Märchenverpflichtet - Margarethe Alb - E-Book

Märchenverpflichtet E-Book

Margarethe Alb

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Beschreibung

Lorena gäbe etwas darum, einfach ein Mensch zu sein. Als Wesen zweier Welten ist sie aber zu ihrem Leidwesen an die alten Sitten gebunden. Sie findet diese verstaubten, kitschigen Weihnachtsbräuche nämlich einfach nur zum Kotzen. Aber wie das Leben so spielt, hat Lorena keine Wahl. Alle Jugendlichen ihrer Familie haben die Pflicht, mit dem Eintritt ins achtzehnte Lebensjahr ihren Dienst zu verrichten. Und dazu gehört eben auch das Wissen um die Bräuche. Davon abgesehen beinhaltet dieser Dienst, dass man den Nikolaus begleitet. Ob als Knecht Ruprecht, Krampus oder Herrscheklas, ist egal. Da Lorena aber nichts von den seit jeher durchgeführten Bestrafungen für sogenannte böse Kinder hält, droht die Vorweihnachtszeit so gar nicht traditionell zu werden.

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Seitenzahl: 122

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Diese Geschichte erscheint unter dem Label

„Zauberhafte Dresdner Weihnacht“.

Idee und Konzept dieser Reihe wurden 2021 von der Kinderbuchautorin Ines Wiesner entwickelt. Seitdem veröffentlichen verschiedene Autorinnen alljährlich weihnachtliche Geschichten aus der schönen Stadt Dresden in unterschiedlichen Genres unter diesem Label.

Herzlichen Dank, liebe Ines, dass ich dieses Jahr mit meiner vierten Geschichte dabei sein darf!

Davon abgesehen erlaube ich mir zu empfehlen, „Brennt! Hexenwahn“ aus meiner Feder zu lesen, das erklärt so Einiges, was im Buch abgeht. Und Band 11 der Zauberhaften Dresdner Weihnacht. Wie gesagt, es könnte zu deinem Vorteil sein, geneigter Leser.

(Eine Leseprobe zu „Brennt!“ findest Du im Anhang.)

Nun viel Vergnügen mit „Märchenverpflichtet“,

Deine Margarethe Alb

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

1

Ballkleidgekreisel

„Drei Haselnüsse für Aschenbrödel. So ein Schwachsinn. Wenn es drei zusätzliche Gigabyte Datenvolumen für mein Handy wären, aber Haselnüsse? Wer wünscht sich schon Haselnüsse? Das ist ja voll bescheuert. Sind wir hier im Kindergarten, oder was?“ Lorena latschte genervt hinter ihrem Bruder und dessen dämlicher Lebensgefährtin Lina her.

Der Hexe mit dem Romantiktick hatte sie mit Sicherheit diesen ganzen Schwachsinn zu verdanken. Mannomann. Konnten die beiden denn nicht verstehen, dass dieser Märchenmist absolut nicht mehr zeitgemäß war? Nicht einmal mehr Kinder interessierten sich dafür.

Die lasen lieber echte Fantasy. Mit Drachen, Gestaltwandlern und so. Aber diese dämliche Gut- und Böse-Kacke ging ihr gehörig auf den Keks.

Lorena war sich beinahe totsicher, dass Lina das alles nur inszenierte, um ihr eins auszuwischen. In deren Lebensplanung passte es garantiert nicht hinein, eine Junghexe in ihre Verpflichtungen einzuführen. Die wollte sie doch nur loswerden. Was natürlich auf Gegenseitigkeit beruhte.

Schlimm genug, dass ihre Mutter trotz echt heftiger Therapien bei den fähigsten Spezialisten immer noch nicht wieder hergestellt war, jetzt musste sie diese blöde Hexe auch noch ertragen.

Ihr Bruder war schon allein anstrengend, aber zusammen waren sie unschlagbar. Gegen Lorena natürlich.

Dabei könnte sie wirklich auch gut allein klarkommen. Immerhin wurde sie in diesem Jahr noch volljährig.

Und allein wohnte sie zurzeit ebenfalls.

Mit Schwung trat sie gegen Aschenbrödels Schuh, der nach wie vor auf der Treppe von Schloß Moritzburg auch dem letzten Besucher klarmachen sollte, was hier abging.

Trotz ihrer stabilen Stiefel, denen mit der schönen Rosenstickerei an den Schäften, prellte Lorena sich den Zeh. Boah ey.

Dieser emotionale Märchenkram machte sie fertig. Und das nicht nur psychisch. Jetzt musste sie auch noch körperliche Schmerzen ertragen. Und das nur, weil Lina auf drei popelige Haselnüsse mit integriertem Bestellsystem stand.

„Komm schon, Kleines. Da mussten wir alle durch. Du schaffst das.“ Leo, ihr großer Bruder, legte seinen Arm um ihre Schultern. Vielleicht verstand er doch mehr, als Lorena ihm zutraute. Aber nur vielleicht. Zumindest fühlte es sich gut an, wie er sie hielt.

„Jeder von uns muss den Dienst leisten.“ Oder er kapierte doch nichts. Wenn es doch diese dumme Verpflichtung wäre, die sie so aufregte.

Wobei sie den sogenannten „Dienst“ aus ganzer Seele verabscheute. Aber wenn sie schon ihrer Pflicht nachkam, warum musste sie sich dann ausgerechnet mit diesem Märchenmist noch zusätzlich den Tag verderben?

Sowas brauchte doch kein Mensch.

Und eine Hexendämonin wie sie, erst recht nicht.

Nur weil sie kurz vor Weihnachten ihren achtzehnten Geburtstag feiern würde, war sie überhaupt in dieser bescheuerten Lage.

Na gut, sie gab zu, dass es nicht wirklich darauf ankam, ob man sie dieses oder im nächsten Jahr heranzog, ihrer Pflicht zu genügen, aber niemand konnte verlangen, dass sie es gut gelaunt tat.

Nicht einmal ihr Dienstherr auf Zeit, auch wenn sie den im zivilen Leben eigentlich ganz gut leiden mochte. Warum der doch eigentlich so gutmütige, immer großherzige und mildtätige Niko überhaupt an dieser dämlichen Tradition festhielt, war auch so ein Ding, dass Lorena nicht verstand. Der liebenswerte Geistliche konnte doch eigentlich gar kein Interesse daran haben, dass dieser Auswuchs der schwarzen Pädagogik alljährlich an die Oberfläche gezerrt und öffentlich unter aller Augen praktiziert wurde.

Lorena ließ sich von Leo die Treppe hinaufführen.

Sie hatte ja nicht wirklich eine Wahl.

„Du schaust dir jetzt, ohne zu murren, die Ausstellung an und lässt dich von mir zwingen, das Ballkleid des Aschenbrödels anzuziehen, dafür besuchen wir heute Abend Hildegard. Wäre das ein Deal?“ Lorena zuckte mit den Schultern.

Verflixt nochmal, Leo wusste genau, wie er sie dazu bringen konnte, zu gehorchen. Sie würde niemals offen zugeben, dass das ein gutes Geschäft war, über das sie sich freute.

Da ertrug sie die alberne Fotosession schon beinahe gern.

Naja, eigentlich hatte sie die Verfilmung des Märchens als Kind schon gemocht.

Als sie ungefähr sieben Jahre alt gewesen war, hatte ihre Mutter ihr sogar extra ein ähnliches Kleid geschneidert, welches sie über die gesamte Adventszeit stolz getragen hatte.

Notfalls eben mit Gummistiefeln und Regencape darüber. Oder dieser fürchterlichen, geringelten Strickmütze mit den ekligen Bändern, an denen sie immer gelutscht hatte.

Vielleicht wäre es ja doch nicht ganz so fürchterlich, wenn sie Linas Wunsch erfüllte. Wenn auch unter Protest.

Vor allem, wenn danach als Kirsche auf der Torte ein Besuch bei Hildegard in Aussicht stand.

Dieser wog eindeutig jede Menge Mist auf. Und außerdem würde die Mutter sich bestimmt über ein Bild von Lorena im echten Ballkleid des Aschenbrödels freuen.

Oder sie konnte diese damit ärgern. Was auch immer zuerst eintrat.

Egal, es würde ihr einige Emotionen entlocken und sie damit aus der Depression holen, die sie seit der letzten Diagnose herunterzog.

Und Hilde zu besuchen, damit konnte man Lorena immer locken. Hildegard war einfach die beste Köchin der Welt und kannte außerdem die besten Geschichten. Da war jede Märchenoma eine Mücke dagegen.

Als Kind hatte sie es geliebt, bei Hilde auf der Ofenbank zu hocken und sich Märchen erzählen zu lassen.

Also, die echten, nicht den weichgespülten Mist, der den Kindern heutzutage aufgetischt wurde.

Was natürlich auch in Lorenas eigenen Augen einen eklatanten Widerspruch darstellte.

Einerseits fand sie Märchen in der heutigen Zeit vollkommen fehl am Platz, aber andererseits entsprachen diese eben auch Lorenas Herkunft, Gegenwart und Zukunft.

Was aber eben nicht auf die normweltlichen Menschenkinder zutraf.

Denen wurden damit heutzutage nur falsche Lösungswege für Schwierigkeiten aufgezeigt und toxische Verhaltensweisen als erstrebenswert nahegelegt.

Zu diesem Thema hätte Lorena ganz ohne Studium eine Doktorarbeit schreiben können.

Leo schob sie durch die Eingangstür und zückte sein Smartphone, auf dem er die vorgebuchten Eintrittskarten für sie alle drei aufrief und der netten älteren Dame am Empfangstresen hinhielt.

Artig verstauten sie ihre Taschen, die Zauberstäbe, ja, so etwas führten sie seit einer Weile immer mit sich, sowie die Mäntel in Schließfächern. Gleich danach machten sie sich daran, die Ausstellung anzuschauen.

Lorena stöhnte, als Lina, die ja einige Jahre älter als sie war, begann, sich wie ein Kindergartenkind zu benehmen und mehrfach auf und ab zu hopsen. Sie schüttelte innerlich den Kopf. Sowas war Doktorandin an der Prager Universität.

Leos Partnerin flitzte mit leuchtenden Augen wie ein Wirbelwind von Raum zu Raum, betrachtete mit leuchtenden Augen die ausgestellten Requisiten des Märchenfilms, den sie, wie sie es bereits mindestens zwanzig Mal erwähnt hatte, seit ihrer Kinderzeit liebte.

Wenn die Hexe nicht ganz allgemein betrachtet so nervig gewesen wäre, hätte Lorena das beinahe süß finden können. Aber eben nur beinahe.

Lina war allerdings, wie gesagt, eine reinblütige Hexe.

Und die hatten es nun mal eher mit Haselnüssen als mit Höllenfeuer und Peitschen.

Lorena hätte die Dinger vermutlich eher in Brand gesteckt, als sich etwas zu wünschen.

Leo und sie standen da eben auf der anderen Seite der Flammenwand.

Leo schien es im Moment ähnlich wie ihr zu gehen.

Offenbar las ihr Bruder einmal wieder ihre Gedanken.

Oder Lina ging ihm auch gerade auf den Geist.

„Sieh es ihr nach. Lina ist eher Team Blümchen als Team Dornenhecke. Weißt du was? Wir lassen sie noch ein wenig schwelgen, das Kleid anprobieren und gehen in der Zeit Großmutter suchen. Die ist auf einigen der Tapeten im Schloß zu finden.“

„Echt jetzt?“ Leo nickte.

„Sie fand die Sache mit den Ledertapeten für das Schloss so creepy, dass sie die Künstler bestochen hat, sie und Michael mit darauf zu malen.“ Lorena steckte sich gespielt angeekelt den Finger in den Hals und würgte.

„Michael? Den Langweiler? Warum gerade der? Warum sollte den jemand auf einer Tapete haben wollen?“ Lorena schüttelte sich, wenn auch im Spaß.

Michael war ein hübscher Kerl, zumindest wäre er das, wenn er endlich mal eine andere Farbe als ausgerechnet weiß tragen würde.

Leo zuckte mit den Schultern.

„Frag Großmutter selber danach. Aber soweit ich weiß, hatten die beiden zu der Zeit eine kurze Liaison.“

„Doppelkotz. Ich dachte immer, Großmutter hätte Geschmack.“

„Lass sie das nur nicht hören, mein Schatz. Da könntest du gehörig ins Fettnäpfchen tappen.“

Selten hatte Lorena so gelacht, als bei ihrem gemeinsamen Erkundungsgang durch das Schloss.

So sehr ihr der Bruder oft auch auf die Nerven ging, war er doch seit ihrer frühen Kindheit ihr Lieblingsmensch gewesen. Da ertrug sie sogar Linas Haselnussliebe.

*****

„Ist ja gut. Ich gebe es zu.“ Lorena wandte sich schwungvoll zu Lina um, die ein Bild nach dem anderen mit ihrer Profikamera knipste.

„Sag es laut.“ Lorena hob eine Augenbraue. Die linke. Rechts schaffte sie es nicht. Egal, wie sehr sie es probierte.

„Es fühlt sich toll an, dieses Kleid zu tragen. Du hattest eine gute Idee. Es gehört ja doch zum Advent. Zufrieden?“ Lina grinste breit, was Lorena dazu animierte, ihren Stiefel nach ihr zu werfen. Geschickt wich diese aus und wirkte gleichzeitig einen Ablenkzauber, damit nichts, was zum Schloß und der Ausstellung gehörte, zu Bruch ging.

Leo, der bislang abseits gewartet hatte, sah sich um, ob auch niemand anderes auf den Raum zukam und drehte sich einmal um sich selber. Augenblicklich trug er die Gewänder des Märchenprinzen und hatte auch dessen Aussehen angenommen. Übertrieben tief verneigte er sich vor Lorena und führte diese zu einem stummen Tanz. Allerdings erklangen schon nach dem dritten imaginären Takt hektische Schritte, die eilig näherkamen.

„Mist. Die Kameras.“ Sie hatten glatt vergessen, dass Museen heutzutage kameraüberwacht waren. Und wenn plötzlich der Märchenprinz in voller Montur tanzte, musste einfach etwas verkehrt sein.

Lorena hob die Hand und nahm Leos Zauber weg, während Lina den heraneilenden Securitymitarbeiter mit einem kleinen, aber wirkungsvollen Verwirrzauber zu belegen versuchte.

„Spart euch die Mühe. Sagt mal, seid ihr von allen guten Geistern verlassen?“

Der Göttin sei Dank, der Mann war kein Normmensch. Was genau er war, entzog sich Lorena, aber seine Aura wies ihn eindeutig als übernatürliches Wesen aus.

„Du ziehst jetzt augenblicklich dieses Kleid aus und dann verschwindet ihr. Ich will euch nicht mehr sehen, wenn ich von meiner Runde zurückkomme. Seid froh, dass ich die Aufzeichnung rechtzeitig gestoppt habe. Die zeigt fünf Minuten Fehler an. Haut ab, wenn ich nicht doch noch eine Anzeige schreiben soll. Magie in der Öffentlichkeit zu wirken. Ihr spinnt doch.“

Sie lachten immer noch, als sie zurück in die Stadt fuhren, um noch etwas zu essen.

„Das war knapp.“

„Aber das Happy End eines Märchens war es nicht.“ Lina schüttelte den Kopf.

„Wenn es noch nicht gut ist, ist es nicht das Ende.“ Oh je. Da hatte jemand einen schlechten Phrasengenerator verschluckt. Lorena beobachtete, wie sogar ihr Bruder die Augen verdrehte. Aber trotzdem. Der Märchenkram war zwischendurch mal ganz lustig, wie sogar Lorena zugeben musste. Aber sinnvoll war er schon ewig nicht mehr.

2

Gulaschgeplänkel

„Lorena. Warum machst du es den beiden so schwer? Du weißt selber ganz genau, dass der Dienst für dich verpflichtend ist. Und dazu gehört nun einmal eine umfassende Ausbildung, was die lokalen Weihnachtsbräuche betrifft. Und komm mir jetzt nicht damit, dass dich nur jene Bräuche etwas angehen, die sich mit den Traditionen der Raunächte befassen. Das ist totaler Mist und das weißt du auch!“ Hildegard baute sich mit in die Seiten gestützten Händen vor Lorena auf und funkelte sie böse an.

Diese zog einen Flunsch, der einer Dreijährigen gut zu Gesicht gestanden hätte. Sie war hier, um sich trösten zu lassen und nicht, sich einen Einlauf abzuholen. Die Welt war gemein.

Trotz des eigentlich lustigen Verlaufs des Nachmittags im Schloss Moritzburg war sie natürlich nicht mit dem Märchenthema ausgesöhnt.

Absolut nicht.

Daher hatte sie gehofft, in Hildegard eine Fürsprecherin zu finden, da diese sich nicht nur einmal despektierlich über die Grimms und deren Einstellung zur strengen Hand bei der Erziehung von Kindern geäußert hatte.

Damit, dass Hilde sich vorbehaltlos hinter Leo und Lina stellen könnte, hatte sie nicht gerechnet.

Die Herrin über die weitläufigen Küchen des Wirkungsbereichs ihrer Großmutter war ihr immer wie eine eigene, gutmütige Oma vorgekommen.

Lorena wollte eben gerade getröstet und in ihrer Wut auf den Bruder und dessen Hexe bestärkt werden und nicht auch noch niedergeknüppelt! Konnte Hilde denn nicht verstehen, dass Lorena Zuspruch brauchte? Aber nein. Hildegard legte den Finger auch noch tief in die Wunde.

Und bohrte darin herum.

„Aus Macht wächst Verantwortung, mein Kind. In Lina Webster und deinem Bruder Leo hast du, was das betrifft, gute Lehrmeister. Ich vertraue ihnen, dass sie dir zeigen, was für dein Amt von Nöten ist. Deine Mutter hätte übrigens nicht anders gehandelt. Nur, falls du glaubst, dass du unrecht behandelt wirst.“

„Aber.“ Hildegard beugte sich beinahe schon drohend über Lorena.

„Nichts Aber. Ich erwarte von dir, dass du dieses bockige Verhalten augenblicklich aufgibst. Du bist kein Kind mehr, wie du mir erst vor einigen Wochen erklärt hast. Du willst allein leben, bis deine Mutter wieder fit ist? Dann verhalte dich auch so.“ Sie drehte sich von Lorena weg und schnaufte durch, während sie den Inhalt eines riesigen Topfes umrührte, der lecker duftend auf dem Herd vor sich hin köchelte.

„Übrigens mag ich den Märchenfilm auch. Wollte ich bloß mal erwähnt haben. Und die Haselnüsse sind ja wohl eindeutig die Gaben einer weißen Hexe.“

Hilde schob eine Schale aus blau glasierter Keramik vor Lorenas Nase, die eindeutig aus der Kollektion eines schwedischen Möbelhauses stammte.

„Iss. Das Gulasch hat drei Tage gezogen. Es ist perfekt.“ Sie füllte sich selber eine Portion in eine ebensolche Schüssel und ließ sich Lorena gegenüber an den alten, blankgescheuerten Tisch sinken.

Hilde deutete mit dem leeren Löffel auf Lorena.

„Und vergiss die Tauben nicht. Glaubst du, die kommen nur aus unendlicher Freundschaft und tief empfundenen Mitleid zum Aschenbrödel? Und fressen den Kram nicht, sondern sortieren? Schon mal drüber nachgedacht? Das ist kein Märchen, dass aus der Feder irgendeines Fantasyautors entsprungen ist. Es ist ein echtes Märchen. Eins von denen, die überliefert wurden. Aus Zeiten, als die Magie noch zum Alltag der Menschen gehörte und diese sich nicht wunderten, wenn zu Walpurgis eine gläserne Kutsche vorbeiratterte.“ Hilde zog die Augenbrauen nachdenklich zusammen. Sie füllte den Löffel, schob sich das Gulasch in den Mund und kaute nachdenklich.