Lore-Roman 7 - Katja von Seeberg - E-Book

Lore-Roman 7 E-Book

Katja von Seeberg

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Beschreibung

Was ist wichtiger - Reichtum, Titel und Besitz oder ein Menschenherz?
Für Henning von Brockhoff gibt es darauf nur eine Antwort: Er sagt sich von dem Mädchen los, das ihn über alles liebt. Denn wie ein Blitz aus heiterem Himmel hat ihn die Nachricht getroffen, dass Christa Komtess von Wohlauken in Wirklichkeit eine Bürgerliche ist - das uneheliche Kind einer Magd.

"Ein von Brockhoff heiratet keine Dahergelaufene. Ich bin es unserem alten Namen schuldig", schleudert Henning seiner Verlobten ins Gesicht.
Er weiß nicht, welches Kleinod er in diesem Augenblick achtlos wegwirft.
In Schimpf und Schande verstoßen, zutiefst gedemütigt und verzweifelt, flieht Christa aus der Heimat. Sie will Henning nie wiedersehen. Doch das Schicksal spricht das letzte Wort ...

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Seitenzahl: 141

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Inhalt

Cover

Impressum

In Schimpf und Schande verstoßen

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock/Daria_Cherry

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5205-4

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

In Schimpf und Schande verstoßen

Ein dramatischer Liebes- und Schicksalsroman

Von Katja von Seeberg

Was ist wichtiger – Reichtum, Titel und Besitz oder ein Menschenherz?

Für Henning von Brockhoff gibt es darauf nur eine Antwort: Er sagt sich von dem Mädchen los, das ihn über alles liebt. Denn wie ein Blitz aus heiterem Himmel hat ihn die Nachricht getroffen, dass Christa Komtess von Wohlauken in Wirklichkeit eine Bürgerliche ist – das uneheliche Kind einer Magd.

„Ein von Brockhoff heiratet keine Dahergelaufene. Ich bin es unserem alten Namen schuldig“, schleudert Henning seiner Verlobten ins Gesicht.

Er weiß nicht, welches Kleinod er in diesem Augenblick achtlos wegwirft.

In Schimpf und Schande verstoßen, zutiefst gedemütigt und verzweifelt, flieht Christa aus der Heimat. Sie will Henning nie wiedersehen. Doch das Schicksal spricht das letzte Wort …

„Käthe!“ Beschwörend hob Ulrike Harboth beide Hände empor. „Du weißt genau, dass ich nicht leichtsinnig bin. Auch, wenn …“

„Ja, auch, wenn du auf einen hereingefallen bist, der keinen Schuss Pulver wert ist“, fiel die Köchin ihr resolut ins Wort. „Aber es gibt eben Mädchen, die niemals klug werden. Du scheinst zu der Sorte zu gehören.“

„Bitte, Käthe, so darfst du nicht sprechen. Tom ist anders, er meint es ehrlich mit mir. Er will mich heiraten.“

„Heiraten? Der!“ Noch verächtlicher konnte man kaum sprechen, als Käthe es fertigbrachte. „Ein Ausländer? Und du glaubst, der würde dich nehmen?“

„Ich liebe ihn“, gestand Ulrike leise.

Bei den scharfen Worten der Mamsell hatte sie den Kopf gesenkt. Sie wagte es nicht, der Erzürnten ins Gesicht zu schauen. Es stimmte, sie war die Mutter eines unehelichen Kindes, aber war sie deshalb schlecht? Franz war ein netter Mensch gewesen, sie hatte nicht geahnt, dass er sie nicht heiraten wollte. Und Christa war ein reizendes Kind, alle auf dem Gut hatten es gern.

„Bring sie schon her“, knurrte Käthe, die natürlich genau wusste, was die junge Mutter auf dem Herzen hatte. „Wenn du ein Kindermädchen brauchst, erinnerst du dich immer an mich. Was sagt denn dein Tom dazu? Ich meine zu deiner Christa?“

„Tom?“ Was er sagt? Nun … also … weißt du, Käthe, es ist so …“

„Du hast es ihm noch gar nicht gesagt?“ Die Köchin ließ sich schwer auf einen Stuhl fallen und schüttelte den Kopf.

„Dann darf ich also Christa bringen?“ Ein schüchternes Lächeln umspielte den Mund der jungen Mutter.

„Natürlich. Irgendjemand muss sich ja um das arme Wurm kümmern.“

***

Sobald er seinen Vertrag unterzeichnet hatte, würde er zurückfahren. Und sie mitnehmen! Sie würden drüben heiraten. Heimlich lernte Ulrike schon eifrig die fremde Sprache.

Ulrike stieg in die Kleinbahn. Nach einer halben Stunde war sie am Ziel.

„Guten Tag, Ulrike“, sagte Tom mit einem etwas harten Akzent.

Andere fielen sich auf dem Bahnhof in den Arm und küssten sich. Tom würde so etwas niemals fertigbringen.

„Hast du dich auf mein Kommen gefreut?“, fragte sie, und ihre Augen lachten zu ihm empor.

„Natürlich“, quetschte Tom hervor.

„Hast du dich sehr nach mir gesehnt all die Tage?“, fragte Ulrike weiter.

„Ja.“

„Ich habe an dich denken müssen. Ich habe mich riesig auf heute Nachmittag gefreut Es ist so schön, dass es dich gibt, Tom. Ich habe so viel Vertrauen zu dir. Du wirst mich nie enttäuschen.“

„Natürlich nicht“, bestätigte der Mann in seinem hartklingenden Deutsch.

„In drei Tagen fahre ich. Du kommst dann nach. Ich lasse dir das Fahrgeld da. Du musst einen Antrag stellen, für die Ausreisegenehmigung. So heißt es doch, nicht wahr?“

„Ein Visum, ja, das braucht man. Hoffentlich lassen sie mich überhaupt fahren.“ Er hielt ihren Arm fest.

„Natürlich“, knurrte er.

„Was muss ich alles tun, um dir nachreisen zu können?“, fragte sie verzagt. „Ich kenne mich mit den Behörden gar nicht aus. Ob es schwer sein wird?“

„Nein“, antwortete der wortkarge Mann.

„Du, Tom!“ Ulrike streifte sein verschlossenes Gesicht mit einem zaghaften Blick. „Magst du Kinder eigentlich gern?“

Der Mann nickte. „Und Hunde“, sagte er nach einem Moment.

„Auch kleine Mädchen, Babys? Sie sind so reizend. Ich wünsche mir … viele Kinder.“

Der Mann schaute geradeaus. Sein Gesicht lud Ulrike nicht zum Weitersprechen ein. Ich muss ihm von Christa erzählen, dachte sie. Er muss es wissen. In drei Tagen fährt er ab, ich kann ihn vielleicht nur noch einmal sehen.

Sie wusste jetzt schon, dass sie nichts sagen würde. Heute nicht und in drei Tagen auch nicht. Nie.

***

„Vorsicht, gnädige Frau!“, schrie Mamsell Käthe, als ihre Herrin in die Küche trat. Sie hatte allen Grund dazu, Frau von Wohlauken zu warnen, denn unmittelbar vor der Schwelle krabbelte Christa auf dem Boden.

Die Dame des Hauses blieb verdutzt stehen. „Wer ist denn das?“, fragte sie „Etwa die Christa?“

„Ja, gnädige Frau. Ulrike hat mich gebeten, auf die Kleine aufzupassen. Und … wenn Sie nichts dagegen haben, gnädige Frau, ich tu das gern.“

Hildegard von Wohlauken musste unwillkürlich lächeln, als das Mädchen sie anstrahlte. Es war schwer, Christas Lächeln zu widerstehen.

„Wirklich ein reizendes Kind“, stellte die Dame liebevoll fest. „Schade, dass sie unter solchen Umständen aufwachsen muss.“

„Die Ulrike ist kein schlechtes Mädchen“, verteidigte die Köchin die junge Mutter. „Sie hat dem Schuft geglaubt, daran liegt es. Aber wenn man den Männern schon glaubt.“

„Sie müssen das ja wissen.“ Die Herrin des Gutes wiegte Christa auf dem Arm hin und her. „Ich möchte die Kleine mit in den Salon nehmen, es ist Ihnen ja wohl recht, Käthe?“

Die Köchin machte ein skeptisches Gesicht. „Christa ist ein lebhaftes Kind. Wird sie Ihnen nicht zu viel Arbeit machen, gnädige Frau? Aber Sie brauchen ja nur zu klingeln. Dann komme ich und hole sie wieder. Schade, dass Franz die Ulrike nicht geheiratet hat. Sie hätte ein besseres Leben verdient, diese Kleine.“

„Vielleicht macht unsere Ulrike noch eine gute Partie. Wer kann das wissen?“ Frau Hildegard verschwand, nachdem sie Käthe noch freundlich zugenickt hatte.

Beglückt schloss die Mamsell die Küchentür hinter ihr. Für die Herrin wären alle auf Wohlauken durchs Feuer gegangen.

„Wen hast du denn da?“, fragte Berthold von Wohlauken verdutzt, als seine Frau mit einem Kind auf dem Arm in den Salon trat. Er schüttelte den Kopf. „Ein Mädchen?“, fragte er mit verständnisvollem Augenzwinkern. „Ein reizendes Kind.“

Mit wenigen Worten erzählte ihm Frau Hildegard, wer die kleine Christa war.

„Dass Frauen doch nie vernünftig werden.“ Der Herr von Wohlauken seufzte. „Dieser Mann, mit dem sie sich jetzt abgibt, wird sie auch nicht heiraten. Eigentlich sollte sie nach ihrer Erfahrung mit Franz klüger geworden sein. Na ja …“

Seine Frau setzte Christa behutsam auf den dicken Teppich und schaute lächelnd zu, wie das Kind unbekümmert durch den Raum rutschte. Ab und zu versuchte die Kleine, sich an Sesseln und- Tischbeinen emporzuziehen.

„Ich glaube, du hast es immer noch nicht verwunden, dass wir kein Mädchen bekommen haben“, äußerte Berthold von Wohlauken gedankenvoll. „Und wenn ich mir die Kleine ansehe, kann ich dich verstehen.“

„Weshalb habt ihr mich denn nicht umgetauscht?“, fragte Arnold, ihr fast erwachsener Sohn. Er würde Ostern sein Abitur machen und fühlte sich schon ganz als Mann.

„Halt den Mund“, sagte sein Vater. „Wir haben uns immer ein Schwesterchen für dich gewünscht.“

„Eine, die nicht ganz dicht ist.“ Arnold wies mit der Fußspitze auf eine feuchte Stelle. Christa trug Windeln, und es war nötig, dass sie Windeln trug.

„Ich denke, du lässt die Kleine jetzt trockenlegen. Ich werde Käthe klingeln.“ Berthold von Wohlauken streckte die Hand aus, um die Klingelschnur zu ziehen, aber seine Frau hielt sie fest.

„Ich möchte es selbst tun. Es ist schon so lange her, dass ich mal ein Kind gebadet habe. Käthe hat genug in der Küche zu tun.“

Der alte Herr brummte etwas vor sich hin, folgte dann aber seiner Frau ins Bad, um der Prozedur zuzuschauen.

Seine Frau schien bei dieser Arbeit förmlich um Jahre jünger zu werden. Ihre Augen strahlten, ihre Hände waren so behutsam, als sei Christa aus Glas.

Den ganzen Tag beschäftigte sich Frau von Wohlauken mit dem Kind des Hausmädchens. Sie hatte nicht gewusst, dass sie so viel Freude daran haben würde, das kleine, herzige Wesen zu beobachten.

***

Ulrike betrat gegen Abend das Haus, in dem sie ein Mansardenzimmer bewohnte. Sie ging langsam, fast ein wenig schwerfällig, weil sie so traurig war. Sie kleidete sich um, dann ging sie in die Küche.

„Hast du Christa schon zurückgebracht?“, fragte sie leise.

Käthe schüttelte den Kopf. „Sie ist bei den Herrschaften im Salon. Die gnädige Frau hat sie den ganzen Tag behalten. Das hätte sie sich auch nicht träumen lassen, einmal Kindermädchen für das Fräulein Ulrike zu spielen. Was hat dein Tom denn gesagt?“

Die Augen der jungen Mutter wurden feucht. „In drei Tagen fährt er ab. Ich soll nachkommen.“

„Mit dem Kind?“, erkundigte sich Käthe eilig.

„Ich … weißt du, es war so … heute war nicht die richtige Gelegenheit, ihm von Christa zu erzählen. Aber bestimmt hat er nichts dagegen, wenn ich sie mitbringe.“

„So, aber ich würde ihn vorher erst einmal fragen. Nachher stehst du da in England, und er will nichts mehr von dir wissen. Man weiß doch, wie die Männer sind!“

„Ich werde es ihm … ich werde es ihm sagen, wenn ich ihn zum Schiff bringe. Er liebt mich doch.“

„Liebe ist ganz schön, aber Heirat ist besser. Geh jetzt in den Salon und hole Christa. Vergiss nicht, dich bei der gnädigen Frau zu bedanken.“

Im Salon blieb Ulrike verdutzt neben der Tür stehen. Sie hatte angeklopft, war leise eingetreten und starrte jetzt verwundert auf das trauliche Bild, das sich ihren Augen bot. Die gnädige Frau saß im Sessel, Christa auf dem Schoß, und das kleine Mädchen schlief.

Ihr gegenüber saß der gnädige Herr.

„Sieh nur, wie reizend sie schläft“, sagte die gnädige Frau leise.

„Wie ein kleiner Engel“, gab der Herr ebenso leise zurück. „Wo lässt Ulrike das Kind eigentlich den Tag über? Sie hat doch keine Zeit, sich um Christa zu kümmern.“

„Ich weiß es nicht.“

„Ich bringe sie ins Dorf.“ Ulrikes Stimme klang belegt. Sie errötete, als sie plötzlich die Blicke der Herrschaften auf sich ruhen sah.

„Wir hatten Sie gar nicht hereinkommen hören. Tut es Ihnen nicht leid, Christa in fremde Hände zu geben?“, fragte Hildegard von Wohlauken.

„Was soll ich anderes tun?“ Ulrike senkte den Kopf. „Ich hab ja nicht viel Zeit, und abends, da gehe ich natürlich immer ins Dorf, aber meistens schläft sie dann schon. Die Frau ist gut zu ihr, aber …“

„In Zukunft lassen Sie das Kind hier im Haus. Ich werde Hertha sagen, dass sie Ihnen einen Teil Ihrer Pflichten abnehmen soll. Sie können dann ab und zu einmal nach der Kleinen schauen. Und ich habe ja auch Zeit …“

Überglücklich verließ Ulrike Harboth den Salon, das schlafende Kind an sich gedrückt.

„Du hast das beste Herz der Welt“, sagte der Herr von Wohlauken.

Er fühlte sich vollkommen zufrieden. Seine Hildegard hatte lange nicht mehr so glücklich ausgesehen wie heute.

***

„Ulrike!“

Als die gnädige Frau sie ansprach, ließ das Hausmädchen die kleine Statue fallen, die sie abstaubte. In den letzten Wochen war sie überaus schreckhaft geworden und schlief nachts kaum noch.

„Kind, was ist nur mit Ihnen?“, fragte Hildegard von Wohlauken. „Haben Sie Kummer?“

Ulrike stiegen bei ihrem gütigen Ton Tränen in die Augen.

„Ich habe meine Papiere bald zusammen, gnädige Frau. Ich kann sie mir in einer Woche abholen. Und das Geld für die Fahrkarte hat Tom mir dagelassen. Nur … es ist nämlich so, dass er noch immer nichts von Christa weiß.“

Die Herrin schüttelte verwundert den Kopf.

„Wie haben Sie sich dann Ihre Zukunft gedacht?“ Hildegard von Wohlauken ging ein paar Schritte auf Ulrike zu und legte ihr die Hand gütig auf die Schulter. „Sie müssen doch wissen, was werden soll. Haben Sie nicht den Mut, Ihrem zukünftigen Mann alles zu beichten?“

„Ich habe Angst. Wir kennen uns noch nicht genug, fürchte ich. Tom ist so verschlossen. Manchmal weiß ich nicht, was er denkt. Hätten wir doch mehr Zeit gehabt! Verstehen Sie mich, gnädige Frau?“

„Ja.“ Die Herrin von Wohlauken nickte. „Vielleicht wäre es am besten, Sie führen erst allein nach drüben und holten Ihr Kind später nach, wenn Sie Ihrem Mann alles erzählt haben. Und falls … falls er Sie dann nicht mehr heiraten will, kehren Sie einfach zurück.“

„Ich soll mich von Christa trennen?“, fuhr Ulrike empört hoch. „Das bringe ich nicht übers Herz, gnädige Frau. Obwohl … das, was Sie eben vorgeschlagen haben, das habe ich ja manchmal schon selbst gedacht. Aber wer sollte sich wohl der Kleinen annehmen?“

„Sie können Ihr Töchterchen gern bei uns lassen, bis Sie Ihre Angelegenheiten geregelt haben“, schlug ihre Herrin vor.

„Das würden Sie für uns tun?“, schluchzte Ulrike. „Das kann ich gar nicht annehmen, gnädige Frau. Christa macht ja so viel Arbeit.“

„Das lassen Sie meine Sorge sein. Ich wünsche Ihnen alles Gute und viel Glück, Ulrike. Sprechen Sie sich mit Ihrem Tom persönlich aus, und dann, wenn Sie verheiratet sind, kommen Sie mit ihm nach Wohlauken und holen das Kind.“

„Das wäre wunderbar. Dann wird alles gut werden, das weiß ich. Tom … liebt Kinder. Glaube ich jedenfalls“, setzte sie zögernd hinzu.

„Also abgemacht.“ Frau von Wohlauken bot Ulrike die Hand, aber das Mädchen drückte sie nicht, sondern zog sie ehrfurchtsvoll an die Lippen.

„Und nun machen Sie wieder ein fröhliches Gesicht, Ulrike“, meinte Frau Hildegard aufmunternd.

Ganz allmählich legte sich ein Strahlen über die blassen Züge der jungen Mutter. Sie schaute wieder hoffnungsvoller in die Zukunft.

Auf diese Art und Weise kam Christa Harboth in die Familie von Wohlauken hinein. Sie weinte nicht, als ihre Mutter sich eine Woche später über sie beugte und ihr rosiges Gesichtchen mit Küssen überschüttete. Tränen tropften auf ihr Haar, die Tränen einer jungen, verzweifelten Mutter.

„Ich komme bald wieder und hole dich, mein Liebling. Bleib gesund, und sei immer ganz lieb, hörst du. Die gnädige Frau will dich behalten, du darfst mir keine Schande machen. Und vergiss mich nicht, Christachen, ich komme bald wieder. Vielleicht sind es nur ein paar Wochen, dann hast auch du einen Vater.“

Das Kind lachte. Es verstand kein Wort, und es begriff nicht, warum Tränen über die Wangen der Mutter liefen.

„Ulrike, Sie müssen aufbrechen, der Zug wartet nicht“, mahnte Hildegard von Wohlauken. „Weinen Sie nicht, ich werde Ihr Kind hüten wie mein eigenes, Christa wird es hier gut haben.“

„Das weiß ich, gnädige Frau. Aber ich habe ja solche Angst. Die Reise, und dann das fremde Land …“

In Wirklichkeit hatte Ulrike Angst vor Tommy und vor dem, was er sagen würde, wenn sie ihm von Christa erzählte.

Frau von Wohlauken nahm das Mädchen kurz in den Arm.

„Ich wünsche Ihnen alles Gute und drücke Ihnen beide Daumen. Theo wird Sie zur Bahn fahren. Schreiben Sie mir sofort, was Ihr Tom gesagt hat.“

„Ja …“ Blind vor Tränen taumelte Ulrike Harboth hinaus.

An der Tür blieb sie noch einmal stehen und warf einen langen, verzweifelten Blick zurück. Sie sah ihr Kind auf den Armen der gnädigen Frau. Ihre Christa hatte den Kopf an die Wange der gnädigen Frau geschmiegt, und sie lachte.

So behielt Ulrike ihr Töchterchen in Erinnerung, auf dem Arm der Herrin, ein lachendes, fröhliches Kind.

***

In den nächsten Tagen wartete Frau von Wohlauken gespannt auf die erste Post aus England. Sie kümmerte sich nur wenig um Politik, während ihre beiden Männer die Tageszeitungen sorgfältiger lasen als früher und auch jeden Tag die Nachrichten im Radio hörten. Sie glaubte an keinen Krieg.

Und doch kam er. Es war eine turbulente Zeit, niemand kümmerte sich um das Schicksal einer jungen Mutter, die jetzt in England war.

„Was soll nur aus dir werden mein Kleines?“, murmelte Frau Hildegard. „Deine Mutti kann so schnell nicht zurückkommen.“

„Mama“, strahlte das Kind sie an.

„Wir müssen irgendetwas tun“, drängte Frau Hildegard ihren Mann „Irgendjemand muss sich doch um Ulrike kümmern. Wäre sie doch nur nicht nach England gefahren!“

„Für solche Sorgen ist es jetzt zu spät“, brummte Vater Berthold. „Und so lange wird die ganze Geschichte nicht dauern. Weihnachten ist bestimmt alles vorbei.“

„Meinst du das wirklich?“, fragte seine Frau voller Hoffnung.

„Natürlich“, log der Herr von Wohlauken. „Mach dir jetzt keine Sorgen. Christa ist bei uns gut aufgehoben.“

Frau von Wohlauken ließ sich nur zu gern trösten. Immer mehr war Christa ihr ans Herz gewachsen, und der Gedanke, das Kind eines Tages ganz hergeben zu müssen, verfolgte sie manchmal bis in den Schlaf hinein.

Niemand auf Gut Wohlauken ahnte, was aus Ulrike geworden war.

Sie war in London angekommen, stand in einem riesigen rauchigen Bahnhof und hatte sich suchend nach Tom umgeschaut. Der Zug ruckte an und fuhr weiter, der Bahnsteig leerte sich.