sei dafür nicht mehr als seine reine Existenz notwendig.

Neben ihm stob ein Rabe aus dem Gebüsch, und die Stute scheute, aber Leonhard gelang es direkt, sie wieder zu beruhigen. Als er in den Hof ritt, kam ihm ein Stallbursche entgegen.

»Der Herr Baron hatte schon Sorge, dass die Stute auf und davon ist.«

Leonhard übergab dem Burschen das Pferd. »Das hätte ich niemals zugelassen, Peter.«

Er ließ seinen Wallach am langen Zügel auf den Stall zugehen und stieg schließlich ab. Sein Vater war weit und breit nicht zu sehen, was ihm nur recht war.

»Lass nur«, sagte er, als ein Stallbursche kam, um ihm den Wallach abzunehmen. »Ich mache das selbst.« Er führte das Pferd in die geräumige Box, nahm ihm Sattel und Zaumzeug ab, hängte dies über die hölzerne Wand, die die Box von der Stallgasse trennte, und öffnete die Tür zum Auslauf hinter dem Stall. Hernach räumte er Sattel und Trense in die Kammer. Als er sich umdrehte, bemerkte er eine Gestalt an der Tür und fuhr zusammen.

»Himmel, hast du mich erschreckt«, sagte er.

»Ich stehe hier doch nur.« Seine siebzehnjährige Schwester Karolina, die um zwei Jahre jüngere seiner beiden kleinen Schwestern, lehnte am Türrahmen, eine steile Falte zwischen den dunklen Brauen. War seine Schwester Elisa blond und von Kind an wie ein Sonnenschein gewesen, so war Karolina dunkelbraun wie er selbst, mit grauen Augen. Sie standen einander nicht sehr nahe, vermutlich, weil sie sich in vielen Dingen sehr ähnlich waren.

»Papa führt die Stute gerade dem Hengst zu«, erklärte sie.

»Ich weiß. Bei seinem letzten Versuch ist die Stute ausgebrochen.«

»Er hat mich weggeschickt, als hätte ich dergleichen auf den Viehweiden nicht Dutzende Male gesehen.«

Leonhard verließ die Kammer und zog die Tür hinter sich zu. »Na ja, auf diese Weise kann er sich weiterhin einreden, deine unschuldigen Augen vor dergleichen geschützt zu haben.«

Sie verließen den Stall, und Leonhards Blick fiel auf jenen Bereich, wo sich die Besamungsbox befand. Der Beschäler stammte aus der eigenen Zucht, eines der wenigen wirklich guten Pferde, die sein Vater gezogen hatte. Die Stute hatte er für eine Summe gekauft, die ihre Mittel eigentlich überstieg, weil er sich von ihr gute Anlagen versprach. Dabei war sein Vater wahrhaftig nicht der geborene Pferdezüchter, und erst recht konnte er nicht in Konkurrenz mit den von Reichenbachs treten, die mit ­Johannes von Reichenbach in der dritten Generation reinrassige Trakehner zogen.

»Wo willst du hin, Wildfang?«, fragte er, als Karolina sich anschickte, den Hof zu verlassen.

»Ich gehe hinten herum und sehe durchs Fenster zu.«

Er hob die Brauen. »Das will ich nicht gehört haben.«

»Hast du doch auch nicht, oder?« Sie lachte und lief davon. Kopfschüttelnd sah er ihr nach, dann ging er ins Haus.

Adela hatte noch nie zuvor geküsst, und so war dieser Moment unbeschreiblich, als Carl sie an sich zog, seinen Mund auf ihren senkte, ihn umschmeichelte, dazu brachte, sich zu öffnen. Bei ihren letzten Treffen waren sie nur spazieren gegangen, und Adela war es schon sehr gewagt und intim vorgekommen, ihm zu erlauben, ihre Hand zu nehmen. Aber sie hatte es gemocht, wie sich seine Finger in sanftem Druck um die ihren schlossen. Ebenso, wie sie es nun mochte, wenn er sie küsste.

»Ich komme mir furchtbar verrucht vor«, sagte sie, als er sich von ihr löste und sie ansah.

Ein kleines Lächeln tanzte auf seinen Lippen. »Ich finde dich wundervoll, wenn du verrucht bist.«

Sie lachte und wünschte, er würde sie noch einmal küssen, was er umgehend tat. Ein langer Kuss, der sich viel Zeit nahm und eine Begierde entfachte, die sich fremd anfühlte und tief in ihr zu nisten schien. Eine Wärme, die in den Bauch aufstieg und atemlos machte.

»Wie lange werdet ihr bleiben?«, fragte Carl, nachdem er sich von ihr gelöst hatte.

»Mein Vater ist vage geblieben. Aber so bald steht die Abreise noch nicht an.« Alles sprach dafür, dass ihr Vater in Verhandlungen war, deren Ausgang er noch nicht so recht absehen konnte. Sie hatte Justus gefragt, aber der hatte ­beteuert, nichts Genaueres zu wissen. Wenn es um rein Geschäftliches ging, weihte ihr Vater ihn in der Regel ein, und so war es überaus beunruhigend, dass dies nicht geschehen war.

»Wenn ich hier eines Tages stehe, und du kommst nicht zu unserem Treffpunkt, werde ich dir nach Johannisburg nachreisen.«

Sie musste lächeln. »Mein Vater ist ein schwieriger Mann.«

»Meiner auch – damit werde ich schon fertig.«

Jetzt lachte sie, und er zog sie an sich, um sie wieder zu küssen.

Hernach gingen sie spazieren, und Adela erzählte von Johannisburg, von ihrem prachtvollen Stadthaus und von einem sehr geselligen Leben, das sie jeden Winter zur ­Saison nach Berlin führte, wo sie Freunde ihres Vaters trafen.

»Er ist ein Geschäftsmann durch und durch. Ich fürchte, er hat nicht einen echten Freund in der Welt, aber so viele Geschäftsfreunde, dass man sie kaum zählen kann. Es war ihm stets wichtig, sich mit uns zu präsentieren, uns auf Bällen vorzuzeigen, als seien wir ein Produkt, das man bewirbt, um möglichst großen Gewinn zu erzielen.« Und genau aus dem Grund war diese Reise hierher zu dieser Jahreszeit so ungewöhnlich. Im November stand normalerweise die Jagd an und danach die Reise nach Berlin. Ihr Vater verreiste nie bereits im September – und dazu noch ohne ein Ende der Reise geplant zu haben.

Carl hatte Adela so weit begleitet, wie er es durfte, ohne Gefahr zu laufen, dass man sie zusammen sah. Sie trafen sich stets frühmorgens, weil es am unverfänglichsten war, einen Spaziergang vor dem Frühstück zu machen. Nach seinem Dafürhalten hätte es diese Heimlichtuerei nicht gebraucht, aber sie war sehr deutlich gewesen, was den Charakter ihres Vaters anging, und er wollte nicht, dass sie in Schwierigkeiten geriet. Was seinen eigenen Vater anging, machte er sich weniger Sorgen, der würde froh sein, wenn er überhaupt irgendwann an eine Ehe dachte, und hatte gelegentlich beklagt, dass Carl so wenig Interesse an einer festen Bindung zeigte.

Und nun, da Carl zum ersten Mal in seinem Leben so unbändig verliebt war, wusste er, dass es ihm unmöglich war, sich jemals mit weniger zufrieden zu geben. Er würde nur den richtigen Moment abwarten müssen, und der lag in Adelas Hand, denn es war ihr Vater, der überzeugt werden musste. Carl würde warten, selbst wenn das bedeutete, dass er ihr in der Tat hinterherreisen musste.

»Da bist du ja«, sagte sein Vater, als er in den Hof ritt. »Athena lahmt, der Neue hat sie zusammen mit Goldstein auf die Weide gebracht, und die hat gekeilt.«

»Hat ihm niemand gesagt, dass die beiden unter keinen Umständen zusammengebracht werden dürfen?«

»Angeblich schon, aber du weißt ja, wie das ist, da lässt sich der Schuldige im Nachhinein nur schwer ausmachen. Das Zureiten müssen wir nun natürlich verschieben.«

Carl ging in den Stall, wo die Stute von einem Reitburschen versorgt wurde. Der Tierarzt war auf dem Weg, und so lange musste jemand bei Athena bleiben, um die dicke, heiße Schwellung zu kühlen.

»Na, Prinzessin«, murmelte Carl und streichelte die ­weichen Nüstern, »was machst du für Sachen, hm?« Er vergewisserte sich mit einem Blick, dass der Reitbursche das Bein vernünftig versorgte, dann klopfte er der Stute noch einmal den Hals und ging ins Haus, was er jedoch umgehend bereute, da hier ein lautstarker Streit zwischen seiner Mutter und Magdalena im Gange war.

»Du bleibst augenblicklich stehen, junge Dame!«, rief seine Mutter, indes Magdalena aus dem Raum stürmte und fast in Carl hineingerannt wäre.

»Hoppla.« Er fing sie mit einem Griff um den Arm ab, als sie bei dem Versuch, ihm auszuweichen, fast ­gestolpert wäre. In ihren Augen standen Tränen, und sie befreite ­hastig ihren Arm und lief weiter.

»Bleib stehen!« Gesa von Reichenbach folgte ihr, so rasch es Kleid und Würde erlaubten. »Magdalena! Ich bin noch nicht fertig mit dir!«

Ohne sich umzudrehen rannte Magdalena durch die Halle und war zur Tür hinaus, noch ehe ihre Mutter auch nur den halben Weg zurückgelegt hatte. »Himmel, dieses Kind bringt mich noch verfrüht ins Grab!« Gesa von Reichenbach presste sich die Hand auf die Brust.

»Was ist denn passiert?«, fragte Carl.

Seine Mutter schnaubte. »Hat Dinge in ihr Tagebuch geschrieben, die ein anständiges Mädchen nicht einmal denken sollte. Gerede von Liebe, von … ich mag es nicht wiederholen. Es waren Gedanken, wie sie keine wohlerzogene junge Frau hegt.«

»Du hast ihr Tagebuch gelesen?«

»Glücklicherweise fiel es mir in die Hände, ja. Wer weiß, welche Blüten es sonst noch getrieben hätte.«

Carl sah zur Tür, durch die seine Schwester verschwunden war. »Warum hast du das getan?«

»Das ist alles, was dir dazu einfällt?«

»In der Tat, ja.«

Wieder schnaubte seine Mutter, und Carl fragte sich, ob sie wusste, wie wenig damenhaft dieser Laut klang.

»Ich sehe mal, wo sie ist«, sagte er. »Wirst du ihr das ­Tagebuch zurückgeben?«

»Das ist nicht möglich, ich habe es in den Kamin geworfen.« Kopfschüttelnd ging sie zurück ins Wohnzimmer. »Ich wüsste zu gerne, wo ich bei diesem Kind versagt habe.«

Carl sah sich im Hof um, ohne seine Schwester entdecken zu können. Im Garten war sie gewiss nicht, der war vom Salon her einsehbar, und dort würde ihre Mutter sie zuerst suchen. In den Stallungen war die Gefahr zu groß, auf ihren Vater zu stoßen. Blieb das alte Pförtnerhaus am Portal zum Hof.

Er behielt Recht, hier saß sie auf dem Boden zwischen Staub und Mäusedreck, hatte die Arme um die Brust geschlungen und weinte leise. Als er eintrat, blickte sie kurz auf und sah rasch weg, während sie die Zähne in die Unterlippe grub, um ein Schluchzen zu unterdrücken. Carl ließ sich nach kurzem Zögern neben ihr nieder. »Sie denkt vermutlich, dass sie das Richtige tut«, setzte er behutsam an.

»Ach ja, tut sie das? Sie hat mein Tagebuch gelesen, meine geheimsten Gedanken. Und dann hat sie so getan, als seien sie etwas Schmutziges. Seit einem Jahr schreibe ich alles hinein, was mich bewegt, und sie verbrennt es einfach.«

Carl legte ihr den Arm um die Schulter und zog sie an sich. »Ich fahre morgen nach Königsberg und kaufe dir ein neues Buch.«

»Sie wird es wieder finden und verbrennen. Und vorher wird sie das, was ich geschrieben habe, laut vorlesen und mich wegen unzüchtiger Gedanken beschimpfen. Dabei habe ich doch nur von der Liebe geträumt und davon, wie sie sich anfühlen mag. Darf ich das nun nicht einmal mehr für mich im Geheimen tun?«

»Wir wissen ja alle, wie sie ist, nicht wahr? Aber was das Buch angeht, so kannst du es in meinem Zimmer verbergen. Mein Eigentum durchsuchen – das wagt sie nicht.«

Argwöhnisch taxierte sie ihn. »Und du würdest es nicht lesen?«

»Wofür hältst du mich?« Seine Empörung war nicht gespielt, und ein kleines Lächeln zuckte auf ihrem Mund.

»Hätte ich gewusst, dass Mutter das Buch liest, hätte ich mir sehr verruchte Inhalte ausgedacht, die sie wahrhaftig schockieren.«

»Sie wirkte auch so durchaus schockiert. Woher kennst du überhaupt verruchte Dinge?« Er taxierte sie mit Strenge, die nur halb gespielt war.

»Ach, man hört so dies und das«, antwortete sie ausweichend. »Aber in meinem Tagebuch stand nichts Verruchtes, es waren nur meine Gedanken über das Leben und die Liebe. Na ja, und ich habe über alltägliche Begebenheiten geschrieben, auch darüber, wie eng das Leben für mich ist. Ich vermute, das hat Mutter auch nicht gefallen.«

Das war anzunehmen. »Und was machst du jetzt? Dich bis heute Abend hier verstecken?«

Sie zuckte mit den Schultern.

»Komm.« Er erhob sich, nahm ihre Hand und zog sie hoch. »So schlimm wird es schon nicht sein. Ausgetobt hat sie sich ja, und nun bin ich dabei und stehe dir zur Seite.«

»Sie wird es Vater erzählt haben.«

»Die verruchte Version deiner Gedanken, ja. Du hingegen kannst erzählen, dass du Mädchenträume gehegt hast. Und da das Tagebuch nun verbrannt ist, kann niemand etwas anderes behaupten. Abgesehen davon – du weißt doch, was er von Vertrauensbrüchen hält. Er wird Mutter eher übelnehmen, dass sie hinter deinem Rücken in dem Tagebuch liest, das er dir geschenkt hat, und dies überdies noch verbrennt, als dass er wütend auf dich sein wird, weil du es seinem Zwecke entsprechend genutzt hast.«

Sie wirkte nicht überzeugt, begleitete ihn jedoch ins Haus, wo sich ihr Vater in der Tat bereits zum späten Frühstück eingefunden hatte. Magdalena sah ihn an, die Miene in vorsichtiger Wachsamkeit. Und obwohl es ihrer Mutter nur schlecht gelang, ihre Wut und Entrüstung unter einer Miene freundlicher Aufmerksamkeit zu verbergen, so schien sie doch zu demselben Schluss gekommen zu sein wie Carl und hielt es offenbar für angebracht, das Tagebuch nicht zu erwähnen.

Dezember 1880

Adela löste sich aus Carls Kuss und stieß einen tiefen Seufzer aus. Konnte sich das Leben vollkommener anfühlen? Der Atem stand zwischen ihren Mündern, dann küssten sie sich wieder.

»Ich möchte mich deinem Vater erklären«, sagte er.

Sie zögerte. »Das wünsche ich mir auch, wir müssen nur den passenden Zeitpunkt abwarten.« Sie hegte jedoch die Befürchtung, ihr Vater würde nicht einwilligen, denn er verfolgte grundsätzlich nur Pläne, die er selbst geschmiedet hatte. Und ein junger Mann, den er schon bei seinem ersten Auftauchen der Beachtung für nicht würdig erachtet hatte, würde niemals Gnade vor seinen Augen finden.

»Was ist mit deiner Familie?« Vielleicht bestand Hoffnung, wenn Carls Vater jene Art Mann war, dem ihr Vater mit Respekt begegnete.

»Mein Vater hat mir nie etwas verwehrt«, antwortete Carl. »Er wird mir auch diesen Wunsch nicht verweigern.«

Adela nickte, obgleich ein stetes Unbehagen an ihr nagte, selbst bei Nacht, wenn sie in ihrem Bett lag und vergeblich Schlaf suchte. Ihr Vater plante etwas, das war offensichtlich, aber nicht einmal Justus war eingeweiht. Dass ihr Vater ein solches Geheimnis daraus machte, legte nahe, dass er mit ihrem Widerspruch rechnete. Nicht dass er viel darauf gab, aber es war ihm einfach lästig. Ohne seine Einwilligung zu heiraten war gewiss eine schöne Vorstellung, nichtsdestoweniger war es eben genau das – eine Vorstellung und somit nur ein Traum. Adela hätte diese Treffen mit Carl schon viel früher wieder beenden sollen. Aber es fühlte sich so wundervoll an, und ganz aufgeben mochte sie den Gedanken an eine Zukunft mit ihm eben doch noch nicht.

Langsam spazierten sie am Waldsaum entlang, Arm in Arm, als dürfe jeder sehen, dass sie zusammengehörten. Dabei hatten sie diesen Treffpunkt gewählt, gerade weil sie wussten, dass niemand sie hier sehen würde. Der Schnee knirschte unter ihren Stiefeln, und der Atem stieg in weißen Wölkchen auf, während die Welt in einer frostkalten Stille zu verharren schien. Die Vorstellung gefiel Adela. Alles war regungslos, die Zeit blieb stehen und verschaffte ihnen einen endlos währenden Augenblick des Beisammenseins.

Als der Moment kam, sich zu verabschieden, taten sie das eng umschlungen mit einem langen Kuss. Raben flatterten krächzend auf, und der endlos währende Augenblick war vorbei, die Welt hielt nicht mehr inne.

»Wo, um alles in der Welt, ist Carl?«, fragte Johannes von Reichenbach an diesem frostkühlen Morgen.

Fortgeritten, mit liebestrunkenen Augen, dachte Magdalena, schwieg jedoch und zuckte mit den Schultern. Sie stand in der Box ihrer Stute und streichelte die weichen ­Nüstern. Ein wenig beneidete sie Carl darum, einfach fortzureiten, in der Hoffnung, ein Mädchen zu treffen, in das er sich so unvermittelt verliebt hatte. Natürlich würde ihr Vater ihm eine solche Liaison, sollte sie ernst werden, nicht bewilligen, aber ein wenig träumen konnte man ja trotzdem. Die Position ihres Vaters machte es seinen Kindern schwer bis unmöglich, ihren Lebensweg selbst entscheiden zu können.

»Ist er schon lange fort?«, fragte ihr Vater nun, und Magdalena zuckte mit den Schultern. Die Seide ihres teuren Kleides raschelte leise bei jeder Bewegung, ein selt­samer Missklang zwischen den Geräuschen mahlender Mäuler, dem leisen Schnauben, dem Klirren von Zaumzeug und dem Aufflattern im Gebälk.

Ihr Vater murmelte etwas, das sie nicht verstand, das jedoch verärgert klang und zweifellos wenig schmeichelhaft für ihren Bruder war. Magdalena wandte sich wieder der Stute zu, murmelte Koseworte und lauschte der morgendlichen Geschäftigkeit.

Im Herbst, nach der Ernte, hatten die Reitjagden stattgefunden, quer über ungepflügte Stoppelfelder und Wiesen, die vorher gemäht worden waren. Auf diese Weise waren lange Galoppstrecken möglich, und die Vorfreude auf die nächste Jagd vibrierte bereits in der Luft.

Magdalena hatte an der Jagd selbst kein Interesse. Sie konnte zwar gut schießen, aber sie tat es nicht gerne. Vielmehr genoss sie den wilden Galopp über Wiesen und ­Felder, und da es in der Hand ihrer Mutter lag, ihr dieses Vergnügen zu verwehren, hatte Magdalena sich sehr folgsam und angepasst gegeben.

Sie verließ den warmen Stall, in dem es nach Leder, Pferd und Stroh roch, und atmete die Schneeluft, als sie den Hof betrat, der still im blassen Licht des frühen Tages lag. Im Haus hatte die Geschäftigkeit schon vor Anbruch des Morgens begonnen, und auch in den Ställen war die Arbeit aufgenommen worden, aber der Hof schien erst langsam zu erwachen. Marie, die Magd, verließ durch den Seiteneingang die Küche, um im Hühnerstall die Eier zu holen. Der Bauer hatte die Milch bereits in aller Frühe gebracht, und obwohl Magdalena bei dem Gedanken an frisches Brot, Kaffee, Butter und süßes Kompott einen drängenden Hunger verspürte, hatte sie es nicht eilig, ins Haus zurückzukehren.

»Du riechst nach Pferd«, begrüßte ihre Mutter sie, kaum, dass sie die Halle betreten hatte.

»Wir leben ja auch auf einem Gestüt«, antwortete Magdalena und barg die Hände in den Falten ihres Kleides.

»Wo ist dein Bruder?«

»Grandeur steht nicht in der Box.« Das musste ihrer Mutter Antwort genug sein, und diese nickte nur und wies Magdalena mit einem knappen Nicken an, ins Speisezimmer zu gehen.

Der Tisch war gedeckt, und auf der Anrichte standen Körbe mit frischem Brot, hauchdünn geschnittener Schinken, Süßrahmbutter, Kompott, Honig, Käse und Wurst. Außerdem Kannen mit Tee und Kaffee.

»Guten Morgen, gnädiges Fräulein«, sagte Hanne, eines der Stubenmädchen. Derer hatten sie im Haus acht, allesamt adrett gekleidet in Kleider, die fein grau gestreift waren, mit weißen Schürzen und ebensolchen Hauben.

Magdalena nahm Platz, als ihre Mutter gerade den Raum betrat und sich mit einem Blick davon überzeugte, dass alles ihren Wünschen entsprechend war. Kurz ­darauf folgte ihr Vater. Magdalena beobachtete, wie Hanne die Kaffeekanne von der wärmenden Haube befreite und Kaffee in eine Tasse aus weißem Porzellan einschenkte. Diesen servierte sie hernach dem Hausherrn und reichte Magdalena den Brotkorb sowie das Butterfässchen und das Kompott.

»Halte dich gerade«, sagte ihre Mutter, und Magdalena drückte das Kreuz durch und nahm die Schultern zurück.

Die bleiche Sonne malte durch die Gardinen hindurch ein Spitzenmuster auf das honigfarbene Parkett, durchbrochen von aufflatternden Schatten, als ein Rabe krächzend aufflog. In Magdalena vibrierte eine stete Unruhe, und sie frühstückte rasch, obwohl sie wusste, dass sie sich erst vom Tisch erheben durfte, wenn ihre Mutter dies erlaubte. Und wie immer war es, als erahnte diese, wie es in ihr aussah, und verlängerte absichtlich die erzwungene Ruhe. Dem Vater zuliebe beendete sie schließlich das Frühstück, und noch bevor sie Magdalena aufhalten konnte, hatte diese sich erhoben und war aus dem Raum geflohen.

In der Kammer, wo Mäntel und Stiefel standen, zog sie sich an, streifte pelzgefütterte Handschuhe über die Hände und eine Mütze übers Haar. Zu guter Letzt wickelte sie einen Wollschal um und huschte hinaus in den winter­lichen Morgen.

Grete, die Tochter des Hausverwalters, kam über den Hof gelaufen. Seit ihrer Geburt, als klar war, dass sie nicht war wie andere Kinder, lief sie einfach so nebenher mit. Sie hatte leicht schrägstehende Mandelaugen wie eine ­Asiatin, ein flächiges Gesicht und sprach nicht richtig, auch weil sich von klein auf niemand so recht darum gekümmert hatte, dass sie es lernte. Dafür hatte sie ein sonniges Gemüt und umarmte die Menschen, die sie mochte. Magdalena gehörte zu diesen, und als sie ihr »Guten Morgen, Gretchen« zurief, kam die Zehnjährige auf sie zugelaufen und drückte sie überschwänglich an sich.

Magdalena löste sich sanft von ihr, schob ihr die wirren Haarsträhnen aus dem Gesicht und setzte ihren Weg fort. In den Stallungen herrschte emsige Geschäftigkeit. Das Gut hatte über vierhundert Gestütsbedienstete und weitläufige Stallungen und Ländereien. Alles stand im Dienst der edlen Pferde, der ganze Stolz der von Reichenbachs. Die Region mit ihren futterwüchsigen Böden und den natürlichen Weiden war ideal für die Zucht. Magdalena hatte schon auf einem Pferd gesessen, bevor sie laufen konnte. Ihr Vater hatte sie oft vor sich in den Sattel gesetzt und festgehalten, wenn er über die Ländereien ritt. Später hatte sie ein eigenes Pony bekommen und als Halbwüchsige schließlich ihren ersten Trakehner, eine Stute, die sie sich aus der eigenen Zucht hatte aussuchen dürfen, womit ihr Vater auch gleich ihren Pferdeverstand auf die Probe stellte. Denn es galt, ein Pferd auszusuchen, das zu ihr passte. Und die Wahl, die sie getroffen hatte, war die richtige gewesen.

Sie ging zwischen den Stallungen hindurch zur Rückseite des Anwesens. Ein eisiger Wind stach wie Nadelspitzen in Magdalenas Wangen, und sie senkte das Kinn in ihren Schal. Außer Sichtweite des Hauses atmete sie durch, immer leichter, je weiter sie sich von dem Gut entfernte. Zwei Monate zuvor war sie sechzehn geworden, und ihr entging nicht, wie sich die Blicke und das Verhalten der jungen Männer ihr gegenüber wandelten. Sie war nicht mehr Carls lästige kleine Schwester, die von seinen Freunden geärgert und an den Zöpfen gezogen wurde. Als habe sie eine Grenze überschritten, die jeder außer ihr sah.

Vor allem ihrer Mutter schien dieses Überschreiten sehr bewusst zu sein, denn sie war nun zunehmend bestrebt, sie mit jungen Männern bedeutender Familien bekannt zu machen. Und auf einmal war Magdalena diese Aufmerksamkeit nicht mehr nur fremd, sondern auch unangenehm.

Sie blieb stehen, tat einen tiefen Atemzug und genoss die kalte Wintersonne. Vor ihr breitete sich die Welt aus, weit, unberührt und dahinter der Wald. Ein verwunschenes Reich, in das sie gerne verschwunden wäre.

Johannes von Reichenbach, feinsinniger Unterhalter und Liebhaber schöner Pferde – Trakehner, die einen der wichtigsten Pfeiler wirtschaftlicher Einflussnahme in Ostpreußen darstellten –, hatte Macht, und er wusste diese zu nutzen, um seiner Familie Geltung zu verschaffen, indem er seine Vasallentreue zum König von Preußen und nun Kaiser des Deutschen Reiches bei allem, was er tat, in den Vordergrund stellte. Er hatte geheiratet, weil es von ihm verlangt wurde, und er hatte aus demselben Grund Nachwuchs gezeugt.

Zehn Kinder hatte seine Frau von ihm empfangen, drei hatte sie vor ihrer Zeit verloren, eines war kurz nach der Geburt verstorben, weitere vier hatten nur das Kleinkind­alter erreicht. Geblieben waren ihnen Carl und Magdalena, auf die insbesondere Gesa von Reichenbach große Hoffnungen setzte. Carl würde das Gut führen, aber Magdalena bot die Möglichkeit, in eine weitere große Familie einzuheiraten, neue Verwandtschaftsbeziehungen zu knüpfen. Nun, derer gab es genug, das konnte Johannes getrost seiner Ehefrau überlassen. Er machte sich vielmehr Gedanken um Carl, der bei aller Pflichterfüllung den nötigen Ernst vermissen ließ. Erst letzte Nacht war er wieder bis in die Morgenstunden aus gewesen, zusammen mit Leon­hard von Schletter. Die Freiherren von Schletter hatten einst einen großen Namen, Macht und viel Geld besessen. Jetzt besaßen sie nur noch einen Namen.

Die von Reichenbachs hingegen waren Bürgerliche gewesen, die in der Generation von Johannes’ Großvater in den Adelsstand erhoben wurden. Die Nobilitierung war dem Umstand zu verdanken, dass Walter Reichenbach seinerzeit sein gesamtes Dasein in den Dienst des Königshauses gestellt und sich im Militär verdient gemacht hatte. Und so hielt Johannes von Reichenbach es noch heute, daher besaß sein Sohn das Offizierspatent und diente dem Kaiser. Sieben Jahre Wehrdienst waren für jeden Mann ab seinem zwanzigsten Lebensjahr Pflicht, aber man konnte seine Söhne bereits mit siebzehn in den Militärdienst schicken, daher hatte Carl seinen Wehrdienst mit vierundzwanzig abgeleistet. Johannes vertrat die Auffassung, dass eine Aufgabe gleichzeitig eine Gabe war, die entsprechend gewürdigt werden musste.

Carl musste dies jedoch offenbar immer wieder aufs Neue eingeimpft werden, denn gerade jetzt glänzte er wieder durch Abwesenheit, obwohl er auf dem Gestüt gebraucht wurde. Ich habe ihn zu sehr verwöhnt, dachte ­Johannes, ihm zu viel durchgehen lassen. Dass Carl abends gerne ausging, war ihm bekannt. Aber dass er sich bereits vor dem Frühstück davonstahl, ließ auf eine Liebschaft schließen, von der er offenbar nicht wollte, dass sie ans Licht kam. Und das konnte und würde Johannes ihm nicht erlauben.

So war er in keiner besonders nachgiebigen Stimmung, als sein Sohn eine Stunde später in gemächlichem Schritt auf den Hof geritten kam. Carl stieg vom Pferd und pfiff leise ein Lied.

»Wer ist sie?«

Das Pfeifen bekam einen Missklang, und Carl sah seinen Vater erstaunt an.

Kinder, dachte Johannes, hielten ihre Eltern stets für Narren und glaubten, so viel klüger zu sein. Als hätte man selbst dergleichen nicht auch bereits erlebt.

»Das Mädchen, für das du dich fortwährend heimlich davonstiehlst. Wer ist sie?«

»Hat Magdalena etwas erzählt?«

»Nein, aber das ist auch nicht nötig.«

Carl schwieg einen Moment lang. »Dieses Mal ist es mir ernst.«

»Tatsächlich? Und warum triffst du sie dann heimlich?«

»Weil ihr Vater es noch nicht wissen soll.«

»Spricht nicht gerade für sie.«

»Er ist ein strenger Mann, der seine eigenen Pläne für sie hat.«

»Die da wären?«

»Das hat er ihr noch nicht eröffnet.«

Vermutlich war das Mädchen anderweitig versprochen. »Wer ist sie?«

»Die Tochter eines Kaufmanns aus Masuren.«

»Ein einfacher Kaufmann? Denk nicht einmal daran.«

In Carls Augen blitzte etwas auf, das jeden Willen zum Gehorsam entbehrte. Johannes seufzte und stellte sich auf einen längeren Disput ein. Carl jedoch, und das war wahrhaft beunruhigend, entgegnete nichts, sondern neigte nur den Kopf. Nicht fügsam, sondern als stelle er klar, dass er seine Zeit abwartete.

»Weder deine Mutter noch ich werden dergleichen erlauben«, betonte Johannes. »Mit dir haben wir andere Pläne.«

Ein kaum merkliches Zucken zwischen Carls Brauen war die einzige Antwort darauf. »Er ist reich«, sagte er schließlich.

»Reich? Reich bin ich selbst.«

Daraufhin schwieg Carl, und Johannes hoffte, dass er nicht anfing, gefühlsselig von Liebe zu reden, aber sein Sohn wusste offenbar, dass diese Art von Geständnis nicht zum Ziel führen würde.

»Wie lange kennst du sie?«

»Seit drei Monaten.«

»Etwas kurz, um schon an eine Ehe zu denken, nicht wahr?«

»Du hast Mutter vier Tage vor eurer Verlobung kennengelernt.«

»Die Umstände waren anders. Wir wurden zusammengebracht, weil es für beide Familien eine nützliche Beziehung war. Du hingegen willst ein Mädchen heiraten, nach dem es dich gerade verlangt, das ist ein Unterschied.«

Carl sah ihn an, schien etwas sagen zu wollen, dann jedoch nickte er nur knapp und führte Grandeur in den Stall.

Selbst der festliche Schmuck war für das geübte Auge nur eine dünne Tünche über dem allgegenwärtigen Verfall. Seit Tagen gaben sich die beiden Stubenmädchen und der Hausdiener alle Mühe, unter der Aufsicht Berta von Schletters das Haus prunken zu lassen, dabei wirkte es jedoch wie eine alte Dame, die versuchte, mit viel Schminke das Alter zu kaschieren. Da Leonhard wusste, wie viel dieser schöne Schein seiner Mutter bedeutete, bestätigte er mehrmals, wie hübsch alles geworden war.

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DAS BUCH

Manchmal sucht man sich seine Weggefährten nicht selbst, manchmal tut es das Leben. So ist es auch bei Rosa und Frank. Die beiden begegnen sich in Sydney, ohne einander gesucht zu haben, und beschließen schon bald darauf, zusammen weiterzufahren. Sie kaufen einen alten Camper und bereiten gerade alles für die Reise vor, als unerwartet David auftaucht – Franks bester Freund und sein absolutes Gegenteil. Laut, witzig, offen und erfahren. Ein Teil von Frank will, dass er verschwindet, der andere, dass er bleibt. Und er bleibt.

Sind drei einer zu viel, oder hat genau er noch gefehlt? Das ist nur eine der Fragen, die Rosa, Frank und David sich auf ihrem gemeinsamen Weg durch Australien stellen. Einem Weg, der sie an ihre Grenzen und an einzigartige Orte führt, der sie fordert und miteinander verbindet. Ein Weg, der sie für immer verändern wird ...

Als hätte man auf Pause gedrückt – Anne Freytag feiert in ihrem neuen großen Roman eine Zeit, wie es nur sie nur einmal gibt: die Zeit zwischen der Schule und allem, was danach kommt.

DIE AUTORIN

Anne Freytag hat International Management studiert und als Grafikdesignerin und Desktop-Publisherin gearbeitet, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Erwachsenen- und All-Age-Romanen widmete. Für ihre ersten beiden Jugendbücher wurde die Autorin zwei Mal in Folge für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Für ihren dritten All-Age-Roman »Nicht weg und nicht da« erhielt sie den Bayerischen Kunstförderpreis 2018 in der Sparte Literatur.

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Copyright © 2019 by Anne Freytag

Copyright © 2019 dieser Ausgabe

by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Martina Vogl

Umschlaggestaltung und Illustrationen: Ann-Kathrin Hahn,

Das Illustrat, München

Innenillustrationen: Das Illustrat, München

Zitatnachweis [[siehe hier]]: Copyright © 1952 John Steinbeck,

East of Eden

Zitatnachweis [[siehe hier]]: Robert Seethaler, Das Feld

Copyright © 2018 Hanser Verlag Berlin, S. 234

Satz: Leingärtner, Nabburg

e-ISBN 978-3-641-23354-9V003

www.heyne-fliegt.de

Für alle, die ihren Weg noch suchen.

Ihr findet ihn zwischen den Zeilen.

»And now that you don’t have to be perfect,

you can be good.«

JOHN STEINBECK

Es ist noch gar nicht so lange her,

da war Rosa nur eine Farbe

und David mein bester Freund.

Seitdem ist viel passiert.

27. Mai. Noch zwei Tage.

Es fühlt sich an wie das Dach der Welt. Und wir stehen oben drauf. Ganz oben. Nebeneinander in einer mondlosen Nacht. Und das Gefühl ist so groß und laut, wie die Weite still ist. Ich war schon oft glücklich in meinem Leben, aber das hier ist anders. Wie ein Glas, das so voll ist, dass es überläuft. Die Sterne fließen langsam über den Horizont. Man kann dabei zusehen, wie sie hinter dem Rand der Welt verschwinden. Und die Milchstraße über unseren Köpfen scheint so nah, als könnten wir mit den Fingerspitzen in sie eintauchen wie in einen Teich. Unser Lagerfeuer brennt orange und rot in die Dunkelheit, es flackert in ein Blau, das fast schwarz ist, erhellt unsere Gesichter, dann sind sie wieder dunkel.

Außer uns ist niemand da. Und es fühlt sich an, als wären wir allein auf der Welt. Drei Punkte, die man vergessen hat. Die Funken steigen in den Himmel, und der Song, den wir hören, hallt aus den Lautsprechern in das weite Nichts um uns herum. Es ist ein Gefühl, als könnte ich lachen und weinen, und beides wäre richtig. Beides würde passen. Beides wäre ich. Es sind nur noch zwei Tage. Zwei Tage, dann sind wir vorbei. Dann gehen wir wieder zurück, jeder dahin, wo er hergekommen ist.

Aber noch nicht. Noch sind wir hier, stehen Hand in Hand auf dem Dach unseres Campers. Verwaschene Umrisse mit Mückenstichen und gebräunter Haut irgendwo im Outback. Die Musik unterstreicht die Stimmung und die Farben und die vergangenen Monate. Sie untermalt uns wie ich in mein Buch.

Es läuft dasselbe Lied, das ich ein paar Wochen vor meiner Abreise gehört habe. Damals, als ich noch nicht wusste, was kommt.

Und dann kam alles anders.

Der Anfang.

Mitte Dezember, Sydney: Rosa

Der erste Satz, den er zu mir sagt, ist: Willst du das obere oder das untere Bett. Ich mag seine Stimme sofort.

»Ich nehme das untere«, sage ich.

Er lächelt mich an, es ist ein Lächeln zwischen schüchtern und erleichtert. Er wollte das obere Bett.

»Ich heiße Frank«, sagt er.

»Meine Schildkröte hieß Frank«, sage ich.

Mit dieser Antwort hat er nicht gerechnet. Ich wollte es auch eigentlich nur denken.

»Wie bist du auf den Namen gekommen?«, fragt er.

Mit dieser Antwort habe ich nicht gerechnet.

»Ich weiß nicht«, sage ich, »ich kannte nie jemanden, der Frank hieß.«

»Mochtest du Frank?«, fragt er.

»Ja«, sage ich, »sehr.«

»Lebt er noch?«

»Es war ein Weibchen«, sage ich.

»Frank war ein Weibchen?« Sein Tonfall ist fragend und amüsiert.

»Was soll ich sagen?«, sage ich. »Ich war ein seltsames Kind.« Pause. »Und nein, Frank ist tot.«

»Das tut mir leid«, sagt Frank.

»Muss es nicht«, erwidere ich, »Frank war ziemlich alt, als sie gestorben ist.«

»Das freut mich zu hören.« Er lächelt. Diesmal mit Schalk.

»Wir haben sie in unserem Garten neben den Hamstern und Meerschweinchen begraben«, sage ich. »Ich habe ihr ein kleines Kreuz aus Zweigen gebastelt.«

»Klingt so, als hätte Frank es ziemlich gut getroffen«, sagt Frank.

»Hat sie. Mein Vater hat bei der Beerdigung sogar ein paar Worte gesagt. Hier liegt Frank oder so ähnlich.«

Ich denke an den Moment zurück. An Frank in dem Schuhkarton, an das kleine Kreuz, an meinen Vater. Er hat meine Hand gehalten. Das war lange, bevor er und ich aufgehört haben, miteinander zu sprechen.

Frank sagt: »Das volle Programm also.«

Ich sage: »Ja.« Und dann: »Zu dir passt der Name besser als zu meiner Schildkröte.«

»Das höre ich gern«, sagt Frank. »Und wie heißt du?«

»Rosa«, sage ich. »Ich heiße Rosa.«

Fünf Tage später: Frank

Ich machte mir nie wirklich viel aus Mädchen. Auch nicht aus Jungs. Ich bin nicht schwul. Lange dachte ich, ich wäre gar nichts, würde mich nur zum Denken hingezogen fühlen. Körperlichkeit erschloss sich mir nicht. Der ganze Schweiß und die aufdringliche Nähe, die seltsamen Laute, die Tatsache, was Menschen bereit waren, dafür zu tun.

Irgendwann schlief ich mit einem Mädchen aus meinem Kurs, ich tat es aus Neugierde, empfand es als angenehm, doch es löste sonst nicht viel in mir aus, jedenfalls nichts, was blieb. Danach war es vorbei, und ich dachte nicht mehr daran. Wie ein erledigter Punkt auf einer Liste. Ein gutes Gespräch hinterließ mehr bei mir, eine Art der Erregung, die nichts Körperliches an sich hatte und Stunden anhalten konnte, manchmal sogar Tage.

Rosa steht vor dem Spiegel. Sie wirkt nackt und ist doch bekleidet. Ein Trägertop mit Spitzenbesatz, eine kurze Jeans, mehr als kurz. Man sieht den Schatten ihres BHs, die Form ihrer Brust, die Länge ihrer Beine. Rosa steht da und schminkt sich, ich stehe da und sehe sie an, tue so, als würde ich auf mein Handy schauen, schaue daran vorbei, zu ihr, zu dieser Nacktheit, die ein fremdes Unbehagen in mir auslöst. Wie eine Überreizung meines Körpers. Schneller Herzschlag, feuchte Hände, trockene Schleimhäute.

Als ich Rosa zum ersten Mal sah, fiel mir auf, wie sehr sie versuchte, nicht hübsch zu sein. Doch das ist sie. Mit Augen, die mal tief, mal gelangweilt in die Welt blicken. Dunkel wie Geheimnisse. Sie sagte, sie heiße Rosa, ich fand, das passt nicht zu ihr. Aber irgendwie tut es das doch. Auf eine paradoxe, seltsame Art und Weise. Ihr Name macht sie weiblicher, und sie hält mit ihrer Art dagegen.

Vergangene Nacht träumte ich, wie wir miteinander schliefen. So etwas träume ich nicht. Nie. Wie ich auf ihr lag und sie sich an mir festhielt. Ihr nackter Körper fühlte sich weich an, wie er sich gegen meinen presste, sie hatte die Hände in meinen Haaren vergraben. Als ich erwachte, war es mitten in der Nacht und ich schweißgebadet. Erregung und Schuldgefühle in einem Tauziehen, das meinen müden Verstand überforderte. Ich versuchte, wieder einzuschlafen, doch es gelang mir nicht, ich war zu aufgewühlt, also beschloss ich, duschen zu gehen – und holte mir einen runter.

Danach plagte mich ein schlechtes Gewissen.

Das tut es noch.

Zur selben Zeit: Rosa

Frank ist einer, der zu viel nachdenkt. Ich habe ihn gesehen, und da habe ich es gewusst. Noch vor dem ersten Satz. Noch vor dem Gespräch über Frank. Wir standen beide da neben dem Stockbett, und es war, wie in einen männlichen Spiegel zu schauen.

Jetzt zeigt die Reflexion mich und hinter mir ihn. Ich drehe mich um, und Frank schaut weg. Die Art, wie er es tut, verrät, dass er mich angesehen hat. Ich weiß nicht, was seine Blicke mir sagen sollen. Frank ist schwer zu lesen. Einerseits ernsthaft, andererseits kindlich, zu alt für sein Alter und trotzdem jungenhaft. Mit ihm zu reden ist einfach, über ihn nicht. Dafür über alles andere.

Ich weiß nicht viel über ihn. Ein paar Fakten, den Rest dichte ich mir zusammen. Er lebt in Heidelberg, kommt aber ursprünglich aus Hamburg, er ist siebzehn Jahre alt. Sein Geburtstag ist der 15. Juli, sein Sternzeichen Krebs. Frank will Informatik und Psychologie studieren. Ich finde, das passt nicht zusammen, er sagt, das tut es doch. Frank hört am liebsten Jazz und klassische Musik. Er ist klug, mit einem interessanten Gesicht und Blicken mit sehr viel Subtext.

Frank und ich sind die beiden einzigen Alleinreisenden in einem Zimmer mit zehn Betten. Die anderen sind mit ihren besten Freunden, der Freundin, dem Freund oder sonst wem unterwegs. Nur wir nicht. Wir sind allein. Jeder für sich. Ich weiß nicht, was Franks Grund ist, ich kenne nur meinen.

»Kann ich dich was fragen?«, fragt Frank.

»Klar«, sage ich.

Er steckt das Handy ein.

»Wieso bist du allein hier? Ich meine, in Australien. Warum nicht mit jemandem zusammen?«

Ich mustere ihn. Wie kann er genau das fragen, was ich eben gedacht habe? Und warum passiert es mit ihm so oft?

Er sieht mich wartend an, geduldig und interessiert, so wie meistens. Ich sage: »Ich weiß schon lang, dass ich nach Australien will. Und dann habe ich Simon kennengelernt.« Ich mache eine Pause. »Nach einem halben Jahr habe ich ihn gefragt, ob wir gemeinsam nach Australien fahren wollen, einen Camper kaufen.« Ich denke an den Moment zurück. An Simon und mich nachts am See. Wir hatten Sex im Wasser. Danach habe ich ihn gefragt. Er war noch in mir, hat mich festgehalten, ich hatte die Beine um seinen Körper geschlungen, wir waren Brust an Brust und unsere Küsse nass. »Er wollte lieber eine Interrail-Tour machen«, sage ich. »Durch Europa.«

»Und du?«, fragt Frank. »Was wolltest du?«

»Ich weiß es nicht«, lüge ich. »Und dann war es ohnehin egal. Ein paar Monate später war Schluss.«

Ich erzähle ihm eine Wahrheit mit Leerstellen. Keine Lüge, aber auch nicht alles.

Frank sieht mich ein paar Sekunden lang an, dann fragt er: »Wer hat Schluss gemacht, du oder er?«

»Er«, sage ich.

Fünf Monate zuvor: Rosa

Ich versuche zu verstehen, was er gerade gesagt hat. So wie einen komplizierten Satz bei einer Übersetzung. Als würde ich alle Worte kennen, bis auf das eine, das man braucht, damit der Inhalt Sinn ergibt. Eine seltsame Übelkeit liegt in meinem Magen, mein Körper zittert angespannt, ich fühle mich, als wäre ich krank und gerannt. Mit Fieber und Schweißausbrüchen. Ich sitze reglos da, alles passiert innen, draußen ist nur Leere, weil der Satz in meinem Kopf einfach nicht ankommen will. Das Wort Schluss, die Bedeutung von vorbei. Mein Körper versteht es vor meinem Verstand.

Simon schaut mich an, als wäre sein Blick Erklärung genug. Seine Augenbrauen liegen wie ein Dach in seinem Gesicht. Wie bei einem Hund, der Mitleid hat.

»Es tut mir ehrlich leid«, sagt er zum dritten Mal.

Ich sage zum dritten Mal nichts.

Das zwischen uns stimmt für mich nicht mehr.

Du bist mir immer noch wichtig, aber (ein Seufzen) ich glaube, es ist besser, wenn wir Schluss machen.

Die Zeit mit dir war schön.

Ich hoffe, du hasst mich jetzt nicht.

Irgendwann steht er auf, und die Matratze federt. Es ist dieselbe Matratze, auf der wir vorgestern noch miteinander geschlafen haben. Da war die Zeit mit mir sicher auch schön.

Er geht in Richtung Tür, ich schaue ihm nach mit brennenden Augen und einem Gefühl, als wäre ein Knoten in meiner Brust. Er ist so groß, dass mein Herz dagegen schlägt. Mein Kopf ist voll mit Leere und Erinnerungen. Mit einem Abspann von Simon und mir. Er läuft wie ein kleiner Film, den man bei einer Beerdigung zeigt.

Simon dreht sich um und schaut mich an. Er steht in der Tür, mit einem Fuß schon aus meinem Leben verschwunden, mit dem anderen noch da. Ich weine nicht, sage nichts, sehe ihn nur an. Anfangs wollte ich nichts von ihm. Er war mir zu glatt, zu sehr von sich eingenommen, zu beliebt, zu wenig wie ich. Und jetzt liebe ich ihn, und er hofft, dass ich ihn nicht hasse.

Mein Herz schlägt schnell und schwer, als wäre es anstrengend, als wäre es beschädigt oder angebrochen. Durchzogen von unsichtbaren Haarrissen. Und dann geht er. Ohne ein weiteres Wort, ohne einen Abschied, ohne ein viertes Mal: Es tut ihm leid.

Simon war ein Jahr meines Lebens. Und jetzt ist er ein Fremder, der meine Geheimnisse kennt.

19. Dezember, Sydney: Frank

Ich frage mich, was Rosa denkt. Vermutlich an ihn, was genau, bleibt verborgen hinter einer Maske aus Gleichgültigkeit. Ich frage nicht nach, ihr Blick sagt, es geht mich nichts an. Und das tut es nicht.

»Was ist mit dir?«, fragt sie. »Warum bist du allein in Australien?«

Sie ahnt es, da bin ich sicher. Ich erwähnte David beiläufig, nannte ihn meinen besten Freund, danach sagte ich nichts mehr über ihn. Hätte ich es getan, hätte Rosa gespürt, wie wütend ich bin, und dann hätte ich es erklären müssen. Und dann wäre sie auf meiner Seite gewesen, zum einen, weil ich im Recht bin, zum anderen, weil sie David nicht kennt. Sie hätte schlecht über ihn gesprochen, und ich hätte mich dazu verpflichtet gefühlt, ihn zu verteidigen. Aber ich will ihn nicht verteidigen, er hat es nicht verdient, verteidigt zu werden. Als letztes von mir.

»Es war anders geplant«, sage ich schließlich.

»David und du«, sagt sie, »ihr wolltet zusammen nach Australien, richtig?«

Ich nicke.

»Was ist passiert?«, fragt sie.

»Es hat nicht geklappt«, sage ich.

Wir sehen einander an. Als würden unsere Augen das Gespräch weiterführen, während wir schon fertig sind. Ich werde nicht mehr dazu sagen. Die Wahrheit über David passt nicht in einen Satz. Die Wahrheit dauert länger.

Rosa mustert mich, dann sagt sie: »Was hältst du von Rührei mit Toast?«

Wir stehen in der Küche des Hostels, sie ist aufgeräumt, aber nicht sauber. Ein Zustand, den ich nicht ausstehen kann. Alle putzen ein bisschen, aber niemand richtig. Die Edelstahloberflächen sind verschmiert, sie wurden halbherzig abgewischt, ich sehe die Bahnen, die der Lappen genommen hat. Kurven und Strecken, die den Dreck nur verteilen. Überall sind Essensreste und Krümel, auf dem Tresen neben uns steht benutztes Geschirr, jemand hat es stehen lassen. Ich hole Teller und Besteck aus einem Schrank und spüle alles ab, die Rückstände, das eingetrocknete Ei auf der Gabel.

Die Küche ist voll ausgestattet, doch die Messer sind stumpf, die Pfannen widerlich, die meisten Teller haben abgeschlagene Kanten oder Sprünge, weil niemand auf die Sachen achtet, sie gehören ihnen nicht, sie benutzen sie nur.

Rosa macht uns Rührei mit Käse. Es ist mehr Käse als Ei, doch ich beschwere mich nicht, es schmeckt gut, so eins hatten wir gestern bereits. Ich sehe ihr gerne zu, wie sie die Eimasse hin und her schiebt. Immer dieselben Bewegungen, nach links, nach rechts, dann im Kreis.

Ich buttere den Toast. Rosas Toast muss sofort