Meine Reisen und ich - Markus Promny - E-Book

Meine Reisen und ich E-Book

Markus Promny

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Beschreibung

Markus Promny war noch nie beim Psychiater. Er hat natürlich auch keine Midlife Crisis. Er legt sich dennoch mal auf die eigene Couch und fängt an, über sich selbst nachzudenken. Anhand von 24 Themen geht er der Frage nach, wer er ist und warum. Dabei kommen ihm ein paar Erkenntnisse, die sogar ihn selbst überraschen. Wenn es eines gibt, was er kann, dann ist es, richtig gut zu verreisen. Er weiß, dass am Ende der Welt ein Café steht. Und dass es erst dahinter so richtig schön wird. Er weiß auch, dass man nicht viel Geld braucht, um gut zu reisen. Manchmal reicht es schon, das richtige T-Shirt zu haben. Wer wissen will, warum der Autor selbstgemachte Faschingskostüme hasst und wie eine Zwischenfrage in einer Vorlesung seinem Leben eine unerwartete Richtung gegeben hat, der liest dieses Buch. Alle anderen: Lest es auch. Es ist ganz lustig. Zum Teil.

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Markus Promny

Meine Reisen und ich

eine Autobiografie

© 2022 Markus Promny

ISBN Hardback: 978-3-347-73634-4

ISBN E-Book: 978-3-347-73636-8

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.

Inhalt

Los gehts!

Wer bin ich und warum?

Die Sache mit dem Reisen

Kathleen

Ich bin ein Eisenbahner

Musik

Wie ist denn die Luft da oben?

Ferienlager

Hatte ich eine glückliche Kindheit?

Verwandtschaft

Berufswünsche

Studium

Geschwister

Wie reist man richtig?

Freunde

Skifahren

Alkohol

Arbeit

Computer

Sport

Fahrzeuge

Real existierender Sozialismus

Kinder

Hochzeit

Und sonst so?

Reisetagebücher (Auswahl und Auszüge)

Interrail 1995

Hong Kong und Malaysia 1999

Dienstreise nach China 2004

Neuseeland 2005

Usbekistan und Kirgisien 2006

Syrien 2009

Island 2016

Kasachstan und China 2017

Los gehts!

Ich habe bisher genau eine einzige Autobiographie gelesen. Die von NBA-Star Dennis Rodman. Das Buch lag irgendwann Mitte der Neunziger im Zimmer meines kleinen Bruders rum.

Obwohl ich also kaum Beispiele kenne, werde ich jetzt meine eigene Autobiografie schreiben. Warum? Meine Frau behauptet, dass ich sehr von mir überzeugt wäre. Das stimmt aber gar nicht. Ich mache vielleicht manchmal einen solchen Eindruck.

Ein paar Dinge habe ich bisher schon ganz gut hinbekommen, an anderen bin ich gescheitert. Eventuell interessiert sich ja jemand dafür. Sicher bin ich mir da keinesfalls. So Lecktmich-am-Arsch wie Dennis Rodman kann ich es jedenfalls nicht. Er nannte sein Buch einfach Bad As I Wanna Be. Dafür braucht es die entsprechende Größe.

Rodman schrieb seine Autobiografie mit Anfang 30. Wie kann jemand über sein Leben schreiben, wenn er es noch fast komplett vor sich hat? Gut, seine Karriere war zu dem Zeitpunkt schon auf dem Höhepunkt, wenn nicht darüber hinaus. Jedoch würde mich noch sehr interessieren, wie es zu den Reisen nach Nordkorea kam, die Rodman viel später in seinem Leben unternommen hat.

Eine Sache aber habe ich bei ihn gelernt: Mach es einfach so, wie es dir gefällt. Und das will ich nun tun. Ich schreibe, was ich will und wie es mir gefällt. Dann habe ich zumindest einen zufriedenen Leser. Falls es doch noch jemand anderes lesen sollte, umso besser. Findet das Buch sogar Interesse und Gefallen, dann wäre das mehr als ich im Moment erwarten möchte.

Vielleicht ist das schon die Gelegenheit, eine Lebensweisheit einzustreuen. Liefert man eigentlich Weisheiten in Autobiografien? Aufgrund der äußerst kleinen mir bekannten Stichprobe kann ich darüber nur spekulieren. Da fällt mir ein, dass es egal ist. Denn, ich wollte es ja eh so machen, wie es mir gefällt. Also, hier kommt die Weisheit: Erwarte nichts, dann kannst Du nicht enttäuscht werden! Der Spruch ist wahrscheinlich sowieso bekannt und außerdem wenig praktikabel. Wenn einem an etwas liegt, fällt es schwer sie zu beherzigen. Und falls nicht, kann man sowieso nicht enttäuscht werden.

Fun Fact: Dennis Rodman ist 2 Zentimeter kleiner als ich.

Je länger ich darüber nachdenke: Eigentlich wäre es doch super, wenn jeder ein Buch über sich schreiben würde! Stellt euch vor: Jeder hätte ein Regal voller Bücher, geschrieben von allen seinen Bekannten und Verwandten. Wenn dann jemand davon wieder einmal etwas total Unverständliches anstellt, sagen wir: ein Coming Out mit 50, einen Orbitalflug mit SpaceX, eine Heuschreckenzucht eröffnet oder sonst etwas. Man schlägt einfach das entsprechende Buch auf und liest sich ein. Vielleicht wird dadurch schon etwas klarer, was den Menschen bewegt und wie er so geworden ist.

Ich fange jetzt einfach mal an und schreibe über das, was ich bisher so gemacht habe und warum. Ich bin ja auch nicht mehr Anfang 30 und habe einiges erlebt. Sortiert nach Themen und mit ein paar Anekdoten versehen werde ich das jetzt mal zu Papier bringen. Los gehts!

Wer bin ich und warum?

Name, Geburtstag und Geburtsort sind schnell berichtet: Markus Promny, 30. März 1976, Rathenow an der Havel. Aber wer bin ich wirklich? Was zeichnet mich aus? Womit nerve oder beglücke ich meine Mitmenschen? Und warum?

Äußerlich auffällig bin ich schon aufgrund meiner Größe von derzeit 2,03 m. Da ich schon immer der Größte in meiner Umgebung war, hat mich das wahrscheinlich auch ziemlich geprägt. Auffallen ist ja erst einmal nicht gut oder schlecht, sondern einfach ein Fakt. Irgendwie verstecken und damit durchkommen war für mich jedenfalls nie eine Option. Als Beispiel springe ich zu einer Anekdote aus meinem 20. Lebensjahr:

1995 habe ich mich zur Bundeswehr einziehen lassen. Damals gab es noch die Wehrpflicht in Deutschland. Trotzdem musste sich schon fast rechtfertigen, wer nicht Zivildienst gemacht hat. „Zivi“ sein dauerte aber drei Monate länger als der Wehrdienst. Und ich wollte unbedingt zwischen Schule und Uni noch etwas Zeit zum Reisen haben. Und zum Arbeiten, denn ein Praktikum fürs Studium musste noch absolviert werden und etwas Geld verdienen war auch ganz verlockend. Daher haben diese drei Monate den entscheidenden Unterschied für mich ausgemacht.

Außerdem dachte ich tatsächlich, dass mir die Bundeswehr charakterlich gut tun würde. Nachdem ich in der Schulzeit schon öfter mal durch „unangepasstes Verhalten“ aufgefallen bin, dachte ich, bei der Bundeswehr würde man mir endlich mal etwas Disziplin beibringen.

Beim Antreten musste ich als Größter natürlich – wie schon in der Schule – ganz vorne und ganz rechts stehen. Ein gewisser Fähnrich Fratczak war unser Zugführer. Dummerweise war auch er groß, jedoch ein paar Zentimeter kleiner als ich. Beim Ablaufen der Reihe blieb er vor mir stehen und musterte mich – leicht zu mir herauf schauend. Dies war offenbar eine sehr ungewohnte Situation für ihn. Er blieb eine Weile einfach so stehen. Ich versuchte wirklich, irgendwie neutral bis gelangweilt zu blicken. Aber je länger er da stand, guckte und mit der Situation klar zu kommen versuchte, konnte ich mir ein Grinsen irgendwann nicht mehr verkneifen.

In diesem Moment war klar, dass er seinen speziellen Auszubildenden gefunden hatte. Ich hingegen konnte nicht anders, als dagegen zu halten. Je mehr Fratczak versuchte, mich zu disziplinieren, desto mehr musste ich mich dieser Sonderbehandlung durch Ungehorsam widersetzen. Für mich stand außer Frage, dass er mich – nur weil ich größer war als er – auf dem Kieker hatte.

Er hat es natürlich nicht geschafft, mir Disziplin beizubringen. In meinem Dienstzeugnis steht zwar, dass meine Führung „gut“ war. Dort steht jedoch nicht, dass ich zum Beispiel durch die Führerscheinprüfung der Bundeswehr gefallen bin, weil ich in der Nacht zuvor – wie fast jede Nacht – ziemlich was getrunken hatte. Meine Kameraden und ich waren so verlottert, dass ein paar von uns noch während der Grundausbildung eine private Laufgruppe gegründet haben. Da wir uns im Dienst schon kaum bewegt haben, wollten wir wenigstens nach Dienstschluss und vor dem allabendlichen Trinken ein bisschen Bewegung bekommen. Einmal wöchentlich sind wir sogar nach Berlin zum Mathematik-Kurs gefahren, um uns auf die Uni vorzubereiten. Okay, das zeigt dann vielleicht doch ein wenig Selbstdisziplinierung. Ansonsten haben wir aber wirklich viel getrunken und Blödsinn gemacht. Das kommt bei mir ab und zu immer noch vor, aber nicht mehr ganz so regelmäßig wie damals.

Mit Autoritäten hatte ich schon immer meine Probleme. Oder besser: Autoritäten hatten stets Probleme mit mir, wenn sich ihre Autorität lediglich aus einem Amt, Dienstgrad oder Titel ableitete, und nicht auf Begabung, Wissen oder Können beruhte. Talent und Leistung bewundere und schätze ich. Doch wenn jemand meint, mir sagen zu können wo es lang geht, nur weil er oder sie eine gewisse Position innehat, führt das regelmäßig zu Konflikten. Dann werde ich zum Rebell.

Mich selbst würden viele wohl als überheblich bis arrogant bezeichnen. Doch das stimmt natürlich nicht. Es ist nur leider so, dass ich scheinbar eine schnellere Auffassungsgabe als der Durchschnitt besitze und gleichzeitig eine starke Ungeduld mit Jenen, die weniger schnell kapieren. Also mit vielen. In der Summe wirkt das dann wohl manchmal herablassend. Sorry, das mit der Geduld versuche ich bereits zu üben. Aber niemand kann von mir erwarten, dass ich mich dumm stelle, wenn ich etwas durchblicke, was andere nicht sehen. Oder nicht sehen wollen. Auch kein Vorgesetzter.

Mit Kritik kann ich übrigens auch nicht besonders gut umgehen. Meistens kommt diese ja von Menschen, denen ich unterstelle, nicht so schnell oder so viel zu kapieren wie ich. Das macht es mir schwer, ihre Kritik ernst zu nehmen. Menschen, denen gegenüber ich bereit bin, auch mal länger zuzuhören, schaffen es jedoch mitunter, mit ihrer Kritik bei mir durchzudringen. Zum Beispiel meine Frau. Ja, okay: Meine Frau hat oft Recht. Leider.

Soweit zu meinen schlechten Seiten. Ach nein: Fast hätte ich mein schlechtes Gedächtnis vergessen! Das ist wirklich schlimm. Allgemein gesagt merke ich, dass ich mich an viel weniger erinnere, als andere, die ebenfalls dabei waren. Vor allem wenn Alkohol im Spiel ist, aber auch sonst. Das hat manchmal auch etwas Gutes: So kann ich mir Filme wieder und wieder ansehen und sie sind immer spannend für mich. Weil ich mich zwar an manche Details und Szenen erinnere, aber nicht an den Plot und auch nicht, wer wen wann warum umbringt. Die Purpurnen Flüsse zum Beispiel. Habe ich bestimmt schon fast zehn mal gesehen, frage mich aber jedes Mal wieder gespannt, wer wohl der Mörder ist.

Auch mein Namensgedächtnis ist mies. Und ganz besonders meine Fähigkeit, Gesichter wiederzuerkennen. Was natürlich eine blöde Kombination ist. Das hat schon zu ein paar sehr peinlichen Situationen geführt. Manchmal erinnere ich mich an Personen komplett nicht mehr, obwohl ich am Abend zuvor länger mit ihnen geredet habe. Also: Wer sich wirklich in meinem Gedächtnis verewigen möchte, sollte sich bei unserer Begegnung schon etwas anstrengen. Und am besten am nächsten Tag eine Nachricht mit Bild und Namen schicken.

Nun aber zu meinen positiven Seiten. Erstaunlicherweise fällt es mir schwerer, hierüber zu schreiben als über meine nicht so tollen Eigenschaften. Wahrscheinlich liegt das daran, dass ich ziemlich bescheiden bin. Wirklich! Ich mag es überhaupt nicht, mich in den Mittelpunkt zu stellen. Oft lande ich dennoch genau dort. Muss wohl an meiner Größe liegen.

Manchmal denke ich auch, dass ich von Menschen, die ich mag, als ganz angenehmen Umgang empfunden werde. Wer bei mir allerdings nicht so gut ankommt, merkt das auch. Und dann sind wir ganz schnell an dem Punkt, wo das Ganze auf Gegenseitigkeit beruht. Man kann wohl nicht einfach mit allen Menschen klar kommen. Aber im Grunde genommen bin ich recht flexibel. Wenn ich mir meinen Freundeskreis so anschaue, sind darin die unterschiedlichsten Charaktere. Jedoch überwiegen die originellen Nonkonformisten etwas. Sie sind scheinbar mein bevorzugter Umgang.

Als durchaus fair und gerecht würde ich mich ebenfalls bezeichnen. Ich kann Ungerechtigkeit nicht gut ertragen und versuche daher selbst, möglichst fair zu sein. Die zwei Male in meinem Leben, als ich etwas gestohlen habe, sind mir immer noch sehr peinlich. So peinlich, dass ich hier nichts darüber schreiben mag, obwohl es Kleinigkeiten waren und Jahrzehnte seitdem vergangen sind. Vielleicht erzähle ich es mal nach ein paar Bier.

Nun aber zu meinen Talenten: Ich kann mit den Zehen schnipsen. Sonst kann ich vieles ein bisschen, aber nichts so richtig gut. Wenn ich ein bestimmtes Niveau erreicht habe, fehlt mir oft der Drang, etwas noch weiter zu verbessern. Das wird dem Leser bestimmt noch im Laufe des Buches auffallen.

Schreiben gehört nicht unbedingt zu meinen Stärken, auch wenn mir schon ein paar nette Zeilen gelungen sind und ich in meinem Beruf recht viel schreiben muss. Eher denke ich, dass ich ein Künstler in Sachen Effizienz bin. Ich kann zum Beispiel super prokrastinieren und im letzten Moment mit ein paar wenigen Worten eine Sache auf den Punkt bringen. Das ist natürlich nichts, was einem an sich schon großes Ansehen einbringt. Zumindest sollte man darauf achten, die zuvor vertrödelte Zeit wie Arbeit aussehen zu lassen.

An der Kürze meiner Texte hat es auch schon einige Kritik gegeben. Ein Kollege forderte zum Beispiel allen Ernstes „etwas mehr Prosa“ von mir – in wissenschaftlichen Texten! In solchen Fällen hilft es mir zu denken, dass andere eben die Effizienz meiner Arbeit nicht verstehen und daher auch nicht würdigen können.

Auch bei anderen Tätigkeiten kann ich sehr effizient sein. Ich versuche stets, Probleme erst einmal einzugrenzen, damit schnell erste Erfolge sichtbar werden. Die aufwändigeren Arbeiten kommen dann später. Einfaches Beispiel: Küchenchaos! So nenne ich den Zustand, wenn meine liebe Frau Kathleen mit dem Kochen fertig ist. Sie kocht bei uns üblicherweise am Wochenende. Mein Job ist es dann, aufzuräumen. Wir haben – wegen der Effizienz und zur Streitvermeidung – fast alle unsere alltäglichen Arbeiten streng und möglichst gerecht aufgeteilt. Ich muss also das Küchenchaos beseitigen, was sie angerichtet hat. Dabei räume ich zunächst alles zu einem Berg zusammen, sodass möglichst viel freie Arbeitsfläche entsteht (wenn Kathleen mit Kochen fertig ist, gibt es keine freie Fläche mehr.1) Dann wische ich diese frei gewordene Fläche und freue mich, wie viel schon geschafft ist. Zum Schluss muss ich nur noch den Berg schmutzigen Geschirrs in die Spülmaschine einsortieren. Hierin bin ich auch wahnsinnig gut – das muss wohl an dem intensiven Tetris-Training während meiner Jugend liegen.

Wenn ich hingegen koche – das passiert, wenn überhaupt, fast nur unter der Woche – gibt es übrigens gar kein Chaos. Selbst wenn ich auf vier Herdplatten gleichzeitig koche, bin ich ständig damit beschäftigt, die Arbeitsplatte leer zu räumen und zu wischen. Ja, man sagt mir manchmal auch Pedanterie nach.

Etwas positiver ausgedrückt möchte ich es Organisationstalent mit leichter Tendenz zum Kontrollzwang nennen. Organisieren kann ich nun – in aller Bescheidenheit – wirklich! Ich mag das einfach und gehe in der Rolle des Organisators voll auf. Am besten bin ich, wenn ich alles auch gleich selber mache und nichts delegieren muss. Im Delegieren bin ich nämlich sehr schlecht. Vor allem wohl wegen meiner vorgenannten Eigenschaften Ungeduld und Pedanterie – eine schlechte Kombination. Aber wenn ich alles selbst entscheiden und machen kann, dann laufe ich regelmäßig zur Höchstform auf! Ob das private Reisen oder Dienstreisen sind, in kleinerer oder größerer Gruppe, ob Partys für Kinder oder Kollegen mit Schnitzeljagden, Spielen oder Quiz – ich liebe es, so etwas zu organisieren und habe wohl tatsächlich ein wenig Talent dafür.

Hier beende ich erst einmal meine erste Selbstbeleuchtung. In den kommenden Kapiteln werde ich mich weiteren Themen widmen und versuchen, mich auch mit Hilfe von ein paar Anekdoten dem Hauptcharakter dieses Buches annähern. Wenn es gut läuft, wird dabei die Antwort auf die Frage „Wer bin ich und warum?“ noch etwas klarer. Wenn es sehr gut läuft, wird es auch nicht langweilig.

1 Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage wird angezweifelt.

Die Sache mit dem Reisen

Die erste schwierige Entscheidung beim Schreiben dieses Buches war: Was kommt als erstes Thema? Das Reisen oder Kathleen. Natürlich wird jeder sagen, meine Frau ist wichtiger für mich und mein Leben als unsere Reisen (die ja fast alle gemeinsame Reisen waren).

Das ist richtig. Aber dennoch will ich erst auf das Reisen allgemein eingehen, und anschließend auf die Beziehung meines Lebens – mit Kathleen. Beides lässt sich sowieso nicht komplett voneinander trennen und Kathleen spielt daher auch in diesem Kapitel eine wichtige Rolle. Der Einstieg fällt mit jedoch leichter, wenn ich mit dem Reisen beginne. Das Beziehungsthema scheint mir größer und gewichtiger zu sein.

Also zunächst zum Reisen. Ich bin sicher kein geborener Reisender. Jedenfalls kein Fernreisender. Mit meinen Eltern war ich als Kind zwar auch oft unterwegs, aber nur in einem doch sehr begrenzten Umkreis. Was nicht nur daran lag, dass ich in der DDR aufgewachsen bin. Meine Eltern reisen scheinbar einfach nicht gern. Am häufigsten waren bei uns noch die Verwandtenbesuche. Immer per Auto. Ich kann mich an keine einzige Bahnreise mit meinen Eltern erinnern. Geflogen bin ich im Alter von 22 Jahren zum ersten mal.

Eine meiner Großmütter und gefühlt die Hälfte der Verwandtschaft lebte in Schenkenberg in der Uckermark, etwa drei Stunden Autofahrt von uns entfernt. Dorthin durfte ich in den Ferien auch mal allein. Natürlich nicht alleine fahren. Meine Eltern haben mich hingebracht. Ich war dann noch etwa eine Woche ohne sie bei meiner Oma und der Verwandtschaft. Am Ende der Woche hat mich dann ein entfernter Großonkel aus dem Westen mit seinem Mercedes nach Hause gebracht. Das war schon eine ziemlich sensationelle Erfahrung für mich. Noch mehr hat sich aber in meiner Erinnerung verankert, wie ich dort mit meinen Cousinen Ilka und Kati mit dem Bus die zehn Kilometer nach Prenzlau und später noch auf irgendein Dorf ins Schwimmbad gefahren bin. Busfahren war bei uns zu Hause in Rathenow nicht nötig, also habe ich das so gut wie nie gemacht. Ohne Erwachsene schon gar nicht. Ich war erstaunt, was meine etwa gleichaltrigen Cousinen alles konnten und durften! Damals weckte diese Busfahrt mit meinen Cousinen auch ein Gefühl von Freiheit in mir, was für mich ziemlich ungewohnt war.

Mit meinen Eltern ging es ansonsten im Sommer meist für zwei Wochen in Ferienobjekte, an die wir über deren Arbeitgeber gekommen sind. Das waren dann Bungalows oder Ferienwohnungen in Thüringen oder im Harz, wo wir in einem FDGB-Heim in der Nähe warmes Essen bekamen. Auch dorthin sind wir immer im eigenen Auto gefahren – einem roten Lada. Und genau zweimal war ich mit meinen Eltern im Ausland: Jeweils als Tagesausflug von Thüringen aus in die Tschechoslowakei.

Das war sehr aufregend! Einmal haben wir uns – wohl auf meinen Wunsch hin – ein Autorennen in Most angesehen. Das andere Mal waren wir Schuhe kaufen in Chomutov. Es war das erste Mal, dass ich so etwas wie coole Schuhe bekommen habe. Blaue knöchelhohe Turnschuhe. Das Wort cool gab es damals allerdings für uns noch gar nicht. Die Schuhe waren also ein erstes wichtiges Reisemitbringsel und ich habe sie bei jedem Wetter getragen, bis sie zerfallen sind. Noch heute mag ich Sachen, die ich von Reisen mitbringe und hebe vieles von unterwegs auf.

Die dritte und letzte Art meiner Reisen als Kind waren die Fahrten ins Ferienlager. Erst nach Kleßen – das war schrecklich. Später einmal nach Bliesenrade auf dem Darß und zweimal nach Kleinzerlang an der Mecklenburger Seenplatte – das waren großartige und wichtige Erfahrungen für mich – später mehr dazu.

Aber mit 18 konnte man mich nicht ernsthaft als reiseerfahren bezeichnen. Oh, mein schlechtes Gedächtnis hat schon wieder zugeschlagen: Ich habe die Klassenfahrten unterschlagen. Diese spielen bei der Persönlichkeitsbildung zum Reisenden jedoch kaum eine Rolle, da der Aspekt der Reise dabei fast untergeht, während die Interaktion der Klasse alle Aufmerksamkeit bindet. Kaum erinnere ich mich, wohin wir da gefahren sind. Eher schon, wer sich dabei wie hervorgetan hat. Interessant ist vielleicht, dass meine ersten Erfahrungen mit der Organisation von Reisen von den Klassenfahrten stammen. Weil sich sonst niemand dafür gemeldet hat, habe ich mindestens zweimal die Buchung im Reisebüro und die Sammlung unter den Mitschülern übernommen. Ich bin dann mit 10 000 Mark in bar (50 Schüler mal 200 Mark für vier oder fünf Tage Busreise nach Tschechien) zum Reisebüro gegangen und habe dort bezahlt. Dass mich die Inhaberin damals dafür nicht mal eine Runde in ihrem Cabrio mitgenommen hat, ist ein Skandal. Ich muss eine Zeit lang einer ihrer besten Kunden gewesen sein.

Gegen Ende der Schulzeit habe ich auch erste Reisen in Gruppen mit Freunden und Mitschülern gemacht. Auch hier ging es jedoch weniger um das Wohin als vielmehr um das Wer und das Wie. Da waren auch viele wichtige und prägende Erfahrungen dabei.

So sind wir nach der neunten Klasse mit Fahrrädern an die Müritz zum Campen gefahren. Meine Erinnerungen daran sind spärlich: Ich bin auf einer Luftmatratze auf dem See treibend eingeschlafen und habe mir einen schweren Sonnenbrand geholt. In einer Drogerie habe ich mir danach erstmals Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 4 besorgt – Sonnencreme war ein Novum für mich. Faktor 8 hätte es zwar auch gegeben, aber das gute Zeug war eben teurer.

An mindestens zwei der mitreisenden Mädels hatte ich ein Interesse. Das beruhte leider nicht auf Gegenseitigkeit. Die Rückfahrt wollte sonst niemand mehr mit dem Fahrrad machen, da bin ich eben allein gefahren. Kurz vor Rathenow habe ich mitten auf der Landstraße zufällig einen Kumpel getroffen und wir sind in der Havel baden gegangen. Die Welt war damals scheinbar noch kleiner.

Später sind wir im Freundeskreis mit Autos zum Zelten an die Ostsee gefahren. Ich hatte noch keinen Führerschein und war Rückbänkler. Meine Eltern haben mir als Reisekasse 100 DM mitgegeben – für zwei Wochen! Dass ich damit überhaupt über die Zeit gekommen bin lag daran, dass Supermärkte und Einkaufswagen damals im Osten noch neu waren. Die Verkäuferinnen hatten einfach nicht mitbekommen, dass wir unten im Wagen einen Bierkasten zu stehen hatten und oben drin nur Kleinkram. Nachdem es uns beim ersten Mal wirklich aus Versehen passiert war, haben wir das später natürlich systematisch ausgenutzt. Nach ein paar Tagen gab es Stress mit den lokalen Nazis, die ihren Jugendclub auf dem Campingplatz hatten – es waren eben die Neunziger. Irgendwann mussten wir überstürzt abreisen und einen ganzen Haufen leerer Bierkästen zurücklassen. Für die wir allerdings auch nichts bezahlt hatten.

1994 fuhren wir mit drei oder vier Autos nonstop an den Balaton. Ich hatte inzwischen meinen Führerschein und war daher Aushilfsfahrer. Wieder gab es Alkoholexzesse. Wir waren begeistert von einer Mega-Disko in Siófok auf mehreren Etagen mit einer Strip-Show. Ansonsten habe ich sehr lange Gedächtnisaussetzer.

Ein paarmal fuhren wir in größeren Gruppen von Freunden in den Skiurlaub nach Tschechien. Dort machte ich erste Versuche, Ski zu fahren – sehr erfolglos. Es gab billiges Bier und Gulasch sowie lange Trink- und Spieleabende. Und einmal eine völlig eskalierte Silvesterparty.

Richtig los ging mein selbstbestimmtes Reisen dann nach der Schule. Direkt nach der Schule. Sah es auch zunächst danach aus, als würde es wie schon die Male zuvor auf eine Gruppenreise mit Freunden und Mitschülern hinauslaufen, sagten diese einer nach dem anderen ab und entwickelten eigene Pläne. Man zog es vor, den Zivildienst oder den Grundwehrdienst direkt nach der Abiturfeier zu beginnen, um es hinter sich zu haben.

Nur Kathleen und ich blieben letztlich bei der Idee, vier Wochen mit einem Interrail-Ticket durch Europa zu reisen. Wir waren beim Schulabschluss schon ein gutes halbes Jahr zusammen und haben wie durch ein Wunder unsere Schulabschlussfahrt nach Tossa de Mar sowie einen Winterurlaub mit Freunden in Tschechien gemeinsam und als Paar überstanden. Überstanden, weil ich mich wohl einen Großteil der Zeit ziemlich daneben benommen habe. Noch unerfahren in Beziehungsdingen sowie stets im Interessenkonflikt zwischen meinen Kumpels, die mich durch die letzten Jahre begleitet haben und Kathleen, die ja noch recht frisch in mich verliebt war – ich war es zumindest in sie! Viel Alkohol und frische Liebe vertragen sich offenbar nicht besonders gut. Also war es vor allem Kathleens Nachsicht zu verdanken, dass unsere Beziehung nicht schon damals zu Ende ging.

Ein wirklicher Höhepunkt, an den ich mich immer erinnern werde, war, als sie mich auf der Abschlussfahrt in Tossa de Mar am Strand zwischen den vielen rumhängenden und dösenden Mitschülern in Kenntnis setzte, sie wolle jetzt durch die Klippen am Steilufer klettern. Selbst in meinem vernebelten Zustand war mir völlig klar, dass ich da mitgehen musste. Ich war von der plötzlichen Aktion zu zweit völlig überrascht und unendlich begeistert! Wow, das Mädel hatte Mut und Energie und zog mich dadurch wahnsinnig an.