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Dr. Jill B. Taylor

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Beschreibung

Eine Hirnforscherin erzählt, wie ein Schlaganfall ihr Weltbild auf den Kopf stellte. Dr. Jill B. Taylor ist 37, als eine Ader in ihrem Gehirn platzt und sie aufgrund dieser schweren Blutung einen Schlaganfall erleidet, der ihre linke, rationale Gehirn-Hälfte blockiert. Die renommierte Hirnforscherin erfährt am eigenen Körper, was Schlaganfall-Patienten erleben. Raum und Zeit verlieren jegliche Bedeutung für sie, sie kann sich nicht mehr verständigen und lebt nur noch im Augenblick. Über 8 Jahren hinweg erarbeitet sie sich schrittweise ihre vollständige Heilung. Fasziniert beobachtet die Forscherin die Funktionsweise des Gehirns und gewährt damit einen bisher nie beschriebenen Innenblick. Anhand ihres Schicksals erklärt sie, was genau bei einem Schlaganfall passiert und wie Heilung möglich sein kann. Die beeindruckende Lebensgeschichte einer Frau, die durch ihren eigenen Schlaganfall zu der Erkenntnis kam, dass das menschliche Gehirn spirituelle Fähigkeiten in sich birgt, die unsere Vorstellungskraft sprengen.

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Seitenzahl: 231

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Jill B. Taylor

Mit einem Schlag

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Inhaltsübersicht

Ich widme dieses Buch [...]Herz zu Herz, Gehirn zu Gehirn1 Mein Leben vor dem Schlaganfall2 Wie das Gehirn funktioniert3 Asymmetrien in den beiden Gehirnhälften4 Tag eins: Der Morgen des Schlaganfalls5 Strategien zu meiner Rettung6 Rückkehr in die Stille7 Notaufnahme8 Neurologische Intensivstation9 Tag zwei: Der Morgen danach10 Tag drei: Die Liebe meiner Mutter11 Warten auf die Operation12 Der neurochirurgische Eingriff13 Was ich am meisten brauchte14 Meilensteine auf dem Weg zum Gesundwerden15 Grundlegende Erkenntnisse16 Rechte und linke Gehirnhälfte17 Die freie Entscheidungskraft18 Nervenzellen und multidimensionaler Schaltkreis19 Tiefer innerer Frieden20 HerzbewusstseinAnhangVierzig dringende Appelle an meine UmweltDer Brain-Bank-Jingle
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Ich widme dieses Buch G. G.

Danke, Mutter, dass du mich unterstützt hast, meine Gehirnfunktionen wiederherzustellen. Was ist das für ein Glück, deine Tochter zu sein.

 

Und Nia zum Gedenken. Nur kleine Hunde können so lieben.

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Einleitung

Herz zu Herz, Gehirn zu Gehirn

Jedes Gehirn hat eine Geschichte, und hier erzähle ich Ihnen die meine. Vor zehn Jahren arbeitete ich an der Harvard Medical School in der Forschung und brachte jungen Medizinern etwas über das menschliche Gehirn bei. Am 10. Dezember 1996 bekam ich jedoch selbst eine Lektion erteilt. An jenem Morgen erlitt ich einen Schlaganfall in der linken Hirnhälfte. Aufgrund einer bislang nicht erkannten erblichen Fehlbildung der Blutgefäße in meinem Kopf war unerwartet eine Arterie geplatzt.

Während eines Zeitraums von vier Stunden konnte ich als wissbegierige Hirnforscherin und Neuroanatomin an mir selbst beobachten, wie sich meine Fähigkeit, Informationen zu verarbeiten, rapide verschlechterte. Am Ende dieses Vormittags konnte ich weder gehen, reden, lesen, schreiben noch mich an irgendetwas aus meinem Leben mehr erinnern. Zusammengekrümmt wie ein Embryo, spürte ich, wie ich mich innerlich auf den Tod vorbereitete, und ich hätte nie gedacht, dass ich meine Geschichte später je anderen Menschen erzählen könnte.

Dieses Buch ist eine chronologische Dokumentation der Reise, die ich in die Abgründe eines stummen Gehirns gemacht habe, an einen Ort tiefen inneren Friedens. In diesem Buch verbinde ich akademische Ausbildung mit persönlicher Erfahrung und Erkenntnis. Soweit ich weiß, ist dies der erste dokumentierte Bericht eines Menschen, dessen Beruf die Hirnforschung ist und der sich von einer schweren Hirnblutung wieder vollständig erholt hat. Ich bin froh, dass ich meine Erfahrungen der Welt mitteilen kann.

Ich bin dankbar, am Leben zu sein. Anfangs habe ich die Belastungen während der langen Genesungszeit ertragen, weil so viele Menschen mich mit bedingungsloser Liebe unterstützt haben. Und mit den Jahren bin ich dem Projekt treu geblieben – zum Beispiel wegen einer jungen Frau, die mich verzweifelt kontaktierte, weil sie verstehen wollte, warum ihre Mutter nicht die Notrufnummer gewählt hatte, als sie einen Schlaganfall hatte (an dem sie dann gestorben ist). Oder wegen eines alten Herrn, der sich große Sorgen machte, dass seine Frau, die vor ihrem Tod im Koma lag, schrecklich gelitten haben könnte.

Stundenlang saß ich am Computer (meinen treuen Hund Nia auf dem Schoß) und beantwortete zahllose Anfragen von Menschen, die bei mir Rat und Hoffnung suchten. Ich setzte diese Arbeit fort, weil jedes Jahr allein in Deutschland 250000 Menschen einen Schlaganfall erleiden. Wenn nur ein einziger Mensch, der das Kapitel »Tag eins: Der Morgen des Schlaganfalls« gelesen hat, die beschriebenen Symptome später dann erkennt und so schnell wie möglich Hilfe ruft, dann haben sich meine Bemühungen in den letzten zehn Jahren mehr als gelohnt.

Mein Buch lässt sich in vier Teile gliedern. Der erste Teil umfasst die Kapitel 1 bis 3. Das Eingangskapitel, »Mein Leben vor dem Schlaganfall«, führt Ihnen vor Augen, wie ich war, bevor mein Gehirn sich abmeldete. Ich beschreibe, warum und wie ich Neurowissenschaftlerin geworden bin, und mache Sie mit meinen Interessen und meinen persönlichen Zielen vertraut. Ich war Hirnforscherin in Harvard, im nationalen Vorstand der NAMI(National Alliance on Mental Illness) und reiste als Singin’ Scientist durch die Vereinigten Staaten. Diese kurze persönliche Vorstellung wird ergänzt durch einen einfachen medizinischen Abriss, der Ihnen helfen soll zu verstehen, was am Morgen des Schlaganfalls biologisch in meinem Gehirn vor sich ging.

Wenn Sie sich jemals gefragt haben, wie es wohl sein mag, einen Schlaganfall zu erleiden, dann werden Sie in dem mit »Der Morgen des Schlaganfalls« beginnenden zweiten Teil (Kapitel 4 bis 9) spannende Details erfahren. In diesen Kapiteln nehme ich Sie auf eine sehr ungewöhnliche Reise mit in die schrittweise Verschlechterung meiner Denk- und Erkenntnisfähigkeit, so, wie ich sie mit den Augen einer Wissenschaftlerin gesehen habe. Während die Blutung in meinem Gehirn immer größer wurde, konnte ich die kognitiven Defizite der jeweiligen biologischen Funktion genau zuordnen, und ich muss sagen, dass ich als Wissenschaftlerin während des Schlaganfalls ebenso viel über mein Gehirn und seine Funktionsweise in dieser Situation gelernt habe wie in all den Jahren zuvor an der Universität. Am Ende dieses Morgens nahm mein Bewusstsein nur noch wahr, dass ich eins war mit dem Universum. Seitdem weiß ich, wie man eine »mystische« oder »metaphysische« Erfahrung haben kann – im Hinblick auf die Funktionsweise und Anatomie des Gehirns.

Wenn Sie jemanden kennen, der einen Schlaganfall oder ein anderes Hirntrauma erlitten hat, dann können die Ausführungen über meine Genesung (Kapitel 10 bis 14) von unschätzbarem Wert sein. Hier berichte ich chronologisch von der Wiederherstellung sämtlicher Funktionen meines Gehirns. Im Anhang liste ich außerdem auf, was zur Heilung notwendig ist (und was nicht).

Schließlich beschreibe ich, was mich der Schlaganfall über mein Gehirn gelehrt hat (Kapitel 15 bis 20). Der Schlaganfall war hierbei das traumatische Ereignis, das mich zu Einsicht und Erkenntnis führte. In diesem Buch geht es um die Einzigartigkeit und Widerstandsfähigkeit des menschlichen Gehirns, weil es sich ständig an Veränderungen anpassen und seine Funktionen wiederaufnehmen kann.

Zuletzt geht es um die Reise in das Bewusstsein meiner rechten Gehirnhälfte, wo ich mich von einem tiefen inneren Frieden umgeben fühlte. Ich habe intensiv daran gearbeitet, meine linke Gehirnhälfte wieder zu aktivieren, um auch anderen dabei zu helfen, ebenfalls diesen inneren Frieden zu empfinden – ohne dass sie einen Schlaganfall erleiden müssen.

Ich hoffe, Ihnen gefällt diese Reise!

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1Mein Leben vor dem Schlaganfall

Ich bin Neuroanatomin und Hirnforscherin. Aufgewachsen bin ich in Terre Haute, Indiana. Einer meiner Brüder, nur achtzehn Monate älter als ich, litt an Schizophrenie. Offiziell wurde die Krankheit bei ihm erst mit einunddreißig Jahren diagnostiziert, aber es machten sich schon früher deutliche Anzeichen von Psychose bei ihm bemerkbar. Als wir Kinder waren, nahm er die Realität völlig anders wahr als ich, und weil er sich auch anders benahm, faszinierte mich das menschliche Gehirn relativ früh. Ich fragte mich, wie es sein konnte, dass mein Bruder und ich die gleiche Situation so unterschiedlich auslegen konnten. Dieser Unterschied in Wahrnehmung, Informationsverarbeitung und Ergebnis veranlasste mich, Hirnforscherin zu werden.

Mein Studium begann ich Ende der siebziger Jahre an der Indiana University in Bloomington. Aufgrund der Erlebnisse und Erfahrungen mit meinem Bruder wollte ich unbedingt verstehen, was »normal« auf neurologischer Ebene bedeutete. Zu dieser Zeit war Hirnforschung noch ein derart neues Gebiet, dass man sich an der Universität nicht einmal darauf spezialisieren konnte. Durch mein Studium lernte ich so viel ich konnte über das menschliche Gehirn.

Mein erster richtiger Job in der Welt medizinischer Forschung erwies sich als großer Segen. Ich wurde als Laborantin im Terre Haute Center for Medical Education eingestellt, das zur Indiana University School of Medicine gehört und sich auf dem Campus der Indiana State University befindet. Ich teilte mir die Zeit gleichmäßig auf zwischen dem Labor für makroskopische Anatomie und dem Forschungslabor für Neuroanatomie. Zwei Jahre lang befasste ich mich mit medizinischen Studien und lernte, mich für das Sezieren des menschlichen Körpers zu begeistern.

In den folgenden sechs Jahren war ich im Doktorandenprogramm des Department of Life Science eingeschrieben. Ich hatte hauptsächlich medizinische Seminare belegt und forschte vor allem in der Neuroanatomie.

1988 wurde bei meinem Bruder offiziell Schizophrenie diagnostiziert. Biologisch gesehen ist er mir der Nächste im gesamten Universum. Ich wollte verstehen, warum sich meine Träume mit der Realität in Verbindung bringen ließen und warum das bei meinem Bruder nicht der Fall war. Was lief in seinem Gehirn so grundlegend anders ab? Mit Feuereifer stürzte ich mich in die Forschungen über Schizophrenie.

Nach der Promotion wurde mir an der Harvard Medical School eine neurowissenschaftliche Stelle angeboten. Zwei Jahre arbeitete ich mit einem Kollegen an der Lokalisierung des mediotemporalen Areals, das im Gehirn eine wichtige Rolle bei der Wahrnehmung von Bewegung spielt. Ich war an diesem Projekt vor allem deshalb interessiert, weil auffällig viele Menschen mit Schizophrenie abnorme Augenbewegungen haben, wenn sie bewegte Objekte beobachten.

Nach Abschluss dieser Forschung über den Sitz des mediotemporalen Areals im menschlichen Gehirn[1] erfüllte ich mir einen langgehegten Wunsch und wechselte in die Psychiatrie. Mein Ziel war es, im Labor von Dr. Francine M. Benes im McLean Hospital zu arbeiten. Francine Benes ist eine weltbekannte Kapazität in der Post-mortem-Erforschung des menschlichen Gehirns im Hinblick auf Schizophrenie. Ich stellte mir vor, auf diese Weise Menschen helfen zu können, die an der gleichen Hirnerkrankung leiden wie mein Bruder.

In der Woche bevor ich 1993 meine neue Stelle am McLean Hospital antrat, flogen mein Vater und ich nach Miami, um an der jährlichen Konferenz der National Alliance on Mental Illness (NAMI) teilzunehmen.[2] Wir wollten auf dieser Tagung mehr über NAMI erfahren und darüber, was wir selbst dazu beisteuern könnten. Das Ziel von NAMI ist es, zur Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit Geisteskrankheiten beizutragen. Damals gehörten der Organisation etwa 40000 Familien mit einem psychisch kranken Angehörigen an. Heute sind es etwa 220000 Familien. Diese Reise nach Miami veränderte mein Leben. Wir trafen auf eine Gruppe von etwa 1500 Leuten, die sich aus Eltern, Geschwistern, Kindern und Menschen zusammensetzte, bei denen Familienmitglieder an schwersten geistigen Erkrankungen litten. Erst durch den Kontakt mit anderen Menschen, deren Angehörige geistig erkrankt waren, wurde mir klar, welchen Einfluss die Erkrankung meines Bruders auf mein Leben gehabt hatte. Auf dieser Tagung lernte ich Menschen kennen, die verstanden, welche Angst die Schizophrenie meines Bruders in mir auslöste. Sie verstanden die Bemühungen meiner Familie, ihm die bestmögliche Behandlung zuteil werden zu lassen. Sie setzten sich als Organisation gegen soziale Ungerechtigkeit und die Stigmatisierung ein, mit denen Geisteskrankheiten belegt werden. Sie hatten Informationsmaterial, das sowohl sie selbst als auch die Öffentlichkeit über die biologischen Grundlagen dieser Erkrankungen aufklärte. Und sie hatten sich mit Hirnforschern zusammengetan, damit Heilmethoden gefunden werden konnten. Mein Gefühl sagte mir, dass ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Ich war Wissenschaftlerin und hatte als Angehörige das dringende Bedürfnis, Menschen wie meinem Bruder helfen zu wollen. In gewisser Weise hatte ich nicht nur eine Sache gefunden, der ich mich mit Leidenschaft widmen konnte, sondern auch eine erweiterte Familie.

In der Woche nach der Tagung in Miami trat ich meine neue Stelle im Labor für Strukturelle Neurowissenschaften an, dem Forschungsschwerpunkt von Dr. Francine Benes. Francine, die ich liebevoll »Königin der Schizophrenie« nenne, ist eine großartige Wissenschaftlerin. Es war allein schon eine Freude für mich, ihr beim Erforschen und Zusammensetzen der einzelnen Puzzleteile zuzusehen. Ich empfand es als Privileg, ihre Kreativität, Hartnäckigkeit, Präzision und Effizienz bei der Leitung eines Forschungslabors erleben zu dürfen. Für mich war dieser Job ein Traum, und ich hatte das Gefühl, eine wirklich sinnvolle Arbeit zu tun.

Am ersten Tag jedoch bekam meine Begeisterung gleich einen kleinen Dämpfer, als ich erfuhr, dass nicht genügend Gehirne für die Post-mortem-Forschung zur Verfügung stünden. Ich traute meinen Ohren nicht. Gerade war ich mit Hunderten von Familien von geistig erkrankten Angehörigen zusammen gewesen. Dr. Lew Judd, ein prominenter Arzt, hatte die Podiumsdiskussion moderiert, und einige führende Wissenschaftler hatten ihre Forschungsergebnisse präsentiert. Da sich NAMI-Familien untereinander über Hirnforschung austauschen, konnte ich mir nicht vorstellen, dass es einen Mangel an gespendetem Gewebe geben sollte. Wenn die Familien der NAMI-Organisation erst einmal wüssten, dass das Forschungsmaterial knapp war, würden sie mit Sicherheit für Abhilfe sorgen.

1994, ein Jahr später, wurde ich in den Vorstand der nationalen NAMI-Organisation berufen, was für mich eine große Ehre war, zugleich jedoch auch viel Verantwortung bedeutete. Ich legte natürlich besonderen Wert darauf, dass der Hirnforschung immer genügend Gewebe für Untersuchungen zur Verfügung stand. Damals waren die Mitglieder in der NAMI im Durchschnitt siebenundsechzig Jahre alt. Ich war erst fünfunddreißig und stolz darauf, das jüngste Vorstandsmitglied zu sein. Voller Energie stürzte ich mich in die Arbeit.

Von nun an nahm ich an den jährlichen Konferenzen im ganzen Land teil. Bevor ich dieses Amt übernahm, erhielt das Harvard Brain Tissue Resource Center (die Brain Bank, eine Hirn-Forschungsbank), das direkt neben dem Labor von Francine Benes lag, weniger als drei Gehirne pro Jahr von psychiatrisch kranken Verstorbenen. Das war kaum genug Gewebe für Francines Labor, geschweige denn, um andere Labors mit Material zu versorgen.

Innerhalb weniger Monate nach Aufnahme meiner Reise- und Vortragstätigkeit begann die Anzahl zu steigen. Zurzeit werden 25 bis 30 Gehirne pro Jahr gespendet. Allerdings könnte die Wissenschaft gut 100 pro Jahr brauchen. Mir war klar, dass beim Thema »Hirnspenden« die meisten Zuhörer zusammenzuckten, wenn sie realisierten: »O Gott, sie will tatsächlich mein Gehirn!« Darauf erwiderte ich: »Ja, schon, aber keine Sorge, ich habe es nicht eilig!« Um dem Ganzen die Schärfe zu nehmen, schrieb ich einen Jingle für die Brain Bank und begann mit meiner Gitarre als Singin’ Scientist herumzureisen. [3] Wenn das Thema Hirnspenden näherrückte und die Spannung im Saal stieg, nahm ich einfach meine Gitarre und sang. Das entkrampfte die Stimmung, öffnete die Herzen, und ich konnte meine Botschaft an den Mann und die Frau bringen.

Meine Stellung bei der NAMI gab meinem Leben einen Sinn und wirkte sich auch positiv auf meine Arbeit im Labor aus. Im Rahmen meines ersten Forschungsprojekts arbeitete ich mit Francine Benes an der Sichtbarmachung dreier verschiedener Neurotransmittersysteme im gleichen Gewebeteil. Neurotransmitter sind Botenstoffe, über die die Hirnzellen miteinander kommunizieren. Die Arbeit war deshalb wichtig, weil mit den neueren antipsychotischen Medikamenten eher mehrere Neurotransmittersysteme beeinflusst werden und nicht nur eines isoliert. Indem wir drei unterschiedliche Systeme im gleichen Gewebestück sichtbar machten, konnten wir die empfindliche Wechselwirkung zwischen diesen Systemen viel besser verstehen. Dadurch wurde der Mikrokreislauf des Gehirns einleuchtender – welche Nervenzellen in welchen Bereichen des Gehirns mit welchen Mengen von welchen Botenstoffen kommunizieren. Je besser wir verstehen konnten, wie sich die Zellen in den Gehirnen geistig erkrankter von denen »normaler« Personen unterschieden, desto besser konnten geeignete Medikamente zur Behandlung von Geisteskrankheiten entwickelt werden. Im Frühjahr 1995 brachte das BioTechniques Journal diese Studie als Titelgeschichte, und 1996 wurde mir dafür der angesehene Mysell Award von der Harvard Medical School Department of Psychiatry verliehen. Ich arbeitete sehr gern im Labor und mit meiner NAMI-Familie.

Und dann geschah das Unfassbare. Ich war Mitte dreißig, war sowohl beruflich als auch privat erfolgreich. Aber mit einem Schlag wurde meine vielversprechende Zukunft zunichte. Am 10. Dezember 1996 wachte ich auf und merkte, dass mein Gehirn nicht mehr richtig funktionierte. Ich hatte einen Schlaganfall erlitten. Innerhalb von vier Stunden verlor ich die Fähigkeit, äußere Reize mit meinen Sinnen zu verarbeiten. Ich konnte nicht mehr gehen, reden, lesen, schreiben oder mich an irgendwelche Aspekte meines Lebens erinnern.

Vermutlich sind Sie schon gespannt auf meinen Bericht über den Morgen des Schlaganfalls. Damit Sie jedoch besser verstehen können, was sich in meinem Gehirn abspielte, möchte ich Sie in den nächsten beiden Kapiteln mit leichtverständlichen medizinisch-wissenschaftlichen Zusammenhängen vertraut machen. Lassen Sie sich davon bitte nicht abschrecken. Ich habe mich bemüht, diese Kapitel mit zahlreichen Zeichnungen des Gehirns so anschaulich wie möglich zu gestalten, damit Sie die Anatomie verstehen, die meinen kognitiven, physischen und spirituellen Erfahrungen zugrunde liegt. Wenn Sie diese Kapitel lesen, werden Sie den Rest des Buches wesentlich besser verstehen können.

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2Wie das Gehirn funktioniert

Wenn wir uns mit einem anderen Menschen unterhalten wollen, müssen wir ein gewisses Maß an Gemeinsamkeiten haben. Wir müssen über ein identisches Nervensystem verfügen, um Informationen von der Außenwelt aufnehmen, verarbeiten und im Gehirn speichern zu können. Auch unsere Output-Systeme – sprich Gedanken, Worte oder Taten – müssen ähnlich sein.

Die Entstehung von Leben war ein äußerst bemerkenswertes Ereignis. Mit dem Einzeller begann eine neue Ära von Informationsverarbeitung auf molekularer Ebene. Durch die Veränderung von Atomen und Molekülen in DNA- und RNA-Sequenzen [4] konnten Informationen abgerufen, kodiert und für zukünftige Verwendung abgespeichert werden. Jeder Moment wurde aufgezeichnet, und durch die Aneinanderreihung aufeinanderfolgender Momente entwickelte sich das Leben der Zelle als Brücke über die Zeit. Bald schon konnten Zellen sich zusammenschließen und zusammenarbeiten, woraus letztlich der Mensch entstanden ist.

Interessant ist, dass der genetische Code des Menschen aus genau den gleichen vier Nukleotiden (Bausteinen, die sich in DNA und RNA zu langen Molekülketten verbinden) besteht wie jede andere Lebensform auf unserem Planeten. Im Hinblick auf unsere DNA sind wir mit Vögeln, Reptilien, Amphibien, anderen Säugetieren und sogar Pflanzen verwandt. Biologisch gesehen sind wir Menschen die für unsere eigene Spezies charakteristische Mutation der genetischen Möglichkeiten der Erde.

So gern ich ja sagen würde, dass das menschliche Leben biologische Perfektion erreicht hat, ist unser genetischer Code weder vollkommen fertig noch perfekt. Das menschliche Gehirn unterliegt einem ständigen Wandel. Selbst die Gehirne unserer Vorfahren vor 2000 oder 4000 Jahren sind nicht identisch mit denen der heutigen Menschen. Die Entwicklung von Sprache zum Beispiel hat die anatomische Struktur und die Nervenzellverbindungen in unseren Gehirnen verändert.

Die meisten Zellen im Körper sterben ab und werden alle paar Wochen oder Monate erneuert. Neurone jedoch, die Hauptzellen des Nervensystems mit ihren Fortsätzen (Dendriten und Neuriten [5] ), verändern sich nach der Geburt kaum noch (größtenteils jedenfalls). Ein Unterschied zu den meisten anderen Körperzellen besteht darin, dass sich Nervenzellen nach der Geburt nicht durch Zellteilung vermehren können, somit auch verlorengegangene Nervenzellen nicht einfach ersetzt werden können. Das bedeutet, dass die Mehrzahl der Neurone in unserem Gehirn heute so alt ist wie wir selbst. Die Zellen in unserem Gehirn sind dieselben wie bei unserer Geburt, nur ihre Verbindungen ändern sich im Lauf der Zeit, je nach den Erfahrungen, die wir machen.

Das menschliche Nervensystem, ein großartig dynamisches Gebilde, besteht aus schätzungsweise 100 Milliarden Nervenzellen. Natürlich ist unser Organismus mehr als nur ein Nervensystem. Der typische Körper eines erwachsenen Menschen besteht aus etwa fünfzig Billionen Zellen! Erstaunlich dabei ist, dass diese riesige Ansammlung unterschiedlicher Zellen einen gesunden Organismus produziert.

Biologische Evolution verläuft normalerweise von geringerer zu größerer Komplexität. Die Natur sichert ihre eigene Funktionsfähigkeit, indem sie bei der Entstehung einer neuen Spezies das Rad nicht neu erfindet. Wenn die Natur erst einmal ein Muster im genetischen Code identifiziert hat, das dem Überleben der Kreatur dient, wie zum Beispiel die Blüte zum Verbreiten von Pollen, das Herz, um Blut zu pumpen, Schweißdrüsen, um die Körpertemperatur zu regulieren, oder Augäpfel zum Sehen, dann neigt sie im Allgemeinen dazu, diese Entwicklungen in zukünftige Abwandlungen dieses spezifisches Codes einzuarbeiten. Nützliche Bauteile werden immer mehr verfeinert und als DNA-Sequenz an die nachfolgende Generation der Spezies weitergegeben. Das ist eine der einfachen Methoden, mit denen die Natur Erfahrung und Weisheit von früher übermittelt.

Ein weiterer Vorteil dieser Aufbaustrategie besteht darin, dass winzig kleine Manipulationen an genetischen Sequenzen bereits zu großen evolutionären Veränderungen führen können. Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass 99,4 Prozent unseres genetischen Profils mit dem von Schimpansen übereinstimmen. [6] Das bedeutet natürlich nicht, dass Menschen direkt vom Affen abstammen, ist aber ein Hinweis auf die Tatsache, dass unsere geniale molekulare Struktur das Ergebnis von Äonen größter evolutionärer Anstrengung der Natur ist. Unser menschlicher Code ist kein Zufall, sondern wesentlich besser konstruiert als zum Beispiel der Körper, nach dessen genetischer Perfektion die Natur seit je strebt.

Als Mitglieder der gleichen Spezies sind bei uns bis auf 0,01 Prozent (also 1/100 von 1 Prozent) alle genetischen Sequenzen identisch. Sie und ich sind also biologisch gesehen zu 99,99 Prozent identisch. Wenn wir jedoch die Vielfalt der menschlichen Rasse betrachten, dann ist offensichtlich, dass schon 0,01 Prozent für signifikante Unterschiede in Aussehen, Denken und Verhalten sorgen.

 

Der Teil unseres Gehirns, der uns von anderen Säugetieren unterscheidet, ist das Großhirn bzw. der zerebrale Kortex. Zwar haben auch andere Säugetiere ein Großhirn, aber beim Menschen ist es etwa zweimal so dick, und man nimmt an, dass es auch eine zweifache Funktion hat. Unser Großhirn ist in zwei Hemisphären (Hälften) unterteilt, die einander in ihrer Funktion ergänzen. (In diesem Buch ist bei allen Abbildungen die linke Hirnhälfte unten.)

Großhirn eines menschlichen Gehirns

Die beiden Hirnhemisphären kommunizieren miteinander durch eine große, quer verlaufende Verbindung, den Gehirnbalken oder »Corpus callosum«. Zwar ist jede Hemisphäre einzigartig hinsichtlich ihrer spezifischen Art von Information, aber wenn die beiden Hemisphären miteinander verbunden sind, erzeugen sie gemeinsam eine einzige, nahtlose Wahrnehmung der Welt.

Corpus callosum

Unter dem Mikroskop zeigen sich feine Vernetzungen des Großhirns, die höchst variabel sind, was angesichts unserer Individualität und subjektiven Vorlieben nicht verwunderlich ist. Die makroskopische Anatomie unserer Gehirne unterscheidet sich jedoch kaum voneinander. Ihr Gehirn ist meinem sehr ähnlich. Die Windungen (Gyri) und Furchen (Sulci) der Großhirnrinde sind so angelegt, dass unsere Gehirne in Aussehen, Struktur und Funktion buchstäblich identisch sind. Jede der Hirnhälften enthält verschiedene Windungen, die aus ganz spezifischen Zellgruppen bestehen, die ebenso spezifische Verbindungen und Funktionen haben.

Die Nervenzellen des postzentralen Gyrus zum Beispiel befähigen uns, sensorische Stimulation bewusst wahrzunehmen, während die Zellen im präzentralen Gyrus die Fähigkeit kontrollieren, unsere Körperteile willentlich zu bewegen. Da ständig ein Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Neuronenzellverbänden beider Hemisphären stattfindet, können wir im Allgemeinen auf vergleichbare Art denken und fühlen.

Auch die Blutgefäße/Arterien im Gehirn verlaufen nach einem bestimmten Muster. Die vorderen, mittleren und hinteren Gehirnarterien versorgen jede der beiden Hemisphären mit Blut. Wird eine dieser Hauptarterien beschädigt, so kann dies entweder schwere Beeinträchtigungen oder den vollständigen Verlust der Fähigkeit zur Folge haben, spezifische kognitive Funktionen auszuführen. (Natürlich ist es ein Unterschied, ob die linke oder die rechte Hirnhälfte betroffen ist.) Die folgende Abbildung zeigt die Region der mittleren Hirnarterie der linken Hemisphäre, wo sich auch mein Schlaganfall ereignet hat. Die Symptome waren daher relativ vorhersagbar.

Mittlere Hirnarterie
Region und Hauptäste

Die Oberflächenschicht des Großhirns, die man sieht, wenn man von außen auf das Gehirn schaut, ist von bestimmten Neuronen durchzogen, die in der Art nur beim Menschen vorkommen. Diese aus evolutionärer Sicht erst kürzlich »hinzugefügten« Neurone schaffen Kreisläufe, die uns befähigen, linear zu denken – zum Beispiel in abstrakten, symbolischen Systemen wie dem der Mathematik. Die tieferen Schichten des Großhirns bestehen aus den Zellen des limbischen Systems. Das sind die Hirnzellen, die wir mit anderen Säugetieren gemeinsam haben.

Limbisches System
(Affekt oder Emotion)

Das limbische System funktioniert, indem auf die Information, die über die Sinne hereinströmt, eine Erregung oder eine Emotion gelegt wird. Weil wir diese Strukturen mit anderen Kreaturen gemeinsam haben, werden die Zellen des limbischen Systems auch oft als »Reptiliengehirn« oder »emotionales Gehirn« bezeichnet. Werden Neugeborene sensorisch stimuliert, so verbinden sich diese Zellen. Interessant dabei ist, dass das limbische System zwar ein Leben lang funktioniert, aber nicht reifer wird. Und so kommt es, dass wir unter Umständen auch als Erwachsene noch wie ein Kleinkind reagieren, wenn an unseren emotionalen »Knöpfen« gedreht wird.

Da die höher entwickelten Hirnzellen in komplexe Netzwerke mit anderen Neuronen integriert werden, erlangen wir die Fähigkeit, »neue Bilder« des gegenwärtigen Moments aufzunehmen. Wenn wir dann die neue Information unseres denkenden Geists mit der automatischen Reaktion des limbischen Geists vergleichen, können wir die aktuelle Situation neu bewerten und uns bewusst für eine reifere Reaktion entscheiden.

Viele Lerntechniken, die heute in Schulen angewendet werden, basieren auf den Erkenntnissen der Neurowissenschaftler über das limbische System. Mit diesen Lerntechniken wird beispielsweise versucht, aus einem Klassenzimmer eine vertraute Umgebung zu machen. Damit soll die Amygdala (der »Mandelkern«, ein Kerngebiet des Gehirns und Teil des Temporallappens), die wesentlich an der Entstehung von Angst beteiligt ist und eine wichtige Rolle bei der emotionalen Bewertung von Situationen spielt, möglichst nicht aktiviert werden. Denn die Hauptaufgabe der Amygdala besteht darin, bestimmte Situationen augenblicklich auf den Grad der Gefährlichkeit hin zu überprüfen. Eine der Aufgaben des Gyrus cinguli im limbischen System ist, die Aufmerksamkeit des Gehirns zu wecken. Wenn die Situation als vertraut wahrgenommen wird, ist die Amygdala ruhig, und der danebenliegende Hippocampus kann neue Informationen aufnehmen und speichern. Sobald jedoch die Amygdala von unbekannten oder vielleicht sogar bedrohlichen Reize stimuliert wird, steigt der Angstpegel und sorgt dafür, dass sich die Aufmerksamkeit des Gehirns auf die aktuelle Situation richtet. Unter diesen Umständen können wir uns nicht mehr auf das Lernen konzentrieren.

Sensorische Information strömt durch das sensorisches System hinein und wird durch das limbische System augenblicklich verarbeitet. Bis eine Botschaft ins Großhirn, in die Region für höheres Denken, gelangt, haben wir bereits ein »Gefühl« dafür entwickelt, wie wir die Reize von außen empfinden – ist es eher schmerzvoll oder angenehm? Obwohl die meisten Menschen glauben, sie seien denkende Geschöpfe, die fühlen, sind wir biologisch gesehen fühlende Kreaturen, die denken.

Weil »fühlen« ein weit gefasster Begriff ist, möchte ich an dieser Stelle erläutern, wo unterschiedliche Emotionen im Gehirn entstehen. Gefühle wie Traurigkeit, Freude, Wut, Frustration oder Erregung werden im limbischen System ausgelöst. Etwas in den Händen zu fühlen ist Erfahrung durch Betasten. Das erfolgt durch das sensorische System der Berührung, das mit dem postzentralen Gyrus des Gehirns zusammenhängt. Und dann gibt es schließlich noch das sogenannte Bauchgefühl, das in der rechten Hemisphäre des Großhirns angesiedelt ist. (In Kapitel 3 sind die unterschiedlichen Funktionsweisen der rechten und linken Hirnhälfte ausführlicher beschrieben.)

Die Fähigkeit, Reize der Außenwelt zu verarbeiten, beginnt auf der Ebene sensorischer Wahrnehmung. Auch wenn die meisten Menschen sich dessen nur selten bewusst sind, so sind unsere sensorischen Rezeptoren so angelegt, dass sie Informationen über ihren Energiegehalt aufnehmen. Weil alles um uns herum – die Luft, die wir atmen, oder auch die Materialien, mit denen wir bauen – aus kleinsten Atomteilchen zusammengesetzt ist, schwimmen wir sozusagen in einem Meer elektromagnetischer Felder. Wir sind ein Teil davon. Es umgibt uns, und durch unseren Sinnesapparat erfahren wir es.

Jedes unserer sensorischen Systeme besteht aus einer komplexen Kaskade von zwischengeschalteten Neuronen, die sensorische Information von der Empfangsebene in die verschiedenen Bereiche des Gehirns weiterreicht. Jede Zellgruppe in dieser Kaskade verändert oder optimiert die sensorische Information und gibt sie dann weiter an die nächsten Zellen im System, die ebenfalls die Botschaft definieren und verfeinern. Erst wenn die sensorische Information die höhere Ebene des Großhirns erreicht hat, werden wir uns des von außen einwirkenden Reizes bewusst. Funktionieren jedoch Zellen auf dieser Nervenstrecke nicht mehr normal, dann stimmt die empfindende Wahrnehmung nicht mit der Realität überein.

Unser Sehfeld ist in Milliarden von winzigen Punkten oder Pixeln aufgeteilt. Jedes Pixel ist voller Atome und Moleküle. Die Netzhautzellen im hinteren Teil des Auges entdecken die Bewegung dieser Atomteilchen. Atome, die auf verschiedenen Frequenzen vibrieren, senden unterschiedliche Energiewellen, und diese Informationen werden schließlich als unterschiedliche Farben von der visuellen oder okzipitalen Region des Gehirns interpretiert. Unser Gehirn ist in der Lage, Gruppen von Pixeln zu komplexen Bildern zusammenzufügen. Andere Zellgruppen geben Information zur Tiefe, Farbe und Bewegung hinzu, so dass ein Gesamtbild entsteht. Legasthenie, eine Lese-Rechtschreib-Schwäche, die sich in der Verdrehung oder Verwechslung von Buchstaben oder ganzen Wortteilen äußert, ist ein gutes Beispiel für eine funktionale Abnormalität, die eintritt, wenn der Weg vom Auge zur visuellen Region verändert ist.

Kortikale Organisation

Ähnlich wie beim Sehen hängt auch die Fähigkeit zu hören davon ab, wie wir Energie wahrnehmen, die auf unterschiedlichen Wellenlängen transportiert wird. Klang wird erzeugt, wenn Atomteilchen im Raum zusammenstoßen. Die daraus entstehenden Energiewellen treffen auf das Trommelfell im Ohr. Ähnlich wie die Sehzellen übertragen auch die Haarzellen im Corti-Organ, der Schnittstelle zwischen den akustischen mechanischen Schwingungen und den Nervensignalen in der Hörschnecke, diese Schwingungen in einen neuralen Code. Dieser gelangt schließlich in die auditorische Region des Großhirns, und wir hören Geräusche.