Lorenz Saladin - Annemarie Schwarzenbach - E-Book

Lorenz Saladin E-Book

Annemarie Schwarzenbach

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Beschreibung

»Lorenz Saladin. Ein Leben für die Berge«, 1938 erschienen, ist die Biographie des seither in Vergessenheit geratenen Abenteurers und Expeditionsbergsteigers. Saladin stammte aus Nuglar im solothurnischen Schwarzbubenland, war von Jugend an von den Bergen fasziniert, bereiste nach dem Militärdienst im Ersten Weltkrieg die USA und Südamerika und nahm an erfolgreichen Expeditionen in den Kaukasus, ins Pamirgebirge und den Tienschan in Kirgistan teil. Nach der Besteigung des Khan Tengri in Zentralasien mit einer russischen Expedition verstarb er 1936 an den Folgen seiner Erfrierungen. Annemarie Schwarzenbach schildert das Leben und die Expeditionen Saladins mit großer Sachkenntnis, Einfühlungsvermögen und Bewunderung für seinen Mut und Unternehmungsgeist. Die Biographie wird durch zahlreiche Fotos von Lorenz Saladin sowie einen Essay von Robert Steiner und Emil Zopfi ergänzt. Steiner hat den Khan Tengri selbst mehrmals bestiegen und ist Saladins Spuren vor Ort gefolgt. Er recherchierte in russischen Quellen und stieß dabei auf dramatische und bisher unbekannte Fakten. Emil Zopfi, Schriftsteller und passionierter Bergsteiger, hat in Schweizer Archiven und bei Saladins Nachkommen weitere Details zu dessen Schicksal und zur literarischen Bearbeitung durch Annemarie Schwarzenbach gefunden.

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Seitenzahl: 248

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Die Autorin

Annemarie Schwarzenbach wurde 1908 in Zürich geboren. Studium der Geschichte in Zürich und Paris. Ab 1930 enge Freundschaft mit Erika und Klaus Mann. 1931 Promotion. 1931 bis 1933 als freie Schriftstellerin zeitweise in Berlin. Erstmals Morphiumkonsum. 1933 bis 1934 Vorderasienreisen. 1935 kurze, unglückliche Ehe mit dem französischen Diplomaten Claude Clarac in Persien. 1936 bis 1938 (Foto-)Reportagen im Zusammenhang mit Reisen in die USA, nach Danzig, Moskau, Wien, Prag. Entziehungskuren in der Schweiz. 1939 Reise mit Ella Maillart nach Afghanistan. 1940 Aufenthalt in den USA. 1941 bis 1942 in Belgisch-Kongo. Die Journalistin, Schriftstellerin und Fotoreporterin starb 1942 in Sils.

Die Herausgeber

Robert Steiner, geboren 1976. Schriftsteller, Bergsteiger, Lehrer. Nebst grossen Wänden in den Alpen, Big Walls in den USA sowie Bergen im Himalaya ist er dreifacher Besteiger des Khan Tengri, hat den Pik Pobeda und andere Berge im Tienschan erklommen. Als Mitglied einer russischen Mannschaft erkannte er bei mehreren Expeditionen nach Zentralasien seine Parallelen zu Lorenz Saladin. Erschienen sind von ihm Selig, wer in Träumen stirbt, Stoneman und Allein unter Russen. Er lebt im Allgäu.

Emil Zopfi, geboren 1943, studierte Elektrotechnik und arbeitete als Entwicklungsingenieur und Computerfachmann. 1977 debütierte er mit dem Roman Jede Minute kostet 33 Franken und publizierte in der Folge zahlreiche Romane, Hörspiele und Kinderbücher. Für seine Werke wurde er mehrfach ausgezeichnet, u.a. von Stadt und Kanton Zürich, der Kulturstiftung Landis & Gyr und der Schweizerischen Schillerstiftung. 1993 erhielt er den Kulturpreis des Schweizer Alpen-Clubs, 2001 den Glarner Kulturpreis, 2010 den King Albert Mountain Award. Er lebt als freischaffender Schriftsteller in Zürich und ist passionierter Bergsteiger und Sportkletterer.

E-Book-Ausgabe 2013

Copyright © 2007 by Lenos Verlag, Basel

Alle Rechte vorbehalten

Cover: Anne Hoffmann Graphic Design, Zürich

Coverfoto: Lorenz Saladin

www.lenos.ch

ISBN EPUB-E-Book 978 3 85787 541 0

Handschriftliche Notiz von Annemarie Schwarzenbach (Schweizerisches Literaturarchiv)

Inhalt

Annemarie Schwarzenbachs vergessenes Buch

1. TeilEin Bergsteiger im Werden

Ein Leben für die Berge

Eine Selbstbiographie

Der grosse Berg

Berge der Heimat

Urwald und Anden

Amerikafahrer

2. TeilDie grossen Expeditionen

Schweizerische Kaukasus-Expedition 1933

Die zweite Kaukasus-Expedition

Dach der Welt

Der Weg zum Himmelsgebirge

Der Sieg

Robert Steiner / Emil Zopfi:Das Drama am Khan Tengri

Quellen

Lorenz Saladin (1896–1936)

Annemarie Schwarzenbachs vergessenes Buch

Das Buch fand ich auf dem Flohmarkt. Ein Zufall. Ich kaufte es, weil ich mich erinnerte, dass mich als jungen Bergsteiger und Bücherwurm die dramatische Geschichte fasziniert hatte. Die Autorin Annemarie Schwarzenbach war damals weitgehend vergessen – und vergessen auch der Mann, dessen Biographie sie recherchiert und geschrieben hatte: Lorenz Saladin. Er war einer der bedeutendsten Schweizer Expeditionsbergsteiger der dreissiger Jahre, seine Reisen in den Kaukasus, den Pamir und den Tienschan dokumentierte er mit hervorragenden Fotos. Annemarie Schwarzenbach war fasziniert von diesen Bildern, aber auch von dem Mann, der auf dem Weg war, sich vom Arbeiter zum international renommierten Expeditionsleiter, Fotografen und Vortragsredner zu entwickeln. Sie selbst war keine Bergsteigerin, doch mit bemerkenswerter Einfühlungsgabe stellte sie das abenteuerliche Leben Saladins dar, dessen Leidenschaft für ferne Gebirge ihn schliesslich in den Tod führte. Das Buch zeigt einen Aspekt ihres Wesens und ihres Schreibens, der bisher noch wenig bekannt geworden ist. Es war zu ihren Lebzeiten ihr am besten verkauftes Werk.

Lorenz Saladin starb im September 1936 nach der Besteigung des Khan Tengri im Tienschan mit einer russischen Expedition. Es war die Zeit, in der Bergsteigen und Expeditionen zu den Weltbergen vor allem von den Nationalsozialisten propagandistisch ausgeschlachtet wurden. Saladin stand politisch auf der Gegenseite: Als Kommunist konnte er mit russischen Expeditionen Gipfel besteigen, zu denen sonst niemand aus dem Westen Zugang hatte. Als glühende Antifaschistin war Annemarie Schwarzenbach auch aus politischen Gründen für Saladin eingenommen, der allen Widerständen zum Trotz seinen Weg gegangen war. In der Darstellung seines Charakters hat sie, so glauben wir, eigenen Sehnsüchten Gestalt gegeben.

Ein weiterer Zufall führte zur Idee einer Neuauflage dieses literarisch und alpinhistorisch interessanten Werks. Anlässlich einer Tagung für Bergliteratur lernte ich Robert Steiner kennen, einen jungen deutschen Extremalpinisten und Schriftsteller, der den Tienschan und den Khan Tengri von mehreren Expeditionen bestens kennt. Gemeinsam gelang es uns, Annemarie Schwarzenbachs Werk durch umfangreiche Recherchen zu ergänzen und da und dort zu berichtigen, vor allem was Saladins letzte Expedition zum Khan Tengri und seinen Tod betrifft.

Aus heutiger Sicht können wir beurteilen, welche alpinistischen Fehler und Mängel in Ausrüstung und Planung zu der Katastrophe führten. Wir wissen aber auch die unerhörte Leistung Saladins und seiner Gefährten zu würdigen. Mit Erschütterung haben wir von den menschlichen und politischen Tragödien erfahren, die sich im Umfeld der Expedition abspielten und von denen Annemarie Schwarzenbach noch nichts wissen konnte.

Einige Fragen bleiben. Lorenz Saladins Grab bleibt verschollen, dafür entdeckten wir, dass es im Tienschan einen Gipfel gibt, der seinen Namen trägt: Pik Saladin.

Danken möchte ich Robert Steiner für seine umfangreichen Recherchen in Russland und Kirgisistan und für die hervorragende Zusammenarbeit am Text und bei der Herausgabe dieses Werks. Alexandra Steiner-Pacholik war eine wertvolle Mitarbeiterin bei der Recherche und Übersetzung russischer und kirgisischer Quellen. Ein Glücksfall war die Bekanntschaft mit Peter Saladin, der uns Dokumente und Bilder aus dem Familienbesitz zur Verfügung stellte und Erinnerungen an seinen Paten beisteuerte. Für weitere Informationen und Unterlagen danke ich Daniel Anker, Alpinjournalist, Gabriela Rauch vom Schweizerischen Literaturarchiv, Franz Saladin aus Nuglar, Peter Huber von der Universität Basel und den Schwarzenbach-Experten Roger Perret, Alexis Schwarzenbach und Andreas Tobler.

Bei den Recherchen in Russland und Kirgisistan wurden wir unterstützt von Lena Kalaschnikowa, Luba Pacholik, Dima Grekow, Nikolai Sacharow und Gleb Sokolow.

Emil Zopfi

Annemarie Schwarzenbach

Lorenz Saladin

Ein Leben für die Berge

Die Mitglieder der erfolgreichen Pamir-Expedition 1935. Von links: Georgi Charlampijew, Michail Dadiomow, Witali Abalakow und dessen Frau Walentina Tscheredowa, eine begabte Bergsteigerin und fünffache »Meisterin des Sports« in der Sowjetunion. Dann Jewgeni Abalakow und Lorenz Saladin. Hinten ein Unbekannter. Das Team unterstützte Wissenschaftler bei der Arbeit und führte mehrere Erstbesteigungen aus.

1. TeilEin Bergsteiger im Werden

Ein Leben für die Berge

Am 30. August 1936 erreichen fünf Männer den Fuss des Khan Tengri, des 7200 Meter hohen Riesen im Tienschan-Gebirge, und schlagen in seinem Schatten, auf der weissen Schneefläche des Inyltschek-Gletschers, ihr kleines Lager auf. Sie haben zehn Tage gebraucht, um von der kirgisischen Stadt Karakol am See Issyk-Kul bis hierher zu gelangen, siebzig Kilometer auf dem zerrissenen Inyltschek, einem der grössten Eisströme der Erde, zurückgelegt. Gestern noch trafen sie Bergsteiger aus der Hauptstadt Kasachstans, Alma-Ata1, die ihnen die Hand schüttelten und Glück wünschten für ihre grosse Unternehmung. Am gleichen Abend wurden die stämmigen kirgisischen Packpferde mit den drei Treibern zur Gletscherzunge zurückgeschickt, wo es Wasser und Futter gab und wo sie den Verlauf der Besteigung des Khan Tengri abwarten sollten.

Seither sind die fünf Kameraden allein. Die Grenze der von Menschen bewohnbaren Welt scheint überschritten. Hierher verirren sich nicht einmal die Jäger wilder kirgisischer Nomadenstämme, die auf der Suche nach Vögeln, Eichhörnchen und Pamir-Wildschafen die letzten wirtlichen Täler durchstreifen. Man hört nur noch das Krachen der Eisspalten in der mittäglichen Sonne und den Wind über der Gletscherfläche. Wie ein winziges und verlorenes Schiff liegt das kleine Zelt der Bergsteiger auf der riesigen, blendend weissen Ebene. Darüber türmt sich die schöne, gewaltige und ebenmässige Pyramide des Khan Tengri, die zu besiegen die fünf Kameraden ausgezogen sind. »Khan Tengri« bedeutet »Herr der Götter«, »Tienschan« auf chinesisch »Himmelsgebirge«. Es sind grossartige Namen, angepasst dieser übermenschlichen Region an der Grenze zweier Welten. Es sind vier Russen und ein Schweizer, die sich die Besteigung des Khan Tengri vorgenommen haben. Die Russen sind Studenten, erprobte Alpinisten: die Brüder Jewgeni und Witali Abalakow, Leonid Gutman und Michail Dadiomow. Der Schweizer, Lorenz Saladin, etwa vierzig Jahre alt, stammt aus dem solothurnischen Dörfchen Nuglar. Er ist nicht zum erstenmal in der asiatischen Gebirgswelt. Zwei schweizerische Kaukasus-Expeditionen liegen hinter ihm, und im Jahre 1935 hat er an der russischen Pamir-Expedition teilgenommen. Diesmal ist es sein eigenes Unternehmen, sein persönliches Abenteuer, seine grösste Expedition. Seit seiner Rückkehr aus dem Pamir, ein halbes Jahr zuvor, liess ihn der Gedanke nicht los, den Mustagh Ata, den Giganten an der chinesischen Turkestangrenze, oder seinen Nachbarn, den Khan Tengri, zu besteigen. Es ist kein Geringerer als der schwedische Forscher Sven Hedin, der ihn auf diese unbestiegenen Gipfel aufmerksam gemacht hat. Als die chinesischen Behörden in Moskau Saladin die Einreise nach Sinkiang verweigerten, verzichtete er auf den Mustagh Ata, verwandte alle zähe Energie darauf, den Khan Tengri anzugehen. Jetzt ist es soweit. Er steht an seinem Fuss, zusammen mit seinen Kameraden. Sie warten den Abend ab. Der Wind zerrt an den Seilen ihres gebrechlichen Zeltes. Der Schatten der weissen Pyramide wächst und breitet sich über den Gletscher und das kleine Lager aus. Die Rucksäcke sind gepackt. Saladin notiert in sein Tagebuch: »Wir gehen an Khan Tengri nicht etappenweise, sondern direkt mit schweren Säcken. Abmarsch um halb zehn Uhr abends, über den nach Süden abfallenden Gletscher, sehr leicht bei Mondschein.«

Die Gipfelpyramide des Khan Tengri (7010 m) im Abendlicht. Links Saladins Aufstiegsroute über den Westgrat, rechts der Südwest- oder Marmorgrat. (Foto Robert Steiner)

Wenige Wochen später traf in Zürich ein kurzes Telegramm aus Moskau mit der Nachricht ein, Lorenz Saladin sei während der Besteigung des Khan Tengri verunglückt und auf dem Rückmarsch gestorben. Und nicht lange vorher, im August, kurz vor dem Aufbruch von Karakol zum Khan Tengri, schrieb er einen Brief nach Hause, worin es hiess, am 3. Oktober werde er wieder in der Heimat sein. Es finden sich in seinen kargen Notizen und wenigen Briefen keine Stellen, die Zweifel oder Unsicherheit über Wert und Erfolg seiner kühnen Unternehmungen ausdrücken. Schwierigkeiten bedeuteten ihm wenig, Geduldsproben und Enttäuschungen ertrug er leicht. Diese Festigkeit und Ruhe gegenüber äusseren Ereignissen war ein Merkmal von Saladins Charakter. Er hat sich von Kindheit an in allen Lagen seines ungewöhnlichen Lebens bewährt, welches man als das Leben eines Abenteurers bezeichnen würde, wäre es nicht von einem fast schicksalshaft sicheren und beständigen Willen geleitet.

Die 3000 Meter hohe Nordwand des Khan Tengri. Die Schneekuppe auf dem Grat links heisst Pik Saladin. (Foto Robert Steiner)

Es gehört zu den Merkmalen, an denen man den »Abenteurer« erkennt, dass er sein Schicksal nicht fest in der Hand hat, dass sein Lebenslauf weder auf ein Ziel gerichtet noch von einer Idee getragen, einem Inhalt erfüllt ist, mag dieser Inhalt gross oder bescheiden, nach aussen sichtbar und wirksam oder eine innere Kraft, ein Wesenszug sein. Mangelnder Inhalt und Mangel an Haltung bedingen sich meistens gegenseitig, beides ist häufig dem Abenteurer eigentümlich, dessen »Drang in die Ferne« dann identisch wird mit Flucht und Ausflucht, Ausweg und Irrweg. Er flieht, um der Begegnung mit seinem Schicksal auszuweichen, und seine Existenz wird zu einer Kette von Zufällen – mag er dieselben auch tatkräftig und selbst heroisch meistern, so ist er doch nicht seines Schicksals Schmied. Der Drang in die Ferne und die wahrhaft abenteuerlichen Umstände seines Lebens sind es, die den Bergsteiger Lorenz Saladin mit dieser Sorte von Leuten verbinden, aber nicht mehr und nicht weniger. Verfolgt man aufmerksam seinen Lebenslauf, so ändert sich der Eindruck gründlich: Er war von einer Idee getragen, von einem Inhalt erfüllt – von der Leidenschaft zu den Bergen. Das mag nicht sehr befriedigend anmuten, Saladin hat es auch nicht verstanden und beabsichtigt, diese Liebe zu propagieren, sich damit »interessant« zu machen, grosse Worte zu gebrauchen und sie zu einem heroischen Anspruch und Lebensinhalt zu steigern. Er hat wenig Wesens daraus gemacht, dass er, ein mittelloser Schweizer Bub, es fertigbrachte, mehr als den halben Erdball zu bereisen, die Alpen und die Pyrenäen, die Anden und die Rocky Mountains, den Kaukasus und schliesslich die Gipfel Zentralasiens zu besteigen. Er hat sich nicht dafür entschuldigt, dass er sich keine sichere Existenz geschaffen hat, wie es seiner Herkunft und finanziellen Lage angemessen gewesen wäre, und die Tatsache seines ungewöhnlichen Lebens hat er mit schlichter Selbstverständlichkeit hingenommen. – »Ein Leben für die Berge« – die Formel drängt sich auf, nichts Zutreffenderes könnte über Saladins Biographie stehen, aber er hätte diese Worte kaum benutzt und war sich dieses seines Lebensgesetzes vielleicht gar nicht so bewusst.

Bergsteiger sind selten gute Schriftsteller. Sie erzählen gern, erinnern sich an Anekdoten, aber sie entschliessen sich schwer, den Pickel mit der Feder zu vertauschen. So stand es auch mit Lorenz Saladin. Er hat in den ersten Jahren seines unsteten Wanderlebens keine, später nur dürftige Tagebücher geführt. Er war Bergsteiger »mit Leib und Seele«, aber so wenig um des Ruhmes willen, so wenig darauf bedacht, Taten zu vollbringen, die bleiben sollten, dass ihm das Erlebnis und die Handlung genügten. Er schrieb nichts oder kaum etwas auf. Mag es auch zunächst scheinen, er sei von Unruhe und zuweilen von Zufällen getrieben über die Grenzen seiner kleinen, engen Heimat hinaus von Kontinent zu Kontinent und endlich bis in das Herz Zentralasiens gelangt, als habe er die Berge bestiegen, wie sie sich ihm boten, sei so gewissermassen ohne sein Zutun schliesslich zu einem der besten und bekanntesten Bergsteiger geworden: in Wirklichkeit ist er den Bergen gefolgt. Wenn er es sich auch nicht leisten konnte und es nicht in seinem Wesen lag, planmässig die Karriere eines Alpinisten aufzubauen, so zieht sich doch durch sein ganzes Leben wie ein roter Faden die grosse und echte Liebe zur Gebirgswelt. Er war kein Gipfelstürmer, gefahrlose Wanderungen, Ausflüge in Berglandschaften, die ihm keinen Ruhm eintrugen, wo es keine Rekorde zu brechen und keine Erstbesteigungen auszuführen gab, freuten und befriedigten ihn ebenso, wie wenn er im Pamir oder Kaukasus einen unbekannten Gipfel mit dem vertrauten Namen eines Schweizerberges taufte. Ohne wissenschaftliche – etwa geographische oder geologische – Interessen zu haben, war er doch ein guter Beobachter. Er notierte Pflanzengattungen, Bäume, Tiere, Vögel in seine kleine Agenda. Ausgewachsene Artikel schrieb er ungern, aber selbst wenn er nicht an eine Publikation dachte, beweisen Stichworte und zuweilen äusserst treffende, bündige, witzige Bemerkungen die lebhafte Teilnahme an seiner Umwelt. Man stösst in seinen Tagebüchern zwischen Reiserouten, Proviantlisten, Abfahrtszeiten der Züge plötzlich auf ein historisches Datum oder den Namen einer Moschee. In Kalifornien beschreibt er ausführlich eine Kakteenart, die ihm auffällt. Er interessiert sich technisch bis in alle Einzelheiten für den Hüttenbau der Hualapai-Indianer, auf einer Mittelmeerfahrt – zurückkehrend vom Kaukasus – fotografiert er sonderbare Felsenriffinseln und griechische Tempel. Sorgfältig notiert er, dass sich seine kirgisischen Träger genügsam fast ausschliesslich von saurer Pferdemilch ernähren, in Isfara begeistert er sich für die exotische Fülle an Obstsorten, die auf dem Markt billig feilgeboten werden. Die Schönheit einer Landschaft kann ihn gefangennehmen und erfreuen wie ein schwer errungener Sieg über einen bisher unbezwungenen Gipfel. Sein Leben nährt und stärkt sich aus tausend Quellen, aber immer bricht wieder wie eine verhaltene Leidenschaft die Liebe zu den Bergen durch. Und diese Liebe, wir wissen es, gehört zu den grossen Antrieben der Menschheit, mag sie auch bisweilen fast sinnlos, als ein unbegreiflicher Drang, sich Gefahren zu exponieren, erscheinen, sie ist dem Trieb des Forschers und Entdeckers nahe verwandt, und in ihrem Zeichen sind immer wieder wahrhaft heroische Taten vollbracht worden, wenn auch ihr Wert sich nicht in Worte fassen, in Zahlen errechnen lässt. Diese Liebe hat dem Leben Lorenz Saladins Konsequenz und Stärke verliehen und hat es harmonisch erfüllt und gesteigert bis zu schlichter Grösse.

Eine Selbstbiographie

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