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Marie Luise Petzold, 91 Jahre alt, ist die Tochter von Fritz Lindemann, General der Artillerie, ermordet 1944. Lindemann gehörte zum engen Kreis der Widerständler des 20. Juli 1944. In ihren Erinnerungen, aufgezeichnet von der Journalistin und Ihrer Schwiegertochter Susanne Petzold, beschreibt Marie Luise Petzold, wie sie als junges Mädchen die Zeit vor und nach dem Attentat auf Hitler erlebt hat. Im Mittelpunkt ihrer Erinnerungen stehen die langen Monate im Kinderheim Bad Sachsa, in dem die Nazis Töchter und Söhne der Mitstreiter um Graf Stauffenberg gefangen hielten.
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Seitenzahl: 124
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Marie-Luise Petzold, 91, lebt nach einigen Zwischenstationen wieder in Hamburg. Sie ist verwitwet, hat zwei Söhne im Alter von 69 und 63 Jahren. Ihre Enkeltöchter sind 36 und 34 Jahre, ihr Enkelsohn ist 19, die kleinen Urenkel sind 2 Jahre und 6 Monate jung.
Die Autorin und Journalistin Susanne Petzold, 63, lebt in Hamburg. Die Mutter zweier Töchter arbeitete bei einer Münchner Tageszeitung als Redakteurin, später als Reporterin bei einer Illustrierten und als freie Journalistin. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, zeitgeschichtliche Erinnerungen von Menschen aufzuzeichnen und für die Nachwelt festzuhalten.
Schweigen legt sich oft wie ein Nebel über Kinder- und Jugendtage unserer Eltern- und Großelterngeneration. Die enormen Belastungen der Vorkriegszeit, des Naziregimes und die folgenden Entbehrungen bis weit in die 50er Jahre sind prägend. Jahrzehntelang geht es vor allem um das Durchhalten und Weitermachen, kommentarlos, ohne Ängste und Schwächen zu kommunizieren. Erst viele Jahre, meistens Jahrzehnte später kippt diese mentale Abschottung. Erinnerungen werden ausgesprochen, die emotionale Unerreichbarkeit der Kriegsgeneration gegenüber ihren Kindern und Kindeskindern beginnt sich zu lockern.
1942 Schloss Namedy
Mutter und ihre Familie
Vater
Der General
Zweifel
Widerstand
Die Katastrophe
Abschied von der Burg
Der 20. Juli 1944
Sippenhaft
Dresden – Berlin
500.000 Reichsmark Kopfgeld
Leben um jeden Preis
Bad Sachsa
Mutter
Ostern 1945
Verhöre
Weihnachten 1944
Ostern 1945
Tübingen
Zurück auf Namedy
Nach dem Krieg
Schule
Urlaub in der Schweiz
Hamburg
Anhänge
Danksagung
Literaturverzeichnis
In Europa wütet der Zweite Weltkrieg, im Juni startet das Deutsche Reich die große Sommeroffensive auf dem Kaukasus, das »Unternehmen Blau« soll die Rote Armee vernichten. Mitte November stoßen Wehrmacht, Waffen-SS und Luftwaffe bis nach Stalingrad vor. 95.000 Rotarmisten geraten in deutsche Kriegsgefangenschaft.
Bereits im Januar 1942 beschließen Vertreter von SS, NSDAP und Regierungsmitglieder im Berliner Vorort Wannsee auf einer Konferenz die koordinierte Deportation von rund elf Millionen europäischer Juden in Vernichtungslager. Tötungszentren im besetzten Polen sind bereits in Betrieb oder befinden sich noch im Bau: Auschwitz-Birkenau, Treblinka, Chelmno, Belzec, Majdanek oder Sobibor.
Am 14. Februar ordnet die englische Militärführung mit der Ernennung von Arthur Harris zum Befehlshaber des britischen Bomber Command gezielte Luftangriffe »ohne Einschränkung« auf die deutsche Zivilbevölkerung an.
Generalmajor Fritz Lindemann und seine Ehefrau Lina sind sich einig: Der Standort Hamburg ist nicht mehr sicher. Zusammen mit ihrer damals achtjährigen Tochter Marie-Luise lebt die Familie in einer großzügig ausgestatteten Acht-Zimmer-Etagenwohnung in der Maria-Louisen-Straße im feinen Hamburg-Winterhude. Die Nähe zur Nordsee und die Konzentration von Schiffsbau und Schwerindustrie machen die Hansestadt zu einem attraktiven Ziel alliierter Luftanschläge. Die Eheleute beschließen ihre private Kinderverschickung, im Frühsommer bringt Lina Lindemann ihre Tochter zu ihrer Schwester Ilse-Margot von Hohenzollern-Sigmaringen nach Burg Namedy (siehe Anhang). Das Schloss liegt bei Andernach im Landkreis Mayen-Koblenz in RheinlandPfalz. Nur im innersten Kreis der Familie glauben Fritz und Lina Lindemann ihre Tochter behütet.
Marie-Luise erinnert sich: »Das hat meine Mutter so mit meinem Vater besprochen. Mit der Bahn fuhren Mutter und ich nach Andernach. Und dann zum Schloss. Am nächsten Morgen war sie weg, einfach so. Sie hat mir nichts erklärt, davor nicht und danach ebenso wenig. Sie hat mich bei Tante Ilse abgestellt. Tante Ilse war keine Fremde für mich, wir hatten ihr und ihrer Familie schon in den Jahren davor einige Besuche abgestattet. Es waren liebe Verwandte. Aber, man wurde ja nicht gefragt damals. Und schon gar nicht auf etwas vorbereitet. Ich wäre auch nie auf die Idee gekommen zu fragen. Das gab es nicht.
Burg Namedy war im Besitz von Onkel Albrecht (von Hohenzollern) und Tante Ilse. Ein richtiges Schloss (seit 1909 Eigentum der Hohenzollern) mit großen Räumen: Der Keller war der wichtigste Ort; hier verbrachten wir viele Stunden, wenn Fliegeralarm war. Es war gruselig und scheußlich dort, Fledermäuse schwirrten durch die obligatorischen Weinvorräte. Ich fand sie furchterregend. Im Erdgeschoss gab es einen prächtigen Rittersaal und ein riesiges Esszimmer mit einem unglaublich langen Esstisch, an dem alle Mahlzeiten eingenommen wurden. Hier fanden auch die herrlichen Eierkuchen-Wettessen statt. Meine Cousine Puppi hat immer gewonnen. Die Köchin, sie hieß Gertrud, hat sie gebacken, in einer großen gusseisernen Pfanne, ganz süß und dick mit saftigen Äpfeln aus dem Schlossgarten.
Unten und oben gab es viele Kachelöfen, die Burg war immer schön warm, im Sommer und im Winter. Ich schlief oben hinter einem Schrank und durfte ein altmodisches Bad mitbenutzen. Puppi lag neben mir und Tante Ilse auch; dann gab es einen Durchgang, da stand Godeharts Bett. Godehart war der jüngste Sohn von Albrecht und Ilse, das verwöhnte Nesthäkchen. Namedy war kinderfreundlich und besonders. Es gab einige Räume, die nicht betreten werden durften, warum auch immer. Das barg etwas Geheimnisvolles, aber wir Kinder hatten uns an die Regeln zu halten.
Spannend war die Wendeltreppe hoch zum Dachboden, an der ein dickes Seil befestigt war; ein wunderbarer Spaß sich daran nach unten ins Parterre abzuseilen. Puppi, meine vier Jahre ältere Cousine, war fast immer an meiner Seite, sie war meine engste Vertraute in meinem neuen Zuhause in Andernach. Richtig hieß sie Rose-Margot. Mit ihren größeren Geschwistern Lütty ( Josephine) und Medi (Dorothee) hatte ich nicht viel zu tun, und Godehart, der kleine Nachzügler-Prinz und eindeutig das Schoßkind der Familie, saß immer im Klappstuhl neben seinen Eltern an der ehrwürdigen Tafel. Albrecht und Ilse hatten sehr jung mit 21 und 18 geheiratet. Ilse war nie herzlich, nicht so wie meine Mutter, die ich jeden Tag so vermisste. Albrecht war sehr nett, oft stopfte er beim Essen riesige Salatblätter in sich hinein und verschlang Berge von Gertruds knusprigen Bratkartoffeln.
Mit Puppi war ich stundenlang im Schlossgarten, wo Äpfel- und Pflaumenbäume wuchsen. Wir kletterten auf Kirschbäume mit Holzleitern; dort saßen wir stundenlang und ließen uns die süßen Kirschen schmecken. Ich bekam irgendwann immer Bauchweh davon, Puppi nie. Was hatte sie für einen Magen! Während ich nach einem halben Pfannkuchen kapitulierte, schaffte meine Cousine mindestens einen ganzen bei unseren Wettessen.
Die Burganlage war sehr gepflegt, besonders die Gemüseplantagen, für die Hausangestellte sowie Fremd- und Zwangsarbeiter aus Polen verantwortlich waren. Letztere erhielten dafür freie Kost und Logis. Wir durften sie nicht ansprechen und sie uns auch nicht; alle waren dazu angehalten, alle Türen stets verschlossen zu halten.
Für die Ackerarbeit gab es Kaltblüter, Onkel Albrecht besaß dazu noch drei Reitpferde. Einmal bin ich mit Puppi auf so einem gutmütigen Arbeitstier zusammen nach Hause geritten. Das Pferd sollte einen Karren ziehen. Das hat mir Spaß gemacht, man konnte richtig hinaufkrabbeln. Als Puppi mir allerdings vorschlug, doch einmal eines der Reitpferde auszuprobieren, musste ich passen: Kannst dich ja auch mal draufsetzen …? Ich beließ es bei einem kurzen Versuch, stieg schnell wieder ab, ich hatte viel zu großen Respekt vor so einem imposanten Tier.
Es gab Hunde und Katzen, viele Hühner, die überall im Garten herumliefen. Einmal wurde eines geschlachtet, so Kopf ab mit dem Messer. Danach tollte es wie ein Federball hin und her. Das waren natürlich die Nerven.
Namedy war autark, zur Anlage gehörten auch Kuh- und Schweineställe, in denen die Fremdarbeiter ebenfalls arbeiteten. Sie waren nicht wegzudenken, für einen landwirtschaftlichen Zusatzbetrieb absolut erforderlich. Wie die meisten Angestellten waren sie in einem einfachen Haus mit Flachdach untergebracht. Gertrud und Marianne allerdings hatten ihre Kämmerchen in der Burg. Marianne half in der Küche, war aber hauptsächlich für alle Zimmer wie dem Herrichten der Betten zuständig.
Für mich als Stadtkind war das Leben auf dem Land sehr aufregend, wenn zum Beispiel auf dem großen Hof ein Schwein geschlachtet wurde. Das war Gertruds Stunde! Ein richtiges Schlachtfest. Das kräftige, rosa Tier wurde ausgenommen und sofort in die Küche gebracht. Das fand ich überhaupt nicht schlimm. Gertrud hat mit feinen Gewürzen herrlich schmeckende Blutwürste zubereitet. Namedy konnte sich selbst versorgen, es gab dort immer gutes Essen.
Es wurde oft gemetzgert, davon berichtete ich auch meinem Vater in meinen Briefen: Lieber Papi, heute haben wir ein Schwein geschlachtet, das essen wir jetzt auf! Vater und ich, wir hatten so eine bestimmte Verbindung miteinander, obwohl wir nie viel voneinander hatten. In meinen Briefen erzählte ich nur, was ich erlebt hatte, nie aber das, was ich fühlte. Ich wusste ja nie etwas von meinem Vater, nichts von den Verhältnissen, in denen er sich bewegte, was er tat, wo er war. Ich hatte einfach nicht die geringste Idee, was los war, warum ich auf Namedy war, weshalb Mutter so selten kam und mein Vater eigentlich nie. Meine eigene, kleine Wahrheit traute ich mich nicht zu äußern. Vater mit seinem feinen Spürsinn muss von alldem eine Ahnung gehabt haben. In einem Brief an meine Mutter schrieb er 1942: Ob die Lütte wohl gern dort (Namedy) ist?
Puppi war vier Jahre älter, manchmal spürte ich das; aber wir waren immer zusammen, tobten in den Plantagen oder bastelten uns einen Hochsitz in einer Eiche. Im Park ging einmal eine Bombe ab, ein Blindgänger, der kantige Krater war ziemlich interessant. Lange standen wir drum herum und machten uns unseren eigenen Reim darauf.
Unvergessen bleiben unsere Schwimmausflüge im Rhein, bis heute verstehe ich nicht, wie Tante Ilse das erlauben konnte. Ich war erst acht. Der Fluss war fast eine Viertelstunde vom Schloss entfernt. Am sandigen Ufer angekommen, schnürten wir uns Schwimmgürtel aus Kork um die Taillen und sprangen in das kalte Wasser. Was für ein Spaß das gewesen war! Vor allem in den heißen Sommern! Die Strömung war unheimlich, wir ließen uns treiben, oft an übermächtig anmutenden Schiffen und Kähnen vorbei, die schwarzen Bordwände mit rostigen Flecken waren unheimlich. Ganz woanders kamen wir wieder aus dem Wasser. Was da hätte alles passieren können! Wir rannten zurück und das Spiel begann erneut. Tante Ilse muss wirklich großes Vertrauen in uns gehabt haben.
Im Rhein sah ich meinen ersten Toten. Puppi und ich waren im Schlosspark, da kam jemand angerannt und berichtete ganz laut, ein amerikanisches Kampflugzeug sei in den Rhein gestürzt. Zwei Männer seien fast ertrunken, der Bomber müsse aus dem Wasser gezogen werden. Das mussten wir sehen! Ich war so aufgeregt, unbedingt wollte ich meine Puppe und den Puppenkoffer, den ich immer bei mir hatte, mit runter an den Fluss nehmen. Wir rannten, unterwegs ging mein Köfferchen auf, hastig klaubte ich alles zusammen, was meine Puppe zum Anziehen hatte, und kam gerade noch rechtzeitig, um einen Blick auf den noch lebenden, schwer verletzten Piloten werfen zu können: Ein paar Männer hatten ihn auf einen kleinen Holzwagen gelegt und davongeschoben, wahrscheinlich wollten sie ihn nach Andernach oder Koblenz ins Krankenhaus bringen. Ich kann nicht sagen, dass der Verwundete mir leidgetan hat, eigentlich habe ich nur gestaunt. Das Flugzeug war im Rhein verschwunden, den toten Piloten sah ich aus den Augenwinkeln.
Danach sollte ich noch viele Tote sehen.«
»Meine Mutter, im kultivierten Freundeskreis ihrer Eltern in Potsdam aufgewachsen, war stark und selbstbewusst; sie konnte zupacken, heute würde man sagen, sie stand mitten im Leben. Wie viele Frauen ihrer Generation dachte sie lieber an das Hier und Jetzt als an die Vergangenheit. Sie konnte so liebevoll sein und unberechenbar zugleich; wenn sie mich auf Namedy besuchen kam und dann immer ohne Ankündigung verschwand.
Mutter war sehr eng mit ihren Schwestern Ilse und Rosi. Onkel Albrecht war sehr musikalisch, er komponierte selbst am Flügel, stammte aus einer sehr wohlhabenden, belgischen Familie und hatte furchtbar viel geerbt. Seine Mutter Josephine von Belgien ging ins Kloster, wo sie auch starb. Albrecht war stets nett und lieb, sehr herzlich im Gegensatz zu Ilse. Das mit ihr war nicht so ganz das Richtige, das sagten die anderen auch. Onkel Albrecht war oft an der Ostfront. Wieder zuhause, lud er zu Konzerten und Soireen mit viel Musik und Spielen – reichlich Arbeit für Marianne, die Zimmer mit feiner Bettwäsche für Übernachtungsgäste herzurichten hatte. Diese Hauskonzerte im Spiegelsaal waren große Ereignisse: Wir Kinder wurden angehalten ordentlich zu erscheinen, alles war unglaublich interessant. Geladen waren festlich gekleidete Freunde und Musiker, die Organisation meiner Tante war bis ins kleinste Detail durchdacht.
Einmal schlug einer der Gäste einen Ausflug auf den Dachboden des Schlosses vor, wegen der atemberaubenden Sicht auf das Rheintal. Oben angelangt, stieß jemand auf ein Wespennest. Was für ein heilloses Durcheinander! Die Insekten stoben auseinander, in alle Richtungen, und machten sich über die Gäste her. Wirklich jeder wurde gestochen, in Panik geraten, versuchten alle die Wendeltreppe hinunterzueilen. Ein unfassbares Geschrei, groß der Tumult! Ich hatte drei Stiche, mit Puppi rannte ich ins Badezimmer, wo Tante Ilse jeden Gast verarztete und Zuckerstücke auf die Stiche legte. Die süßen Teilchen wurden erhitzt und sorgten leicht aufgelöst für Linderung. Glücklicherweise wurde auch niemand an den Treppen verletzt.
Anfänglich besuchte ich nahe des Schlosses eine Grundschule. Dorthin musste auch Peter Aschke, der Sohn von Tante Rosi, der wie ich aus Sicherheitsgründen nach Namedy gebracht worden war. Peter war so unglücklich wie ich, er vermisste seine Familie. In der Schule lernten wir nichts. Unterrichtet wurden dort die Dorfkinder, die wussten gar nichts, damals war ich Klassenbeste. Kein Wunder. Mein Vater sorgte schließlich dafür, dass ich auf der Burg wie Puppi von Fräulein Mende privat unterrichtet wurde. Immer trug er die Sorge in sich, ich könnte nicht genug lernen. Fräulein Mende schrieb die Zeugnisse mit der Hand, sie versorgte mich mit einer Grundausrüstung in Lesen, Rechnen und Schreiben, ab und zu gab es ein Diktat. Vater fand die Lehrerin nicht vertrauensvoll, meiner Mutter gegenüber hegte er Zweifel: »Hoffentlich lernt sie da auch …? Ebenso war er mit den Klavierstunden einverstanden. Das war mein großer Wunsch, natürlich wollte ich es Puppi gleichtun. Später, wieder in Hamburg, spielte ich auch, so lange, bis Mutter unseren Flügel verkaufen musste, wir hatten nichts mehr zu essen. Peter musste weiter in die Schule, er fand es furchtbar dort, mit den ganzen Dorfdeppen, wie er sie nannte.«
»Vater war immer so ruhig und besonnen. Bei ihm fühlte ich mich sicher. Aber leider sahen wir uns nur sehr selten. Und die wenigen Male, die ich uns beide zusammen sehe, waren wir uns sehr nah. Ich erinnere seine Liebe zu Pferden. Vater war ein begeisterter Springreiter, sein Favorit hieß Wotan.
Er war groß, schlank, immer akkurat, perfekt gekleidet. Das Haar wie frisch vom Friseur.
Rückblickend war er wie ein Mann mit zwei Gesichtern: mein einfühlsamer Vater und dann diese Person, von der ich erst viele Jahre später immer mehr erfahren sollte; die etwas ganz anderes war als das Bild, das ich von meinem Vater hatte: Mindestens so bemerkenswert wie seine liebevolle Art mit mir war das, was er mir nicht erklärte. Wie Mutter erschien er auf der Burg unangemeldet, reiste in den frühen Morgenstunden ohne Gruß ab.«
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