Mann hoch Vier - Mirijam Bräuer - E-Book

Mann hoch Vier E-Book

Mirijam Bräuer

4,8

Beschreibung

Eine Frau und vier Männer in einem Boot, das sich Familie nennt. Auf diesem Familienschiff geht es bisweilen stürmisch, hektisch, ungerecht, unvorhersehbar und waghalsig zu. „Wir sind nicht rosarot, nicht himmelblau. Wir sind ein bunter Regenbogen, der auch den Sturm und das Gewitter kennt.“ Aus zutiefst weiblicher Perspektive, mit vielen rebellischen, aufrichtigen und kritischen Gedanken zum Frau Sein und Mutter Sein erzählt Mirijam Bräuer aus ihrem Familienleben. Es ist ein bunter Erzählband aus Erfahrungen, Gedanken und Erkenntnissen, die immer wieder daran erinnern, dass Liebe keine Perfektion verlangt, und dass das Leben mit Kindern die größte Herausforderung und gleichzeitig eine gute Entscheidung ist.

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Seitenzahl: 217

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Liebe Leserin! Lieber Leser!

Eine junge Frau in den 30ern bringt ein paar Tage vor Weihnachten ihren dritten Sohn zur Welt. Damit wird ihr schlagartig bewusst, dass sie ihr Familienleben ab sofort als einziges weibliches Wesen – jetzt mal abgesehen von der Familienhündin – mit 4 Männern unter einem Dach bestreiten wird. Kurzerhand beschließt sie, einen Blog zu starten und die täglichen Abenteuer einer liebenden Frau und Mutter mit anderen zu teilen.

Bald stellt sich heraus, dass die Beiträge weit über uns wohlbekannte Alltagsgeschichten und oberflächliches Geplänkel hinausgehen. Sie lassen ein buntes Bild entstehen, zwischen Glück und Verzweiflung, Tränen und Freuden, Frieden und Kampfeslust, zwischen Vollkommenheit und dem simplen Versuch den nächsten Tag zu überleben. Mirijam Bräuer erzählt ungeschönt, ehrlich und vor allem tiefgründig von den großen Fragen und Herausforderungen einer Frau unserer Zeit.

Ihren ersten Eintrag schreibt sie zu Weihnachten, den letzten etwas mehr als ein Jahr später. Zu dem Zeitpunkt sind ihre Söhne bereits 8 und 6 Jahre, sowie 13 Monate alt. Die Hündin des Hauses hinterlässt tagaus tagein verlässlich ihre Spuren im Haus. Ihr Mann ist nach wie vor die Hälfte des Jahres beruflich auf Reisen. Sie selbst ist wie am Beginn voller Liebe für ihre Männer. Und trotzdem ist nichts wie es war…

Begeben Sie sich auf diese Lesereise. Tauchen Sie ein in diese kleine Welt, die doch so Großes mit uns allen vorhat. Lesen sie mit Humor und Augenzwinkern über das Strahlen und Donnergrollen einer großen Liebe zum Leben, zu den Menschen, die uns am nächsten sind, zum Frau-Sein und ganz besonders zu uns selbst. Aber vor allem - lesen Sie mit dem Herzen! Lassen Sie sich ein auf das Leben in seiner ganzen Vielfalt und dem, was es uns jeden Tag aufs Neue sagen will.

Susanne Müller

Pädagogin

Über mich

Ich bin 1975 in der Steiermark am Land geboren. Nach vielen “Wanderjahren” lebe ich mit meinem Mann, unseren 3 Söhnen und unserem Hund in Graz.

Schon sehr früh entdeckte ich mein Interesse für Sprache und Kommunikation, Reisen und Bewegung. Ich habe Romanistik und angewandte Kulturwissenschaften an der Universität Graz studiert und anschließend viele Jahre in der Medien- und Kulturbranche gearbeitet. Mit Begeisterung habe ich allein und mit meinem Mann viele Länder der Erde bereist.

Yoga und Tanz, meine ganzheitliche Lebensphilosophie, und mein Interesse für die Entwicklung der Gesellschaft beeinflussten nicht nur meinen persönlichen Weg, sondern auch meine langjährige pädagogische Arbeit mit Kindern und Erwachsenen.

Als Mutter von drei Kindern erlebe ich zunehmend, um wie wertvoller und authentischer deren und mein Leben wird, wenn wir mit dem Herzen denken und handeln. Was macht mich wirklich glücklich? Und womit kann ich der Welt dienen? Diese zwei Fragen sind Wegweiser meiner Entfaltung, die mich zu meinen Geschichten, Erzählungen und zu jenen Büchern führen, die Sie liebe Leserinnen und Leser in Händen halten!

Danke

Danke an Gerlinde, du hast mich gelehrt, aus dem Herzen zu handeln!

Danke an Susanne und Katrin, die ihr immer an mich glaubt!

Danke an Lisa für deine aufrichtige Freundschaft!

Danke an Katharina für dein Talent und deine Ausdauer!

Danke an Jan für Zeit und Raum!

Für meine vier Männer

Let’s raise our children to be proud of their uniqueness

Let’s raise them to always trust their belly feeling

Let’s never let them forget to play and have fun

Let’s teach them to love their body

Let’s guide them and listen to their wisdom

Inhaltsverzeichnis

Mann hoch Vier

Und so fing es erst richtig an

Weihnachten im Lazarett

Ein großes Paket Anerkennung

Ordnungshüter vereiteln Geisterstunde

Über passende Hüte und Handtuchwerfer

Ode an die Müdigkeit

Angekündigte Revolutionen finden nicht immer statt!

Epilog

Auf Odysseus Spuren

Zügel los!

Was bleibt ohne Schürze und Hosenanzug?

Hier und Jetzt und Himbeerkuchen

Sonnenkinder und Planetentümmler

Über Rabenmütter, Nestflüchter und die Lust zu leben

Mann hoch Vier in der Hauptstadt

Heute und morgen, mehr nicht

Zeit für Pusteblumenträume

Los, zähl deine Finger!

Mädchen dürfen pfeifen, Buben dürfen weinen

Es ist Samstag

Der Thermik folgen

Die Dosis macht das Gift

Dreh meine müden Segel in den Wind

Himmelschauen und Graszupfen

Mehr von Nichts

Über Kampfhähne, Löcher in Gurken und rotglänzende Erdbeeren

Eine leichte Brise Wahnsinn

Loslassen für Fortgeschrittene

Plädoyer für die Dritten

Nur halb so viel, wenn überhaupt

Warum der rote Alfa Spider noch warten muss

Geständnisse einer Schlaflosen

Weltweites Aufatmen, trotz oder wegen abgezählter Himbeeren

Hoffnungsschimmer für Krabbelkinder

Dein Glück ist nicht mein Glück

High Heels Help

Führen Liegestühle zum Weltuntergang?

Über kleine Magier, Fußballprofis und Giftzähne

Frau, nütze die Stromschnellen und lebe alles!

Über Spaßbremsen, Überflieger und Kaffeeverzicht

Über den Sinn von Schuhschachtelhäusern

Aufruf für verzweckte Mütter!

Vom Kinderzimmer nach New York oder Feuerland

Versuch über die Müdigkeit

Das Treffen mit der alten Dame

Einmal tun was ich will!

The Big Five for Life

Im Auge des Taifuns Ruhe finden

Ich mache, was ich will!

Sind wir niemals gut genug?

Über Zwergenhäuser und die Existenz des Christkindes

Drei Dinge, die du an mir liebst

Heute ist ein guter Tag!

Streichen wir das Wort „NUR“

Weil wir uns wichtig sind

The King of Speed

Bizeps und Bommelhauben

Über Dienstleistungsschecks, Badewannenränder und das Geben in Liebe

Unsere einzige Erlösung ist das Loslassen!

Spieglein an der Wand

Alles ist gesagt

Mann hoch Vier

Oder: Liebe hoch Vier

Ich bin Mutter von drei kleinen Männern und Ehefrau von einem erwachsenen Mann. So viele Männer! Die weibliche Seite dieser Familie liegt allein bei mir. Wir haben gemeinsam die Segel für die Reise auf diesem Familienschiff gehisst. An „Bord“ bewältigen wir unterschiedliche Windstärken, Strömungen, Wetterlagen und Ankermöglichkeiten. Manchmal sind wir unsicher, in welche Richtung es gehen soll. Fluchtgedanken und Seelenfrieden sind uns bekannte Begleiter.

Auf diesem Familienschiff geht es bisweilen stürmisch, hektisch, ungerecht, unvorhersehbar und waghalsig zu. Wir sind nicht rosarot, nicht himmelblau. Wir sind ein bunter Regenbogen, der auch den Sturm und das Gewitter kennt.

Eines steht fest: Wir fahren unter der Flagge der Liebe. Mit meiner Liebe zu diesen 4 Männern gehe ich das größte Risiko auf dieser Reise ein. Denn Liebe macht verletzlich, Liebe macht angreifbar, Liebe entkleidet bis zum Grunde der Seele. Gerade deshalb ist mir klar: wenn ich mich auf diese Aufgabe voll und ganz einlassen möchte, dann darf ich nichts zurückhalten. Ich darf alles geben. Ich darf alles, was mich ausmacht, in dieses Familienleben einbringen. Alle meine hellen Seiten und meine dunklen Schatten, meine Fröhlichkeit, meine Ungeduld, meine Lebendigkeit und meine verrückten Träumereien. Meine Sehnsucht und meine Bodenhaftung.

Aus zutiefst weiblicher Perspektive, mit vielen rebellischen, aufrichtigen und kritischen Gedanken zum Frau Sein und Mutter Sein erzähle ich hier aus unserem Familienleben. Es ist ein aufrichtiger Erzählband an Erfahrungen, Gedanken und Erkenntnissen, mit dem ich meine Leserinnen und Leser beglücken werde.

Bewusst wähle ich das Wort „beglücken“, denn diese Texte sollen vor allem eine „Auftankstelle“ für alle sein, die auch auf „hoher Familien-See“ fahren, wie wir 5! Willkommen an Bord!

Und so fing es erst richtig an

Oder: Einfach darauf los leben?

Bis zu diesem Punkt war es genau so. Ich war eine Frau im besten Alter, die in guter Verfassung 60 Längen im Schwimmbad mit Leichtigkeit durchschwamm. Ich konnte ein Segelboot bis 18 Knoten Wind sicher übers Meer lenken und fand trotz meiner 38 Jahre noch immer Gefallen daran, mit meinem Mann die Nachtclubs verschiedener europäischer Städte unsicher zu machen.

Kinder? Ja! Wir hatten zu diesem Zeitpunkt zwei junge Männer von 5 und 7 Jahren, die gerade dabei waren, die Fülle der kindlichen Selbständigkeit zu erforschen. Wir fühlten uns endlich wieder ein wenig frei, sofern man das kann, mit Verantwortung für zwei Lebewesen am Rücken. Wir dachten langsam wieder, so wie früher, dass alles möglich wäre. Wir spürten den leisen Hauch Freiheit um unsere Nasen wehen, die uns verführerisch lockte, ausufernde Pläne zu unserer künftigen Lebensgestaltung zu schmieden.

Und so ist es jetzt. Ich sitze in einem neuen Auto. Es ist schwarz und rassig. Es hat nur einen Makel. Es ist für 5 Personen gebaut. Und hinten am linken Sitz steht fest angeschnallt ein Maxi Cosi. Darin sitzt völlig entspannt ein kleiner Mensch. Eben erst angekommen auf dieser Welt, eben erst aus meinem Bauch geschlüpft. Und gerade jetzt in diesem einen Moment wird mir bewusst, dass nichts, aber wirklich nichts mehr so ist, wie es vorher war.

Ich bin nicht mehr die, die ich vorher war. Ich sehe mich im Spiegel und kenne mich nicht wieder. Meine Augen haben einen anderen Glanz. Irgendwie schaue ich entspannter aus, als die letzten 7 Jahre. Irgendwie fühle ich mich jünger, erneuert. Als würde ich am Beginn einer neuen Reise stehen. Aber will ich all das?

Mein Herz sagt ja. Mein Verstand verzweifelt angesichts der Aufgaben, die er mir stellt. Wieder schlank werden, wieder sportlich werden, schön und sexy werden, beruflich nicht den Faden verlieren. Eine gute Mutter für alle drei Kinder sein. Und das alles am besten heute, spätestens morgen. Mein Herz sagt mir, dass ich alle Zeit der Welt habe. Es fordert mich geradewegs zur Hingabe auf, zum Eintauchen in den wundervollen Moment der Liebe und Zärtlichkeit.

Ich sitze in diesem neuen Auto und fühle, dass alles gut ist, aber eben nur auf einer irrationalen Ebene. Ich weine. Mein Mann ist zärtlich und liebevoll, obwohl er derjenige war, der schon in der Schwangerschaft Angst und Schrecken über diesen Neubeginn verbreitet hat. Er gibt mir zu verstehen, dass wir jetzt einfach diesen neuen Abschnitt los leben müssen. Einfach drauf los leben, ohne Angst? Ohne Sorge um die eigene Verwirklichung, die persönliche Freiheit und die Schönheit?

Alles hinnehmen, auch wenn es ganz anders kommt, als wir es uns erträumt hatten? Vielleicht würde ja dieser neue Lebensabschnitt viel traumhafter als jemals erträumt. Wenn ich in mein Gesicht schaue, ahne ich eine neue Reife. Wenn ich in mein Herz höre, dann weiß ich, dass ohnehin nur die Liebe zählt. Doch wenn ich meinen Verstand frage, dann sagt er mir, dass es ganz schön hart wird, nicht im Durchschnitt zu versinken, zwischen Schnupfenviren, schlaflosen Nächten, Krabbeln lernen, Breischlachten und allem anderen, was wir schon so weit ad acta gelegt hatten: Radfahren lernen, Schwimmen lernen, Schifahren lernen.

Irgendwo dazwischen ist wohl die Wahrheit. Aber alles kein Grund zum Weinen. Und trotzdem rinnen mir die Tränen über die Wangen. Vor Glück und Sorge. Vor Angst und Zuversicht.

Weihnachten im Lazarett

Oder: Nein, wir waren nicht am Schilift

Wir alle wissen, dass die Wintermonate für Familien sehr kräftezehrend sein können. In diesen Monaten schwirren besonders viele Schnupfenviren durch die Gegend. Hat man Kinder im Schul- oder Kindergartenalter, eignet man sich im Laufe der Jahre eine gewisse Routine für das Ändern und Absagen von Terminen an. Man lernt im Laufe der Jahre die verschiedensten Kinderärzte, Notfallärzte und mobilen Kindernotdienste kennen. Und man kann die Apothekennotdienste der Monate mit „R“ auswendig. Nicht zuletzt ist man bei Stornoversicherungen ein nicht gern gesehener Kunde, denn diese leben nur von gesunden Kunden.

Doch was ist mit Weihnachten? Können wir Weihnachten absagen? Können wir die Weihnachtsferien verschieben? Leider nein. Was tun, wenn eines der Kinder krank wird?

Gibt es eine Weihnachtsausfall-Versicherung? Denn hier hat sich das weihnachtlich glitzernde Zuhause zum Leid aller Betroffenen in ein Lazarett verwandelt!

Alles ist vorbereitet. Es war trotz oder vielleicht sogar wegen unseres Neuzugangs in Babyform eine entspannte, schöne Adventzeit. Kein Einkaufszentrum hat uns von innen gesehen, kein Adventrummel hat uns aufgeputscht. Nicht mal das letztjährige (unbeabsichtigte) Glühweinbesäufnis mit Freunden haben wir aus Babygründen wiederholt. Am 24. Dezember sind wir vollzählig, was bei unserer Familie auch nicht immer einfach ist.

Um die weihnachtlich Magie unserer Kindheit zu bewahren, wird heimlich der Baum geschmückt. Das Christkind klingelt mit dem Glöckchen, der Champagnerkorken knallt, alles ist so, wie wir es uns gewünscht haben.

Hätten wir die Vorzeichen ein bisschen mehr beachtet, wären wir wohl besser vorbereitet gewesen. Denn bei genauerem Betrachten ist der Mittlere sehr blass im Gesicht und hustet trocken vor sich hin. Wir dachten es wäre der Feinstaub. Und auch der Ältere trägt eine seltsam öde Gesichtsfarbe, die wir auf seinen überstandenen Infekt zum Schulschluss zurückführen. Es wird ein schöner Weihnachtsabend. Nur der Mittlere hat keinen Appetit. Als alles Wichtige vorbei ist, hat er 38,6 Fieber. Mein Mann, sonst ein Nachtvogel, klagt um 21.00 über entsetzliche Müdigkeit. Er kann sich fast nicht mehr auf den Beinen halten. Der Große hustet.

Am nächsten Tag erkennen wir das Ausmaß der Katastrophe. Der Mittlere ist krank mit Husten und Fieber. Den Großen plagt Kopfweh und Husten. Mein Mann klagt über Halsschmerzen und Kopfweh. Nur das Baby und ich sind gesund. Wir machen also das, was wir im Grunde fast immer tun: Alle Pläne ändern, Termine absagen und neue Verabredungen ausmachen für die Zeit, wenn alle gesund sind. Wir rechnen damit, in ein bis zwei Tagen eine gesunde Familie zu sein. Also alles halb so schlimm. Doch es kommt noch dicker. Im Laufe der nächsten Tage bekommt der Große eine Mittelohrentzündung, das Baby einen Schnupfen, der Familienvater eine bettlägrige Bronchitis und der Mittlere erholt sich mit Schnupfen vom Fieber. Wir sagen also wieder alle Termine ab. Wir machen neue Termine aus, für die Zeit, in der wir wieder alle gesund sind. Gehen nur diesmal davon aus, dass dies erst im Jänner sein wird. Wir sind nicht mehr optimistisch. Mein vom Stillen gestählter Körper wehrt alle Viren erfolgreich ab.

Und dann passiert doch etwas Zauberhaftes. Wir haben keine Termine. Wir haben keine Verwandtenbesuche, keine Autofahrten, keine Verabredungen und keinen Plan. Wir müssen uns an keine Uhrzeit halten, keinen Plan einhalten. Wir dürfen einfach in den Tag hineinleben. Wir sitzen bis 11 Uhr beim Frühstück, führen Gespräche, die wir am Schilift nicht geführt hätten. Wir kuscheln uns nach dem zweiten Kaffee nochmal ins Bett. Wir spielen hundert Runden Uno. Wir lassen Gedanken fliegen. Teilen unsere Träume mit den Kindern. Die Kinder entfalten aus der Langeweile fantasievolle Spiele, Zeichnungen und Ideen, für die sie sonst keine Zeit gehabt hätten.

Zeit verliert in diesen Tagen zwischen dem Jahr seine Bedeutung. Alles geschieht als wäre es in weiche Watte gepackt. Es gibt keinen Streit, keine Diskussionen und keine Eile in unserem Haus. Es ist ein wundervoller Zustand, der uns zutiefst entschleunigt.

Langsam werden schließlich alle Beteiligten wieder gesund. Langsam taucht auch so etwas wie „Lagerkoller“ auf. Und trotzdem fühlen wir uns alle irgendwie angenehm verlangsamt und näher zueinander gerückt. Gedanken über das neue Jahr werden gesponnen. Wir sind wieder optimistisch. Dann geht jeder auch wieder ein bisschen seinen eigenen Weg. Dann werden die Spiele der Buben auch wieder wilder. Dann rücken die Arbeit und das Leben dort draußen wieder näher.

Meine erste Ausfahrt zum Supermarkt erlebe ich noch wie in Watte gepackt, mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Nein, wir hatten keine aufregenden Ferien. Nein, wir waren nicht am Schilift. Nein, wir haben keinen Verwandtenmarathon mit Keksen und Prosecco hinter uns. Aber irgendwie, auf unbeschreibliche Weise, war es trotz allem eine weihnachtliche Erfahrung. Wir sind ein bisschen mehr angekommen – bei uns, beim anderen. Mussten wir diese Erfahrung machen? Ich weiß es nicht, und doch gehe ich davon aus, dass das Leben, in all seinen Formen immer Sinn macht.

Und nächstes Jahr? Wir gehen davon aus, dass es nächstes Jahr wunderbar lebendige, sportliche und gesunde Weihnachten werden! Weil ehrlich gesagt, macht es uns schon Spaß, auf der Schipiste zu sein, Freunde und Verwandte zu besuchen und den einen oder anderen Glühwein zu trinken.

Falls nicht, wissen wir ja schon wie es geht, alle Pläne zu ändern ….

Ein großes Paket Anerkennung

Oder: Und doch versuche ich mit der Würde einer Königin die Klobürste anzufassen

Die Ausgangslage: Unser älterer Sohn ist sieben Jahre alt. Laut Fachliteratur ist es jenes Alter, in dem ein recht starker Hormoncocktail, hauptsächlich bestehend aus Testosteron, im Körper dieser jungen Männer fließt. Die Männlichkeit schießt sozusagen ein. Die jungen Männer entdecken, noch immer unschuldig, ihre eigene „Körperlichkeit“ und finden auch das erste Mal unschuldiges Interesse an den Körpern von anderen. Der Vater wird zum Helden der Söhne, die Mutter mutiert erstmals zum Reibebaum. Provokation steht auf der Tagesordnung. Eine saure Mama zeigt dem Jungspund wo er steht, und wer er ist. Abgrenzen von der unendlichen Mutterliebe, hin zum Abenteuer Vater steht am Programm.

So bin ich es schon seit einiger Zeit gewohnt, dass mein Sohn noch immer grinst, selbst wenn ich schon „fuchsteufelswild“ bin, und mein Ärger nicht mehr zu übersehen ist. Mittlerweile bin ich es gewohnt, dass meine Themen beim Frühstückstisch dezent übergangen werden. Und die Achtung, die mir gegenüber gebracht wird, nur mehr über die Nahrungsaufnahme läuft. „Mama, das hat gut geschmeckt“, ist momentan die größtmögliche Liebeserklärung dieses 7- Jährigen. Klingt hart, ist es auch.

Wüsste ich es nicht von anderen Müttern und aus einschlägiger Literatur, würde ich an mir und meiner Erziehung mehr zweifeln, als ich es ohnehin tue. Eine Freundin erzählt mir dann von ihrem 15 – Jährigen und fragt mich grinsend, ob ich nicht tauschen will. Kleine Pubertät gegen große Pubertät?

Unser älterer Sohn hat seine beste Schulfreundin zu Gast. Bei einer gemeinsamen Jause erzählt seine Freundin von den Berufen ihrer Eltern. Ihre Mama arbeite im Museum, der Vater habe oft Nachtdienste, weil er Arzt sei. Der Große hört interessiert zu. Dann schaut er mich eindringlich an und grinst: „Meine Mama arbeitet gar nichts.“

Ich atme tief durch und merke wie blitzschnell eine Mischung aus Ärger, Kränkung, Unverständnis und Traurigkeit in mir hochkommt. Ich atme nochmal und dann sprudelt es unreflektiert aus mir heraus. „Nur weil ich nicht in ein Büro oder eine Firma gehe, heißt es noch lange nicht, dass ich nicht arbeite. Wer macht die ganze Arbeit im Haus? Wer kümmert sich um den Garten, um die Einkäufe und um euch? Weißt du nicht, dass die Mama von zu Hause aus ihren Beruf ausübt? Dass deine Mama Bücher schreibt, dass die Mama bis zum Beginn der letzten Schwangerschaft als Lehrerin gearbeitet hat? Wer soll sich sonst um unser Nesthäkchen kümmern, gerade mal 2 Wochen alt? “ Das ist nur ein Auszug aus meinem Monolog, den die armen Kinder über sich ergehen lassen müssen.

Was ist geschehen? Ich bin in die größte Falle getappt, in die man als „zu Hause arbeitende Frau“ tappen kann. Ich habe begonnen, mich selbst und die Art, wie ich arbeite und lebe zu verteidigen. Vor meinem Kind! Meine Zellen sind wohl noch darauf konditioniert, dass Frau sich ständig verteidigen muss. Tief in mir gibt es ihn noch immer, den schrecklichen Glaubenssatz: Hausarbeit ist keine richtige Arbeit, nur wer jeden Tag um halb 8 ins Büro geht, macht richtige Arbeit.

Ich bin „NUR“ zu Hause. Ich mache zwar unendlich viel in diesem zu Hause – Haushalt, Kochen, Wäsche, Einkäufe, ein Baby versorgen, Bücherschreiben – doch das zählt anscheinend selbst vor mir selbst nichts. Wie kann es dann vor anderen zählen?

Wir Frauen sind manchmal nicht viel besser als vor 10 oder 20 Jahren. In unseren Köpfen können wir einer Hausfrau noch immer nicht dieselbe Anerkennung schenken wie einer Ärztin oder einer Rechtsanwältin. Eine Frau, die von zu Hause aus arbeitet wird noch immer argwöhnisch betrachtet.

Ich möchte endlich nicht mehr werten! Ich wünsche mir, dass es tatsächlich diese Wahlfreiheit gibt, und die jeweilige Wahl keiner Wertung mehr unterliegt. Ich stelle mir vor, dass es möglich ist, jeden Lebensweg einer Frau anzuerkennen. Denn in jedem Fall braucht sie für die Verwirklichung ihres Weges viel Energie und Kraft. Und das allein genügt, um den Weg anzuerkennen.

Zurück zu unserer gemeinsamen Jause am Familientisch. Mein Sohn hört sich meinen Monolog grinsend an. Als wüsste er um meine Not schweigt er. Sein Wissen um meine Verletzlichkeit nützt er schamlos aus, um sich wieder einmal von mir zu distanzieren und sich selbst besser zu spüren. Ohne es böse zu meinen.

Unser Gespräch ist schlussendlich beendet. Ich glaube die Kinder denken sich ihren Teil. Dass Toilettenputzen weniger Anerkennung bringt, als ein neues Buch zu veröffentlichen oder einen Workshop mit vielen Teilnehmerinnen zu füllen, ist wohl jeder Frau klar. Und doch versuche ich hin und wieder mit der imaginären Krone am Kopf und der Würde einer Königin die Klobürste anzufassen.

Wenn du dir selbst ein Geschenk machen möchtest, dann schlage ich dir vor, dir ein großes Paket Anerkennung zu schenken. Egal, was du gerade tust.

Ordnungshüter vereiteln Geisterstunde

Oder: Warum halten wir Eltern so gerne an Strukturen fest?

Es ist Abend. Die zwei Großen hecken etwas aus. Wir Eltern merken es, wir hören sie flüstern und kichern. Wir lassen sie. Sie haben Freude dabei, kleine Geheimnisse vor uns zu haben. Wir ahnen, es geht um ein nächtliches Abenteuer, denn sie sammeln sämtliche Uhren und Wecker ein, die im Haus verfügbar sind. Wir dürfen nur mit geschlossenen Augen ihre Zimmer betreten. Einzig mein Mann erfährt im Einschlafgespräch mit dem Großen, dass es sich um eine Frühstücksüberraschung für uns Eltern handelt. Was gibt es daran auszusetzen? Nichts. Aber warum dann alle Uhren und Wecker?

Um halb vier morgens hat wie gewohnt das kleine Säugetierchen großen Hunger. An die nächtliche Stille gewohnt, wundere ich mich, dass im Haus Geräusche zu hören sind. Zwischen zwei Brüsten schaue ich also aus unserem Zimmer und entdecke einen hellwachen Großen, der mir vor die Füße läuft. Ich erkläre ihm, dass es vier Uhr ist, mitten in der Nacht, und dass er schleunigst ins Bett soll. Die zweite Brust wird eingefordert, so gehe ich in mein Zimmer und gehe davon aus, dass das Schulkind dies auch tut.

Nach der zweiten Brustmahlzeit wird es im Haus plötzlich wieder geschäftig. Ich höre nun nicht nur den Großen herumgeistern, sondern auch das helle Stimmchen eines mittleren Kindergartenkindes. Es ist fünf Uhr. Die Brust ist leer, und aus irgendeinem unerfindlichen Grund werde ich plötzlich richtig sauer. Wie kann es sein, dass nicht nur ein Baby in der Nacht meine Aufmerksamkeit braucht, sondern dass auch noch zwei halbwüchsige Kinder (um vier Uhr morgens) im Haus herumgeistern? Ich will endlich schlafen!

An Schlaf ist mit dem Ärger im Bauch nicht zu denken. Ich sammle also meine letzten Reserven, sammle die Burschen ein und befördere sie eher bestimmt als liebevoll wieder in ihre Zimmer und in ihre Betten. Ich gebe ihnen wenig Möglichkeit, mir zu erklären, warum sie wach sind. Bin zu müde. Zurück in meinem Bett kläre ich meinen halb schlafenden Mann über die Geschehnisse auf, er verteidigt die Meute im Halbschlaf, denkt es sei schon 6 Uhr, ich fauche ihn an, er faucht zurück. Ich weine.

Ich weine vor Erschöpfung und Müdigkeit. Ich weine, weil ich merke, dass ich in diesem Zustand nicht fähig war, die Situation erst zu betrachten und dann zu reagieren. Ich weine, weil ich wie ein Kind im Affekt gehandelt habe. Dann schlafen wir alle ein.

Warum ist es uns Eltern oft nicht möglich, erst nach einer Atempause auf eine Situation zu reagieren? Warum können wir Eltern oft nicht den Humor an erste Stelle setzen und mit einem Augenzwinkern die Pläne der Kinder betrachten? Warum ist es so schwer, das Chaos zuzulassen? Warum wollen wir stets Ordnung, und denken schon an morgen?

Ich frage mich, was wäre geschehen, wenn ich die beiden Jungs ihre Geisterstunde genießen hätte lassen? Was wäre geschehen, wenn ich sie einfach nur gelassen hätte? Was wäre geschehen, wenn ich einfach beide Augen zugedrückt hätte und Struktur und Ordnung beiseite gelegt hätte? Die Antwort liegt auf der Hand. Nichts wäre passiert. Außer dass wir an einem Sonntag zwei todmüde, aber über ihr Abenteuer glückliche Burschen gehabt hätten. Und vielleicht, dass die Jungs glücklich wären, dass unsere Grenzen ab und zu auch gelockert werden und Platz fürs Abenteuer wird.

Was steht uns Eltern im Weg? Der Wunsch nach Ordnung und Struktur? Der Bedarf an Sicherheit und klaren Regeln? Die Sehnsucht nach Vorhersehbarkeit? Ich glaube wir Eltern sollten uns bei aller Behütung unserer Kinder immer wieder vor Augen halten, dass es Sinn macht, die Grenzen für das Abenteuer zu öffnen. Es macht die Kinder stärker und selbstsicherer. Und es macht sie glücklich. Denn diese besonderen Erfahrungen sind es, an die sie sich später mit einem Schmunzeln erinnern. Ich kenne wenig Menschen, die ihren Eltern dankbar sind, dass sie jeden Tag pünktlich ins Bett gebracht wurden. Natürlich sind Struktur, Sicherheit und Vorhersehbarkeit wesentliche Aspekte für die Entwicklung einer sicheren und stabilen kindlichen Persönlichkeit. Doch hin und wieder mit einem Augenzwinkern die Strukturen über den Haufen zu werfen, die Regeln aufzuweichen und alles ganz anders zu machen, öffnet in den Kindern ungeahnte Dimensionen. Es stärkt ihre Abenteuerlust, ihr Selbstvertrauen und ihre innere Gewissheit, dass sie auch bestehen können, wenn mal alles ganz anders ist, als im Normalfall.

Wie viel Wahnsinn braucht ein Leben? Müssen wir uns immer wieder daran erinnern, dass genau diese wahnsinnigen Erlebnisse, verrückten Ideen und ungewohnten Erfahrungen das sind, was nicht nur Kinder glücklich macht, sondern auch uns Eltern? Der Normalfall reicht im seltensten Fall für Glücksgefühle!

Ich weiß mit Bestimmtheit, dass es mich nur zufrieden, aber keineswegs immer glücklich macht, wenn meine Kinder brav und pünktlich ihn ihren Betten liegen. Ich weiß aber ganz sicher, dass es mich unheimlich stolz und glücklich macht, wenn wir uns auch mit den Kindern auf dünneres Eis begeben, wenn wir die Lust am Abenteuer leben. Und sei es nur eine nächtliche Geisterstunde, von den Kindern organisiert.

PS: Die nächste ungeplante Geisterstunde findet mit Sicherheit statt!

Über passende Hüte und Handtuchwerfer

Oder: Gedanken über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Ich staune nicht schlecht. Politiker und Politikerinnen in Österreich und Deutschland bringen neuen Schwung in die Diskussionen über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie!

Ich staune nicht schlecht, weil erstmals klar und mehrstimmig aus den obersten Rängen des Landes zu hören ist, dass es kein Leichtes ist, Beruf und Familie zu vereinbaren. Nein, dies sind für uns Fußvolk keine wirklichen Neuigkeiten. Erleben wir den anstrengenden und eindrucksvollen Spagat der Vereinbarkeit doch fast täglich an der eigenen Haut. Könnten wir doch alle Bücher füllen mit Geschichten zu diesem Thema.