Mein Leben mit Osho - Dietmar Behrendt - E-Book

Mein Leben mit Osho E-Book

Dietmar Behrendt

4,8

Beschreibung

Dieses Erlebnis-Buch ist ein authentischer Bericht und gleichzeitig ein Zeitdokument. Ein junger Mann begibt sich in ein neues, ein zweites Leben, und seine sehr intensiven Erlebnisse – mit Osho – haben ihn dafür entscheidend geprägt. Bewusst als Gegengewicht zu den sehr intensiven Szenen schildert er seine Entwicklung über die Jahre hinweg, mitunter auch in einem etwas distanzierteren Ton, um beim Lesen einen individuellen Abstand zu den Schilderungen finden zu können. Bhagwan hat immer wieder darauf hingewiesen, dass ein Verhaftet-Sein mit der Religion der Urgrund letztlich aller Konflikte ist. Er hat immer wieder betont, dass nur Spiritualität in einem universalen, in einem verbindenden Sinne die Lösung der Spannungen und Konflikte unter den Menschen sein kann. Dieses Buch spricht für den neuen Menschen – auch in seinen 41 Aquarellen zu den Kapitelüberschriften.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 438

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,8 (18 Bewertungen)
15
3
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Dieses Buch ist

Bhagwan Shree Rajneesh

gewidmet

einem unvergleichlichen Meister,

der eines Tages

keinen Namen mehr wollte,

und dann doch den Namen

Osho akzeptierte

Prolog

Die Universelle Lebensenergie fließt

in jedem von uns.

Dies zu erkennen und für sich

selbst zu realisieren, ist

eine Herausforderung und letztlich

Aufgabe des Menschseins an sich.

Die verschiedenen Ebenen

der Lebenskreativität

bieten jedem suchenden Menschen

einen Einstieg in den Strom der

existentiellen Möglichkeiten

des Wachstums.

Die großen Weisen,

die vor uns den Weg gegangen sind,

sind für uns da –

verkörpert und nicht verkörpert.

Inhalt

Vorwort

Einführung

Teil I – Poona I

Mount Abu

Im Sufi-Camp von Pir Vilayat Khan

Ausstieg und Einstieg

Ein Meister in unserer Stadt - "Der Karmapa"

Das Salz der Erde

Das mystische Zahlenspiel der Einreise

On the way to Bhagwan

17, Koregaon Park

Buddha-Hall

Chuang-Tzu-Auditorium

Ten Paisa, Baba

Sannyas

Leaving-Darshan

Zwischen den Welten

Krishnamurti

Weiter

Liebe, Sex und noch viel mehr

Goa

Energy-Darshan

Enlightenment Is Your Birth-Right

Im Ozean der Zeiten

The Goose Is Out

Teil II – Das neue Poona - Poona II

Individualität versus Gruppenzwang

"Baba - One Rupee"

Zarathustra - der Gott, der tanzen kann

Die Bewußtheit in der Unschuld

Eternal Love

The Celebration Of Death

Die Farbe Rot

Liebe und Leere - The Synchronicity Of Emptiness And Love

The Zen-Manifesto

Teil III – Neue Schauplätze

Noch einmal - ein zweites Leben

Höhe und Tiefe

Samadhi

Neue Mala - neuer Mensch?

Der Dorje am Himmel und der neue Karmapa auf dem Stern

Yellow Rose

"Satsang für die neue Zeit"

Lebenskunst und Kreativität

Die verheißungsvolle Ungewissheit

Be Strong, Be Aware, Be Humble – Be Free!

Danksagung

Anhang:

Nachwort

Eine Trilogie als Spiegel einer Lebensreise

Tipps zur Selbstfindung jenseits der herkömmlichen Religionen und Weltanschauungen

Zwei Buchempfehlungen

Hinweis:

Einige Kapitelüberschriften sowie mehrere kurze Zitate wurden bewußt nur in der englischen Fassung aufgenommen, um für die deutschen Leserinnen und Leser nicht die im Denken typischen Assoziationen auszulösen, sondern um eine prinzipielle Offenheit für die Aussage hinter den Begriffen zu ermöglichen.

Vorwort von Marc Ericson

Die Lehre des indischen Meisters Bhagwan (Osho) hat mich stets sehr interessiert und inspiriert. Schon während meiner Ausbildung beschäftigte ich mich neben der Tiefenpsychologie auch mit fernöstlichen Lehren. Es war zum Beispiel C.G. Jung, der eine Brücke schlug zu den chinesischen Weisheitslehren, zu denen er Zugang fand durch seinen Freund, den großen China-Kenner Richard Wilhelm. Zum anderen war es Erich Fromm, der bekannte Freud-Schüler, der zusammen mit dem Japaner Suzuki 1953 ein Buch verfaßte, das mich ebenfalls sehr beeinflußte: "Psychoanalyse und Zen-Buddhismus".

Von Suzuki las ich dann das Buch "Die große Befreiung" und begann sofort, mit den dort beschriebenen Meditationsübungen zu experimentieren. Es gelang mir auf Anhieb, mehrere Stunden still zu sitzen. Ich spürte, wie sich meine seelischen Kräfte sammelten und zentrierten und wie diese Übungen nach und nach mein Leben positiv veränderten, es noch wesentlicher und erfüllter machten. Ich begann, sehr kreativ zu werden. Es entstanden neben meiner Praxis als Psychotherapeut viele Gemälde und zahlreiche psychologische und poetische Schriften.

In dieser Zeit stieß ich auf das Buch "Die Intelligenz des Herzens" von Bhagwan. Es war wie eine Offenbarung für mich. Es war eine große Bestätigung für meinen bisherigen Lebensweg und meine derzeitige Lebenspraxis. Hier muß ich einfügen, daß ich atheistisch orientiert war und mit den großen Religionskritikern Feuerbach, Marx, Freud, Russell und Sartre sympathisierte.

Durch die meiner Auffassung nach völlig voraussetzungslose Praktik der Zen-Meditation hatte ich jedoch in mir selbst eine Ahnung des namenlosen Göttlichen entdeckt, eine Ahnung von der Unsterblichkeit der Seele, von der Inkarnationslehre.

Und: Eine Vertiefung meines `Gewahr-Seins´, meiner Aufmerksamkeit, meiner Intuition und der Gestaltungskraft meines individuellen Lebens gingen damit einher.

Auf diesem Weg fühlte ich mich auch sehr unterstützt durch die Lektüre des Buches von Abraham Maslow "Psychologie des Seins", der als einer der Hauptvertreter der Humanistischen Psychologie, die die innere Wachstums- und Selbstheilungkraft des Menschen in den Mittelpunkt ihrer Lehre stellt, angesehen wird.

Eine wunderbare Anregung war für mich dann das Buch von Bhagwan "Zarathustra - Ein Gott, der tanzen kann", das mich inspirierte, mich nochmals mit Friedrich Nietzsche auseinandersetzen, den ich seit meiner Jugend schon liebte, aber der mir auch oft sehr verwirrend erschien. Hieraus erwuchs ein Gesamtwerk, das eine Synthese aus Märchen, Malerei, Poesie, Tiefenpsychologie, Kunstpsychologie, Kreativitätsforschung, fernöstlicher Philosophie und Meditationspraxis bildet.

Bhagwans (Oshos) absolut freie Art der Darstellung der verschiedensten Zusammenhänge hatte mich hierzu ermutigt, und ich nannte die tragende Figur meiner Texte nun ebenfalls Zarathustra, die ihre Erkenntnisse in klarer, positiver und leicht verständlicher Form auf eine völlig neue Art und Weise darbietet, so daß die Rezeptionsfähigkeit und -bereitschaft hierdurch außerordentlich erweitert wird. Eine Kombination von märchenhafter, poetischer, künstlerischer und wissenschaftlicher Darstellung ist hierdurch "geboren" worden, wie es sie bisher in dieser Form nicht gab - und als "Geburtshelfer" muß ich Bhagwan benennen.

Ich fand in allen Büchern von Bhagwan eine sehr präzise und gleichzeitig poetische und humorvolle Darstellung einer großen Synthese von westlichen und östlichen Anschauungen, die sich mit der Erweiterung des Bewusstseins und dem seelischen Wachstum des Menschen beschäftigen. Bhagwan sagt dazu, daß er sich in keine Tradition einzufügen bereit ist, weil jede Tradition auch immer eine Einengung des Bewusstseins bedeutet. Bestimmte Dogmen werden den Menschen bereits in der Kindheit übergestülpt, zu einer Zeit also, in der sie sich noch kein eigenes Urteil bilden können, in der sie noch über keine eigene Lebenserfahrung verfügen.

Im "Über-Ich", im "Mind", sind dann all diese Dogmen gespeichert und machen den Menschen unfrei und unglücklich und führen letztlich dazu, daß sich die Menschen wegen dieser unreflektierten Überzeugungen gegenseitig millionenfach umbringen.

Bhagwan spricht sich dafür aus, daß die Menschen nicht irgendeiner dogmatischen Tradition angehören sollten, sondern daß alle Traditionen den Menschen gehören, sofern sie in der Lage sind, ihr Bewußtsein zu erweitern und ihr seelisches Wachstum zu fördern, das im Gegensatz zum technischen und wissenschaftlichen Können noch sehr entwicklungsbedürftig ist.

Mein Herz jubelte, solche Töne zu hören. Vollends begeistert war ich, als in den Kinos der Film "Bhagwan in Poona" gezeigt wurde. Ich habe ihn mir oft angesehen und war zutiefst in meiner Seele berührt. Wie schön, daß es so einen Menschen gibt, dachte ich immer wieder. Auch von dem Ashram in Poona war ich sehr beeindruckt. Ich sah die freien und glücklichen Menschen in ihren roten Gewändern und spürte von der Gesamtheit dieser Eindrücke eine große Freiheit in meinem Herzen.

Was sich meine Phantasie vorgestellt hatte, so etwas gab es tatsächlich. Trotzdem war ich mit meinem privaten und beruflichen Leben so zufrieden, daß ich keinen Wunsch verspürte, nach Indien zu reisen.

Als ich jetzt das Manuskript Dietmar Behrendt zu lesen bekam, spürte ich, daß er quasi stellvertretend für mich in Indien und bei Bhagwan war. Ich kann seine Art der Darstellung sehr gut miterleben und mir vorstellen, daß dies vielen Lesern so gehen wird. Sein Bericht verlockt, mehr von dem großen indischen Meister erfahren zu wollen.

Dietmar Behrendt hat die Lehre Bhagwan´s auch ganz in meinem Sinne beherzigt, daß er sich nämlich inmitten aller Erfahrungen stets treu geblieben und immer seinem inneren, individuellen Fluß des Tao gefolgt ist.

Die immer wieder zu ertragenden Terroranschläge machen deutlich, wie dogmatische Traditionen und Konditionierungen das individuelle und kollektive Leben der Menschen zerstören können, und wie überaus dringend notwendig Paradigmenwechsel für alle Gesellschaften sind. Dem Individuum muß die Chance eingeräumt werden, auf individuelle, auf ureigenste Weise die "Wahrheit" zu entdecken und zu erfahren, die immer eine individuelle Wahrheit ist und mit Liebe und Kreativität verbunden sein wird. Wenn sich Liebe und Kreativität nicht frei und individuell entfalten können, entstehen die Phänomene der Destruktion und der Depression, und diese Tatsache begegnet mir in meiner psychotherapeutischen Arbeit leider täglich.

Insofern können die Botschaften von Bhagwan, von Osho, und diese wunderbaren Darstellungen dieses Autors über seine Erfahrungen mit Bhagwan, mit Osho, dazu beitragen, eine Wende im Denken, Fühlen und Handeln zu unterstützen und anzuregen.

Einführung:

Das neue Jahrtausend ist inzwischen mit neuen Inhalten und mit vielerlei Herausforderungen gut in Fahrt gekommen, und so sieht sich das Individuum in unseren Breiten auch einer nie gekannten Fülle von Informationen aller Art ausgesetzt. Aus dieser Flut die nun jeweils geigneten Möglichkeiten herauszufiltern, um sich über einen eigenen Lebensstil zu definieren und für sich ganz persönlich das Glück (und gar sich selbst) zu finden, sind für das Individuum ein Segen und eine Hürde zugleich, denn es ist mehr denn je, was jeden Tag auf uns einstürmt.

Dazu kommt, dass für viele Menschen die Verheißungen einer expandierenden Ökonomie mit unbegrenzten Entwicklungschancen mitsamt einem immer weiter ausufernden Konsum aufgrund harter Realitäten schlichtweg in sich zusammengefallen sind. Weitere künftig noch unabsehbarer anschwellende Flüchtlingsströme - mit ihren direkt in die Kommunen hineinwirkenden Einflüssen - tragen, bei allen durchaus willkommenenen Veränderungen, zu weiteren Verunsicherungen bei.

In einer Zeit, in der die friedliche Zukunft der Menschheit in nicht geahnter Weise wieder auf den Prüfstand gestellt ist, in der weltweit mit terroristischen Angriffen auf das Leben unbeteiligter Menschen zu rechnen ist, bleiben die Anworten der Kirchen im Abendland mager, denn über gutgemeinte Friedensapelle hinaus fällt niemand etwas Substantielles ein.

Es herrscht bei vielen Menschen ganz einfach Angst. Das Bedürfnis nach Sicherheit und Schutz an sich tritt immer deutlicher hervor.

Die private Erfüllung in Beziehung, Ehe und Familie, der viele im Zuge sexueller Befreiungen und emanzipatorischer Schritte näher zu kommen glaubten, hat sich nicht immer eingestellt, um es einmal freundlich zu formulieren, und die Partnersuche, die Rollen- und Selbstfindung sind im Dschungel der unzähligen Trends, der Verwirrspiele im politischen Alltag und der Angebote in der Werbung nicht immer das, was gut gelingt.

Ein traditionelles Gottesbild ist für viele zu weit entfernt, als dass im Alltag Ruhe und Tatkraft aus der Annahme einer omnipotenten Instanz geschöpft werden könnte, doch geben interessanterweise auf Befragen immer mehr Menschen zu, dass sie beispielsweise eine transzendente Zwischenwelt der Engel, konkret der Schutzengel, für wahr halten, beziehungsweise dass sie sogar über eigene unwiderlegbare Erfahrungen verfügen, die sie auch gern zu schildern bereit sind.

Nun muß sicher nicht gleich eine hochesoterische Sinnfindung angestrebt werden, wenn nach materieller Absicherung und beruflichem Fortkommen mit privatem Glück auch religiös-spirituellen Bereichen ein verstärktes Interesse gewidmet wird. Unabhängig davon zeigt sich deutlich, was in diesen Zeiten des Umbruchs, der Verunsicherung sowie der erforderlichen Neuorientierung im persönlichen wie im gesellschaftlichen Leben immer mehr an Gewicht gewinnt:

Es ist die Suche nach Sicherheit, es ist der Weg nach Innen. Was unverkennbar gebraucht wird, das ist die innere Instanz der Stabilität, es ist die Quelle von Sicherheit und Kraft.

Das ständig steigende Interesse an gesunder Ernährung und körperlicher Fitness ist ein Beweis dafür, dass in einer Zeit sich mehr und mehr auflösender äußerer Absicherungen sich verstärkt die Erkenntnis durchsetzt, dass sich der Einzelne selbst um sein Wohlergehen bemühen muß. Doch sind wir mehr als Körper und Gefühl, und wahres Glück hat tiefere Dimensionen...

Schon Ende der Sechziger gab es parallel zu den revolutionären Thesen eines Theodor Adorno eine andere Welle des Aufbruchs - nach innen und nach Osten, in das geheimnisvolle Morgenland. Das Traum-Ziel war für viele das große Land, das vielleicht am wenigsten abschließend zu ergründen ist, wo man allerdings wohl auch am ehesten lernen kann, nicht alles vom Verstand her verstehen zu wollen: Indien.

Viel hat sich seitdem geändert. Heute ist eine garantierte Rundum-Entspannung mittels Ayurveda-Behandlungen und von dosiertem Sport im Urlaub, alles im Rahmen von Wellness- und Gesundheitsprogrammen, am Ursprung und in tropischer Umgebung, per Katalog zu bekommen, dazu das Meer und auch ein Hauch von Spiritualität. Es ist das, was sich die meisten Touristen heute von Indien neben Besuchen der weltbekannten kulturellen Highlights mit den obligatorischen Einblicken in die ethnologische Vielfalt des Subkontinents erhoffen; sehr viel mehr soll es meist aber nicht sein.

Mit Indien verbindet der hiesige durchschnittliche Fernsehzuschauer abgesehen von einer erstaunlichen Wirtschaftsentwicklung in den letzten Jahren zunächst sicher einmal Bilder des Mangels, der Armut breiter Bevölkerungskreise, und daneben eine für den westlichen Beobachter unübersichtliche Vielfalt von Ritualen. Wir erinnern uns hier vor allem an die häufig gezeigten Badeszenen der Hindus in Benares, auf den Stufen am Flussufer, am Ganges. Das Bad in den für sie heiligen Wassern des Ganges in Varanasi, wie die Hindus diese Stadt nennen, ist von zeitlos großer Eindringlichkeit und mag den Abendländer an seine eigene, recht laue religiöse Einstellung erinnern.

Aber die heiligen Männer der Hindus und die vielen gläubigen badenden Alltagsmenschen zeigen nur eine Seite dieses so vielfältigen Landes, dessen Geheimnisse sich für einen Suchenden aus westlichen Ländern nur stückweise erschließen.

Es ist ein offenes Geheimnis, daß es sehr voneinander abweichende Auffassungen über das Leben der Menschen auf unserer schönen Erde gibt, und viele der vernünftigen, unvernünftigen und obskuren Versuche sind bekannt, die im Laufe der Menschheitsgeschichte darauf abzielten, das Leben in einer befriedigenden Weise zu gestalten und "in den Griff zu kriegen". „Sich das Leben erklären“ – und... dem Leben einen Sinn geben...

...Den bestmöglichen Sinn - und auch dem Dasein an sich eine Erklärung zu geben und diese gleichzeitig diesem unserem Leben auch abzuverlangen, das ist sowohl das offene wie das geheime Bestreben der meisten Menschen gewesen, die jemals auf unserem Planeten gelebt haben.

Innerhalb der großen Religionen und der verbreiteten Weltanschauungen, die ebenfalls auf den hohen Stellenwert ihrer Erklärungsmodelle über den Sinn des Lebens pochen, haben die sogenannten einfachen Leute und auch die herausragenden Vertreter unserer Spezies versucht, das menschliche Leben innerhalb einer durchschnittlich zu erwartenden Lebenszeit so optimal wie möglich zu gestalten, „das Beste herauszuholen“.

Der Grund dafür ist sehr naheliegend: Bei uns hier im Abendland, im Bereich der vorherrschenden monotheistischen Religionen gilt es als normal und dem allgemeinen Verständnis vom menschlichen Leben entsprechend, daß jeder Mensch nur einmal auf der Erde lebt. Diese hier bei uns noch immer vorherrschende Einstellung wird ungeachtet aller stattfindenden Berichterstattungen über die großen Religionen Asiens sowohl unreflektiert wie tapfer in Fernsehsendungen und in der Presse verbreitet. Und diese allen bekannte Einstellung zum Leben lautet:

„Ich muß jetzt schnell dies oder das machen oder erleben oder hinter mich bringen, denn man lebt ja schließlich nur einmal“.

Eigentlich ist es traurig, daß sich die Überzeugung, nur einmal zu leben, bei uns im Abendland noch immer so hartnäckig hält. Denn der gesamte von Buddhismus und Hinduismus gestaltete asiatische Raum gründet auf der Annahme und der Erkenntnis, daß man eben nicht nur einmal lebt, sondern über eine Kette von Inkarnationen hinweg immer wieder in diese unsere bekannte Welt kommt, um in neuer physischer Form immer weitere Stufen der Selbsterkenntnis zu erlangen.

Dies geschieht über die Vervollkommnung und die Veredelung des Charakters des Menschen. Die wachsende Erfahrung und das sich vertiefende Verständnis der Zusammenhänge des Lebens bringt eine sich vertiefende Klarheit hervor, und auf diese Weise wird sich der Mensch zu höheren Daseinsformen weiterentwickeln. Dieses Modell der Entwicklung des Menschen ist wunderbar, und auf ihm basiert auch die tiefere Erkenntnis, die sich im neuen Zeitalter, im neuen Jahrtausend, auch in unseren Breiten, mehr und mehr durchsetzen wird.

Indien ist durch seine bis auf den heutigen Tag lebendige und gelebte Spiritualität eine riesige Plattform, die es dem westlichen Menschen mit seinem vorherrschenden rationalen Denken ermöglicht, sich in dieser Hinsicht fundiert weiter zu entwickeln.

Auf den hier geschilderten Entwicklungsweg bezogen heißt das:

Woanders hätte etwas von dieser Intensität gar nicht stattfinden können. Das war (und ist) tatsächlich nur in Indien möglich – in einem Land, in dem in Jahrtausenden der spirituellen Praxis eine gerade auch heute noch vieles tragende Kraft aufgebaut wurde, die als Hintergrundenergie vorhanden ist und unterstützend wirken kann für diejenigen, die sie fühlen und schätzen.

So hat Indien schon in früheren Zeiten einen geheimnisvollen Reiz auf Abenteurer, Entdecker und Forschungsreisende ausgeübt, und darüber hinaus ein ganz besonderes Flair für „die Suchenden“. Hier ist eben vieles selbstverständlich, hier ist die spirituelle Suche fester Bestandteil des nationalen Selbstverständnisses. – Und vor vier Jahrzehnten begann auf dieser Basis eine Phase, die in der Geschichte dieses Landes eine ganz besonderen Entwicklung einleiten sollte. Doch nicht von dieser vom sogenannten "New-Age" allerorten bemühten Lehre der Reinkarnation handelt dieses Buch - denn es geht in Wahrheit um etwas ganz anderes. Und so geht es auch in diesem Buch... um "dieses eine Leben".

Dieses hier exemplarisch beschriebene Leben eines Menschen nahm ein halbes Jahrzehnt nach dem Ende des zweiten Weltkriegs in der deutschen Hauptstadt seinen Beginn, und es bekam durch verschiedene besondere Umstände und Wendungen sozusagen ein modifiziertes Spiegelbild seiner selbst. Es bedarf für einen derartigen Vorgang natürlich einer besonderen Wendung, einer transzendenten Entwicklung, um es tatsächlich zu einer "Doppelung" kommen zu lassen - eben zu einem zweiten Leben in diesem einen Leben.

Dieses zweite Leben, das sich in dieses erste Leben integriert hat, ist sehr viel mehr als das, was das erste Leben aus sich allein heraus noch hätte werden können. Das erste Leben ohne jede besondere Wendung oder Erweiterung in einem transzendenten Sinne wäre wahrscheinlich schließlich doch eher ein einförmiges Spießerleben geworden... Aber dieses "zweite Leben", über das der Autor hier spricht, hat etwas Ungewöhnliches, und es hat dem Leser etwas Wichtiges zu sagen. Und das Besondere daran ist unter anderem, daß es gar nichts Einmaliges ist, denn "dieses zweite Leben" ist jedem möglich "in diesem hiesigen Inkarnationszyklus", in dem wir uns derzeit alle hier gemeinsam befinden. Aber es bedarf einer entschlossen herbeigeführten Wendung, einer eindeutig umgesetzten Entschlusskraft, um sich ganz realistisch auf den Weg machen zu können.

Im Zen heißt es, daß der alltägliche Geist der Weg ist. Sich auf den Weg zu machen, ist also immer möglich, doch da das für die meisten Menschen wiederum auch nicht unbedingt praktikabel ist, handelt dieses Buch zur Verdeutlichung weitgehend in einer Zeit, als viele aufbrachen, um einen Schnitt zu vollziehen, um ihr bisheriges Leben abzuschließen und tatsächlich ein neues Leben zu beginnen, und das im gleichen Körper in der gleichen Welt. "Dieses zweite Leben", von dem hier berichtet wird, ist gar nicht so sensationell anders, wie man vielleicht annehmen könnte, denn viele in vergleichbaren Situationen haben etwas Ähnliches erlebt.

Aber nur wenige haben es aufgeschrieben und veröffentlicht. Dies ist einerseits ein ganz einmaliger und persönlicher Bericht, andererseits ist es aber auch eine ganz normale Geschichte, wie sie sich tausendfach abgespielt hat in unserem Land und in anderen Ländern.

Etwas ganz Elementares ist dabei nicht nur die Ähnlichkeit der grundlegend neuen Erfahrungen, sondern auch die Verbindung zu diesem unvergleichlichen Land, dem wohl interessantesten, geheimnisvollsten und auch widersprüchlichsten auf unserem Globus.

Und hier läßt sich auch schon ahnen, was der Hintergrund all dieser Veränderungen ist, denn es geht natürlich nicht aus dem Stand heraus, ein zweites Leben beginnen zu können: Man muß in eine andere Dimension kommen. Diese kann einem in aller Regel nur ein Mensch aufzeigen, der in dieser anderen Dimension lebt und aus ihr heraus lehrt. Und das kann in der hier gemeinten Bedeutungstiefe nur ein `Guru´ sein, ein Meister der Meditation.

Es soll hier aber nicht um irgendeinen der vielen Gurus, Heiligen, Yogis oder Wandermönche Indiens gehen, von denen es sehr unterschiedliche Individuen gibt, sondern um den bekanntesten Vertreter aus diesem Bereich.

Die Rede ist von Prof. Dr. Chandra Mohan, der zunächst weltweit als Bhagwan Shree Rajneesh und dann in den letzen Monaten seines Lebens unter dem Namen Osho bekannt wurde.

Das Auftreten dieses ehemaligen Professors der Philosophie setzte zunächst im eigenen Land und schließlich praktisch weltweit ein Phänomen in Gang: Neo-Sannyas.

Es ist heute vielleicht nicht mehr unter dieser Bezeichnung jedem geläufig, die positiven Auswirkungen aber sind unübersehbar.

Dieser indische Weise (die Anrede Osho ist der japanische Begriff für Lehrer/Meister und wurde erst Anfang 1989 von seinen Schülerinnen und Schülern gewählt, weil der Meister die alte Anrede Bhagwan künftig nicht mehr wollte) ist aufgrund seines Wirkens und der Wirkung, die seine Schüler, seine (Neo)-Sannyasins in der Welt ausgeübt haben, Gegenstand von unzähligen Berichten, Artikeln und auch Doktorarbeiten geworden.

Letzteres liegt darin begründet, daß er „die Wissenschaft der inneren Transformation“ lehrte, die eben nicht intellektuell erfaßt oder gelehrt werden könnte. An diesem Punkt öffnet sich die wahre Dimension für das Verständnis, das sich der Einzelne im Rahmen seiner eigenen Lebensumstände, seiner Ziele und Wünsche erarbeiten kann – allerdings nicht rational mit den Mitteln des Verstandesapparates, englisch: „mind“, sondern ganzheitlich.

Ganzheitlich heißt „mit allen Sinnen“, „jenseits des Verstandes“, „aus vollem Herzen“ und mit der größtmöglichen Klarheit, zu der der Verstand in der Lage sein kann...

Die Wissenschaft der inneren Transformation bietet mehr und verlangt mehr, als vom herkömmlichen Universitätsstandard bekannt ist. Die interessante und bei näherer Betrachtung verblüffende Tatsache ist, daß das Studium an einer normalen wissenschaftlichen Einrichtung sicher nicht zum Repertoir eines jeden Erdenbürgers zählen muß. Sicher nicht. Aber mit der hier angesprochenen und in diesem Buch beschriebenen Entwicklung hin zum reiferen, zum ganzen Menschen verhält es sich anders.

Vereinfacht gesagt: Niemand, aber auch wirklich niemand, kommt – und das haben die alten Hochkulturen und gerade in Indien seit Jahrhunderten erkannt – an der Absolvierung dieses Entwicklungsweges vorbei.

Sicher sind es bisher wenige bei uns gewesen, die das erkannten, aber es werden nun, und vieles deutet darauf hin, sehr viel mehr werden.

Osho hat auch deshalb so viele Menschen angesprochen, weil er kein Heilsversprechen gab, „keinerlei Versprechen irgendeiner physischen Unsterblichkeit“, sondern ganz praktische Alltagsbezüge herstellte, und das mit seinem sensationellen Humor!

Gruppenidentität war für viele seiner Schüler ein erster wichtiger Anker, doch das reine Erleben der eigenen Innenkraft, angeregt durch den Meister, der keiner alten Tradition folgte, das war die Energie, die die Menschen anlockte und im Laufe der Jahre zu Hunderttausenden in seinen Aschram nach Poona lockte. Bis heute. Auch wenn es manchen als ein Kult von vielen erschienen sein mag – es war ganz anders, und viel mehr als ein Kult sein kann... es war eine neue Dimension des Seins, die auch heute noch im Ashram in Poona spürbar ist.

Um die „Bewegung“, die im Anschluß an die eingangs beschriebene Zeit in Indien im US-Bundesstaat Oregon vorübergehend ein großes Medieninteresse auf sich zog, ist es ruhiger geworden – vielleicht deshalb, weil nun viel von dem, was „den Sannyasins“ und ihrem „Guru“ zunächst aufgrund fehlenden Verständnisses angekreidet wurde, im Laufe der Jahre Eingang gefunden hat in das gesellschaftliche Leben, die psychologisch-therapeutische Alltagspraxis, den allgemeinen Sprachgebrauch und das allgemeine Denken an sich.

Was einst als Schmarren vom „Sex-Guru“ von der Boulevard-Presse verschrien wurde, findet sich heute dutzendweise mit dem Label der großen Verlage in den Regalen der Buchtempel.

Das zweite Leben, von dem der Autor hier spricht... er hat es diesem außergewöhnlichen Menschen zu verdanken. Doch damit ist er kein Sonderfall, denn es ging vielen Menschen so.

Jede und jeder von ihnen hat eine eigene Geschichte, und so wird auch der Autor dieses Buches seine ganz subjektiv erlebte Geschichte beschreiben. Er möchte die Leserinnen und Leser mitnehmen in die Zeit, in der sich diese wunderbaren, so entscheidenden Dinge abgespielt haben.

Aber es wird auch immer wieder der klare Bezug zur Jetzt-Zeit zu spüren sein, denn gerade er macht die Dinge so relevant und so aktuell.

Schon der Beginn des neuen Jahrtausends zeichnet sich auch durch eine immer deutlicher werdende Suche nach individueller Freiheit aus. Erst sie kann ein Garant dafür sein, daß Menschen friedlich miteinander auskommen in Toleranz und Gleichberechtigung, und daß sich Völker und Nationen respektieren. Frei sein, frei leben, niemand zu folgen und sich doch inspirieren lassen von denen, die vor uns waren... dem eigenen Licht verpflichtet sein, nur ihm – das ist der Weg jenseits herkömmlicher enger Religionen, Dogmen, Schriften und Heilserwartungen in irgendeinem Jenseits.

Vielleicht ist nun die Zeit gekommen, in der auch in größerem Umfang als bisher die Bedeutung einer wirklich freien, individuellen Spiritualität jenseits der dogmenbelasteten Religionen erkannt wird. Das Hinweggehen über das eigene spontane Gefühl zugunsten einer wie auch immer verordneten rituellen Abfolge ist letztlich nur ein Abwürgen der eigenen Erleuchtungskraft, über die jeder Mensch von Geburt an verfügt.

Die Erleuchteten – und Osho ist zu unserem Glück nicht der einzige – zeigen uns den Weg.

Es ist an uns,

das aufzunehmen und zu erkennen,

was der Meister vorlebt, und individuell im eigenen Leben umzusetzen.

Dies ist keine Fiktion, und die Botschaft ist aktuell, sie betrifft uns heute und sie betrifft uns alle, denn die Probleme, die wir zu Beginn des 21. Jahrhundert vor uns ausgebreitet sehen, sind nicht geringere, als sie es damals waren.

Der Frieden, wie er beharrlich seit Jahrzehnten vom Dalai Lama in der Welt vertreten wird, ist auch Oshos Anliegen, denn er hat sich stets gegen die Dominanz der Religionen in ihrem jeweiligen Alleinvertretungsanspruch gewandt.

Gerade aufgrund der religiös bedingten Konflikte ist das Wirken von Osho so relevant, und es ist so wichtig, daß möglichst viele Menschen von persönlichen Erfahrungen mit ihm erfahren.

Was hier berichtet wird, ist von längerfristiger Bedeutung, und so bleibt es jedem überlassen, zu schauen, ob er oder sie für sich selbst damit etwas anfangen kann, um das eigene Dasein in eine höhere Ebene zu transformieren. Es muß nicht unbedingt so etwas wie "ein zweites Leben" werden, aber es kann auf jeden Fall "ein besseres Leben" kreiert werden.

Und darum geht es... ein besseres Leben zu haben, ein schöneres Leben, freier, authentischer, liebevoller, stressfreier, intensiver, weniger abgedroschen und langweilig zu leben, aber dafür erfüllter, kreativer.

Von all´ diesen Aspekten, die ein schönes und intensives Leben ausmachen, handelt dieser Bericht, der Menschen Freude bringen soll.

Er soll die Freude an der Veränderung vermitteln, er möchte Impulse geben und ermutigen, `sich selbst auf die Reise zu begeben´.

Nicht nach Indien unbedingt, auch nicht unbedingt „zu irgendeinem Guru“...

Bestimmt auch nicht zu einem „Verkünder von Heilslehren“, sondern auf die Reise zu sich selbst, zur eigenen Quelle, zur eigenen Kraftquelle, zu den eigenen Resourcen des Menschseins, die wir alle in uns tragen.

Diese Resourcen, diese Kraftquellen sind so groß und so gewaltig, daß sie nicht nur für ein Leben oder auch noch für ein zweites in diesem einen Leben reichen, sondern sie reichen für ganz viele Dimensionen in ganz vielen Leben. Aber wenn wir ein zweites Leben für uns zu schaffen vermögen in diesem derzeitigen Leben, dann ist es schon sehr viel.

Um einem möglicherweise entstehenden Missverständnis entgegenzuwirken, sei hier noch gesagt, dass es natürlich nicht ausreicht, nur auf den erleuchteten spirituellen Meister zu bauen, während man mit unentwegt verzücktem Gesicht die Hände in den Schoß legt! Es ist die volle Eigeninitiative gefordert – und genau dabei hilft der Meister.

Der bekannte Autor Dr. med. Rüdiger Dahlke hat in vielen Bemerkungen über Osho die zeitlose, die so brandaktuelle Weisheit von Osho herausgestellt, und er hat darauf hingewiesen, daß in unseren Tagen von verschiedenster Seite auf die Lehren von Osho – gerade auch in der Literatur - zurückgegriffen wird!...

Der Ashram in Poona (ind. Pune)... der Ort der Handlung, den einer der führenden Philosophen unseres Landes, Prof. Dr. Peter Sloterdijk, als ein herausragendes avangardistisches Experiment bezeichnet hat, das auch seiner Meinung nach nicht in die Kategorie der Sekten gehört, besteht noch immer, ist größer denn je und komfortabler, als in den Jahren, in denen diese Geschichte beginnt, zu hoffen war. Und die Kraft, von der hier die Rede ist... die ist auf mystische Weise immer noch da.

Viel Freude auf dem Weg wünscht Ihnen der Autor des Buches, der auch als eine Art Reiseleiter fungieren möchte, denn er kann auf eine Reise während vieler Jahre zurückblicken, in denen sich "dieses zweite Leben" in diesem Leben ereignet hat.

Teil I

Poona I

Mount Abu

Am Mount Abu im Norden Indiens haben sich einige hundert Menschen versammelt, um in der Gegenwart eines Acharyas, eines Gelehrten, zu meditieren, seinen Lehren zu lauschen und vor allem um sein Charisma zu spüren, seine Energie zu trinken - denn er gilt schon in diesen frühen Tagen seines öffentlichen Wirkens bei seinen Landsleuten als erleuchtet. Der Acharya sitzt in einem kleinen Korbsessel und wirkt außerordentlich dynamisch und dynamisierend.

Den Menschen um ihn herum ist anzumerken, daß Entscheidendes in ihnen vorgeht. Es sind nur wenige Europäer und Amerikaner anwesend, aber diese Relationen werden sich in einigen Jahren ändern.

Zur gleichen Zeit betritt ein junger Mann in West-Berlin zum ersten mal als Arbeitnehmer, der sich für die Ausbildung in der Verwaltung entschieden hat, ein großes Dienstgebäude. Es ist das Landesversorgungsamt, das für die Kriegsopferrenten dieses Bundeslandes zuständig ist. Es gibt viele Menschen, besonders Kriegerwitwen, denen es ein gutes Gefühl gibt, zu wissen, daß ihre Akten hier hängen.

Auch der junge Mann hängt durch, allerdings innerlich, angesichts der Erkenntnis, daß er im Rahmen seiner Ausbildung zunächst nun hier sechs Monate lang täglich um halb-acht einzulaufen hat.

Was ihm eben bei der Annäherung an das große trostlos erscheinende Backsteingebäude niederschmetternd eingefallen ist, nimmt ihn gefangen, während er die breite Treppe in den zweiten Stock hochgeht - in der Bewältigung seiner für ihn erschreckenden Tiefe ebenso wie in der Suche nach dem Ausweg in eine innere und äußere Freiheit. Er wird sieben Jahre suchen und fragen, bis er wirklich springt... die Stufen in seinem Leben zu seiner Freiheit hinauf.

Viele Menschen sind bei uns heute von der Wissenschaft und ihren negativen Auswirkungen trotz aller erfreulichen Ergebnisse für unser aller Leben enttäuscht - sie suchen "das Andere" im Leben. Auch er hätte es damals so oder so ähnlich formulieren können, doch die Beengtheit der Lebensverhältnisse und das Eingesperrt-Sein in das Vorgefertigte verstellten den Blick auf die größeren Zusammenhänge. Zu groß war das täglich erlebte eigene Dilemma inmitten des vermeintlich so wunderbar Geregelten, als daß er seinen innersten und kühnsten Ahnungen folgend vom Leben hätte verlangen können, `das Göttliche´ hier in diesem Körper zu erfahren und es gleichzeitig ganz allgemein auch im diesseitigen Leben besser zu haben. Darum ging es ihm, das war seine Sehnsucht. Doch er wußte nicht, wie er es in der Praxis anfangen sollte.

Das Gehalt war nicht allzu schlecht; also fuhr er mit seiner Freundin nach Paris und London, sie besuchten die legendäre Kommune von Findhorn in Schottland, und er stand mit ihr auf der Akropolis in Athen und mit den Füßen im Atlantik zwischen den Bunkeranlagen des Atlantikwalls aus "großdeutschen Zeiten" - im Jahresurlaub, der so entsetzlich rasch vorbei war - auch dieses Jahr wieder...

Glauben heißt nicht, auch tatsächlich zu wissen. Deshalb forschen immer mehr Menschen möglichst direkt nach. Das ist der heutige Stand der allgemeinen Entwicklung. Die Esoterik boomt, geht zurück und erfährt wieder neue Höhen, und das ist gut so, denn nur so kann das Wichtigste passieren: Sich selbst zu erkennen und sich selbst zu verbessern, zu wachsen.

Auch er fand durch wundersame Fügungen nach den Jahren des Nichtglaubens seit dem ersten massiven Stören im Religionsunterricht und der fortschreitenden Abkehr von Gott im frühen Jugendalter zu einer besonderen Art von Glauben zurück. Es geschah praktisch gleichzeitig zum Kirchenaustritt, der durch die erste Gehaltsabrechnung ausgelöst wurde, die eine Kirchensteuer von fünfzig Pfennig ausgewiesen hatte, was er bei allem neuen Interesse für Jenseitiges unerhört fand.

Daß dieses Interesse nicht nur am Anfang des Weges eine Form der Flucht sein kann, sagte ihm niemand, denn er behielt seine Interessen für sich. „Die heimliche Lektüre“ damals ungeheuerlich anmutender Schriften theosophischen Inhalts hielten ihn in den Jahren der Ausbildung inmitten der rigiden Berufswelt der späten Sechziger Jahre regelrecht über Wasser, und nur wenige Freunde teilten sein Interesse.

Doch bald verließen die anfänglichen Wegbereiter und die ersten neuen Freunde seines neuen Lebensabschnitts die Bühne seines Lebens, und so war er sehr allein, als er sich eines Tages unverrückbar eingestehen mußte, daß ihn das Leben mitten hinein in das kalte Wasser gestoßen hatte.

Der Acharya kehrte mehrmals zum Mount Abu zurück, doch sein Hauptaugenmerk galt seiner Tätigkeit als Vortragender landauf-landab. Und Indien ist groß. Er war jahrelang unterwegs und sprach vor ungezählten Zuhörern, die ihn immer mehr zu verehren begannen, denn er erschien ihnen, den Hindus, weit über seinen Status als Professor der Philosophie hinaus als eine Inkarnation der Großen, als ein Verkünder der großen, ewigen Wahrheiten, die auch im Westen aus den Veden, den Upanishaden, der Bhagavad Gita bekannt sind.

Auch der junge Beamte in Berlin las sie, die Bhagavad Gita - wenn er es im Prüfungsstress für die Laufbahnprüfung einrichten konnte zwischen dem Beamtenrechtsrahmengesetz, dem Bürgerlichen Gesetzbuch, der Zivilprozessordnung, der Landeshaushaltsordnung.

Nichts ungeprüft lassen, so lautete einmal eine Botschaft des Meisters Jesus vor zweitausend Jahren. Und heute ist die Gefahr der Esoterik die, als Trend zu verwässern und als Flucht in der persönlichen Krise herhalten zu müssen. Sie werden verflucht, diese Krisen, aber die sind meist sehr nötig, denn sonst kriegen wir den Hintern vom Beamtensessel und von anderen sicheren und bequemen Sitzgelegenheiten nie hoch.

Wir müssen gehen, jeder einzelne muß gehen. Das Sitzen in Meditation ist dabei ein unverzichtbarer Bestandteil, aber erst müssen wir gehen... Was bringt es uns?.... Das war und ist die Frage. Früher hieß es: Wohin kann ich gehen, um etwas zu finden, das mich weiterbringt. Bücher lesen kann ich hier auch... aber wie kriege ich - den Kick? Und heute?

Der junge Mann konnte seinem Empfinden nach nirgendwohin gehen, außer in die nacheinander wechselnden Dienstgebäude zu den jeweiligen Aufgabengebieten, den mehr oder minder erträglichen Kollegen und den mehr oder minder sinnvollen Tätigkeiten - und doch war er längst auf seinem Weg. Die Arbeitslosigkeit war damals eher eine theoretische Größe aus dem Studienfach Volkswirtschaft, was ihm beim gewagten Blick über die Beamtenlaufbahn hinaus beziehungsweise von ihr weg - besonders in Momenten der grauen Hoffnungslosigkeit des Arbeitsalltags - eine gewisse Sicherheit gab.

Und so konnte er in der für ihn viel zu knappen Freizeit immerhin einige Möglichkeiten im spirituellen Bereich wahrnehmen und sich außerdem ein passables Grundwissen zusammenlesen.

Daß es dabei aber nicht bleiben konnte und daß über das reine Verstehen von Buchwissen hinaus etwas Befriedigendes zu geschehen hätte, das wurde ihm immer deutlicher bewußt.

Er fühlte mehr und mehr die Dringlichkeit, einen wirklich stabilen inneren Halt zu suchen, und so bemühte er sich zunehmend um die eine oder andere praktische Erfahrung.

Er ahnte auf zeitweise schon beklemmende Weise, daß sein Leben aus der abgesicherten Situation heraus wohl eine vergleichsweise dramatisch angelegte Wendung erfahren würde - und nehmen müßte, und so bewegte er seinen „zur vorgezogenen Grauwerdung“ vorgesehenen Beamtenkopf samt den dazu erschlafften Beinen zu den Jüngern von Ananda Marga und Guru Maharaji, er probierte die transzendentale Meditation von Maharishi Mahesh Yogi, er übte sich bei einigen Gruppen im Hatha Yoga und sehnte sich dabei nach den tatsächlich später in beglückender Weise stattfindenden Erfahrungen des Tantra.

Bei mitunter noch so dilettantisch angelegt erscheinenden Bekehrungs- und Vermittlungsversuchen der jeweiligen Protagonisten machte er doch fast überall die Erfahrung dessen, worum es überall geht - er machte die Erfahrung der Stille im Innern, realisierte einen Abstand zur Welt mit ihrem Stress und ihrem Irrsinn und erlebte eine Freude, die er in seinem normalen Alltag sonst nie hatte.

Es war ihm damals noch gar nicht klar, worin die wahren Ziele der Gruppierungen, die er aufsuchte, bestanden, was eigentlich tatsächlich vor sich ging anläßlich der oft sehr schönen und auch voneinander differierenden "Veranstaltungsinhalte". - Er hatte einen inneren Wegweiser, der ihn durch die Gruppen und Ereignisse hindurchführte, dem er vertraute, wohin er auch ging. - Später hörte er, daß viele andere Sucher es sehr ähnlich erlebt hatten.

Der Trend ist heute, auf dem weiten Gebiet der Religion, der Esoterik, der Spiritualität einen eigenen Weg zu gehen und dabei den eigenen Mix aus dem - inzwischen unüberschaubaren - Angebot zu kreieren, in der Hoffnung, das für die individuelle Entwicklung auch wirklich Passende zu tun.

Abgesehen von Drogenerfahrungen hat es fundamentale Erfahrungen, die im psychologischen Sinne existieren, auch damals schon gegeben, doch musste man dabei einem bestimmten Weg folgen.

Unterschiedliche Grenzerfahrungen wurden von der Einnahme von LSD berichtet, geschönte und bisweilen recht verzerrte Sinneseindrücke vermittelten Haschisch und Marihuana, und dabei ließen es viele der Suchenden bewenden. Sie waren Aussteiger, die nirgendwo einzusteigen vermochten, noch nicht einmal in eine tiefere Dimension ihrer selbst, und das trotz oft exszessiven Konsums aller als bewußtseinserweiternd geltenden Drogen.

Von Carlos Castaneda, dessen Bücher von vielen Gleichaltrigen verschlungen wurden, hielt er nichts, denn er fühlte, daß man durch schamanistische Praktiken psychotisch werden kann... Es gab einige Beispiele von (natürlich weit außerhalb aller Beamtenkollegenkreise angesiedelten) Bekannten, die durch die halluzinogen wirkenden Substanzen in Pilzen und Kakteen "ausgetickt" waren.

So sehr er eine verschönernde und erleichternde Version seiner Lebensumstände herbeisehnte, so klar war ihm als nüchtern denkenden Beamten auch, daß es nicht darum gehen kann, eine Art Ersatzwelt parallel zur "realen Welt" zu kreieren. Anspruch auf besondere Welterklärungen zu erheben, mag in Ordnung sein, aber letztlich geht es darum, "hier" zu sein....

Er lauschte von Zeit zu Zeit einem Sinfonie-Orchester oder hörte sich ein Orgelkonzert in einer großen Kirche an. Er ging in Museen, um zu erfühlen, wie die Inhalte alter, fremder Kulturen heute auf uns wirken. Er fragte sich, ob die Psychologie, die Parapsychologie, die Physik eine Antwort darauf haben.

Das ehemals aus reiner Verlegenheit gewählte Berufsbild, das für unzählige Menschen - auch heute wieder - das Nonplusultra ist, konnte ihm keinerlei positive Empfindungen mehr entlocken, denn er spürte im Vergleich, in der Begegnung, mit freier lebenden Menschen, daß es um die aktive Gestaltung des Lebens geht... Das ist das Ziel für den Suchenden auf seinem Weg - das spürte er immer deutlicher. Bloß wie es nun anpacken? Und wo? Und in welchem Rahmen?

Im Sufi-Camp von Pir Vilayat Khan

Auch sieben Jahre gehen vorbei, selbst wenn sie auf der deutschen Sicherheit aller Eichenstrukturen gegründet zu sein versprechen. Sieben Jahre erschienen zuweilen auch ihm nicht nur wie eine für endlose Zeiten angelegte Zwangsjacke, denn es gab natürlich auch Phasen, in denen ihm die Arbeit richtig Spaß machte, dann allerdings mußte er wieder den Bereich wechseln, und es wurde für ihn immer schlimmer. Es war ihm nie sehr vorteilhaft erschienen, sich nach der Besoldungstabelle, in der sich schon die kleinen Dienstanwärterinnen ihre Besoldung im Alter von 48 Jahren mit zwei Kindern im Studium bei voraussichtlicher Beförderungsentwicklung ausrechnen können, als Lebenskrücke zu bedienen. Also, was blieb?

Der Staatsdienst, in dem man durchaus Wertvolles für das Leben lernen kann, gilt als die eine wirklich garantierte Brücke in die sichere Zukunft bis in das geregelte Alter hinein. Sicherheiten sind allerdings auch der Grund für die finale Verschlafenheit mitsamt all ihren eingefahrenen Lebensäußerungen. So betrachtet sind Sicherheiten in Wahrheit nur Behinderungen, so angenehm, wichtig und unverzichtbar sie erscheinen mögen.

Deshalb heißt es ja, daß man die Brücken, selbst wenn es sogar sieben eherne Brücken zu sein scheinen, hinter sich lassen muß, wenn man vom Leben doch noch etwas mehr haben will als die alles zukleisternde Lebensangst.

Frauen sind zumindest früher anerkanntermaßen oft weiter gewesen als ihre gleichaltrigen männlichen Partner, und so kam es, daß seine Freundin über Kontakte zu einer Yoga-Gruppe von dem damals absolut avangardistisch anmutenden Projekt "Sufi-Camp" erfuhr, das alljährlich hoch oben in den französischen Alpen stattfand. Unerledigte Klippen und Gratwanderungen im Aktengebirge lassen sich am besten in der frischen Luft im wirklichen Gebirge vergessen, und so fuhren sie, nachdem er seinen Job, seinen Beruf und seine Sicherheit hingeschmissen hatte, im Anschluss an den Badeurlaub am Atlantik nach Grenoble.

Das von den so quasi Schwiegereltern geschenkte kleine Mittelklasseauto blieb für zwei Wochen auf dem Parkplatz der Seilbahn, die zum "Camp der Adler" führte, das aus den Zelten der weit über hundert Teilnehmer, einem Küchenzelt und einem zirkusähnlichen Veranstaltungszelt bestand. Der Blick auf den Mont Blanc aus weit über zweitausend Meter Höhe beim Öffnen des Zeltes am Morgen war grandios, der Himmel immer blau, und das Eis bis in die Vormittagsstunden hinein dick auf den Pfützen des sich in der heißen Sonne bildenden Schmelzwassers.

Noch nie hatte er so wunderschöne, winzige Bergblumen gesehen, noch nie so viele nette Menschen aus vielen Ländern um sich gehabt. Das Frühstück am Morgen in eisiger Kälte wurde zum Erlebnis, und das Duschen, das als eine Art Weltwunder organisiert werden konnte, entwickelte sich einmal in der Woche zum unvergesslichen Eindruck.

Der Leiter der Veranstaltung war ein sehr beeindruckender Mann mit morgenländischer Prägung, der im Dienste der moslemisch-sufischen Tradition die von seinem Vater, dem Gründer des modernen Sufi-Ordens im Westen, begonnene Arbeit für die Suchenden fortführte. Es waren in der Tat wunderbare Erfahrungen für den jungen Mann, weniger allerdings in Bezug auf den Inhalt seiner Vorträge, die der Lehrer selbst oft gleichzeitig auf deutsch, holländisch, englisch und französisch hielt, sondern eher auf das Ganze. - Hier sah er Menschen, die für die Spiritualität lebten, die meditierten und über großes erlebtes und erlesenes Wissen verfügten.

Nach seinem gerade erfolgten und lange, lange Zeit hinausgezögerten Ausstieg aus der Berufsnormalität und allen damit verbundenen Zwängen war das für ihn zumindest für den Moment eine wunderbare Bestätigung für die Richtigkeit seines Entschlusses.

Einem Meditationslehrer auch einmal jenseits der Baumgrenze vor der schneebedeckten Kuppe von Europas höchstem Berg zu lauschen und seine Vibrationen aufzunehmen, das hatte etwas Einzigartiges. - Was blieb, war die Erinnerung und die schönen Fotos.

Wieder zurückgekehrt ging er daran, eine allgemeine Hochschulreife hinter seinen vergleichsweise höheren Berufsabschluss hinterherzubasteln, was zwar wieder neue Eindrücke und Gesichter brachte, die Suche aber nicht in die richtige Richtung zu befördern vermochte.

Nur die Zeit, die war jetzt endlich mehr vorhanden und konnte auf dem zweiten Bildungsweg, verglichen mit dem Achtstundentag vorher, geradezu paradiesisch eingeteilt werden. Er fühlte sich auf dem richtigen Weg, vertraute auf die guten Geister, von denen er las und hörte, und machte sich wieder auf in die Berge, sobald es Sommer geworden war.

Doch diesmal verlief alles anders.

Er lernte im Camp zwei Jungs aus seiner Stadt kennen, die wie er Probleme mit ihrer Beziehung hatten. Während das Camp wie gewohnt verlief, diesmal nur an einer anderen Stelle, bei Chateaux Queras, während sie in den Pausen die kleinen Flugzeuge weit unter und die Adler hoch über sich beobachteten, reifte der Entschluss, den jeweils geplanten weiteren Urlaubsverlauf umzustellen.

Eines Tages wurde ein dreifaches Männergepäck in eines der Autos verladen, und auf ging`s in die Freiheit von den "Weiberquerelen". Die blieben zurück, die blieben unter sich, und es war später nichts davon zu hören gewesen, daß sie es sich auch entsprechend nett gemacht hätten in dieser so quasi beziehungsfreien Phase.

Ohne Stress, auch ohne den vertrauten und vielleicht schon als dazugehörig erachteten mit der Partnerin, vermag der menschliche Geist wahrhaft Neues hervorzubringen, und nach vier Wochen der Abgeschiedenheit praktisch auf einem Dach der Welt unter meditativen Menschen allemal.

Zu welchen kreativen Leistungen das Gehirn fähig ist, die als ein echtes wissenschaftliches Rätsel gehandelt werden könnten, zeigte schon die erste Station auf der Reise der neuen Freunde: Das alljährlich stattfindende Festival der Gaukler und Barden in der unvergleichlichen Stadt Avignon, die angefüllt war mit reiner Lebensfreude und Kreativität, mit Musik, Malerei, Schauspiel und allerlei Narretei.

Meditation läßt aus uns etwas Besonderes, etwas Normales und doch Nicht-Alltägliches nach außen dringen. Das wirkt sich in allen Handlungen, also auch in der Kommunikation aus. Diese plötzlich zu bemerkenden positiven Veränderungen nahm er auf wie ein Wanderer eine langersehnte Erfrischung. Der Mensch, so fühlte er, bekommt ein gewisses Flair, erhält eine Ausstrahlung, ein Charisma. Und das wurde getestet, und es gereichte den drei neuen Freunden zur gelungenen Unterhaltung; es war alles überaus erbaulich und lustig - und alles ohne die Frauen...

Zu einem ganz besonderen Eindruck wurde für ihn das grandiose Feuerwerk am französischen Nationalfeiertag, das er von den Stufen des Papstpalastes aus erlebte. Dieses eindrucksvolle Bauwerk, das in dreißig Jahren Bauzeit entstand und sieben Päpsten während der Dauer von 67 Jahren als Stützpunkt ihrer Macht diente, ist beeindruckend, und an diesem Abend war es das besonders. Das Aufatmen der Seele auf den herrlichen grünen Wiesen der Hochalpen wurde nun ergänzt und mit einem Zündstoff besonderer Art versehen, als er daran dachte, daß hier wie jedes Jahr die große Befreiung von der Unterdrückung durch die Obrigkeit gefeiert wurde, die Erstürmung der Bastille in Paris. Hatte es nicht auch etwas mit ihm zu tun? In einer über Raum und Zeit hinweg wesentlichen Verknüpfung?

Er sah in die blitzartig und schemenhaft-bunt erhellten Gesichter der vielen Touristen, Musiker, Freaks und Passanten, und meinte, in allen diese ursprüngliche Sehnsucht nach der persönlichen Freiheit und der Entfaltung von Seele und Geist zu erblicken. - Ein Jahr später sollte er wieder hier stehen, aber ein ganz entscheidendes Stück weiter...

Die nächste Station auf dieser „Reise `77“ war der kleine Ort am Meer, der durch den langjährigen Wohnsitz des weltberühmten Malers Salvator Dali - gleich hinter der spanischen Grenze - bekannt geworden ist. Die Yoga-Übungen der drei, die unter seiner Anleitung am Strand noch in der Schwingung des Sufi-Camps zum Erstaunen der anderen Badegäste gut gelangen, zeigten sich nun auch außerhalb dieser geschützten Atmosphäre als eine neu entwickelte Innerlichkeit in der Meditation, in Selbstbeherrschung und Selbstentfaltung auf eine neue ganz natürliche Weise – und dies Gefühle neuer Zentrierung, des Wohlbefindens, des Ideenreichtums und des Humors hervorbringend. - Die Erinnerungen an die Bilder Dalis in Zeiten der zurückliegenden Suche mittels der einen oder anderen Droge erschienen den drei Freunden als überholt. Der echte Sonnenaufgang am Meer war besser als ein psychedelisch aufbereiteter Eindruck.

Es gibt Menschen, die andere um ihre Fähigkeit, channeln zu können, beneiden. Ob das immer so angenehm ist, mag dahingestellt sein, doch viele wollen es unbedingt erreichen. Andere haben den Kontakt zu Engeln gesucht und vielleicht bekommen, und manche Menschen erleben vieles in dieser Hinsicht einfach so... Skeptiker reden davon, daß besondere spirituelle Phänomene nichts weiter sind als sich selbst organisierende psychische Prozesse, in denen das Gehirn Wesenheiten erzeugt, die autonom erscheinen. Der Mensch sucht etwas, aber findet mitunter etwas anderes, das viel naheliegender, viel schöner und wichtiger ist. - Auf die drei Reisenden traf das zu. Diese drei Großstadttypen - mit so unterschiedlichen Sozialisationen - kamen aus dem Meditationscamp, in dem sie - jeder für sich und unabhängig von den mitgebrachten und dann für die Dauer von wenigen Wochen zurückgelassenen Freundinnen - etwas suchten.

Was genau sie nun "in der Welt" von sich oder dem Leben erwarteten, vermochte keiner der drei zu formulieren - zu diffus war die Vergangenheit, zu unbereinigt die gesamte Lebenssituation. Aber daß ihnen Wichtiges offenbart wurde, das ihre Zukunft neu formen würde, das fühlten sie alle drei.

Doch anstatt nun noch große Nachforschungen anzustellen, die eigenen Gefühle zu durchlichten, die Gedanken zu läutern und die wiederkehrenden alten Muster zu entkräften, genehmigten sie sich erst einmal als eine Art Komplementär zu den gerade gemachten Erfahrungen den spanischen und portugiesischen Wein. Sie fingen wieder an zu rauchen, und sie sprachen viel über ihr Leben - das bisherige und das, was noch kommen müsste.

Die Durchquerung des Zwergstaates Andorra und viele Touren in den herrlichen Ausläufern der Pyrinäen lagen hinter ihnen, als sie am letzten Abend an den Ufern der Ardeche (sprich: Arrdääsch) noch einmal am rauschenden Fluß am Lagerfeuer saßen.

Es muß vor der Zeit gewesen sein, in der mit der Wildwestromantik als Werbegag für Cowboy-Zigaretten geworben wurde, denn sie erzählten sich keine Erfolgsgeschichten oder weinselige Witze, sondern sie verdauten den am Feuer gebratenen Fisch und schwiegen. Lange. Es war nur der Fluß zu hören und das Knistern des Feuers. Ab und zu stocherte einer von ihnen ein bisschen darin herum, legte Holz nach, steckte eine Zigarette an, eine französische.

Er war in diesem besonderen Jahr 1977 mit seiner Noch-Partnerin aufgebrochen nach England, Schottland und Wales, wo sie Kommunen wie Findhorn besuchten und die Magie von Stonehenge zu erforschen versuchten, so gut es ihnen damals möglich war.

Er hatte zu dieser Form alter Steine wenig Zugang gefunden, eher zu den kunstvoll bearbeiteten nachvollziehbarer Kulturen, wie er sie schon vorher in Griechenland und in Venedig erlebt hatte.

In Großbritannien faszinierten ihn die unberührt wirkenden Bauwerke der alten Colleges in Oxford, die Ruinen längst verfallener Kirchen und Castles. Auf alten Friedhöfen war er eigentümlich still geworden vor den viele Jahrhunderte alten Gräbern, und es war eine andere, eine angenehmere Stille, als er sie am Loch Ness in Schottland erlebt hatte, wo er mal nach dem alten Ungeheuer schauen wollte.

Im Süden Englands hatte es ihm besonders die Atmosphäre in der Kathedrale von Salisbury angetan, in der für ihn die Geschichte und der Glaube, die Suche und die Begegnung mit der geistigen Macht lebendig wurden.

Hier wirkte für ihn etwas Jenseitiges, und deshalb hatte er auch seiner Noch-Freundin, die das alles gar nicht bemerkte, vorgeschlagen, es beim bisher absolvierten Programm zu belassen und auf Glastonbury zu verzichten, denn man hätte ja schließlich noch die Fahrt nach Südfrankreich vor sich. - Und nun saß er hier am Ufer der Ardeche an einem ganz anderen Fleck in Südfrankreich als geplant - und spürte, daß er für sich einen Impuls geben musste, für sein ganzes weiteres Leben.

In die Stille des Lagerfeuers hinein sagte er plötzlich zu den beiden anderen: "Wißt ihr, was ich als Nächstes machen werde? Ich werde nach Poona zu Bhagwan fahren." - - - Vom einen kam ein überaus ungläubiger Blick, vom anderen eine witzige Floskel. Man glaubte nicht, daß er zu einem solchen Schritt fähig sei. (Warum eigentlich nicht??) - Und warum überhaupt? Ging es ihnen nicht jetzt gerade wunderbar?! – Und hatte er wie die beiden anderen in Pir Vilayat nicht einen Lehrer gefunden, dem zu folgen sich lohnte?

Ausstieg und Einstieg

Nun hatte er einen so tollen Urlaub in einem so tollen Sommer gehabt, der im Norden Schottlands just während seiner Anwesenheit bei dreißig Grad Wärme als der Jahrhundertsommer bezeichnet wurde, und nun ein so abrupter Umschwung. Was hatte sich ereignet? Warum reichten ihm weder die Reiseeindrücke noch die Meditationserfahrungen, weder die neu gewonnene Freiheit von der Einengung noch das theoretische Wissen der Bücher, die er bisher zu diesem seinem "Interressengebiet" gelesen hatte? Eben deshalb... es war alles nicht praktisch genug, nicht existentiell genug, nicht wirklich und wahrhaftig genug, als daß es ihn hätte befriedigen und seine beständig anwachsende innere Unruhe besänftigen können.

Warum hatte er in dieser beschaulich-geheimnisvollen Abendstimmung am Fluß gerade das als das Wichtigste hervorgebracht, wo er doch inzwischen über viele andere Alternativen hätte verfügen können. War es Bestimmung, stellte es die größte Herausforderung für ihn dar, die er „zu meistern“ gedachte, oder musste er ganz einfach nur der Stimme seines Herzens folgen?

Es war drei Jahre her, daß er für einen Bekannten in einem "Zentrum für Meditation und Selbstfindung" etwas abgeben sollte, was er auch machte, nachdem er einige Impressionen des kürzlich gegründeten Bhagwan-Centers mit in sein weiteres Leben nahm. Hatte ihn dieser erste Eindruck noch nicht sonderlich für diese Richtung der Selbsterkenntnis einzunehmen vermocht, so es doch eines Tages ein ganz anderer:

Der neue Dozent für Soziologie betritt den Raum - in einem orangefarbenen Gewand mit einer sogenannten Holzperlenkette mit dem Bild des indischen Gurus darin, das er schon in diesem Zentrum in einer alten Fabriketage gesehen hatte.

Einen einmütigen Aufschrei der Empörung „bei allen Sozialisten, allen Kommunisten, bei allen sonstigen Linken und allen sonstigen fortschrittlichen Demokraten“ löste dieser Auftritt aus - nur der junge Mann und eine weitere Mitstreiterin, eine spätere Mitbewohnerin in Indien für ein halbes Jahr, waren sofort bereit, die Fronten zu klären... drei gegen die ganze Meute. So blieb es, und so war es richtig.

Der Dozent leitete später ein zweites Zentrum in der Stadt, und die künftige Mitbewohnerin ging Jahre später nach Amerika, um zu heiraten und um unwesentliche Studien nachzuholen. - Immerhin, der junge Mann hatte - gemessen an seinem vergleichsweise eintönigen Beamtenalltag - Einblicke in die Möglichkeiten der Lebensgestaltung bekommen, die seine alten ehemaligen Kollegen heutzutage wahrscheinlich noch immer nicht für möglich halten würden, wenn man ihnen davon berichtete. - Aber egal, es ging weiter, und zwar mit wachsender Entschlossenheit. Er schwänzte notgedrungen den Unterricht und arbeitete dafür einige Wochen auf dem Bau als Maler, denn es galt, einige Tausender zusammen zu bekommen, die das kleine Bafög nicht herzugeben vermochte.

So ging es ganz gut voran. –

Und dann geschah wieder etwas Unerwartetes...

Ein Meister in unserer Stadt - "Der Karmapa"

Kurz nach der Rückkehr von diesem sagenumwobenen Urlaub `77 hatte er begonnen, mit den beiden neuen Freunden und einigen Bekanntinnen unter der Leitung einer Ballettlehrerin das damals noch weitgehend unbekannte T´ai Chi zu lernen. Diese alte chinesische Methode zum Konzentrieren von Lebensenergie kam ihm sehr gelegen, denn bei allen positiven inneren Ausrichtungen erlebte er sich doch immer wieder in einer kraftlosen Lethargie, in der nichts mehr möglich schien, und in der ihm auch seine bisherigen Yoga-Erfahrungen nicht den Elan zu geben vermochten, den er sich wünschte und von dem er wußte, daß er ihn brauchen würde für seine weitere Entwicklung...

Die schön anzuschauenden Bewegungsabläufe des T´ai Chi schulten seine Fähigkeit der Koordination, und alles in allem spürte er, daß er im Laufe der Zeit mehr in seine eigene Mitte kam.

Sie trafen sich am Sonntag-Vormittag in einem Park. Nur an einem Tag, der ein ganz besonderer Tag werden sollte, einigten sie sich auf einen abweichenden Ablauf, und das aus folgendem Grund. Man wollte neben dem üblichen T´ai Chi auch noch eine Probestunde mit einführender Unterweisung in der buddhistischen Zen-Meditation probieren.