MESSI. Die ultimative Biografie des Weltmeisters - Guillem Balagué - E-Book

MESSI. Die ultimative Biografie des Weltmeisters E-Book

Guillem Balagué

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Beschreibung

Lionel "Leo" Messi ist ein Phänomen. Trotz weltweiter Verehrung ist kaum etwas über das Leben des argentinischen Superstars und siebenfachen Weltfußballers bekannt, der 2022 endlich den lange ersehnten Weltmeistertitel gewann und zum Karriereende überraschend in die USA wechselte.  Was steckt hinter dem außergewöhnlichen Talent des Argentiniers, wie wurde er zum besten Spieler der Welt? Wie wurde er ausgebildet, welche Schwierigkeiten galt es zu überwinden? Welche Rolle spielt seine Familie und die unglaubliche Fußballbegeisterung in seinem Heimatland? Wie tickt der stets bescheiden auftretende Superstar privat? Als erster Autor hat Guillem Balagué mit Messi selbst und seiner Familie gesprochen, außerdem seine Trainer sowie zahlreiche Mitspieler und Wegbegleiter getroffen. Mit dem Star-Trainer Pep Guardiola erarbeitete er eine exklusive, detaillierte Analyse des Ausnahmespielers. Das Ergebnis ist das einzige umfassende, hoch spannende Porträt des argentinischen Ausnahmefußballers.  In dieser 2023 aktualisierten Neuausgabe werden ausführlich auch der Gewinn des WM-Titels 2022 sowie die Hintergründe von Messis Wechsel zu Paris Saint-Germain und Inter Miami beleuchtet.

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Seitenzahl: 1046

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Meinem Vater, der wieder liest Meiner Mutter, dem stärksten Menschen, den ich kenne

Inhalt

Einleitung: Wo ist Leo?

Teil eins: In Rosario

1 »Pass den Ball, Leo!« Aber das hat er nie getan

2 Warten auf Leo

3 Auf Wiedersehen, Leo!

Teil zwei: In Barcelona

1 Ankunft Barcelona. Dann Rosario. Dann wieder Barcelona

2 Der Aufstieg

3 Auf der Überholspur

4 Frank Rijkaard. Der Aufstieg

5 Frank Rijkaard. Der Niedergang

6 Leo ist kein geborenes Genie. Die gibt es nicht

7 Die Zeit mit Maradona

Teil drei: An der Spitze

1 Rekorde brechen

2 Wohin führt der Weg?

3 Leos WM

4 Von Brasilien nach Russland: Reifeprozess

5 Von der WM in Russland bis zu Barças Niedergang

6 Zerwürfnis mit Barça

7 Die letzte Saison in Barcelona

8 Abschied von Barça

9 PSG

Dramatis Personae

Bibliografie

Danksagung

EinleitungWo ist Leo?

Wirklich alle stellten sich diese Frage in Leos Klassenzimmer an der Escuela Juan Mantovani in Las Heras im Süden von Rosario, ganz in der Nähe von Messis Zuhause. Der 13-jährige Leo war schon länger als eine Woche nicht zur Schule gekommen. So lange hatte er noch nie gefehlt. Sein Platz blieb leer, und in den Pausen klappte beim Fußballspielen gar nichts mehr. Die Escuela Juan Mantovani hatte keinen richtigen Fußballplatz, und auf ihrem viel zu kleinen Schulhof kickten immer zu viele Schüler. Da nun Leo nicht mehr da war, machte es erst recht keinen Spaß. Was war bloß passiert? Das wusste wohl allein der Schuldirektor.

Es war September, und bis zum Ende des argentinischen Schuljahres waren nur noch drei Monate Zeit. Man schrieb viele Klassenarbeiten, und Leo konnte nun nicht mitschreiben. Ein Mitschüler fragte stellvertretend, ob er sie vielleicht an einem anderen Tag nachschreiben dürfe.

»Nein, das geht leider nicht.«

»War Leo denn heute da?«

Seine Mannschaftskameraden von den Newell’s Old Boys (NOB), bei denen er im Verein von Rosario Fußball spielte, stellten sich diese Frage auch. Mittlerweile hatte er sogar schon einige Trainingseinheiten im Trainingslager Malvinas verpasst, und am Wochenende war er auch nicht zum Spiel erschienen. »Hepatitis«, mutmaßte ein Vereinskamerad. »Er hat bestimmt Hepatitis.« Das war es also. Niemand wusste recht, was das genau war, aber es klang fürchterlich. Wenn man sich das eingefangen hatte, dann konnte man auch nicht Fußball spielen.

Leo war der Maestro. In der Schule nannte man ihn manchmal auch El Piqui, den Kleinen. Für seine Mitschüler war er jedoch der »Maestro«. Andere wiederum hießen »Clark Kent«, »Galicier«, »Windhund« oder »Koreaner«. Bei Fußballern verzichtet man in Argentinien gerne auf Vor- und Zunamen. So sieht dann auch die offizielle Turnierliste aus: Rufname, Geburtsdatum, Größe und Spitzname: »die Maus«, »der Schwarze«, »der Kurze« …

Wo aber steckte Leo nun?

Adrián Coria, Leos erster A-Jugend-Trainer, wusste es leider auch nicht. Es war schon merkwürdig, dass er nicht zur Schule kam und niemandem etwas gesagt hatte. Das Problem war, dass man ohne ihn nicht gewinnen konnte. Ein Freund rief bei seinem früheren Trainer Quique Dominguez an. »Nein, keine Ahnung, wo er ist.« Aber Dominguez vermutete, dass irgendetwas geschehen sein müsse, denn Leo war ein sehr verlässlicher Junge. Als er vor einem Jahr bei River Plate zum Testspiel gewesen war, hatte er nichts von irgendwelchen Plänen erzählt. Hatte River ihn womöglich doch noch abgeworben?

Tatsächlich war es so, dass die Familie Messi einen Anruf bekommen hatte. »Kommen Sie sofort nach Barcelona, und bringen Sie den Jungen mit.« Auf genau diesen Anruf hatte die Familie schon lange gewartet. Jetzt war es endlich passiert. Alles ging blitzschnell. Sie musste nach Europa reisen.

Sie erzählten niemandem etwas davon, keinem Trainer und keinem Spieler im Verein – niemand wusste, was wirklich los war. Weder Leo noch sein Vater Jorge, immer um die sportliche Laufbahn seines Sohnes besorgt, wollten mit irgendwem darüber reden. Ihnen fiel das auch nicht schwer, denn beide sind sehr zurückhaltend. Vom selben Schlag eben.

Als hätte sie es geahnt, widmete La Capital, die Lokalzeitung von Rosario, Leo noch vor seiner Abreise eine ganze Seite. Die Aufmacherseite! Das war am 3. September 2000. »Ein besonderer kleiner Leproso«, lautete die Schlagzeile. Die Bezeichnung Leproso geht zurück auf ein NOB-Wohltätigkeitsspiel für eine Lepraklinik in den 1920er-Jah-ren, seit dem der ganze Verein Los Leprosos heißt. Rechts auf der Seite war ein Foto von Leo im NOB-Trikot. Er werde immer ein Leproso bleiben, ein leidenschaftlicher Anhänger von Newell’s, dem Verein, der ihm alles bedeute und mit dem er gerade für seine Altersgruppe den Titel geholt habe. Das mache ihn sehr stolz. Und mit leiser Stimme – es war schon schwierig genug, ihn für den Fotografen zum Lächeln zu bringen – vertraute Leo hier dem Journalisten, der ihn interviewte, seine Träume an. Er wolle Sportlehrer werden. Und natürlich in der ersten Liga spielen.

Und in die Jugendmannschaft des argentinischen Nationalteams. Der Traum, in der Nationalmannschaft zu spielen, war natürlich noch weit entfernt, aber ja, das wolle er unbedingt. Er esse gern Hühnchen. Sein Lieblingsbuch? Ähm … die Bibel. Das fiel ihm als Erstes ein. Er lese nicht gern. Wenn er nicht Fußball spielen würde, welchen Sport würde er dann bevorzugt ausüben? Er zögert mit der Antwort. Er weiß es nicht, Handball. Aber eigentlich könne er sich gut vorstellen, Sportlehrer zu werden. Nur der Sportunterricht mache ihm wirklich Spaß.

Der Artikel erschien in der Zeitungsbeilage und war den Rojinegros gewidmet, denen mit den rotschwarzen Farben auf den NOB-Trikots. Der Artikel begann mit den Worten: »Lionel Messi ist ein Spieler der zehnten Liga, und er ist der Enganche [der Spielmacher] des Teams. Er ist nicht nur einer der erfolgreichsten Spieler der Leprosa-Akademie, sondern hat auch eine glänzende Zukunft vor sich. Trotz seiner Größe schafft er es, einen, zwei oder mehr Spieler zu umdribbeln und jede Menge Tore zu erzielen. Vor allem aber hat er einfach Spaß mit dem Ball.« Gambetear, dribbeln, Enganche – diese Ausdrücke waren typisch argentinisch. Eine Schwarz-Weiß-Kopie dieses Artikels sollte es über den Atlantik schaffen.

Jorge, Leo und ein Freund, der sie zum Flughafen Ezeiza begleitet hatte, sprachen auf der Fahrt von Rosario nach Buenos Aires über den Artikel. Die dreieinhalb Stunden kamen ihnen auf der schnurgeraden Straße unendlich lang vor. Leo saß auf dem Rücksitz und schaute aus dem Fenster auf die öde Gegend.

Es war Sonntag, der 17. September 2000.

Von Ezeiza aus flogen sie nach Barcelona. Nur ihre Familie und der Schuldirektor waren eingeweiht.

Eine 24-Stunden-Reise lag vor ihnen.

»[Meine erste Reise] war spannend, weil es für mich eine neue Erfahrung war. Ich war noch nie geflogen, hatte noch nie eine Fernreise gemacht. Ich fand alles toll, bis das Flugzeug ein wenig wackelte …« (Leo Messi in Revista Barça).

Der Flug war tatsächlich sehr turbulent. Als die erste Mahlzeit serviert wurde, aß Leo nichts. Stattdessen legte er sich über drei Sitze ausgestreckt hin und schlief. Ihm war übel, er schlief unruhig und fühlte sich krank.

Jahre später befiel ihn noch oft die gleiche Übelkeit, bevor er aufs Spielfeld lief, und es fragt sich, ob die Übelkeit damals wirklich nur auf die Turbulenzen zurückzuführen gewesen war.

Am Montagmittag kamen Leo und sein Vater in Barcelona an. Es war der 18. September, sieben Monate nachdem die Familie das Video, das Messis Können zeigte, aufgenommen hatte. Darauf spielte Leo wie ein zweiter Maradona. Er würde es schaffen, Profi zu werden, denn er war ein Naturtalent – davon war seine Familie überzeugt.

Jemand brachte Messi ein Kilo Orangen und ein paar Tennisbälle. Er sollte eine Woche damit trainieren. Sieben Tage später konnte man ihn auf einem Video bewundern, auf dem er 113-mal eine Orange mit Knien und Füßen in der Luft hielt. Mit dem Tennisball war es noch leichter: Er schaffte 140 Jueguitos, wie sie in Argentinien sagen. 140-mal hielt er den Ball hoch, ohne dass er zu Boden fiel.

Auch ein Tischtennisball war in Reichweite. »Gebt ihn Leo.« Er schaffte es 29-mal hintereinander. Gewöhnlichen Menschen gelingt das kaum dreimal. Aber Leo war es gewohnt, den ganzen Tag mit dem Ball zu verbringen: zwischen den Fußballspielen, während der Fußballspiele, zu Hause, auf dem Schulhof. An jedem Tag, den Gott erschuf.

Acht Jahre später brachte die Kreditkartenfirma MasterCard einen Werbespot mit diesen Bildern heraus, den man sich noch immer auf YouTube ansehen kann.

Und seit dem Februar, als dieses Video aufgezeichnet wurde, fragte sich die Familie Messi: »Wann gehen wir endlich? Wohin gehen wir? Gehen wir wirklich?« Täglich wurden diese Fragen diskutiert; man schwankte zwischen Vorfreude und Unsicherheit.

Das Video landete zusammen mit einigen weiteren, die Leos beste Spielzüge und Slaloms zeigten, auf dem Schreibtisch von Josep María Minguella, einem bekannten Fußballagenten mit viel Einfluss in Barcelona. Am Anfang war er sich noch nicht ganz sicher; Leos zartes Alter und sein weit entfernter Wohnort ließen ihn zögern. Aber nach Monaten der Unentschlossenheit entschied er sich für Leo. Teils hatten ihn dessen spieltechnische Fähigkeiten überzeugt, teils die Argumente von Kollegen, die auf die große Zukunft des Jungen setzten. Minguella setzte sich bei Barcelona endlich für Leo ein und erwirkte ein Probetraining.

Von seinem Büro aus rief Minguella in Argentinien an und beorderte die Messis so schnell wie möglich nach Barcelona. »Bringt den Jungen hierher.«

Und Leo überquerte zum ersten Mal den Atlantik.

Aus dem Flugzeug stieg ein 13-jähriger argentinischer Junge mit viel Talent und einem Traum. Er wollte erfolgreich sein und sich mit neuen Freunden gegen neue Rivalen durchsetzen. Er wollte in einem großen Verein spielen, weit weg von zu Hause.

Wer die schmächtige Gestalt dort zum ersten Mal sah, glaubte, der FC Barcelona mache einen großen Fehler. Dieser ganze Aufwand – für so einen kleinen Jungen? Konnte jemand, der so zierlich war, denn jemals ein guter Fußballspieler werden?

»Seit Ronaldos Zeit war ich Fan von Barcelona. Schon bald darauf hatte ich Gelegenheit, hierherzukommen. Ich war damals sehr aufgeregt und brannte darauf, zu sehen, wie es beim Verein wirklich zuging, denn ich kannte ihn ja nur aus der Entfernung. Als ich hier ankam, hatte ich keine Ahnung, wie schwierig es werden würde.« (Leo in Revista Barça)

Newell’s Old Boys lehnten es damals ab, der Familie Messi zu helfen und die teuren Hormonspritzen zu bezahlen, die Leo dringend brauchte, um zu wachsen. Hätten sie bezahlt, dann hätte Leo Argentinien nie verlassen.

Vor ihm war noch niemand in so zartem Alter nach Europa gekommen, um sein Glück im Fußball zu versuchen. 13-Jährige verlassen Argentinien nicht einfach, und europäische Vereine verpflichten gewöhnlich auch keine derart jungen Spieler. In Las Heras hatte man noch immer keinen blassen Schimmer: »Es wird wohl Hepatitis sein.«

Die Messis hatten Minguella gesagt, dass sie umziehen würden, wenn der Verein Leos teure Wachstumshormone bezahlen würde und sein Vater Jorge Arbeit in Barcelona fände. Leo hatte sich auch bei Real Madrid und Atlético de Madrid beworben, aber bisher hatte sich nichts Konkretes ergeben. »Auf jeden Fall ist Barça besser als all die anderen Vereine. Wenn sie interessiert sind, dann kommen wir«, so sagte sich die Familie.

Josep María Minguella: Die meisten von uns hatten keinerlei Erfahrung mit so jungen Spielern. Mit Pep Guardiola hatte ich erst Kontakt aufgenommen, als er 20 war. Ich wurde sein erster Agent. Alles, was man heute standardmäßig für Spieler mit zwölf, 13 oder 14 Jahren tut, war damals noch völlig ungewöhnlich. Als unsere Kontaktleute in Argentinien über einen außergewöhnlichen 13-jährigen Spieler sprachen, war meine erste Reaktion: »Was sollen wir denn mit einem kleinen Jungen anfangen?« Ich hatte anfangs große Zweifel. Dann sah ich das Video. Darin sah man, wie er den Ball quasi vom eigenen Torraum aus annimmt, etwa tausend Spieler umdribbelt und ein Tor schießt. Ja, der war wirklich anders als die anderen. Einige Monate später sprach ich mit dem Präsidenten Joan Gaspart und Anton Parera [Sportdirektor], außerdem mit Charly Rexach [Trainer und Berater des Präsidenten des FC Barcelona].

Charly Rexach: Minguella und ich spielten zusammen Tennis, als er mir von einem Jungen erzählte, der ein Phänomen sei, ein wenig so wie Maradona. Aber solche Vergleiche hatte ich schon oft gehört. Später erzählte er mir noch, dass er in Argentinien lebe. Ich dachte, es ginge um einen Jungen von 18 oder 19 Jahren. Dann erwähnte Minguella, er sei 13 Jahre alt. Ich antwortete darauf: »Bist du verrückt? Du glaubst doch nicht, dass ich mich mit einem 13-Jährigen abgebe? Auf keinen Fall!«

Joaquim Rifé: Ich war Leiter der Fußballakademie in Barcelona. Schließlich wurde mir der Junge vorgeschlagen. Von Charly Rexach, dem Trainer von Barcelona. Er war ein guter Freund von Josep María Minguella, der den Jungen beim FC Barcelona vorgestellt hatte. Also hörte er ihm zu.

Charly Rexach: Das Ganze war ein Prozess. Wenn jemand mir sagt, es gebe einen Jungen in Zaragoza, der ein Phänomen sei, dann frage ich, wer er ist, wo er spielt und wo man hingehen und sich ihn ansehen kann. Dann schicke ich zwei Leute hin, und wenn einer Ja und einer Nein sagt, überzeuge ich mich selbst. Später muss man ihm dann einen Platz in der Mannschaft verschaffen und noch viele andere Dinge mehr. Oder wenn ein Ex-Barcelona-Spieler wie zum Beispiel Rivaldo zu mir sagt: »Hör mal, in Brasilien gibt es einen zwölfoder 13-jährigen Jungen, der ein ganz fantastischer Fußballspieler ist.« Dann hat er sofort meine Aufmerksamkeit. Sobald ein Rivaldo so etwas behauptet, zählt das. Aber auch wenn Rivaldo sagen würde: »Fahr hin und schau ihn dir an«, dann würde ich stattdessen vorschlagen: Wenn er noch so jung ist und so weit weg wohnt, dann soll er hierher kommen. Wir schauen ihn uns zwei Wochen lang an, damit die Trainer der Akademie ihn genau beobachten können. Und wenn er am Anfang noch nervös ist, kann er das nach ein paar Tagen überwinden. Stell dir vor, wir fliegen nach Argentinien, und dann ist der Junge krank und kann nicht spielen! Er müsste schon sehr gut sein, damit wir unsere eigenen Regeln brechen.

Josep María Minguella: Seine Eltern wollten Argentinien sowieso verlassen, auf jeden Fall. Wenn sie nicht in Barcelona hätten bleiben können, dann hätten sie es bei anderen Vereinen versucht. Ich erzählte Charly, dass er eine Behandlung brauchte, für die der Verein in seinem Land nicht aufkommen wollte, und dass Barcelona sich dazu verpflichten müsste.

Charly Rexach: Minguella, dem ich sehr vertraue, sagte also zu mir: Dieser Junge ist phänomenal. Wollen wir ihn uns ansehen?

Seit Minguella das Video mit Leos Dribbelfähigkeiten und seiner Balltechnik bekommen hatte, waren Monate vergangen. Die Familie hatte in der Zwischenzeit nur Unentschlossenes zu hören bekommen: Er wohnt zu weit weg … ist zu jung … wir wissen nicht recht … Was würde aus Leo werden? Was sollte die Familie machen?

Charly Rexach: Also, ich sagte Minguella, dass ich nicht bereit sei, so weit zu reisen, um mir einen 13-Jährigen anzusehen. Ja, wenn er 18 oder 20 wäre … Aber ich bat ihn, vor Ostern oder Weihnachten – oder wann das auch immer war – einen Termin mit dem Jungen zu machen und ihn von seinen Eltern für zwei Wochen herbringen zu lassen.

Rifé: Ich sagte Rexach, dass ich ein Spiel vorbereitet hatte, damit er sich den Jungen ansehen könne.

Gaspart, Parera, Rifé, Minguella, Rexach – alle Schwergewichte des spanischen Fußballs beschäftigten sich mit dem 13-Jährigen aus Argentinien. Und ihr Engagement bemerkten auch die Trainer der Akademie, die sich in den nächsten zwei wichtigen Wochen um Leo kümmern sollten.

Rodolfo Borrell: Eines Tages gab mir jemand im Büro die SchwarzWeiß-Kopie eines Zeitungsartikels über Messi, mit den Worten, dieser Junge käme zur Probe zu uns. Ich habe neulich noch nach dieser Kopie gesucht. Sie ist bestimmt bei meinen Eltern zu Hause. Ich erinnere mich deshalb daran, weil ich in dem Zusammenhang zum ersten Mal das Wort gambetear für dribbeln hörte und auch das Wort enganche für die direkte Verfolgung eines Angreifers, beides typisch argentinische Begriffe. Man sagte mir, der Junge käme in meine Gruppe, da er 1987 geboren sei. Ich sage immer, dass ich nur deshalb Messis erster Trainer wurde, weil ich nun mal für die Spieler unter 14 Jahren verantwortlich war. Ich bin sicher, tausend andere behaupten auch, sie seien Messis erster Trainer gewesen, oder?

Am Flughafen Prat in Barcelona wartete Juan Mateo aus Minguellas Büro auf die Familie Messi. Er fuhr mit ihnen in den Norden der Stadt. Im Aufzug trafen die Messis auf Txiki Beguiristain, den zukünftigen sportlichen Leiter von Barcelona. »Wir sind aus Argentinien«, traute sich schließlich einer zu sagen. Und dann strich Txiki Leo durchs Haar und meinte: »Der Junge muss gut sein, so klein er auch ist.«

Nach dem ersten Gespräch mit dem katalanischen Agenten gingen Jorge und Leo ins Hotel Plaza. Nicht etwa der FC Barcelona hatte die Ausgaben dafür übernommen. Minguella, der den Besitzer des Hotels an der Plaza España kannte, hatte arrangiert, dass die Messis in Zimmer 546 kostenlos wohnen konnten. Von ihrem Hotelzimmer aus konnten sie die Hallen des Messegeländes sehen und in der Ferne den Palau Nacional sowie die Font Magica des Montjuïc, die nachts bunt angestrahlt war. Näher am Hotel lagen die Türme, die rechts und links der Avenida Reina Maria Cristina für die Weltausstellung 1929 erbaut worden waren. Und direkt vor dem Hotel sahen sie auf den Brunnen der Plaza España.

Leo Messi ließ seinen Koffer im Hotelzimmer stehen. Er fühlte sich etwas besser, war aber immer noch von dem turbulenten Flug geschwächt. Doch Rifé hatte ihn bereits wissen lassen, dass er ihn spielen sehen wollte. Heute. Um sechs Uhr. Er musste also hin.

Rodolfo Borrell würde beim FC Barcelona sein erster Trainer sein.

Rodo, heute Direktor der Fußballakademie des FC Liverpool, war in den Jahren 2000 und 2001 für die Infantiles, die A-Jugend des FC Barcelona, zuständig, die noch in die Geschichte eingehen sollte: mit Cesc Fàbregas, Gerard Piqué, Marc Pedraza, Marc Valiente, Víctor Váz-quez, Toni Calvo, Sito Riera, Rafael Blázquez … Das war eine der besten Jugendmannschaften, die der FC Barcelona je hatte. Jetzt kam noch ein Spieler hinzu, dem ein Ruf wie Donnerhall vorauseilte.

An diesem Montagnachmittag standen die Verantwortlichen der Akademie (Quimet Rifé, Quique Costas, Juan Manuel Asensi, die Trainer Rodolfo Borrell, Xavi Llorens und Albert Benaiges) am Rande der Spielfelder zwei und drei des Ministadions. Eins hatte echten Rasen, das andere Kunstrasen. Von dort aus verfolgten sie die Fortschritte aller Spieler, beobachteten aber besonders den neuen Jungen.

Charly Rexach war damals nicht anwesend, da er nach Australien zu den Olympischen Spielen in Sydney gereist war, wo es vor bekannten jungen Spielern nur so wimmelte (unter anderem Tamudo, Xavi, Puyol, Zamorano, Suazo, Mboma, Lauren und Eto’o). Die Ankunft eines Jungen aus Argentinien erforderte seine Anwesenheit nicht: Seine Hauptaufgabe war es schließlich, die Auswahl für die erste Mannschaft zu treffen und nicht für die Akademie. Wenn man sich darauf einigte, dass der von Minguella vorgeschlagene Junge gut war, dann würde man ihn verpflichten. Wenn nicht, dann eben nicht.

Messi war ganz ruhig, als er zu seinem ersten Training ging. Noch immer war ihm ein wenig übel, aber jetzt war er genau da, wo er hin wollte und wovon er geträumt hatte. Ihm blieb wenig Zeit, um zu beweisen, wie er mit dem Ball zaubern konnte, bis er wieder zur Schule musste. Aber das war ein Kinderspiel für ihn.

Als er auf dem Platz des Ministadions – der Miniaturausgabe des großen Camp-Nou-Stadions – ankam, zögerte »der Floh« ein wenig, bevor er sich umziehen ging. Es war ihm peinlich, allein hineinzugehen. Seine Schüchternheit, nein: Reserviertheit, ist wirklich extrem. Er zog sich allein in einer Ecke um, abseits von den anderen. Dann stand er auf. Gespannt.

»Er ist so klein«, hörte er von allen Seiten. Rodo war auch in der Mannschaftskabine. »Setz dich, junger Mann«, sagte er zu Leo. Der hatte noch nicht mal Hallo gesagt, als er hereingekommen war. Zumindest hatte das Geräusch, das er von sich gegeben hatte, nicht nach einem freundlichen Gruß geklungen.

Für Cesc und Piqué, die sich auch gerade umzogen, war Leo nur ein weiterer Junge, der zum Probetraining beim FC Barcelona antrat. Diesmal war es eben einer aus Argentinien. Ausländer kamen eher selten, aber manchmal kam auch das vor. Jeden Monat tauchten wieder ein paar neue Jungs auf. Rodo flüsterte den anderen zu: »Geht vorsichtig mit ihm um. Er ist sehr klein, tut ihm nicht weh.«

Piqué: Am Anfang blieb Leo sehr isoliert für sich. Wenn eine Gruppe zusammenstand oder lachte, dann saß er auf einer Bank, weit weg und sehr zurückhaltend. Still und introvertiert.

Cesc: Es kamen immer so viele neue Spieler, dass wir ihm keine besondere Aufmerksamkeit schenkten, aber an seinen ersten Tag erinnere ich mich noch sehr gut.

Piqué: Er war sehr klein und sagte kaum etwas, und keiner konnte sich vorstellen, wie er spielen würde.

Leo Messi maß kaum 1,40 Meter.

Cesc: Seine Haare waren etwas länger, und er sprach leise mit argentinischem Akzent. Man konnte ihn fast nicht verstehen. Eigentlich sagt er auch fast nichts. Wir dachten, der Typ ist reine Zeitverschwendung.

Einer von Borrells Assistenten zeigte sich besorgt. Er sah, wie Leo sich bandagierte und fragte, ob er verletzt sei. Doch das ist in Argentinien so üblich, um Verstauchungen zu verhindern. Leo antwortete jedenfalls nicht.

Die anderen Jungs machten sich über ihn lustig. »Der ist ja ein Zwerg.« Messi lief neben Piqué auf das Spielfeld. Der wirkte riesengroß neben ihm. Leo reichte ihm vielleicht gerade bis zur Schulter. Jorge saß auf der Tribüne und hörte es aus allen Richtungen: »Er ist so klein, er ist zu klein.«

Dann fingen die Jungs an, sich mit dem Ball aufzuwärmen. Es ging darum, die Kontrolle über den Ball zu behalten und ihn immer in der Luft zu halten. Einmal, zweimal, dreimal, zehnmal, elfmal, zwölfmal. »Er verliert den Ball gar nicht«, bemerkte einer der Zuschauer. 20-mal, 21-mal …

Cesc: Als er mit dem Ball anfing, merkten wir, dass er anders war als die Jungs, die sonst zum Probetraining kamen.

Schließlich ließ Rodolfo Borrell sie Mann gegen Mann spielen und aufs Tor schießen. Und sobald Leo den Ball hatte, sah es schlecht aus für die anderen.

Cesc: Er ließ mich wie ein kompletter Idiot aussehen, als er den Ball reinknallte. Als junger Spieler hatte ich in defensiven Mann-gegenMann-Situationen immer besonderes Talent bewiesen. Jetzt schien es, als hätte ich alles verlernt. Normalerweise konnte ich jedem den Ball abnehmen – mit Leichtigkeit. Aber jetzt stand ich dumm da. Okay, am Anfang erwartet man so was nicht und passt vielleicht nicht gut genug auf. Aber er schaffte es immer wieder aufs Neue.

Messis Können war überwältigend. Sein Dribbeln, seine Ballkunst, seine Ausdauer. Den anderen machte es Spaß, dem Spiel des Neuen zuzuschauen. Er hatte jetzt ihren Respekt. Von diesem Moment an wurde ihm die Bezeichnung »Zwerg« nur noch mit Bewunderung und Zuneigung zuteil.

Von der Tribüne konnte man hören: »Mensch, schau dir den an. Der ist etwas Besonderes.«

Leo fuhr immer mit der U-Bahn direkt von der Plaza España aus zum Ministadion. Vier Stationen mit der grünen Linie nach Las Corts. Da nicht jeden Tag Training war, spazierte er manchmal auch mit seinem Vater am Hafen entlang oder ging in eines der Museen – aber die machten nicht besonders viel Eindruck auf den Jungen. Der Touristenbus fuhr sie auch zur La Sagrada Familia, zum Hafen oder zum Zoo. Er schaute sich auch die Altstadt an. Am Dienstag war frei. Am Montag, Mittwoch und Donnerstag spielte er mit der Mannschaft und nahm an den Übungen teil. Am Freitag konzentrierten sie sich mehr auf die Taktik, und dabei zeigte er sich weniger aktiv. Am Wochenende hatte er auch frei, denn er war natürlich nicht bei den offiziellen Spielen dabei.

Es war immer noch sonnig im September, aber weniger heiß als im August und angenehm für Spaziergänge. Vater und Sohn unternahmen Ausflüge nach Sitges, verbrachten die Vormittage am Strand und sahen sich zum ersten Mal ein Fußballspiel im Camp Nou an. Am ersten Samstag seines Aufenthalts in Spanien sah Leo den FC Barcelona spielen. Der Gegner war Racing Santander. Patrick Kluivert schoss ein Doppelpack, Marc Overmars machte das dritte Tor. Barcelona gewann 3:1. Leo machte von der Tribüne aus Fotos. Das Stadion war riesig, und doch blieb die Menge fast ehrfürchtig ruhig.

Am 26. September wollten die Messis sich auch die Gruppenphase des Champions-League-Spiels Barcelona gegen Mailand ansehen. Leider bekamen sie keine Karten mehr. Die Italiener gewannen das Spiel 2:0.

In der restlichen Zeit blieb Leo nie weit entfernt vom nächsten Ball. Er köpfte Tennisbälle im Hotelzimmer, er spielte gegen imaginäre Gegner auf dem Balkon und übte, den Ball oben zu halten. Das Fernsehen füllte die Lücken.

Wenn Lionel nicht auf dem Spielfeld war, musste er sich beschäftigen, um die Wartezeit auf Charly Rexachs Rückkehr aus Sydney zu überbrücken. Außer diesem würde ihm keiner den ersehnten Vertrag vorlegen.

Nur auf dem Spielfeld konnte Leo zeigen, wer er wirklich war. Dort war er ganz und gar nicht schüchtern. Dann war es, als sei der zurückhaltende Junge, der gerade noch still seine Pizza gegessen hatte, ein ganz anderer geworden.

»Leo, tu das, was du am besten kannst. Hol dir den Ball, gib ihn nicht mehr ab und mach gleich dein Tor.« Jorge Messis Rat zielte auf Leos besondere Talente, die ihn nach Barcelona gebracht hatten. Es war seine Reaktion auf das Training bei Borrell, das auf One- und Two-Touch-Fußballtechniken aufbaute. »Wir müssen unsere eigene Methode ins Spiel bringen und ihnen zeigen, was du wirklich kannst.« Und wenn der junge Messi eins konnte, dann war es Dribbeln. Während die anderen sich den Ball über Pässe zuspielten, hatte er etwas anderes zu bieten.

So ging es Tag für Tag. Leo trainierte mit der A-Jugend, und nach dem Training spielte er noch einmal bei der B-Jugend. Sein Vater beobachtete ihn von der Tribüne aus oder lehnte an dem Zaun, der die beiden Plätze voneinander trennte.

An einem Tag machte er fünf Tore und traf zweimal den Pfosten.

Er spielte für sich, doch das tat er mit solch fester Überzeugung und so viel Talent, dass es kaum lohnte, ihn zu korrigieren. »Leo, nur eine Ballberührung«, rief Rodo, aber daran wollte er die ganze Mannschaft erinnern. »Eine oder höchstens zwei Berührungen.« Aber das machte wenig Unterschied; Leo spielte so, wie er immer spielte – mit wenig Ballberührung, schnell, flüssig, rechts und links dribbelnd. Er war mehr Ballkünstler als Fußballer, und das ist durchaus nicht ein und dasselbe.

An einem anderen Tag schoss er sechs Tore.

Jorge war sich nicht sicher, ob der Druck, der auf seinem Sohn lastete, gut oder schlecht für ihn war. Ein Freund von Minguella schlug ihm vor, die Tore seines Sohnes mit Geschenken zu belohnen. Vielleicht mit dem Rucksack, der ihm besonders gefiel, oder auch mit neuen Fußballschuhen, wenn er fünf Tore an einem Tag erzielt hatte. Sein Vater war sich nicht sicher, ob das die richtige Methode war, aber die neue Herausforderung motivierte Leo durchaus. An einem Tag schoss er vier Tore, und beim fünften Schuss knallte der Ball gegen die Latte. Es sah kurz so aus, als ob er noch ins Tor ginge. »Nein, nein, er war nicht drin«, hieß es dann aber. Leo flippte völlig aus. »Natürlich war er drin!« Immerhin ging es um eine komplett neue Sportausrüstung. Es folgte eine hitzige Auseinandersetzung. Am Ende bekam er sein Geschenk dann doch.

Nach der ersten Woche kam der ehemalige FC-Barcelona-Spieler Miguel »Migueli« Bianquetti vorbei, der jetzt die Jugend trainierte, und fragte: »Wo ist denn der Junge, der aus Argentinien zum Probetraining hier ist?« Leo trainierte gerade. »Es ist der Kleine da, mitten auf dem Spielfeld.« Migueli beobachtete ihn. Er balancierte den Ball gerade auf dem linken Fuß und wartete auf weitere Anweisungen. »Den muss ich nicht erst lange spielen sehen. Schon an seiner Haltung kann man sehen, dass er ein guter Fußballspieler ist.« So einfach war das.

Er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen.

Es war schon spät am Abend, so gegen acht Uhr. Migueli sah sich die Trainingseinheit noch länger an. »Was ist denn los? Warum ist dieser Junge noch nicht unter Vertrag? Ich hab noch nie jemanden gesehen, der Maradona so nahekommt.« Und Bianquetti musste es wissen, denn er hatte früher mit Diego Maradona beim FC Barcelona gespielt.

Aber die Tage vergingen, und niemand sprach mit Jorge. Auch nicht mit Leo. Alle warteten offensichtlich die Entscheidung von Rifé ab und auf die Rückkehr von Rexach, der noch immer in Australien war.

Leo musste wieder in die Schule; er hatte schon zu viele Prüfungstage versäumt. Jorge hatte darauf bestanden, nach einer Woche abzureisen. Nun war schon der achte Tag, und sie waren immer noch da.

Irgendetwas stimmte nicht.

Dieser Punkt im Mythos um Messi wurde oft fehlinterpretiert. Es heißt, einige Trainer seien von seinem Talent nicht überzeugt gewesen und unsicher, ob sie ihn verpflichten sollten. Die Betreffenden hätten hinter Leos Rücken über ihn gelästert. Die Namen dieser Trainer werden bis heute nur hinter vorgehaltener Hand genannt, denn sie arbeiten ja zum Teil noch immer für den Verein. Und auch die, die andernorts Karriere gemacht haben, stünden schlecht da, wenn so etwas an die Öffentlichkeit käme.

In Wahrheit aber lief das Probetraining sehr gut. Man war sich durchaus einig. Fünf Minuten einer Trainingseinheit hatten schon ausgereicht, um Messis Talent zu demonstrieren. Aus Sicht der Trainer war es eigentlich nicht nötig, dass Charly Rexach auch noch auftauchte, um Messi spielen zu sehen. Der Verantwortliche für die erste Mannschaft hätte ihn nicht zwingend persönlich überprüfen müssen.

Aber letztlich wollten doch alle Rexachs Einschätzung abwarten, und Leos Abflug musste verschoben werden. Niemand wollte tatsächlich die Verantwortung für eine mögliche Fehlentscheidung übernehmen und ohne Absicherung einen 13-jährigen Argentinier verpflichten.

Wie kann man sich diese Zweifel erklären?

Zuerst einmal beweist das Einbeziehen von solchen Fußballgrößen wie Rexach, Minguella, Parera und Rifé, dass es für den Verein nicht üblich war, einen so jungen Spieler zu verpflichten. Leo hatte ungewöhnlich hochrangige Fürsprecher, das weckte allgemein eine gewisse Alarmbereitschaft. Zumindest sah es für Außenstehende so aus. Leo war zum Vereinsgespräch geworden. Rodolfo Borrells Kollegen sahen ihm beim Spiel zu, wann immer sie Zeit dafür hatten.

Aber das Interesse dieser einflussreichen Männer war nicht das einzige Außergewöhnliche. 2000 schien es noch schlichtweg verrückt, einen Jugendlichen aus Argentinien zu verpflichten. So etwas hatte es bis dato einfach nicht gegeben.

Leos Talent war offensichtlich. Einer, der ihn während dieser zwei Wochen im Verein gesehen hatte, beschreibt Leo als La Hostia en Patinete, was im übertragenen Sinn so viel bedeutet wie: einer, der sich blitzschnell bewegt. »Er tat damals schon all das, was er heute immer noch tut«, kommt aus derselben Quelle, »nur in Miniaturausgabe«.

Heutzutage ist es völlig normal, dass sich Jugendliche jeglichen Alters Vereinen überall auf der Welt präsentieren. Es gibt sogar schon Achtjährige, die verpflichtet werden. Damals aber war es noch ungewöhnlich, dass Infantiles (Zwölf- bis 13-Jährige) auch nur aus Mataró, Granollers oder Santpedor verpflichtet wurden, und diese Städte liegen kaum eine Stunde von Barcelona entfernt. Nur die Cadetes (14- bis 15-Jährige) kamen zu der Zeit schon aus ganz Spanien.

Und jetzt wollte man einen Argentinier unter 14 Jahren verpflich-ten? Moment mal!

Zu jener Zeit meinte man eben, niemand könne garantieren, dass ein Junge in so zartem Alter, und sei er auch noch so talentiert, später auch in die erste Mannschaft käme. Man konnte noch nicht einmal garantieren, dass er je ein guter Fußballspieler würde. »Es war zudem ein Wagnis, ihn von seiner Familie, seinen Freunden, seiner Umgebung zu trennen. Okay, jetzt ist er der beste Spieler der Welt, und seine Geschichte ist eine märchenhafte Erfolgsstory«, sagt ein anderer Zeitzeuge über den jungen Messi. Es waren also nicht die Jugendtrainer, die über Leos Zukunft entschieden, aber dennoch haben sie sich über mögliche Risiken unterhalten. Der Verein zögerte damals sogar noch, wenn es darum ging, Spieler aus weit entfernten Regionen Spaniens aus ihrer familiären Umgebung zu reißen. All das traf logischerweise auf Leo umso mehr zu. Oriol Tort, einer der besten Fußball-Scouts der Fußballakademie in Barcelona, hat immer schon behauptet, das beste Alter zur Verpflichtung von Spielern sei mit 15 oder 16 Jahren.

Es lag also nicht, wie man sich fälschlich erzählt, am mangelnden Mut oder Zweifel der Trainer. Sie zögerten, weil sie die Auswirkungen kannten, die eine Entwurzelung auf den Jungen und seine Familie haben könnte.

Andrés Iniesta nahm 1996 zum Beispiel im Alter von zwölf Jahren an dem Turnier von Brunete mit Mannschaften aus der spanischen ersten Liga, La Liga, teil. Wie das bei wichtigen Spielen so üblich ist, schickten die Vereine ihre Scouts dorthin. Die besten Spieler dort waren zum einen Iniesta aus Albacete und zum anderen Jorge Troiteiro aus Mérida. Es wurde lebhaft darüber gestritten, welcher von beiden der Bessere sei. Der FC Barcelona war auf Andrés aufmerksam geworden, man sprach mit seiner Familie und verhandelte auch schon vertragliche Details mit dem Spieler, bevor man sich entschied, seine Fortschritte erst einmal aus der Entfernung zu beobachten. Man wollte ihn zwei, drei Jahre später als Cadete in La Masía verpflichten.

Troiteiros Vater hingegen wollte solch eine Niederlage nicht hinnehmen und machte sich von Mérida in der Extremadura im Westen Spaniens auf den Weg nach Barcelona. Sein Sohn würde Profifußballer werden – keine Frage. Er wusste, dass der FC Barcelona ihn bereits positiv beurteilt hatte, und der Verein gefiel den Eltern. Also sollten sie ihn entweder sofort verpflichten, oder er würde nach Madrid oder Valencia oder sonst wohin gehen. Barcelona hatte den Eltern ihre Bedenken offengelegt: der Umzug, die Schule, die vielen anderen Veränderungen für den Jungen. Aber sein Vater blieb hartnäckig. Es war sein Sohn, und er würde ihn in einem großen Verein unterbringen.

Die Verantwortlichen des FC Barcelona gaben nach, denn der junge Troiteiro hatte sehr viel Geschick als Linksaußen. Aber außer ihm gab es keinen Jungen seines Alters in der Jugendakademie des FC Barcelona, es gab nur einen weiteren unter 16 Jahren. Was tat der FC Barcelona also? Man holte Iniesta dazu, damit Troiteiro nicht allein war.

Jorge Troiteiro wurde schließlich wegen mangelnder Disziplin der Akademie La Masía verwiesen. Iniesta aber, der in dem Bauernhaus vor Barcelona, in dem die Spieler untergebracht waren, oft in seinem Zimmer vor Heimweh weinte, sollte Jahre später das Tor gelingen, das Spanien zu seinem ersten Weltmeistertitel verhalf.

In der berühmten Jugendakademie des FC Barcelona werden Ängste, Zweifel und Hoffnungen durchlebt – aber eine Garantie auf Erfolg gab und gibt es dort nicht.

Nach acht Tagen wurde Leo in der Akademie gefragt, ob er immer noch bei Barcelona unterzeichnen wolle. Es war Rodo Borrell, der fragte. Leo bejahte, er mochte die Trainingsmethoden. In Rosario war alles nur auf den körperlichen Einsatz ausgerichtet gewesen, aber hier war die Arbeit mit dem Ball das Wesentliche. Das gefiel ihm. Er hatte Spaß. Er hatte mittlerweile eine Vorstellung von der Größe des Vereins. Und er liebte die Herausforderung.

Er wollte also bleiben.

Zehn Tage nach Ankunft der Messis in Barcelona gab es nicht mehr viel zu entdecken. Weder in der Stadt noch an Leo als Fußballer. Jetzt war er schon fast zwei Wochen in Barcelona, und nichts war passiert. Jorge wollte endlich abfliegen. »Bleiben Sie noch einen Tag, Rexach wird am Montag zurück sein«, sagte man ihm.

Der Berater des Clubpräsidenten kam endlich an und traf sich sofort mit Rifé. Es gab vieles zu besprechen, unter anderem, was mit dem argentinischen Jungen werden solle. »Lass ihn in einer höheren Gruppe spielen, mit zwei Jahre Älteren. Ich will sehen, wie er sich mit den großen Jungs macht«, entschied Rexach.

Charly Rexach: Man wollte die finale Entscheidung von mir. Hätten andere bereits entschieden gehabt, ihn unter Vertrag zu nehmen, dann hätte ich mich nicht dorthin bemühen müssen.

Das letzte Probetraining fand für Leo am 2. Oktober statt. Um sechs Uhr abends. Das Spiel wurde auf Platz drei ausgetragen, auf dem Kunstrasenplatz hinter der Bowlingbahn, gegenüber vom Ministadion.

Dies war der entscheidende Moment. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Leo musste alles geben. Mit seinen 1,40 Metern musste er mit den 15-Jährigen antreten.

Auch Migueli kam, um zuzusehen. Joaquim Rifé, Quique Costas, Xavi Llorens, Albert Benaiges und natürlich Rodolfo Borrell, der ihn die letzten zehn Tage trainiert hatte. Sie alle saßen auf der Reservebank.

Das Spiel begann, und Charly Rexach war immer noch nicht da. Die Zeitverschiebung zu Australien machte ihm zu schaffen.

Zwei Minuten später stieg Charly die Stufen zum Spielfeld hoch.

Charly Rexach: Ich wanderte ein wenig hin und her und blieb stehen, wenn ich sah, dass er am Ball war. Er war leicht auszumachen, weil er kleiner war als die anderen. Was für ein Anblick!

Messi eroberte den Ball auf Höhe der Mittellinie und dribbelte um jeden herum, der ihm auf dem Weg zu Tor im Weg stand.

Jorge Messi: Carlos kam dazu, und Leo legte los.

Charly Rexach: Ich ging also hinters Tor …

Leo umdribbelte zwei Jungen, dann den Torhüter und schoss ein Tor.

Jorge Messi: Gut gemacht. Tor!

Es war das einzige Tor, das Leos Mannschaft in diesem Spiel erzielte, und sie verloren 2:1.

Schon zehn Minuten nach seinem Kommen verließ Charly Rexach Platz drei wieder. Er hatte sich einige Minuten auf die Bank der Jugendtrainer gesetzt, sich dann umgewandt und war wieder verschwunden.

All das lange Warten … und jetzt hatte er fast nichts von Leos Können gesehen!

Jorge Messi war überzeugt, dass Rexach Leo nicht die Aufmerksamkeit geschenkt hatte, die er nach seiner langen Anreise aus Argentinien und den Tagen des Wartens verdiente. Hatte Charly überhaupt alles bemerkt, was Leo gelungen war? Diese Frage stellte sich Jorge immer wieder. Ob es wohl trotzdem für einen Vertrag gereicht hatte? Hoffentlich.

Leo sagte nichts. Wie immer blieb er ganz ruhig und hörte nur zu.

Teil einsIn Rosario

 1 »Pass den Ball, Leo!« Aber das hat er nie getan

Jeden Sonntag spielte Leo mit seinen Brüdern Rodrigo und Matías auf einer Betonplatte vor dem Haus seiner Großmutter Celia Rondos oder Toros , zu Deutsch »Neckball« oder »Schweinchen in der Mitte«. Oft spielten sie mit einem Tennisball Fußball, dann kamen seine beiden Cousins Maxi und Emanuel dazu. Viel später gesellte sich noch ein dritter Cousin namens Bruno als jüngster Sohn von Leos Tante Marcela und Onkel Claudio zur Familie.

Zwei große Steine dienten als Torpfosten. Das Spiel endete immer bei sechs Toren.

Leos Großmutter und ihre Töchter Celia und Marcela waren stets in der Küche beschäftigt und kochten Nudeln mit Sauce. Die Ehemänner Jorge und Claudio unterhielten sich auf dem Sofa in dem engen, kleinen Wohnzimmer angeregt mit Leos Großvater Antonio. Oder sie saßen auf den Stufen vor dem Haus und beobachteten die Jungen beim Fußballspielen. »Schau dir den Pass an … sieh mal, wie Emanuel dribbeln kann … Leo lässt sich einfach den Ball nicht abnehmen, obwohl er so klein ist …« So wurde gelobt und gefachsimpelt.

»Gut gemacht, Maxi«, rief Jorge, der bei den Newell’s Old Boys gespielt hatte, bevor er zum Militär musste.

»Essen ist fertig!« Die Kinder liefen ins Haus, obwohl sie eigentlich lieber weitergespielt hätten.

Erst Hände waschen, und dann sitzen alle am Tisch. Das bescheidene kleine Haus war an unzähligen Sonntagen Treffpunkt für die ganze Familie. Aber die Jungs wollten immer nur eins: Fußball spielen. Manchmal wurde für einen der Enkel am Abend das Sofa ausgezogen, weil er unbedingt bei der Oma übernachten wollte. Alle liebten Großmutter Celia, und das nicht nur, weil sie so gut Pasta kochen konnte. Celia konnte ihren Enkeln einfach nichts abschlagen.

Das Essen war immer schnell verputzt. Alles schmeckte köstlich. Den Geschmack von Dulce di Leche, einem feinen Milchdessert, noch auf der Zunge, liefen die fünf Jungen mit ihrem Ball zu einem Platz im Stadtteil Bajada. Immer verausgabten sie sich völlig. Sie spielten stundenlang und ohne Pause.

Manchmal forderten die älteren Jungen, Rodrigo (geboren 1980), Matías (1982) und Maxi (1984), die jüngeren, Leo (1987) und Emanuel (1988), heraus. Die Fußtritte, die die beiden Kleinen abbekamen, fielen häufig heftiger aus als in den Fußballspielen mit ihren gleichaltrigen Freunden. »Matías, sei doch vorsichtig, Mensch!«, ermahnte ihn Jorge oft genug.

Leo lief dann wie ein kopfloses Huhn hinter dem Ball her, und sobald er ihn hatte, weigerte er sich, ihn wieder abzugeben. »Dabei wurde sein Gesicht puterrot«, so sein Onkel Claudio. »Und wehe, wenn er und seine Mannschaft verloren! Dann gab es ein ziemliches Geheule. Nicht selten schlug er dann um sich und ließ sich einfach von niemandem beruhigen. Er musste so lange spielen, bis er gewonnen hatte.«

»Die Spiele endeten immer mit Streit und Tränen. Auch wenn wir gewonnen hatten. Dann ärgerte mich mein Bruder Matías, bis ich wütend wurde. Oft war ich rasend vor Wut und Anspannung.« So Leo im Interview mit dem argentinischen Sportmagazin El Gráfico.

Manchmal spielten sie auch gegen Jungen aus der Nachbarschaft. Das Messi/Cuccittini-Team gewann immer. Matías erinnert sich gerne daran: »Zuerst wollten sie nicht gegen uns spielen, weil Leo und auch Emanuel so klein waren. Sie gratulierten Leo aber immer zu seinem guten Spiel. Er war damals neun Jahre alt und spielte gegen 18- und 19-Jährige. Das schreckte ihn nicht.«

Wen wundert es, dass diese reiche Ansammlung junger Talente so manchen Profi hervorgebracht hat?

Als er elf war, wurde Rodrigo in die Jugendmannschaft von Newell’s aufgenommen, nachdem er, wie alle Messis, vorher für einen Verein namens Grandoli gespielt hatte. Sein schnelles und geschicktes Spiel machte ihn zum idealen Mittelstürmer, aber er war auch ein guter Torschütze. In Rosario war er bei Stadtturnieren immer erste Wahl. Leo berichtete im Corriere della Sera später vom traurigen Ende seiner Fußballlaufbahn: »Leider hatte er einen Autounfall, bei dem er sich das Schienbein und das Wadenbein brach. Damals bedeutete das das Ende einer Karriere.« Vielleicht hätte ihm aber auch der nötige Biss gefehlt, um Profi zu werden. Seine wirkliche Leidenschaft gehörte der Küche, wie sich später herausstellte. Er wollte Koch werden.

Matías war bei Newell’s Verteidiger gewesen, als er sich nach einem Jahr entschloss, nicht mehr weiterzuspielen. Seine Fußballleidenschaft holte ihn aber wieder ein. Er spielte zuletzt auf regionaler Ebene beim Club Atlético Empalme Central.

Maximiliano, 1,65 Meter groß und der älteste Sohn von Marcela und Claudio, spielte für die brasilianische Mannschaft Esporte Clube Vitória. Über verschiedene Stationen in mehreren Vereinen kam er nach Argentinien (San Lorenzo de Almagro), nach Paraguay (Libertad), nach Mexiko und nach Brasilien (Flamengo). In seiner ersten Trainingssaison mit einer paraguayischen Mannschaft erlitt Maxi eine Kopfverletzung. Aber er bewies Durchhaltevermögen und kehrte nach seiner Genesung wieder zum Fußball zurück. Am Tag der Frühgeburt seiner Tochter Valentina schoss er ein Tor für Flamengo. Am selben Abend gelang Leo in Spanien ein Hattrick für den FC Barcelona im Spiel gegen Valencia, und er widmete die drei Tore der kleinen Valentina.

Sein Cousin Emanuel – Leo und er waren unzertrennlich – fing bei Grandoli als Torwart an. Wie Leo wechselte er nach einem Jahr zu den Newell’s Old Boys, bevor er in Europa sein Glück versuchte. 2008 spielte er beim TSV 1860 München als Reservespieler im Mittelfeld, und bereits ein Jahr später stieg er in die erste Mannschaft auf. Danach führte ihn sein Weg nach Spanien, zu Girona, einem Verein der zweiten spanischen Liga. Heute kickt er mit seinen 1,77 Metern beim Club Olimpia in der ersten Liga von Paraguay. Sein Traum ist es, wieder mit Maxi und Leo für die Ñuls – wie die Argentinier die Newell’s Old Boys nennen – zu spielen.

Bruno wurde 1996 geboren und war daher zu jung, um beim Straßenfußball seiner Cousins mitzumachen. Er wurde aber später einer der Hoffnungsträger des Renato-Cesarini-Clubs von Rosario, aus dem auch Fernando Redondo und Santiago Solari, der Sohn des Clubgründers, hervorgingen. Bruno sieht Leo sehr ähnlich und spielt auch so wie er: Seine Lauftechnik, seine Spielzüge, sogar wie er die eigenen Tore feiert, erinnern sehr an Leo Messi. Im Februar 2012 postete Bruno bei Facebook: »Ein Leben ohne Fußball ist kein Leben.«

Da Leo Rosario schon mit 13 Jahren den Rücken gekehrt hatte, konnte er seine Cousins leider nicht oft treffen. Die gemeinsamen Fußballspiele gehörten der Vergangenheit an. Das Schicksal hatte die jungen Talente auseinandergebracht. Doch ein wenig eines fußballbegeisterten Kindes steckt noch heute in jedem von ihnen. Großmutter Celia war bei Leos Wechsel nach Spanien schon drei Jahre tot.

Was ist das Außergewöhnliche an Rosario? Fremde schauen sich zuerst den Paraná-Fluss an und das Monumento Nacional a la Bandera, das Denkmal mit der argentinischen Nationalflagge. Rosario will vor allem für seine Bewohner, die sich gern Rosarinos nennen, ein guter Ort sein. Der Widerstandskämpfer Che Guevara, der Sänger Fito Páez, der Cartoonist und Schriftsteller Roberto El Negro Fontanarrosa und Fußballgrößen wie Marcelo Bielsa und César Menotti sind alle in Rosario geboren. Und die Stadt will natürlich auch Heimat für ihre beiden großen Vereine sein: die Newell’s Old Boys und Rosario Central. Zwischen den beiden Clubs findet jährlich ein Stadt-Derby statt. »Es ist die leidenschaftlichste aller Begegnungen«, sagt jeder, der schon dabei war, auch wenn die Begeisterung der Fans manchmal in Gewalt umschlägt.

Rosario liegt 300 Kilometer von Buenos Aires entfernt. Die dreistündige Autobahnfahrt von der Hauptstadt dorthin führt über eine schnurgerade Straße. Rechts und links sieht man nichts außer Grün. Biegt man dann von der Autobahn nach Rosario ab, erkennt man gleich einige Blechhütten, die in Gelb und Blau, den Farben von Rosario Central, gestrichen wurden. Das soll jedem Besucher sagen, dass man sich im Gebiet der Canallas – der Halunken – befindet. Sie wurden so genannt, weil sie vor langer Zeit ein Angebot für ein Benefizturnier zugunsten einer Lepraklinik abgelehnt hatten, die Newell’s Old Boys jedoch nicht. Fortan trugen jene den Spitznamen Leprosos. »Rosario ist die Stadt der Leprosos«, liest man daher an anderen Häuserwänden, die jetzt in Rot und Schwarz, in den Farben der Newell’s Old Boys, leuchten. Die Fenster der Blechhütten in diesen Außenbezirken zeigen in Richtung Autobahn. Die Gegend ist ärmlich, wie leicht am Zustand der Häuser zu erkennen ist. Man sieht junge Leute, die auf ungepflasterten Straßen ohne Helm alte Motorräder fahren. Fährt man weiter durch die hier wunderschöne Landschaft, entdeckt man in der Ferne Fabriken und andere imposante Gebäude. Jeder Autofahrer gerät ins Schwärmen, wenn er die Landschaft an sich vorbeiziehen sieht. Keiner scheint hier auf Verkehrs- oder Hinweisschilder zu achten, die, wie die Rosarinos sagen, sowieso nur aufgestellt wurden, um den Verkehrsfluss zu behindern. Man kann sich also nie sicher sein, wer nun eigentlich die Vorfahrt für sich beansprucht. Wer als Erster an einer Kreuzung ankommt, der nimmt sie sich einfach.

Dann endlich erscheint die Skyline von Rosario mit ihren unterschiedlich hohen Wolkenkratzern. Bevor man jedoch im Zentrum ankommt, fährt man über eine Allee und sieht plötzlich eine riesig große, moderne Fabrik mit labyrinthisch angeordneten Röhren auf ihrer Fassade. Rosario ist eine der landwirtschaftlich produktivsten Regionen des Landes. In der Gegend werden Getreide und Sojabohnen angebaut.

Danach passiert man den Parque de la Independencia, den der Journalist Eduardo van der Kooy als Ort beschreibt, »an dem die Stadt ihren Charakter und ihre Persönlichkeit zeigt. Am Park führt der elegante Boulevard Oroño vorbei, der einer Postkarte von Paris entstammen könnte. Inmitten alter Laubbäume liegt das Newell’s-Stadion.«

Die Cafés in der Innenstadt haben hohe Decken, große einladende Fenster und kleine gemütliche Tische. Dort sitzen Männer, die nach hübschen Frauen Ausschau halten, während sich die Frauen, auch die älteren, nach jungen, gutaussehenden Männern umdrehen – die natürlich allesamt Fußballprofis sein könnten.

Den Frauen dort sagt man nach, dass der unwiderstehliche Mix aus den serbischen und italienischen Genen ihrer Vorfahren die typischen blonden Schönheiten mit olivfarbener Haut und hellen Augen hervorgebracht habe. Das gute Essen tue ein Übriges für die gesunde und vitale Ausstrahlung der Bewohner, so heißt es. Nur wenige sieht man mit Fußballtrikots auf den Straßen, weder mit Trikots von Newell’s noch von Central, noch von der Nationalmannschaft Argentiniens, obwohl es doch von Fußballplätzen nur so wimmelt. Fast jeder Jugendliche spielt hier Fußball, und das zumeist in mehr als einer Mannschaft. Nach einem Spiel düsen sie dann auf ihrem Motorrad direkt zum nächsten Spiel. Wer in Rosario nicht aktiv Fußball spielt, ist entweder Trainer, Organisator oder Schiedsrichter. Auch die Frauen.

»Die Stadt ist einfach etwas Besonderes, weil hier eine einzigartige Fußballbegeisterung herrscht«, sagt Gerardo »Tata« Martino, ehemaliger Manager der Newell’s Old Boys, der jetzt beim FC Barcelona tätig ist. »Die Stadt produziert Spieler am Fließband, es ist eine regelrechte Fußballerfabrik, die laufend Talente hervorbringt. Die Kinder und Jugendlichen werden hier mit Fußballbegeisterung regelrecht gemästet. Darum ist in Rosario auch die Fußballakademie so wichtig, die so viele Talente fördern konnte, wie etwa Jorge Valdano, Gabriel Batistuta und eine endlose weitere Liste, auf der Lionel Messi nur das Sahnehäubchen ist.«

Er hätte auch Mario Kempes, Abel Baldo, Roberto Sensini, Mauricio Pochettino und viele andere nennen können. Für die Qualifikationsphase der Weltmeisterschaft 2014 sind allein zehn Spieler aus Rosario im festen Kader des argentinischen Nationaltrainers Alejandro Sabella zu finden. Darunter Javier Mascherano, Éver Banega, Ángel di María, Ezequiel Lavezzi, Maxi Rodríguez, Ignacio Scocco, Ezequiel Garay … und natürlich Leo.

Die Fußballerverehrung geht in Rosario so weit, dass die Iglesia Maradoniana gegründet wurde. Sie ist Diego Maradona gewidmet, den die Argentinier als den größten Spieler ihrer Geschichte ansehen und zu dessen Ehren sie jedes Jahr an seinem Geburtstag, dem 30. Oktober, eine Huldigung abhalten. 1993 hatte Maradona kurz bei den Newell’s Old Boys gespielt. Auch Leo war damals in seinem schwarzroten Trikot bei seiner Einführung dabei gewesen.

In Rosario ist Fußball Leben, und Leben ist dort Fußball. Das laut Guinness-Buch der Rekorde meistgefeierte Tor der Welt fiel am 19. Dezember 1971 bei brütender Hitze in einem Spiel zwischen Newell’s und Central. Es war im Halbfinale der landesweiten Meisterschaften und das einzige Mal, dass sich die beiden Teams aus Rosario in der Landeshauptstadt Buenos Aires gegenüberstanden. Beide Mannschaften fanden zuerst nicht richtig ins Spiel, es fiel einfach kein Tor, aber letztendlich zeigten sie dann doch, dass es ihnen um alles oder nichts ging. Dreizehn Minuten vor Spielende gab es ein Foul im Strafraum von Newell’s. Aldo Pedro Poy, der Stürmer von Rosario Central, stand auf einmal vor dem Tor. Noch bevor er den Ball köpfen konnte, rief er einem der Kameramänner etwas zu. Hatte er vielleicht so etwas wie eine Vorahnung? Man kann es nennen wie man will, er sagte auf jeden Fall: »Mach die Kamera klar, den Schuss verwandle ich.« Und genauso kam es auch. Poy rangelte mit seinem Manndecker, konnte ihn abschütteln, sprang dann mit ausgebreiteten Armen und gestrecktem Körper in die Luft und … Tor! Ein Flugkopfball. Was machte es schon, dass der Ball den Bauch des Verteidigers DiRienzo gestreift und den Torwart auf dem falschen Fuß erwischt hatte? Es war ein Tor, ein echtes, und nur das zählte. Der Erzrivale war im entscheidenden Halbfinale geschlagen worden. Central gewann am Ende im Finale. Das war der erste Meisterschaftssieg der Canallas in der Geschichte des Vereins. Noch legendärer als der Sieg blieb aber das Tor von Poy im kollektiven Gedächtnis. Die Organización Canalla, die sich extra aus Anlass dieses Tores gegründet hatte, traf sich dreißig Jahre lang immer am 19. Dezember auf dem Spielfeld im Central-Stadion: An diesem Tag wird der legendäre Spielzug von Poy wiederholt. Heute, so Poy, sei das größte Problem für ihn nicht der Flugkopfball, sondern danach wieder auf die Beine zu kommen.

Das ist Rosario. Das versteht man dort unter Fußballleidenschaft. Es ist die Wiege von Lionel Messi, der nicht aus dem Nichts kam, genausowenig wie Alfredo Di Stéfano oder Diego Maradona. Vielleicht sind es nicht nur ihre argentinischen Gene, die eine Rolle bei ihrer Karriere spielten, aber alle drei sind in einem Land geboren, in dem der Fußball einem jungen Mann nicht nur eine große Zukunft mit Ruhm und Geld verspricht, sondern wo er auch die Träume kleiner Jungen erfüllt, die sich nach Anerkennung in der Familie und in der Nachbarschaft sehnen.

Aber wie Gerardo Martino in der Zeitschrift Panenka schreibt, müssen die Rohdiamanten und Talente, die man in Rosario findet, erst noch geschliffen werden: »Hierfür war die Arbeit von Jorge Griffa ganz entscheidend. Griffa wusste, was gut war, nachdem er selbst nicht mehr spielte. Er hatte keinerlei Ambitionen, Manager eines Teams der Primera, der ersten Liga, zu werden, sondern er wollte Talente entdecken, und das tat er auch. Seit den 1970er-Jahren leistete er für die Newell’s Old Boys 20 Jahre lang vorbildliche Arbeit. Später war er Jugendtrainer bei Atlético Boca in Buenos Aires, aber er verfolgte auch dort immer noch dasselbe Ziel. Dafür engagierte er sogar Assistenten, etwa Marcelo Bielsa. Dieser fuhr durchs ganze Land und suchte nicht nur in Rosario und Umgebung nach verborgenen Rohdiamanten. Tausende Kilometer legte er in seinem kleinen Fiat 147 zurück, stets auf unermüdlicher Mission, die sich für die Leprosos so tausendfach auszahlen sollte. 1988 wurde Newell’s mit Trainer José Yudica Meister, ebenso 1991 und 1992 mit Marcelo Bielsa.« Griffa hatte auch Messis Talent in seiner letztlich nur kurzen Karriere bei Newell’s erkannt.

Überall in Rosario atmet man Fußballluft ein, aber komischerweise liegt Leo Messi hier nicht in der Luft. Es gibt im Straßenbild kaum Abbildungen von ihm und kaum eine Werbeanzeige, auf der sein Konterfei zu bewundern wäre. Jeder kann zwar eine Geschichte über »den Floh« erzählen, aber Rosario scheint nicht mit ihm prahlen zu wollen.

Leo dagegen bedeutet Rosario alles. Wenn man ihn nach seinen schönsten Erinnerungen fragt, sagt er sofort: »Mein Zuhause, in dem ich geboren, und die Nachbarschaft, in der ich aufgewachsen bin.«

Die Familie Messi lebte jahrzehntelag in einem kleinen Haus an der Calle Lavalleja, in einem Vorort circa vier Kilometer südöstlich vom Stadtzentrum. Die Gegend wird La Bajada oder Las Heras genannt. Es ist ein Wohngebiet mit niedrigen Häusern, in denen die Haustüren nie abgeschlossen werden. Aus ihrem Innern erklingen Cumbia-Musik und lautes Lachen. Die Kinder spielen auf der Straße, denn es gibt kaum Verkehr. Die Zeit scheint in Bajada stillzustehen. Dort, in der engen Calle Estado de Israel, steht das Haus Nummer 525, das Jorge Messi mit eigenen Händen erbaut hat.

Sein Vater Eusebio war Maurer, und so erlernte auch Jorge dieses Handwerk. Die beiden Messis arbeiteten jedes Wochenende daran, legten Stein auf Stein für das Gebäude auf dem 300 Quadratmeter großen Grundstück, das die Familie erworben hatte. Zunächst war es einstöckig, so wie die anderen Häuser in der Straße auch, mit einem Sandkasten im Garten hinter dem Haus. Nebenan wohnte Cintia Arellano, die so alt war wie Leo und seine beste Freundin. Mittlerweile wurden die Straßen, die Kanalisation und die Laternen dort erneuert. Leos Wohnhaus hat jetzt ein zweites Stockwerk, einen Zaun (den einzigen in der Straße) und eine Sicherheitskamera, und die Tür bleibt nun fast immer verschlossen.

Im Haus lebten Jorge Messi und Celia Cuccittini mit ihren vier Kindern. Leo erinnert sich im Corriere della Sera: »Das Haus war klein. Es gab eine Küche, ein Wohnzimmer, zwei Schlafzimmer. In einem schliefen meine Eltern, in dem anderen meine Brüder und ich.«

Das war Leos Zuhause. Es lag nicht weit entfernt von einem Gelände, auf dem er immer Fußball spielte. Neben dem Fußballacker gab es einen Kiosk, in dem Matías später jobbte, als Leo schon in Barcelona war. Nicht weit von dort wohnte auch Leos Großmutter Celia, und noch ein Stückchen weiter wohnten seine Cousins. Ganz in der Nähe lebten auch die Großeltern väterlicherseits, Rosa María und Eusebio Messi Baro. Eusebio öffnet noch mit 86 Jahren viele Jahre nach der Rente jeden Morgen seine kleine Bäckerei, die er sich in einem Raum des Hauses, in dem er und seine Frau nun seit 50 Jahren leben, eingerichtet hat.

Alles fing für Leo in dieser Nachbarschaft an. Der Zusammenhalt der Familie war für die Messis und Cuccittinis von großer Bedeutung. Leo liebt seine Eltern, seine Onkel und seine Brüder über alles. Aber am meisten liebt er seine Mutter, deren Gesichtszüge er sich auf den Rücken tätowieren ließ. »Das hat er gemacht, ohne jemandem etwas davon zu sagen«, berichtete sein Vater in Sique Rodríguez’ Buch Educados para ganar (Für den Erfolg geboren), in dem die Eltern der berühmtesten Absolventen der Akademie des FC Barcelona, La Masía, zu Wort kommen. »Eines Tages zeigte er uns dann das Tattoo. Wir sind vor Schreck fast in Ohnmacht gefallen. Wir hatten keine Ahnung. Aber es war sein Körper, und darüber hatten wir nicht zu bestimmen.«

Rosario, La Bajada, das ist Messis Kindheit. Es ist seine Heimat. Und wenn er im Sommer oder an Weihnachten frei hat, dann kehrt er hierher zurück und besucht seine besten Freunde von damals. Jetzt, nachdem er ein großes Anwesen am Stadtrand gekauft hat, trifft man ihn nicht mehr so häufig in der alten Nachbarschaft, aber manchmal wurde er hier auch noch auf dem Fahrrad gesehen. Im Sommer 2013 konnte man ihn mit einem Einkaufswagen voller Muffins, Wein und Knabbergebäck im Supermarkt sehen. Er verbrachte gerade den Tag in der Nähe Rosarios in Gualeguaychú, einem verschlafenen Städtchen, wo die Leute ihn, obwohl er eine Kappe trug, sofort erkannten und ihn fotografieren wollten. Daran musste er sich überhaupt erst gewöhnen. Er hat hier keine Bodyguards bei sich.

Seine langjährige Freundin Antonela Roccuzzo stammt auch aus seiner Heimatstadt. Sie ist die Cousine seines guten Freundes Lucas Scaglia, der für Deportivo Cali in Kolumbien spielt. Er kennt sie, seit er fünf Jahre alt ist. Heute ist sie die Mutter seines Sohnes Thiago. Aber es hätte auch alles anders kommen können. Antonela und Leo waren noch kein Paar gewesen, als er noch irgendein Junge war, der sich um ihre Aufmerksamkeit bemühte, und sie ein kleines Mädchen, das kein Interesse an ihm hatte. Erst, als Leo schon in Barcelona war und in den Ferien zurückkehrte, fing die Romanze richtig an.

Roccuzzo, Scaglia, Messi – und der Mädchenname von Leos Mutter lautet Cuccittini. Es ist schwer zu übersehen: Die Familie hat italienische Vorfahren, die einst aus den Marken in Italien, aus Recanati und Ancona nach Rosario gekommen waren. In Lionels Adern fließt aber auch spanisches Blut. Rosario war ein Ziel für europäische Immigranten; hauptsächlich kamen Italiener und Spanier, die in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts auch die Hälfte der Bevölkerung Rosarios stellten. Eine von Leos Urgroßmüttern, Rosa Matéu i Gese, kam aus Blancafort de Tragó de Noguera in den Pyrenäen, aus der Nähe von Lleida, und war schon als junges Mädchen mit ihren Eltern nach Argentinien emigriert. Bei der Überfahrt über den Atlantik lernte sie einen jungen Mann aus Bellcaire d’Urgell kennen, José Pérez Solé. Wenn man seine Heimat verlässt, dann sind Bindungen sehr wichtig. Sie sind der Rettungsanker in der Fremde. Rosa und José halfen sich beim Heimischwerden im neuen Leben und heirateten schließlich irgendwann in Argentinien. Später bekamen sie drei Kinder, eins davon war Rosa María, die Frau von Eusebio Messi, Jorges Vater.

Kürzlich hat der Corriere della Sera Leo in einem Interview an seinen Stammbaum erinnert:

– Deine Vorfahren kamen aus Recanati, so wie Giacomo Leopardi.

– Wer war das?

– Ein berühmter Dichter: Sempre caro mi fu quest’ermo colle / e questa siepe, che da tanta parte / dell’ultimo orizzonte il guardo esclude.

– Ich habe noch nie von ihm gehört, tut mir leid.

– Vielleicht hast du schon mal von der Madonna di Loreto gehört?

– Nein, tut mir leid.

– Es ist ein berühmtes Gemälde von Caravaggio. Warst du nie neugierig darauf, woher deine Großeltern kommen?

– Nein. Ich glaube, mein Vater war schon mal dort. Er hat unsere Verwandten besucht. Vielleicht fahre ich irgendwann mal dorthin.

– Hast du wenigstens das »Immigranten-Hotel« in Buenos Aires gesehen, das heute ein Museum ist? Dort lebten die meisten italienischen Einwanderer zuerst.

– Nein, das kenne ich nicht.

Daraufhin zeigte ihm der Journalist einige alte Schwarz-Weiß-Fotos von Menschen, die einst in der Pampa ihr Glück versuchen wollten: »Streng dreinblickende Frauen mit Kopftüchern und langen schwarzen Röcken. Dürre Kinder ohne Schuhe. Riesige Kasserollen fürs Essen. Die Männer tragen dunkle Jacken, weiße Hemden und Filzhüte, die Augen ins Ungewisse gerichtet. Mit einem Blick, der würdig wäre, in einem melancholischen Lied beschrieben zu werden.«

Leo schaute sich die Bilder mit verhaltener Neugierde an. Mehr jedoch nicht. Für ihn beginnt und endet alles in Rosario.

Die Familien Messi und Pérez hatten sich in Las Heras niedergelassen. In ihrer Nähe wohnten auch die Familien Cuccittini und Olivera. Das waren die Eltern von Celia, die auch aus Italien stammten. Jorge und Celia hatten sich schon als Nachbarskinder von 15 und 13 Jahren ineinander verliebt und nie gegen ihre Liebe angekämpft. Fünf Jahre später, als Jorge vom Militär zurückkam, heirateten sie.