Meine Odyssee mit Lourd und Matz - Savcho Slavov Nedelchev - E-Book

Meine Odyssee mit Lourd und Matz E-Book

Savcho Slavov Nedelchev

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Beschreibung

«Meine Odyssee mit Lourd und Matz» erzählt die Geschichte wie die drei ungleichen Freunde, der Mann Slavo, der Hund Lourd und die Katze Matz zusammenkommen. Von ihren gemeinsamen, abenteuerlichen Reisen vom Süden Frankreichs bis hinauf in den hohen Norden bis nach Stockholm. Vom Leben und den Begegnungen auf der Strasse und von der dramatischen Rettung der Katze Matz. Von der unerschütterlichen Zusammengehörigkeit der drei und von einer etwas traurigen Liebesgeschichte am Ende ihrer Reise. Die Reise durch Westeuropa beginnt für Slavcho mit der Erkenntnis, dass er im Erstland Italien keine Arbeit findet. Er muss sich etwas einfallen lassen, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. In Venedig fertigt er Schablonen an und füllt die leeren Stellen auf den Straßen mit Farbe. So verdient er sein erstes Geld. Mit seiner bescheidenen Malerei reist er über Deutschland nach Frankreich, bis er in Nizza Norman kennenlernt. Der versierte Maler bringt ihm die Grundlagen der Acryltechnik bei. Seine Reisen führen Slavcho während zehn Jahren durch halb Europa. Zuerst allein, später begleitet von seinem Hund Lourd und der Katze Matz. Das Buch «Meine vielen Wege zum Glück» gewährt Einblicke in den Alltag der Menschen, die auf den Straßen Europas leben. Es lässt uns an dem teilhaben, was sie beschäftigt, und zeigt zugleich ihre weitreichenden Beziehungsnetze auf. Das facettenreiche Werk berichtet von den verschiedenen Regeln, nach denen sich Straßenkünstler richten müssen. Es erzählt ebenso von der Freiheit und Lebensfreude dieser Lebensform, von der Solidarität untereinander, aber auch von bedrohlichen Situationen und von Vertrauensbrüchen.

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Inhaltsverzeichnis
Impressum
Vorwort
1 Lourd
2 Meine erste Bahnreise mit Lourd
3 Lourd findet einen Freund
4 Lourds Impfung
5 Das Haus in Villeneuve-Loubet
6 Matz kommt
7 Katze und Hund
8 Unser Haus wird zerstört
9 Auf der Strasse
10 Wir drei zusammen
11 Der Umzug
12 Matz und der Besitzanspruch
13 Cannes
14 Arbeit in Nizza
15 Wir müssen gehen
16 Spanien
17 Zurück nach Lourdes
18 Der Weg in Richtung Norden
19 Stockholm
20 Die Schifffahrt nach Finnland
21 Helsinki
22 Berlin
23 Wir kommen voran
24 Zurück in Bern
25 Marfi
Anhang 1
Anhang 2

 

 

 

Meine Odyssee mit Lourd und Matz

 

Slavo

 

 

 

Impressum

Texte© Copyright by Slavo

[email protected]

demnächst: www.slavoart.ch

© Übersetzung aus dem Englischen: Imanuel Marcus

© Redaktion: Valeri Bozukov

© Fotos: Franziska Rothenbühler und Rolf Jaggi

© Foto Titelblatt: Stefan Anderegg

Vertrieb: epubli – ein Service der Neopubli GmbH, Berlin

ISBN 978-3-9525056-2-5

 

 

 

 

 

 

 

 

Dieses Buch widme ich allen meinen Freunden und Bekannten, die mich unterstützt haben.

 

 

Mit Liebe: Slavo

 

Vorwort

Leser, die Action oder Nervenkitzel suchen, werden diese Aspekte in diesem Buch definitiv nicht finden. Wer aber Tiere liebt und warmherzig ist, wird hier über die Dramen und den Optimismus einfacher Leute lesen, über Menschen, über die sonst niemand schreibt, die aber die eigentlichen Akteure des wahren Lebens sind, zusammen mit den „kleinen Leuten“ und allen anderen Lebewesen wie Kätzchen oder Welpen, Kreaturen, die zwar nicht sprechen können, uns aber viel erzählen mit ihren Augen, wedelnden Schwänzchen und der Liebe, die wir erwidern müssen.

Wenn Sie durch die Strassen der Stadt der Bären laufen, nämlich Bern, der wichtigsten Stadt in der Schweizer Konföderation, werden sie möglicherweise auf ein ziemlich merkwürdiges Trio treffen. Genauer gesagt handelt es sich um eine Seele in drei Körpern, nämlich ein Mann mittleren Alters, eine Katze und ein Hund. Diese Drei sind eine wahre Augenweide. Die beiden Tiere sind Schönheiten.

Die Katze ist ein Kater. Er sitzt bequem auf der linken Schulter des Mannes und sieht auf die Welt herab. Sein Name lautet Matz und er ist die Verkörperung der Schönheit einer Katze, schneeweiss, ohne auch nur die kleinste Spur einer Farbe. Aber er ist ein besonderes Tier. Sein linkes Auge ist blau, sein rechtes grün, was bei Katzen überaus selten ist. Dieser Kater wird dir vielleicht erlauben, ihn zu streicheln. Aber erwarte keine Gegenleistung.

Diese mutige Katze hat nur vor einer einzigen Sache Angst: dem Alleinsein, das seine Gedanken (ja, Katzen können denken und tun dies dauernd) zurück in die schrecklichen Zeiten lenken würde, als er unter den Trümmern eines Gebäudes miaute und zitterte und unter einer Lungenentzündung litt, bevor er von einem Hund gefunden und einem netten Bauarbeiter gerettet wurde.

Der Hund ist ebenfalls ein schönes Tier. Er heisst Lourd. Sein Fell ist rot-braun, auf der Brust hat er weisse Punkte und seine tiefen, warmen Augen sehen aus als wären sie mit einem Lidstrich nachgezogen worden. Mit seinem Besitzer springt er fröhlich umher und liebt es, gestreichelt zu werden. Aber schliessen sie daraus nicht, er wisse nicht, worauf es manchmal ankommt. Trotz seiner Lebensfreude und seiner guten Manieren ist Lourd stets bereit, seine Freunde, nämlich die Katze und den Mann, selbstlos zu verteidigen.

Der Name des Mannes lautet Slavo. Er hat einige wahre Freunde, die ihn unterstützen. Mit ihrer Hilfe schaffte er es, an sich selbst zu glauben. Nun hat er Pläne für die Zukunft. Er hat dieses Buch geschrieben. Seine Lebensgeschichte ist reichhaltig, voller Erlebnisse und manchmal ziemlich stürmisch. Slavo ist ein Strassenkünstler, der seine Werke an Touristen verkauft. Mit anderen Worten: Er spielt auf der Bühne des Lebens.

Im Jahr 2005, für manche Leute war dies vor langer Zeit, für andere Zeitgenossen gestern, verliess er sein Heimatland, da er arbeitslos war. Nach Glück suchend begab sich Slavo in ein „neues“ Europa. Er hatte weder Geld, noch sprach er auch nur eine europäische Fremdsprache. Ebenso wenig wusste er, was er zu erwarten hatte.

„Ich bin durch fast ganz Europa gereist. In Belgien und den Niederlanden verbrachte ich ein paar Tage, in Dänemark, Deutschland und Griechenland ein paar Monate und einige Jahre in Italien und Frankreich“, schreibt Slavo im Buch. Während seiner Zeit auf Wanderschaft unterstützten ihn stets Leute ohne feste Adresse. Auch halfen ihm seine Anpassungsfähigkeit und seine breite Kenntnis der menschlichen Natur.

Auf der Strasse traf er viele interessante Leute. Die meisten waren nett und hatten gute Absichten, einige nicht. Er verbrachte viele Nächte im Freien, unter den Sternen, mit Katzen, Hunden, im Regen und in Stürmen. Dann wurde ihm wieder mit Leuten ohne Dach über dem Kopf geholfen, die für Slavo stets respektable Bürger waren.

Aber seine grösste Liebe ist die für die Tiere. Er war immer bereit, alles für sie zu riskieren, darunter seinen Komfort, sein Zuhause und sogar seine Liebe zu Frauen, von denen es in seinem Leben viele gab. Er war sogar bereit, sein Leben für seine Katze und seinen Hund zu riskieren.

Noch etwas: Alles in dieser Geschichte, mit Ausnahme einiger Namen, ist die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit.

Sie sollten eines von Slavos Bildern oder eine seiner Steinmalereien kaufen. Sie sind weder magisch noch mit den Wassern von Lourdes gesegnet, der französischen Stadt, in der diese Geschichte beginnt. Aber diese kleinen Kunstwerke sind Glücksbringer. Sie wurden von guten Händen mit ebenso guten Absichten erschaffen, voller Vertrauen und Optimismus.

 

Valeri Bozukov

 

1   Lourd

I

ch erreichte die französischen Stadt Lourdes und rief Jean an. Während unseres kurzen Gesprächs hatte ich den Eindruck, dass er über irgendetwas besorgt ist. Der Grund dafür würde mir bald klar sein. Nur einige Querstrassen entfernten mich von seiner Wohnung.

Unterwegs zog mich die Schönheit der Stadt Lourdes vollständig in ihren Bann. Es war Mitte März, die Sonne schien und es war ziemlich warm für diese Jahreszeit. Ich genoss den Glockenklang, der zitternd durch die ganze Stadt flatterte. Noch heute besuche ich Lourdes oft. Es ist ein Ort, an dem ich mich mit Energie auflade und der mich mit innerer Harmonie erfüllt.

Ich kam schnell zu Jeans zuhause und klingelte. Der Ausdruck meines Freundes überraschte mich. Er stand in der geöffneten Tür mit einer Babyflasche in der Hand und sah erschöpft aus. Dies stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben.

„Hey, was ist los? Was ist das für eine Flasche? Warum siehst du so müde aus?“, fragte ich, ohne zu grüssen.

„Ach, Slavo, meine Hündin Sarah wurde vor drei Tagen von einem Auto angefahren. Zum Glück hat sie überlebt und es geht ihr bereits besser. Ich weiss aber nicht, wie ich mit ihren Kleinen zurechtkommen soll, sie kann sie nicht selbst versorgen. Guck sie doch an. Sie hat tiefe Wunden am Bauch. Eine Spritze hat sie auch bekommen, damit die Milch nicht mehr kommt. Die Kleinen, die ständig Hunger haben, kann sie deshalb nicht füttern. Ich gebe ihnen Babymilch mit dieser Flasche. Alle drei Stunden müssen sie trinken, auch nachts. Ich sorge mich um sie, da ich nicht weiss, ob sie genug zu trinken bekommen.“

„Kann ich dir helfen?“

„Oh, danke! Wenn du diesen kleinen Kerl nehmen könntest. Er ist der letzte, der gefüttert werden muss.“

Ich nahm den Welpen in den Arm und hielt ihm den Sauger hin. Er trank sehr gierig. Seine weissen Pfötchen hatten die Flasche umfasst. Dieser Welpe sah aus wie ein Stofftier. Sein Fell war dunkelbraun, mit einem Stich Rot, als wäre er ein Fuchs. Ein schneeweisser Fleck prangte auf seiner Brust. Und eine schwarze Linie führte von seiner kleinen, nassen Schnauze bis zwischen die Augenbrauen. Feine, schwarze Ringe umrundeten die Augen, ganz als wären sie mit einem Bleistift gemalt worden. Er sah aus, als ob man ihn geschminkt hätte. Als er seinen Durst gelöscht hatte, sah mich der Kleine mit seinen grossen, ausdrucksvollen, noch etwas verschleierten Bernsteinaugen an. Ich spürte sein Vertrauen und seine Dankbarkeit. Ich war hingerissen von dem Kerlchen.

„Man sieht, dass ihr euch mögt“, meinte Jean. „Slavo, wie würde es dir gefallen, dich um ihn zu kümmern? Er ist der einzige Hund, für den ich keinen neuen Besitzer finden konnte.“

Ich zögerte.

„Ich muss darüber nachdenken, Jean. Du weisst ja, dass ich viel reise. Und alles muss ich mit Christine besprechen. Ich wohne ja bei ihr und bin mir nicht sicher, ob sie zustimmen wird.“

„Christine ist sehr nett und liebt Tiere. Ich bin mir sicher, dass es ihr nichts ausmachen würde“, sagte Jean.

Er war sich seiner Sache sicher.

„Erinnerst du dich daran, wie sie mit Sarah spielte, als wir im letzten Sommer bei euch in Nizza waren?“

„Ich muss nachdenken. Also, ich mag das kleine Wesen sehr. Ich hatte immer Hunde. Aber ich weiss nicht, ob es klappen könnte. Ich mit meiner Arbeit auf der Strasse!"

„Es tut mir leid, Slavo. Aus Sorgen um das Geschehene habe ich dich nicht gefragt, wie es dir geht“, meinte Jean. „Na, wie geht es dir?“

„Sehr gut. Mit Christine läuft es sehr gut. Ich male auch zuhause, zumeist aber auf der Strasse, und verdiene mir so das Geld für meinen Lebensunterhalt. Hier in Lourdes bin ich immer von Harmonie und Ruhe erfüllt.“

„Ja“, meinte Jean. „So ist es, ich verstehe dich. Hier herrscht immer eine besondere Atmosphäre.“

Wir unterhielten uns bis spät in die Nacht. Bevor wir schlafen gingen, fütterten wir die Welpen ein weiteres Mal.

Wach wurde ich vom Winseln der Hunde. Es war um drei Uhr in der Früh, die Kleinen waren hungrig, die Uhrzeit hatte für sie keine Bedeutung. Jean war bereits wach und dabei, die Milch für die jungen Hunde zuzubereiten. Gemeinsam fütterten wir die Kleinen, die offensichtlich sehr durstig waren. Rasch tranken sie die Milch und legten sich dann beruhigt hin. Auch Jean und ich schliefen schnell wieder ein.

In der Morgendämmerung durchbrach das Winseln der kleinen Hunde die Stille des Zimmers. Jean und ich standen auf und fütterten wieder die kleinen Hunde. Jean hatte Kaffee für uns beide gekocht. Wir tranken und beobachteten die Welpen, die sich satt aneinander kuschelten.

„Also Slavo, hast du dir überlegt, ob du den kleinen Hund nehmen kannst?“

„Im Ernst, Jean, ich hätte ihn schon gerne, aber, wie gesagt, ich muss mit Christine sprechen.“

„Na, los, ruf sie an.“

Also rief ich sie an.

„Hallo Christine. Wie geht es dir, mein Schatz?“

„Gut, danke. Ich mache mich fertig für die Arbeit. Wie geht es dir? Bist du schon in Lourdes?“

„Ja, ich bin gestern Abend angekommen. Grüsse von Jean.“ „Danke, Grüsse zurück."

„Wie geht es Sarahs Welpen? Sie sind bestimmt sehr süss.“

„Das sind sie wirklich. Aber Sarah hatte einen Unfall und kann sich nicht um sie kümmern.“

„Oh, wie schrecklich! Das tut mir leid.“

„Für Jean ist es sehr schwierig, sich um alle Welpen zu kümmern. Die Situation ist nicht so schlimm, aber er versucht, die Kleinen an verantwortungsvolle und gute Tierfreunde weiterzugeben. Glaubst du, wir könnten einen der Hunde nehmen und uns um ihn kümmern?“

„Na klar! Warum denn nicht? Hast du eine Ahnung, wie gern ich einen Hund haben wollte, aber nie dazu kam? Mein Traum scheint jetzt wahr zu werden. Wie sieht das Hündchen aus?“

„Ich kann ihn nicht richtig beschreiben. Du musst ihn mit eigenen Augen sehen. Er ist sehr schön.“

„Ich kann es kaum erwarten, bis ihr beide zurückkommt. Beste Grüsse an Jean und viele Küsse für dich.“

„Ich küsse dich auch! Wir sehen uns in zwei Wochen!“

Also war ich plötzlich und ohne Vorbereitung Hundebesitzer geworden. Darüber hatte ich nicht viel nachgedacht und mich Hals über Kopf in dieses kleine Wesen verliebt.

„Nun, Slavo, wenn du jetzt schon einen Hund hast, musst du ihm einen Namen geben. Wie wird er heissen?“, fragte mich Jean.

„Lourd. Er muss einfach nach seiner Stadt benannt werden.“

„Hey Lourd, wie gefällt dir dein neuer Name? Ich glaube, du magst deinen Namen, kleiner Freund. Du siehst sehr glücklich aus.“

„Der Name passt zu ihm“, nickte ich.

Der kleine Hund, gefüttert und zufrieden, lag tief und fest schlafend in meinem Schoss. Sein Name interessierte ihn im Augenblick überhaupt nicht.

Jean meinte: „Das wichtigste ist, dass du dich gut um Lourd kümmerst. Hast du vor, bei den Rennies zu bleiben?“

„Ja, aber ich muss ihnen wohl erst von dem Hund erzählen.“ Ich zeigte auf Lourd.

„Du könntest sonst hierbleiben.“

„Das ist sehr nett von dir, danke, aber ich habe eine Verabredung mit ihnen. Sie erwarten mich. Und ich will ohnehin ein bisschen in der Stadt spazieren gehen.“

„Gut, Slavo, bis später dann.“

„Ja, ich hole Lourd nachher ab. Ich glaube nicht, dass es ein Problem mit Familie Rennie geben wird.“

Von Jeans Wohnung aus war es nicht weit bis zum Haus der Familie Rennie. Monsieur und Madame Rennie waren ein altes und sehr nettes Paar. Sie vermieteten ihr Obergeschoss an Touristen, es bestand aus einem Apartment und einem zusätzlichen Raum. Wenn ich in der Stadt war, schlief ich immer in dem Raum. Ein Anruf genügte, um ihn für mich zu buchen.

Monsieur Rennie war ein ruhiger, mittelgrosser Mann. Er war eher hager und hatte ein ernstes Gesicht. Mit mir spielte er sehr gerne Schach. Seine Siege beim Schachspielen machten ihn sehr zufrieden und zauberten ein Lächeln auf sein Gesicht.

Madame Rennie war das genaue Gegenteil ihres Mannes. Sie war eine kleine Frau, sehr gesprächig und strahlte viel Wärme aus. Ihr ergrautes Haar trug sie zu einem Knoten gebunden, oft verziert mit bunten Tüchern.

Der Spaziergang zum Haus der Rennies war sehr angenehm. Mich freute jeder Schritt. Ich dachte an absolut nichts, lief nur einfach und genoss die Schönheit dieser mittelalterlichen Stadt, die Festung und die historischen Gebäude, weit weg von all den Touristen und Pilgern, die nur zum Heiligtum der Grotte der Muttergottes von Lourdes eilten. So heiter und ruhig fühlte ich mich jedes Mal, wenn ich in Lourdes war. Sicher kam ich deswegen immer wieder hierher zurück.

Ich klingelte an der Tür. Madame Rennie machte auf.

„Guten Tag, Madame Rennie. Wie geht es Ihnen?“

Sie küsste mich auf beide Wangen.

„Mir geht es gut, danke. Und dir, Slavo?“

„Auch gut, danke.“

„Komm doch bitte herein. Möchtest du eine Tasse Kaffee?“

„Ja, bitte. Sehr gerne! Madame Rennie, die Blumen in Ihrem Garten sehen wundervoll aus, wie immer.“

„Findest Du? Danke. Das ist sehr nett. Hier ist dein Kaffee. Keine Milch, kein Zucker.“

„Vielen Dank. Dürfte ich Sie um einen Gefallen bitten, Madame Rennie?“

„Natürlich, Slavo. Wie kann ich dir helfen?“

„Sie kennen doch meinen Freund Jean, oder?“

„Ja, ich kenne ihn. Was ist passiert?“

„Nun, seine Hündin Sarah hat kleine Welpen. Sie wurde aber leider von einem Auto angefahren. Sie wird zwar wieder gesund, aber es wird dauern und sie kann sich nicht um ihre Welpen kümmern. Jean kann sich auch nicht um alle Hündchen kümmern und sucht verantwortungsvolle Hundehalter. Ich habe einen der Hunde genommen und wollte sie fragen, ob er hier bei mir bleiben darf.“

„Wie alt ist er denn?“

„Weniger als drei Wochen. Er braucht noch die Flasche mit dem Schnuller.“

„Verstehe. Du willst dich um ihn kümmern, oder?“

„Ja, aber ich kann ihn ohne Ihre Erlaubnis natürlich nicht herbringen.“

„Also, bring ihn her. Es macht mir nichts aus. Du weisst ja, dass ich Tiere mag. Ich verstehe, was in dir vorgeht.“

„Vielen Dank, Madame Rennie! Ich hole ihn jetzt und komme bald zurück. Danke! Vielen Dank!“

„Das ist in Ordnung, Slavo. Bis später.“

Beschwingt ging ich sofort los. Auf dem Weg zu Jean ging ich in eine Apotheke und kaufte eine Babyflasche mit Schnuller und Babymilch. Ich war aufgeregt, aber entschlossen, mich um Lourd zu kümmern. So schnell ich konnte war ich zurück bei Lourd. Ich nahm den Welpen und steckte ihn unter meinen Mantel. Seine Schnauze guckte heraus, so dass er gut atmen konnte.

Madame Rennie wartete an der Tür. Sie hatte uns wohl durch das Fenster kommen sehen. Wir gingen hinein und sie fragte:

„Kann ich ihn sehen?“

„Klar. Hier ist er.“

„Oh mein Gott, wie winzig er ist! Und so süss!“

Sie küsste ihn auf die Schnauze.

„Ich habe diesen Blumenkorb für ihn vorbereitet, mit einem Kissen, damit er sich gemütlich hineinkuscheln kann.“

„Vielen Dank, Madame Rennie! Sie sind sehr nett.“

Ich nahm Lourd und sein Geschenk und begab mich in mein Zimmer. Den Korb stellte ich neben das Bett. Dann zog ich mein T-Shirt aus und legte es auf sein Kissen, damit er sich an meinen Geruch gewöhnen konnte.

Innerhalb der nächsten zwei Wochen gelang es mir, ihn hinsichtlich der „Geschäfte“ auszubilden, was für alle in Wohnungen und Häusern lebenden Hunde sehr wichtig ist.

Ich nahm ihn aus dem Korb, trug ihn zur Toilette und wartete bis er pinkelte und erlaubte ihm nicht, irgendwo anders sein Geschäft zu verrichten. Auch bereitete ich seine Milch vor und fütterte ihn sowohl während des Tages als auch nachts. Als er vier Wochen alt wurde, brauchte er die Flasche nicht mehr. Er frass aus der kleinen Schüssel, die ich ihm besorgt hatte. Es war spezielles Hundefutter, das mir empfohlen worden war und das ich dann gekauft hatte. In seinem kleinen Korb nahm ich ihn mit zur Arbeit.

In der Regel weigerte sich Lourd, in dem Korb zu liegen und wollte mit mir spielen. Er brauchte Aufmerksamkeit und ich gab sie ihm. Wenn er müde wurde, schlief er dann doch im Korb ein und ich konnte wieder malen. Nachts war es genauso. Seine innere Uhr versagte nie – immer, um punkt zwei Uhr morgens, wurde ich von ihm geweckt. Er biss mich dazu in die Hand und zog mich an den Haaren. C’est la vie. Jedes Lebewesen braucht Zuneigung und Aufmerksamkeit. Ich gab sie ihm.

Während ich ihn ausbildete, nutzte ich seine Instinkte.

 

2   Meine erste Bahnreise mit Lourd

D

ie erste Zugsreise für Lourd und mich, von Lourdes aus dem Westen Frankreichs in den Süden nach Nizza, war ein kleines Abenteuer.

Im Zug war der Sitz neben mir frei. Ich wickelte Lourd in meine Jacke und legte ihn auf den freien Sitz. Als die Schaffnerin nach meiner Fahrkarte fragte, steckte ich die Hand in die Jackentasche und holte sie heraus. Zu meiner Überraschung hatte Lourd das halbe Ticket weggeknabbert. Die Schaffnerin lachte. Die Zugnummer und mein Reiseziel waren gerade noch lesbar und sie riet mir, auf das verbleibende Stück der Fahrkarte aufzupassen. Als sie später wieder vorbeikam, lächelte sie und streichelte dem Welpen zärtlich über den Rücken. Die gesamte Reise hindurch war ich aufgeregt und nervös. An jedem Bahnhof musste ich aus- und wieder einsteigen, damit der Kleine pinkeln konnte.

Ich werde diese Bahnreise nie vergessen. Es war die erste von vielen langen und emotionalen Reisen, die uns noch bevorstanden.

Damals malte ich, wie gesagt, auf der Strasse Landschaften. Ich malte auf Steine, die ich am Strand von Nizza gesammelt hatte. Diese wurden so zu guten Souvenirs und waren eine Touristenattraktion. Meine Steine erinnerten die Leute an ihre schönen Ferien in Nizza.

Daher wählten wir diese Stadt für unsere erste Reise. Ich wohnte insgesamt ein paar Jahre lang in Nizza. Auch andere Orte in Frankreich besuchte ich, aber ich kam immer wieder nach Nizza zurück.

Als der Zug in den Bahnhof einfuhr, wartete Christine schon ungeduldig auf uns. Als wir ausstiegen, stand sie vor uns, in ihrem schönen, roten Mantel, lächelte und winkte.

Christine war eine attraktive Frau, etwa 1,60 Meter gross, schlank und elegant, mit warm dreinblickenden, dunklen Augen und hellbraunem Haar in Schulterlänge.

„Endlich. Ich habe dich so vermisst.“

Christine umarmte und küsste mich.

„Also, dies ist wohl Lourd.“

Sie nahm den Welpen vorsichtig in die Arme wie ein Baby.

„Wie süss er ist!?“, meinte Christine.

„Genau dies dachte ich auch, als ich ihn zum ersten Mal sah.“

„Lass uns gehen. Das Abendessen ist fertig. Du musst mir alles über Jean, die Welpen und die Bahnreise erzählen.“

Als wir nach Hause kamen, stellte ich fest, dass Christine ein Bett für Lourd gekauft hatte, sowie ein besonderes Geschenk, nämlich eine Babyflasche zum Spielen. Diese Babyflasche sollte für längere Zeit sein Lieblingsspielzeug sein. Er spielte damit, kaute die Flasche fast durch, er bellte sie mit seiner brüchigen Fistelstimme an. Es war ein Vergnügen, ihm dabei zuzusehen.

„Ich bin neugierig“, sagte Christine, „wie war die Reise mit Lourd?“

Ich erzählte ihr die Geschichte von der Schaffnerin und meiner Panik wegen der Toilettenbesuche an jedem Bahnhof. Christine amüsierte sich und veralberte mich und meine Sorgen.

Ich legte mein Hemd in das neue Bett, in dem Lourd schlief. Es war dasselbe Hemd, auf dem er zuvor schon geschlafen hatte. Nur wenn er vertraute Gerüche roch, seinen und meinen, legte er sich mit Vertrauen hin und schlief ein. Christine und ich gingen schlafen. Pünktlich um zwei Uhr in der Nacht begann Lourd zu winseln, das machte er jede Nacht. Also stand ich auf, gab ihm zu fressen und spielte etwas mit ihm, bis er müde wurde.

Christine war allerdings nicht an solche Störungen gewöhnt und wollte ihren Schönheitsschlaf nicht unterbrechen. Sie lebte, anders als ich, sehr ruhig und geregelt. Bereits in der ersten Nacht wurde ihr klar, mit der Ankunft des kleinen Hunds würde sich das ändern.

In den folgenden Nächten war es immer das Gleiche. Gegen zwei Uhr begann Lourd zu winseln und meine Aufmerksamkeit zu suchen. Dies störte Christine, da sie so nicht gut schlafen konnte. Nach einer Woche mehr oder weniger schlafloser Nächte wurde sie sehr reizbar, und es entstand eine Spannung zwischen uns.

An einem Nachmittag kam sie lächelnd und zufrieden nach Hause und küsste mich fröhlich.

„Slavo, ich habe eine Lösung für die nächtlichen Probleme mit Lourd gefunden und werde wieder richtig schlafen können. Ich war beim Arzt. Er hat mir Schlaftabletten verschrieben und ich denke, wenn wir Lourd ein kleines Teilchen davon geben, werden wir wieder ruhig schlafen können.“

Ich sass vor ihr und wusste nicht, ob ich richtig gehört hatte und fragte sie:

„Du willst, dass wir Lourd Schlaftabletten geben?“

„Ja, warum reagierst du so entsetzt?“

„Christine, ich weiss wirklich nicht, was ich dir antworten soll. Deine Idee ist absurd, Hunden darf man keine Schlafmittel geben. Das ist gefährlich und unzulässig. Nein Christine, das kommt überhaupt nicht in Frage, also was denkst du dir eigentlich!

Ich werde in Zukunft mit Lourd im anderen Zimmer schlafen, dann bist du ungestört und ich kann mich um den Hund kümmern. Nicht mehr lange und Lourd wird nachts nicht mehr wach sein und etwas zu fressen brauchen.“