My Bestie's Ex - Piper Rayne - E-Book
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My Bestie's Ex E-Book

Piper Rayne

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Beschreibung

Die White-Collar-Brothers-Reihe geht weiter! Blanca Mancini hat gerade ihren stressigen Job gekündigt, als sie unverhofft in ihre beste Kindheitsfreundin Sierra reinläuft. Jahrelang haben die beiden sich nicht gesehen, und trotzdem fühlt es sich an, als sei kaum Zeit vergangen. Kurz entschlossen zieht Blanca in Sierras Wohngemeinschaft und beginnt einen neuen Job als Redakteurin. Im Zug lernt sie Ethan kennen, und das Knistern zwischen den Beiden ist unüberhörbar. Doch der Neuanfang scheint zu gut, um wahr zu sein – denn Ethan ist nicht nur Blancas Arbeitskollege, sondern auch noch Sierras Ex-Freund. Soll Blanca ihre beste Freundin, ihr Zuhause und ihren Job aufs Spiel setzen, nur für einen Mann? Band 1: Sexy Filthy Boss Band 2: Dirty Flirty Enemy Band 3: One-Night-Husband

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Seitenzahl: 381

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My Bestie's Ex

Die Autorin

PIPER RAYNE ist das Pseudonym zweier USA Today Bestseller-Autorinnen. Mehr als alles andere lieben sie sexy Helden, unkonventionelle Heldinnen, die sie zum Lachen bringen, und viel heiße Action. Und sie hoffen, du liebst das auch!

Das Buch

Blanca Mancini hat gerade ihren stressigen Job gekündigt, als sie unverhofft in ihre beste Kindheitsfreundin Sierra reinläuft. Jahrelang haben die beiden sich nicht gesehen, und trotzdem fühlt es sich an, als sei kaum Zeit vergangen. Kurz entschlossen zieht Blanca in Sierras Wohngemeinschaft und beginnt einen neuen Job als Redakteurin. Im Zug lernt sie Ethan kennen, und das Knistern zwischen den Beiden ist unüberhörbar. Doch der Neuanfang scheint zu gut, um wahr zu sein – denn Ethan ist nicht nur Blancas Arbeitskollege, sondern auch noch Sierras Ex-Freund. Soll Blanca ihre beste Freundin, ihr Zuhause und ihren Job aufs Spiel setzen, nur für einen Mann?

Piper Rayne

My Bestie's Ex

Roman

Aus dem Englischen von Cherokee Moon Agnew

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Deutsche Erstausgabe bei Forever1. Auflage Mai 2023© für die deutsche Ausgabe Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2023Die amerikanische Originalausgabe erschien 2020 unter dem Titel: My Bestie's Ex© 2020 by Piper Rayne Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic®, MünchenE-Book Konvertierung powered by pepyrusISBN 978-3-95818-758-0

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Epilog

Zum Schluss noch ein wenig Einhorngeschwafel …

Leseprobe: Read into me

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Prolog

Prolog

BLANCA

Kennt ihr das Sprichwort? Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere?

Ich nehme mal an, das gilt auch, wenn man die Tür selbst zumacht, oder? Bitte beantwortet diese Frage nicht. Ich glaube einfach mal daran, weil ich lieber in meiner eigenen Fantasiewelt lebe. Vor allem in letzter Zeit.

Als ich meinen Job im Finanzwesen gekündigt habe – den, für den ich vier Jahre lang studiert habe – war meine zukünftige Karriere im Bankwesen ruiniert.

Dabei war ich sowieso nicht so überragend in meinem Job. Ich war zwar nicht schlecht, aber auch keine glänzende neue Hochschulabsolventin, die ihrem Chef auf Schritt und Tritt folgt, als wäre er ihr Meister. Eilmeldung: Zahlen sind langweilig. Klar, mein Bruder Dom holt sich auf Zahlen einen runter – wie die meisten meiner Kollegen, was mir von Anfang an hätte sagen müssen, dass ich einfach nicht in diese Branche passe.

Deshalb dachte ich auch, die Begegnung mit Sierra wäre ein Zeichen, obwohl ich eigentlich nicht an so etwas glaube.

Ich hatte Sierra Sanders seit Jahren nicht mehr gesehen. Klar, wir waren auf Instagram und Snapchat befreundet. Hier ein Herz, da ein Kommentar. »Du hast dich kein bisschen verändert!« Versprochene Treffen, die nie stattfanden.

Nachdem meine zweiwöchige Kündigungsfrist abgelaufen war, verließ ich das Gebäude im Financial District von Manhattan mit einer großen Kiste, in der sich meine persönlichen Sachen befanden. Hey, ich bin Italienerin und mag es eben gemütlich im Büro. Und ZACK ist da Sierra Sanders, meine beste Freundin aus Kindheitstagen, mitten in der Sonne unter einem Baum, als hätte sie nur auf mich gewartet.

Okay, ich geb’s zu: Sie hatte natürlich nicht auf mich gewartet. Sie unterhielt sich mit jemandem, und genau genommen saß sie auch nicht unter dem Baum, sondern stand mit einer auf sie gerichteten Kamera daneben. Ich sollte vielleicht erwähnen, dass sie für einen kleinen Fernsehsender außerhalb der Stadt als Reporterin arbeitet.

Ich blieb stehen und wartete darauf, dass sie das Interview mit dem Baumpfleger beendete, hinter ihnen eine Gruppe von Demonstranten, die ihre Gesichter in die Kamera hielten, um gegen das Fällen der alten Bäume, die von irgendeinem Käfer oder anderen Krankheiten befallen waren, zu protestieren.

Ich dachte, wir könnten vielleicht bei einem Kaffee oder Abendessen ein wenig quatschen. Und falls sie danach zu ihrem Dad fahren sollte, könnten wir sogar gemeinsam mit der Bahn fahren. Meine Mama freute sich immer über einen Überraschungsbesuch.

»Sierra!« Als sie fertig war, winkte ich ihr vom oberen Treppenabsatz aus zu.

Sie sah sich um, entdeckte mich und kniff die Augen zusammen. Ja, wir hatten uns wirklich lange nicht mehr gesehen. Die typische Geschichte: Nach der Schule gingen wir auf unterschiedliche Colleges und verloren uns aus den Augen, obwohl wir uns geschworen hatten, dass uns das niemals passieren würde.

»Blanca?« Sie drückte dem Kameramann das Mikrofon in die Hand und kam auf mich zu.

Wir trafen uns am unteren Absatz der Betontreppe. Sie wollte mich umarmen, was aufgrund des großen Kartons aber ein wenig schwierig war, also gab sie nach ein paar gescheiterten Versuchen auf. Ihr Blick fiel auf den Inhalt der Kiste, und sie ließ die Schultern hängen.

»Das tut mir leid.« Sie streichelte meinen Arm.

»Muss es nicht. Ich habe gekündigt.«

Ihre Augen begannen zu leuchten, und sie richtete sich wieder kerzengerade auf. »Und was hast du als Nächstes vor?«

Ich winkte ab. »Ich weiß es noch nicht, aber der Job hat mir meine ganze Energie geraubt.«

»Dann sollten wir das feiern. Komm.«

Bevor ich darüber nachdenken konnte, was gerade passierte, sagte sie dem Kameramann, er solle den nächsten Zug nehmen und dass sie sich die Aufnahmen morgen ansehen würden. Wir gingen in ein Restaurant an der Ecke, das sich gerade auf den abendlichen Ansturm von Börsenmaklern und sonstigen Möchtegern-Glücksspielern an der Wall Street vorbereitete.

Bis zum Ende des Gesprächs, das sich hauptsächlich um mich drehte, hatte mir Sierra buchstäblich eine Tür geöffnet.

»Zieh nach Cliffton Heights. Es ist so schön da, und bis in die Stadt sind es nur anderthalb Stunden mit dem Zug. Und du wärst immer noch in der Nähe deiner Eltern und deiner herzensbrechenden Brüder. Es wäre perfekt, denn bei uns ist gerade ein Zimmer frei geworden.« Je mehr sie erzählte, desto besser gefiel uns die Vorstellung, unsere Freundschaft wiederaufleben zu lassen. »Oh, mein Gott, dann wird es doch noch so, wie wir es ursprünglich geplant hatten, bevor du in allerletzter Minute das College gewechselt hast.«

Mist, den eigentlichen Grund, warum der Kontakt zwischen uns eingeschlafen war, hatte ich ganz vergessen. Wir hatten damals geplant zusammenzuziehen, doch dann hatte ich mich kurz vorher für einen anderen Weg entschieden. Sie war deshalb richtig wütend auf mich gewesen, weil sie stattdessen mit einer Fremden zusammenwohnen musste. Und ich konnte es ihr nicht verübeln.

»Meine andere Mitbewohnerin, Rian, ist großartig. Sie backt die ganze Zeit. Beruflich schreibt sie Mathelehrbücher, von daher machen wir jetzt auch nicht ständig Party. Aber wir haben immer Spaß zusammen. Also, los! Ich habe dich so sehr vermisst!«

Sie bettelte mich regelrecht an. Ich hatte mich immer als waschechtes New-York-City-Girl gesehen. Aber zu diesem Zeitpunkt erschien mir ein Neustart genau das Richtige zu sein. Meine Brüder hatten inzwischen alle ihre Happy Ends bekommen, während ich immer noch nichts und niemanden hatte. Da konnte ein Tapetenwechsel nicht schaden. Ein Ort, um mich neu zu erfinden. Außerdem hatte ich Sierra auch vermisst.

»Liebend gern«, erwiderte ich, ohne einen Job zu haben, um die Miete zu bezahlen. Ich kannte einige Leute, die in die Stadt pendelten, war aber unsicher, ob ich täglich drei Stunden im Zug sitzen wollte. Doch das war ein Problem, das es ein andermal zu lösen galt. Neben vielen anderen.

Eins kann ich euch sagen: Rückblickend war meine Entscheidung ein wenig übereilig, denn jetzt, ein paar Monate später, wünschte ich mir, ich hätte sie um mehr Infos gebeten. Ich hätte ihr mehr Fragen stellen sollen, denn hinter dieser neuen metaphorischen Tür warteten nicht nur Sierra und ein Neustart auf mich – sondern auch er. Und er war bereits ein Teil von Sierras Leben. Zwar ein Teil ihrer Vergangenheit, aber trotzdem.

Kapitel 1

BLANCA

Ich schleppe mich die Stufen des Zugs hinauf, schenke dem Schaffner ein müdes Lächeln und gehe in den letzten Waggon, wo ich mich mit einem Seufzen auf den hintersten Sitz plumpsen lasse. Es ist der letzte Zug, der heute Abend New York City verlässt. Ziel: mein neues Zuhause, Cliffton Heights.

Ich habe eine Tupperdose mit Frikadellen dabei, die noch vom sonntäglichen Familienessen übrig waren. Ich bedecke sie mit meiner Jacke, damit sich der Geruch nicht im gesamten Abteil verteilt. Erfolglos.

Als mein Smartphone vibriert, ziehe ich es aus meiner Handtasche. Es ist natürlich eine Nachricht von meinem ältesten Bruder in unserer WhatsApp-Gruppe mit unseren anderen beiden Brüdern.

DOM: Sitzt du im Zug?

ICH: Ja.

CARM: Nicht mit Fremden sprechen.

ICH: Okay. *augenrollendes Emoji*

ENZO: Schreib uns, wenn du angekommen bist.

ICH: Aber natürlich. *salutierendes Emoji*

Man sollte meinen, inzwischen würden sie mir mehr vertrauen, immerhin bin ich achtundzwanzig Jahre alt. Aber für sie werde ich immer die kleine Schwester bleiben.

ENZO: Ich verstehe nicht, warum wir dir nicht einfach ein Uber spendieren konnten.

Enzo ist der Zweitälteste und hat wahrscheinlich die größte Paranoia, wenn es um Sicherheit geht. Inzwischen wohne ich nicht mehr in der Großstadt, doch dass ich anderthalb Stunden im Zug sitze, scheint ihn nervöser zu machen, als wenn ich immer noch mitten in New York City leben würde. Ich habe meinen Brüdern zum Vergleich sogar die Kriminalstatistiken von Cliffton Heights und New York durchgegeben. Aber für sie ist Cliffton Heights fremdes Terrain. Und bevor sie mich nicht besuchen kommen und sehen, wie schön es hier ist – und noch viel wichtiger: wie sicher! – sollte ich von ihnen nichts anderes erwarten.

ICH: Weil ich erwachsen bin und gern mit dem Zug fahre.

CARM: Aber niemanden abschleppen!

ICH: Oh, dabei wollte ich gerade meine Bluse aufknöpfen, um den schlafenden Herren drei Reihen vor mir zu verführen.

Carm ist der Jüngste von meinen Brüdern, aber trotzdem älter als ich. Wahrscheinlich muss er gerade lachen, was aber nicht heißt, dass sein Beschützerinstinkt nicht genauso ausgeprägt ist wie bei den anderen beiden.

Zum Glück haben sie inzwischen alle Frauen an ihrer Seite, um die sie sich mehr kümmern müssen als um mich.

ICH: Ich ruhe mich jetzt ein wenig aus. Das Abendessen war großartig. Wir sehen uns nächste Woche. Hab euch lieb.

DOM: Nicht in einem Zug voller Fremder die Augen zumachen!

Ich schüttle den Kopf und blicke hinüber zu dem einzigen Kerl, der außer mir im Waggon sitzt. Er ist entweder bewusstlos oder tot. Jedenfalls keine große Gefahr.

ICH: Mache ich nicht. Sonst klaut noch einer Mamas Frikadellen.

ENZO: Die sind heiß begehrt.

CARM: Ich snacke auch gerade welche.

DOM: Wir haben doch eben erst gegessen.

CARM: Das ist schon mindestens eine Stunde her.

ICH: Ich stecke das Smartphone jetzt in die Handtasche, damit es keiner klaut.

ENZO: Gute Idee. Aber halte es in Reichweite. Nur für den Fall.

ICH: Tschüss, ihr Lieben.

CARM: Bis dann.

DOM: Hab dich lieb, Schwesterherz.

ENZO: Und vergiss nicht, uns zu schreiben, wenn du zu Hause angekommen bist.

ICH: Aye, aye Captain.

Ich sperre das Display und werfe das Smartphone in meine Handtasche.

Der Schaffner gibt über Lautsprecher die Zugnummer und Route durch, bevor sich der Zug mit einem Ruck in Bewegung setzt. Ich schließe die Augen und lasse den Kopf gegen den Sitz sinken. Obwohl mir die Frauen meiner Brüder sonntags in der Küche helfen, bin ich erschöpft. Meine Hände sind wie immer ausgetrocknet vom Spülmittel. Da kann ich noch so viel Handcreme draufschmieren. Mein Bauch ist von dem vielen Salz in Mamas Essen ganz aufgebläht.

Meine Familie ist eine typisch italienische Familie. Viel Essen, viele Menschen – alles viel. Meine Mama ist überglücklich, dass meine Brüder mittlerweile alle die Liebe ihres Lebens gefunden haben. Dom und seine Frau Valentina erwarten gerade ihr erstes Kind – und Mamas erstes Enkelkind. Annie und Enzo planen ihre Hochzeit. Und ich wette, Carm hat schon irgendwo einen Ring für Bella versteckt, um ihr spontan einen Heiratsantrag zu machen.

Meine Brüder sind alle drei sehr erfolgreich. Einer ist Werbemanager, der andere Makler für Luxusimmobilien und der dritte Börsenhändler an der Wall Street. Sie haben mehr Geld auf ihren Bankkonten, als ich jemals zu Gesicht bekommen werde.

»WARTEN SIE!«, höre ich jemanden schreien und reiße die Augen auf. Neben dem Zug rennt ein Mann her, wie in einem von diesen Liebesfilmen, in denen der Kerl den Zug erwischen muss, um seiner Angebeteten seine Liebe zu gestehen.

Er trägt einen Rucksack und hat wie ich eine Plastiktüte voller Tupperdosen dabei. Ich lehne mich näher ans Fenster und beobachte, wie er nach dem Metallgriff an der Tür greift und neben dem Zug herrennt, als müsste er noch genug Schwung für den Sprung sammeln. Ach du Scheiße, gleich wird er gegen den Stahlpfosten knallen. Seine Füße bewegen sich immer schneller. Kurz bevor der Zug an der Metallsäule vorbeisaust, springt er auf die Stufen.

Insgeheim hoffe ich, dass er sich für diesen Waggon entscheidet und nicht für den davor. Ich würde den Typen, der so einen filmreifen Stunt abzieht, nur allzu gern aus der Nähe sehen.

Ich rutsche zur äußeren Kante meiner Sitzbank und sehe durch die verschmierte Scheibe, wie er sich mit dem Schaffner unterhält. Er reicht ihm eine Plastikdose, und die beiden machen einen Handschlag, bevor er gedankenverloren auf den Knopf drückt und die Türen meines Waggons öffnet.

Er betritt das Abteil, in dem sich sonst nur ich, ein Typ, der nicht bei Bewusstsein ist, und der Duft von Mamas italienischer Soße befinden. Meinen Lungen entweicht die Luft. Meine Güte, ist der sexy. Ich weiß gar nicht, wie ich ihn beschreiben soll. Er sieht … umwerfend aus. Hellbraunes Haar, das oben hochsteht und an den Seiten kurz rasiert ist. Genug Bart, um meine Schenkel vor lauter Verlangen zittern zu lassen. Zerrissene Jeans, dunkles Hemd, Turnschuhe. Lässig und gleichzeitig einfach zum Anbeißen.

Ich will gerade zur Seite rutschen und ihn bitten, sich neben mich zu setzen, als er mir das schönste Lächeln schenkt, das ich je an einem Mann gesehen habe. Perfekte gerade weiße Zähne. Verdammt, ich weiß nicht, ob ich mich schon mal so sehr zu einem Mann hingezogen gefühlt habe. Und es ist nicht nur sein Aussehen. Es ist die Art, wie er mich ansieht. Als hätte er überall auf der Welt nach mir gesucht und mich endlich gefunden.

»Bist du neu?« Er öffnet seine Plastiktüte und stellt dem schlafenden Mann eine Tupperdose hin.

»Kennst du jeden, der mit diesem Zug fährt?«, frage ich, und er kommt auf mich zu. Ich halte den Atem an. Mit jedem Schritt schlägt mein Herz noch ein wenig schneller.

»Zumindest jeden, der den letzten Zug am Sonntagabend nimmt. Ja.« Er nimmt seinen Rucksack ab und setzt sich auf den Platz vor meinem. Dann lehnt er sich mit dem Rücken ans Fenster und streckt die Beine auf der Sitzbank aus. »Das ist Gil.« Mit dem Kopf deutet er auf den schlafenden Mann. »Er steigt in Peekskill aus.«

Ich beuge mich vor. »Geht es ihm gut?«

Er lacht, als wäre das eine vollkommen absurde Frage. »Ja. Du wirst schon sehen. In Peekskill steht er einfach auf, ohne dass ihn jemand wecken muss.« Er lehnt sich nach vorn, und ich höre die Plastiktüte rascheln. »Hast du Hunger?« Er hält eine dritte Tupperdose in die Höhe.

»Nein, danke.«

Er nickt. »Ist auch besser, kein Essen von Fremden im Zug anzunehmen. Das hat man dir gut beigebracht.« Sein Grinsen wird noch breiter, und auf seiner rechten Wange erscheint ein Grübchen. Jetzt mal im Ernst: Wer hat mir diesen Mann geschickt? Die Zugfee?

»Ich habe mein eigenes Essen dabei.« Ich hebe meine Jacke hoch, und er wirft einen Blick rüber.

»Was gibt’s denn?«

Ich öffne die Plastikdose. »Italienische Frikadellen.«

Seufzend greift er über den Sitz und schnappt sich mit Daumen und Zeigefinger eins der Fleischklößchen. Fast tropft die Soße herunter, doch er legt schnell den Kopf in den Nacken und lässt es wie eine Kirsche in seinen Mund fallen. Hoffentlich steigt er bald aus, denn meine Libido spielt gerade vollkommen verrückt.

»Und du hast keine Angst, Essen von Fremden anzunehmen?«

»Nein. Du siehst nett aus. Irgendetwas sagt mir, dass du kein Essen dabeihast, um jemanden zu vergiften.«

Er ist witzig. Und so lässig und offen.

»Meine Mutter hat sie gemacht. Wenn sie wüsste, dass ich sie mit dir teile, würde sie dir erklären wollen, dass die Frikadellen heute nicht so gut geworden sind wie sonst. Vermutlich wird sie gegen Mitternacht herausfinden, woran es gelegen hat, und mir dann schreiben.«

Er zieht eine Wasserflasche hervor. »Mir ist nichts negativ aufgefallen.«

»Zu viel Knoblauch. Mein Bruder hat sich verschätzt.«

Kurz starrt er mich an, und ich schlage die Beine übereinander, denn ich beginne, mich unwohl zu fühlen. »Warum hast du ihr nichts gesagt, wenn du es wusstest?«

Ich zucke mit den Schultern. »Weil ich Knoblauch mag?«

Er kneift die Augen zusammen, aber auf eine neckende Art und Weise. »Rivalität unter Geschwistern. Ich verstehe schon.« Er trinkt von seinem Wasser, und ich beobachte, wie sein Adamsapfel hüpft. Dann dreht er den Deckel wieder auf die Flasche.

Als sein Blick wieder auf mich fällt, straffe ich schnell die Schultern, als hätte ich ihn nicht gerade angegafft. »Zwischen uns herrscht keine Rivalität.«

»Okay.« Er hält mir eine Tupperdose hin. »Probier mal.«

Ich hebe die Hand. »Ich habe keinen Hunger, aber vielen Dank.«

»Komm schon. Ich verspreche dir, dass sie nicht vergiftet sind. Ich habe die Küche deiner Kultur probiert, also musst du jetzt auch meine probieren.«

»Shrimps?«

»Knoblauchgarnelen.« Er hält mir den Behälter noch näher hin. Obwohl mein Bauch sagt, dass er bitte kein Essen mehr will, sagen meine Augen, dass es verdammt gut aussieht. Als sich auch noch meine Nase einmischt, schnappe ich mir eine.

Wenn meine Brüder das jetzt sehen würden, würden sie mir die Garnele aus der Hand schlagen und mich fragen, ob ich noch ganz bei Trost bin. Bei der Vorstellung muss ich anfangen zu lachen.

»Was ist denn so lustig?« Er nimmt sich ebenfalls eine Garnele, steckt sie sich in den Mund und setzt den Deckel auf die Tupperdose.

»Nichts.«

»So wird das also laufen?« Er sieht sich um. »Wir sind ganz allein, und ich steige erst an der letzten Haltestelle aus. Du musst mich also bei Laune halten.«

Er steigt auch in Cliffton Heights aus? Und warum fühlt sich mein Bauch plötzlich an, als wäre er mit Helium gefüllt? Als würde ich gleich davonschweben?

Ich beiße in die Garnele. Sie ist kein bisschen zäh und immer noch warm. Als ich einen weiteren Bissen nehme, läuft mir die geschmolzene Butter über das Kinn. Natürlich habe ich schon mal Knoblauchgarnelen gegessen, aber noch nie so leckere.

»Ich habe dir ja gesagt, dass sie schmecken.« Seine freche Art zieht mich nur noch mehr zu ihm hin. Vielleicht liegt es daran, dass ich mit drei viel zu selbstbewussten Brüdern aufgewachsen bin, aber je selbstsicherer ein Mann auftritt, desto mehr will ich ihn.

»Schmeckt ausgezeichnet.« Ich verspeise den Rest, und er reicht mir eine Serviette, um den Schwanz der Garnele darin einzuwickeln. »Wie gut du vorbereitet bist.«

Er nickt. »Keine Sorge. In zehn Minuten wirst du rein gar nichts spüren. Du wirst einfach weg sein.«

Ich starre ihn ausdruckslos an, und er fängt an zu lachen.

»Ich mache nur Spaß. Wirklich. Nur Spaß.« Er hält mir seine Hand hin. »Ethan.«

Ich lege die Hand in seine und versuche zu ignorieren, wie die Wärme seiner großen Hand meinen Arm hinaufwandert. »Blanca.«

»Ein schöner Name für eine schöne Frau.«

Meine Wangen beginnen zu glühen. »Danke.«

Er streckt die Beine noch mehr aus und macht es sich auf seinem Platz gemütlich. »Erzähl mal, was eben so lustig war.«

»Ich habe nur an meine Brüder gedacht.«

»Dann hast du also mehrere?«

»Drei«, erwidere ich.

»Älter oder jünger?«

»Alle älter.«

Er reißt die Augen auf und nickt. »Da muss es Rivalität geben.«

»Gibt es nicht.«

Sein Grinsen wird noch breiter. »Italienische Familie. Drei ältere Brüder. Alle erfolgreich?«

Ich schüttle den Kopf.

»Nein?«

Ich runzle die Stirn. »Okay, ja.«

Er grinst. »Verheiratet?«

Gespielt genervt verdrehe ich die Augen. »Einer, ja.«

»Und die anderen beiden?«

»Ernsthaft? Verlobt und fast verlobt.«

Er hebt seine perfekten Augenbrauen, als sollte ich einfach zugeben, dass er recht hat.

»Ich sag’s dir. Ich bin die kleine Schwester. Das Baby. Die einzige Tochter in einer italienischen Familie. An Aufmerksamkeit mangelt es mir definitiv nicht.«

»Und trotzdem weißt du, dass dein Bruder zu viel Knoblauch in das Hackfleisch gegeben hat, und du hast es deiner Mom nicht gesagt, weil du insgeheim willst, dass sie es selbst herausfindet und dann deinem Bruder die Schuld gibt.«

»NEIN!«, rufe ich und senke schnell die Stimme. »Nein«, flüstere ich übertrieben. »Hätte ich es schon vorher gewusst, hätte ich etwas gesagt. Aber ich habe es erst gemerkt, als ich sie probiert habe.«

Er nickt ein paarmal, als wollte er sagen: Okay, lüg dich ruhig weiter selbst an.

»Das stimmt nicht.«

»Doch, tut es.« Er zwinkert, und die Ballons in meinem Bauch heben ab. Diese verdammten Verräter.

Als der Schaffner Peekskill ansagt, steht Gil unvermittelt auf und greift nach der Tupperdose. Er sieht sich um, und als er Ethan entdeckt, nickt er ihm dankend zu.

»Einen schönen Abend noch, Gil«, sagt Ethan.

Gil erwidert nichts. Ich beobachte, wie er die Stufen heruntertorkelt und den Bahnsteig betritt. Als mein Blick wieder auf Ethan fällt, grinst er.

»Ich habe fast immer recht«, sagt er, doch sein Gesichtsausdruck verrät mir, dass er nur Spaß macht.

»Du weißt nichts über mich und das Verhältnis zu meinen Brüdern.«

Mit dem Zeigefinger tippt er sich ans Kinn, als würde er nachdenken. »Ich wette, sie haben einen großen Beschützerinstinkt?«

»Das ist keine Wissenschaft. Drei italienische Brüder, die übertrieben auf ihre kleine Schwester aufpassen, ist nichts, was man nicht erwarten würde.«

»Aber ich wette, es nervt dich.«

Ich zucke mit den Schultern. »Das würde doch jeden nerven.«

Er schüttelt den Kopf. »Es gibt auch Menschen, die gern beschützt werden. Die sich dadurch sicher fühlen. Geliebt.«

Ich sehe mich im Waggon um. Jetzt sind es nur noch wir beide. »Bin ich hier im Therapiezug gelandet?«

Er lacht. »So viel Spaß hatte ich an einem Sonntagabend schon lange nicht mehr.«

»Das ist nichts, worauf man stolz sein sollte«, erwidere ich trocken.

Ich werde jetzt nicht zugeben, dass es mir genauso geht, schließlich ist er ein Fremder, über den ich rein gar nichts weiß. Vielleicht versucht er ja, mich um den Finger zu wickeln, um mich später zu entführen.

Er erwidert nichts, und weil ich Stille hasse, gebe ich schließlich nach.

»Na schön. Du hast recht. Es nervt mich.«

»Weil du ihnen beweisen willst, dass du ihnen ebenbürtig bist?«

Ich schüttle den Kopf. »Okay … nächstes Thema.«

Zu meiner Verwunderung lässt er tatsächlich locker und holt eine Keksdose heraus. Mit Schokostückchen. So amerikanisch. »Aus welcher Kultur stammst du denn?«, frage ich.

»Spanisch. Die Kekse allerdings nicht.« Er hält mir die Dose hin. »Friedensangebot. Ich neige dazu, Leute zu löchern, weil mich interessiert, wie sie ticken. Tut mir leid.«

Ich nehme mir einen Keks und hoffe, dass ich nicht ohnmächtig werde, bevor wir Cliffton Heights erreichen. »Danke. Entschuldigung angenommen.« Als ich hineinbeiße, erlebe ich eine wahre Geschmacksexplosion.

»Wo musst du raus?«, fragt er.

»Cliffton Heights.«

Er schenkt mir ein so breites Lächeln, dass wieder sein Grübchen zum Vorschein kommt.

Mein Ego schwillt ein wenig an, weil ich diejenige bin, die es ihm entlockt hat. Ich glaube, ich stecke echt in Schwierigkeiten.

Kapitel 2

ETHAN

Todd grinst mich mit der Frage »Na, wen hast du heute abgeschleppt?« in seinem Blick an, als ich Blanca den Vortritt lasse, um zuerst aus dem Zug auszusteigen. Sie hat mehrere Taschen und Tüten dabei, aber ich habe absichtlich nicht gefragt, ob ich ihr helfen kann, denn diese Frau ist ganz gewiss nicht auf der Suche nach einem Retter in der Not. Und ich will auch nicht, dass sie mich für einen hält.

»Wo wohnst du?«, frage ich sie, nachdem wir uns von Todd verabschiedet haben und ausgestiegen sind.

»Das sage ich dir nicht.« Sie geht hinüber zu einer Bank. Es ist stockdunkel. Wären wir nicht in Cliffton Heights, würde ich ihr folgen, nur um sicherzugehen, dass sie gut nach Hause kommt.

»Du hast mein Essen gegessen, und siehe da: Du lebst noch.«

»Es könnte vierundzwanzig Stunden dauern, bis ich irgendwas spüre. Sorry.« Sie klimpert mit ihren langen Wimpern.

Sie sieht so süß aus in ihren Skinny Jeans, den Vans und dem T-Shirt, auf dem steht: Ich hasse es, so sexy zu sein, aber ich bin Kassiererin, also kann ich nichts dagegen tun.

Sie blickt an sich herunter, merkt, dass ich den Spruch auf ihrem Shirt lese, und errötet. »Das ist von meiner Tante. Sie liebt es, den Leuten T-Shirts mit solchen Sprüchen darauf zu schenken.«

»Du bist Kassiererin?«, frage ich neugierig.

Blanca lächelt, und ich überlege, was ich noch raten könnte, nur um sie noch einmal so zum Strahlen zu bringen.

»Ich war Bankkassiererin. Ist schon eine Weile her, aber …« Sie nimmt den Stoff des Shirts zwischen Daumen und Zeigefinger und reibt ihn liebevoll.

»Ah, eins von diesen Shirts? Von denen man sich unmöglich trennen kann, obwohl es längst Zeit gewesen wäre?«, beende ich ihren Satz, und sie stampft mit dem Fuß.

»Und auf deinem Shirt sollte stehen: Psychologe: Achtung, ich werde dich von vorn bis hinten analysieren. #sorrynotsorry.«

»Na ja, eigentlich hatte ich gehofft, dass bei mir auch irgendwas mit sexy draufstehen würde. Wie bei dir.«

Kichernd lässt sie das Kinn auf die Brust sinken und verlagert das Gewicht von einem Fuß auf den anderen. »Ich muss jetzt nach Hause.«

Genau in dem Moment klingelt ihr Handy. Seufzend zieht sie es aus ihrer Tasche.

»Einer deiner Brüder?«

Sie reißt die Augen auf. »Langsam kriege ich echt Angst.«

Eigentlich ist es nur meine journalistische Gewohnheit zu entziffern, was jemand sagt und tut. Eine Person anhand der wenigen Informationen, die man über sie hat, zu durchschauen. Ich hatte schon immer das Gefühl, dass ich das angeborene Talent besitze, Menschen zu lesen. Trotzdem wurde ich im Lauf der Jahre mehr als einmal übers Ohr gehauen.

Wie zum Beispiel vom Chef meines Dads, als ich sieben Jahre alt war. Ich hielt ihn für Santa Claus höchstpersönlich. Für das Firmenpicknick organisierte er Ponys und Jahrmarktsbuden und ließ sich sogar selbst beim Dunk-Tank mit Wasser überschütten. Dann schenkte er mir eine Zuckerwatte, wuschelte mir durchs Haar und sagte, wir würden uns nächstes Jahr wiedersehen. Am Montag darauf feuerte er meinen Dad, und es gab im folgenden Jahr kein Firmenpicknick. Eigentlich gab es im folgenden Jahr so gut wie gar nichts.

Blanca ist jedoch ein ziemlich offenes Buch. Selbst jetzt, da sie in ihr Smartphone versunken ist und schnaubend eine Nachricht tippt, entgeht mir nicht, dass sie die Hüfte vorgeschoben und sich schon mindestens fünfmal eine lose Locke aus dem Gesicht gepustet hat. Wer auch immer ihr schreibt – sie ist von ihm genervt.

Da ich selbst eine kleine Schwester habe, kann ich die Situation nachvollziehen. Ich würde auch wollen, dass sie mir schreibt, ob sie gut angekommen ist. Und ich wäre auch wütend, wenn sie von einem Fremden im Zug Essen annehmen würde.

Schließlich steckt sie das Smartphone zurück in ihre Handtasche. »Sorry.«

»Kein Grund zur Entschuldigung.«

»Ich muss jetzt los. Danke fürs Essen. Und schick mir gern die Rechnung für die Therapiestunde.«

Oh, sie ist witzig. Nichts ist heißer als eine Frau, die mich zum Lachen bringen kann. Meine Ex hat immer alles so schrecklich ernst genommen. »Vielleicht sehen wir uns ja nächsten Sonntag wieder.«

Sie zuckt mit den Schultern. »Vielleicht. Tschüss.« Dann dreht sie sich um, und ich blicke ihr hinterher, bis sie um die Ecke gebogen ist.

Irgendetwas in mir sagt mir, dass ich ihr nachgehen sollte, denn obwohl Cliffton Heights nicht riesig ist, ist es dennoch so groß, dass ich ihr vielleicht nie wieder über den Weg laufen werde.

Als mein eigenes Handy klingelt, ziehe ich es aus der Hosentasche und gehe in die entgegengesetzte Richtung davon.

»Hey, Mom.«

»Bist du gut nach Hause gekommen?«, fragt sie.

Die Tatsache, dass sie mich das immer noch fragt, lässt mich lächeln.

»Ja, ich habe dir auch geschrieben.« Und zwar sofort, nachdem ich aus dem Zug ausgestiegen bin, aber ich hätte es besser wissen müssen. Sie hasst Nachrichten auf dem Handy.

»Das könnte ja jeder schreiben. Ich muss deine Stimme hören, um zu wissen, dass alles in Ordnung ist.«

Sie klingt müde. Ich wünschte, sie wäre einfach ins Bett gegangen, nachdem ich los bin.

»Bei mir ist alles in Ordnung. Geh schlafen. Ich rufe dich morgen wieder an.«

»Danke für den Tag heute, mein Schatz.« Es folgt eine Pause, und bevor sie etwas sagt, weiß ich schon, was jetzt kommt. »Dein Dad hat gut ausgesehen, oder? Gesund?«

»Mom.« Ich seufze.

»Er wird stärker.«

»Ja. Du hast recht.« Mein Mund ist trocken, als die Lüge über meine Lippen kommt.

»Ich weiß.« Ihre Stimme klingt eine Oktave höher, und ich würde sie den ganzen Tag anlügen, um sie so fröhlich zu hören.

»Musst du morgen arbeiten?«

»Ja.« Ich erreiche mein Apartment und stecke den Schlüssel in die Haustür.

»Hab dich lieb. Danke für den Tag heute.«

»Du musst dich nicht für meinen Besuch bedanken«, erwidere ich genervt. Das macht sie schon den ganzen Tag. Sie tut, als würde ich meinen Dad nicht lieben. Das tue ich, es ist nur nicht so leicht.

»Ich dachte, ich komme dich demnächst mal sonntags besuchen.«

Nachdem ich New York City für meinen alten Job verlassen habe, hat mir meine Mutter monatelang ein schlechtes Gewissen gemacht. Das tut sie immer noch. Ich glaube, mein Umzug hat sie so verletzt, weil sie dachte, ich wollte von ihnen weg, nicht nur von ihm.

»Klar, können wir machen, aber es ist einfacher, wenn ich zu euch komme.«

Ich öffne die Tür zu meinem Apartment und betrete endlich die Stille, nach der ich mich schon den ganzen Tag gesehnt habe. Von der Zugfahrt einmal abgesehen. Mit Blanca hätte ich eine ganze Rundfahrt gemacht, wenn es nicht bedeutet hätte, in New York City festzuhängen.

Als ich an ihr Lächeln denke, grinse ich vor mich hin. Ich hoffe, wir sehen uns wieder.

»Ich muss jetzt Schluss machen, Mom. Hab dich lieb.«

»Ich dich auch. So sehr«, erwidert sie.

»Tschüss.« Schnell lege ich auf, bevor sie mich für eine weitere halbe Stunde am Telefon halten kann.

Ich setze den Rucksack ab, hänge ihn an den Kleiderhaken neben der Tür und verstaue die Tupperdosen im Kühlschrank. Meiner Sonntagabendroutine folgend, schlüpfe ich auf dem Weg unter die Dusche aus meinen Klamotten und verbringe den Rest des Abends damit, über den Artikel für nächste Woche nachzudenken.

Das Einzige, was von meiner Routine abweicht, ist der Gedanke an Blanca, den ich einfach nicht abschütteln kann. Ich kann nur hoffen, dass es das Schicksal gut mit mir meint und ich sie wiedersehen werde.

Kapitel 3

BLANCA

Als ich mein neues Apartment betrete, muss ich feststellen, dass sich heute Abend wohl das ganze Haus bei uns trifft. Alle drei Typen von gegenüber sind da, was häufiger vorzukommen scheint.

»Was geht ab, Blanca?« Dylan, der gerade unseren Kühlschrank durchforstet, wirft mir einen Blick über die Schulter zu.

»Hast du Hunger?« Ich stelle die Essensreste auf den Küchentisch.

»Wie war’s in der Stadt?« Sierra steht vom Sofa auf, kommt zu uns herüber und nimmt die Tupperdosen aus der Tüte. Sie hat sie gerade in den Kühlschrank gestellt, da schnappt sich Dylan einen der Behälter und nimmt den Deckel ab.

»Anstrengend. Die Zugfahrt war echt lang, aber …« Ich würde Sierra gern von dem Typen erzählen, den ich eben kennengelernt habe, aber es sind noch vier andere Personen im Raum. Leute, die mir völlig fremd sind.

»Was aber?« Sierra reißt Dylan die Dose aus der Hand, und er seufzt.

»Willst du was davon?«, frage ich Dylan, als ich nach der Tupperdose mit dem Kuchen greife.

Freudig reißt er die Augen auf, nur um dann die Schultern hängen zu lassen, als sich Sierra auch noch die letzte Tupperdose vom Tisch schnappt.

Er sieht mich an, als würde ich ihm ein saftiges Steak vor die Nase halten. »Bitte. Ich esse auch nicht alles.«

Sierra wirft einen Blick in den Behälter. »Süß. Ich liebe Mama Mancini.«

Ich stelle den Kuchen auf den Tisch, schlüpfe aus meiner Jacke und hänge sie an die Garderobe neben der Tür. »Um ehrlich zu sein, hat Annie ihn bestellt.«

Als ich mich wieder umdrehe, steht Sierra mit großen Augen und offenem Mund da. Sie weiß, dass Mama die Kuchen immer selbst backt. Einen Prinzessinnenkuchen für meinen fünften Geburtstag, einen Regenbogenkuchen für meinen achten und eine vierstöckige Torte für meinen sechzehnten.

Aber Annie meinte, sie wolle unbedingt die neue Konditorei ausprobieren, die vor Kurzem aufgemacht hat, also ist es schon in Ordnung. Wirklich.

»Ich muss die Frauen, die deine Brüder von der Liste der begehrtesten Junggesellen New Yorks gestrichen haben, unbedingt kennenlernen.«

Natürlich gehört auch Sierra zu meinen zahlreichen Freundinnen, die schon mal in meine Brüder verschossen waren. Damit lebe ich zwar schon mein ganzes Leben, aber ich komme immer noch nicht ganz damit klar.

»Sie kommen uns bestimmt mal besuchen.«

Sierra hat inzwischen von dem Essen abgelassen und die Tupperdosen wieder auf den Tisch gestellt. Dylan schnappt sich eine Gabel, spießt eine der Frikadellen auf und steckt sie sich in den Mund. Ihm entweicht ein lautes Seufzen. »Mama Mancini ist hier jederzeit willkommen.« Er plumpst auf einen Stuhl am Küchentisch. »Seth, die musst du unbedingt probieren«, ruft er seinem Kumpel zu, der drüben auf dem Sofa sitzt, nimmt sich noch eine und schiebt den Behälter von sich.

Seth steht auf und reißt den Blick von Blue Bloods los. Ich greife in die Besteckschublade und reiche ihm eine Gabel, bevor er neben Dylan Platz nimmt.

»Nur noch eine.« Dylan schnappt sich eine weitere Frikadelle, nachdem sich auch Seth eine genommen hat. Beide stöhnen, als würden sie gerade den besten Blowjob aller Zeiten bekommen.

»Scheiße, Mancini. Da hast du uns bisher aber etwas vorenthalten. Gestern hast du Instantnudeln gemacht. Und dann auch noch eine viel zu kleine Portion.« Seths blaue Augen funkeln vor Begeisterung, während er eine weitere Tupperdose öffnet. »Lasagne.« Sofort steckt er die Gabel hinein, und Dylan tut es ihm gleich.

»Nur, weil meine Mama kochen kann, heißt das noch lange nicht, dass ich es auch kann«, stelle ich klar.

Sierra und ich grinsen uns gegenseitig an. Sie weiß, wie schwierig es ist, kulinarisch mit meiner Mama mitzuhalten.

»Ich dachte, jede italienische Tochter muss kochen lernen, um einen anständigen Ehemann zu bekommen.« Seth starrt mich an, als würde er das ernst meinen. »Ist das nicht der Grund, warum du überhaupt geboren wurdest? Um dich fortzupflanzen?«

Sierra gibt ihm einen Klaps auf den Hinterkopf, und ich schlage mit ihr ein.

»Das war nur ein Witz, Leute.«

Dylan schüttelt den Kopf, als wäre Seth ein Idiot.

»Knox. Rian. Habt ihr Hunger?«, frage ich.

»Pssst … Donnie Wahlberg läuft.« Rian hebt eine Hand, ohne den Blick vom Fernseher abzuwenden. Sie trägt eine Leggings und ein schlichtes T-Shirt, das blonde Haar hat sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. »Ist es zu fassen, dass er schon um die fünfzig ist? Glaubst du, du siehst mit fünfzig auch noch so gut aus?«, fragt sie Knox.

Ich würde sagen, ja. Der Kerl achtet sehr auf sich. Nicht, dass Dylan und Seth es nicht tun würden. Aber seit ich Knox kenne, habe ich ihn noch nie etwas Ungesundes essen sehen. Okay, vielleicht sollte ich dazu sagen, dass wir uns erst letzte Woche kennengelernt haben. Sierra hat mir erzählt, dass er Polizist ist, vielleicht verzichtet er also auch, um fit zu bleiben.

»Ähm … ja«, erwidert Knox, als wäre die Frage unnötig.

Seth kichert mit vollem Mund.

»Falls du es noch nicht gemerkt hast … Knox hat hier das größte Ego«, sagt Sierra, jedoch nicht boshaft.

»Ist das hier so etwas wie euer Sonntagsritual?« Ich setze mich an den Tisch, lege die Füße auf den freien Stuhl neben mir und strecke mich. »Ihr seht euch alle Blue Bloods an wie Eltern, deren Kinder endlich aus dem Haus sind?«

Dylan tut beleidigt, aber jetzt mal im Ernst: Würde man jemanden fragen, was der Besitzer des Ink Envy Tattoostudios auf der anderen Straßenseite, dessen Arme von oben bis unten tätowiert sind, in seiner Freizeit macht, wäre Blue Bloods schauen das Letzte, was man vermuten würde.

»Hey, das ist eine wirklich gute Serie. Also psst«, schimpft er.

Rian versucht, alle zum Schweigen zu bringen, und Seth schüttelt den Kopf. »Du weißt schon, dass er inzwischen eine Glatze hat.«

»Na und? Er ist trotzdem sexy. Du bist ja nur neidisch.« Sie winkt ab.

»Glaubt ihr, sie achtet überhaupt auf die Handlung?«, fragt Sierra, die neben dem Tisch steht.

»Nein. Sie wartet nur darauf, dass er sich auszieht.« Seths Gabel wandert zwischen den Frikadellen und der Lasagne hin und her.

Dylan haut seine mit großem Appetit in den Kuchen. »Ich verstehe nicht, was sie an dem Typen so toll findet.«

»Wahrscheinlich hat er ein total aufgeblasenes Ego, weil alle jungen Frauen auf ihn stehen«, flüstert Seth, weil Rian schon wieder alle ermahnt hat.

»Keiner hat ein so großes Ego wie Sigmund.« Sierra verspeist jetzt ebenfalls ein Stück Kuchen.

Die Stimmung am Tisch verändert sich, und mir entgeht nicht, wie Seth und Dylan einen Blick wechseln.

»Wer ist Sigmund?«, frage ich.

Seth sieht Sierra mit großen Augen an. »Ihr Ex.«

Sierra spießt nun ein größeres Stück auf die Gabel, erwidert jedoch nichts.

»Das tut mir leid. Ist es noch frisch?« Ich lege die Hand auf ihren Arm, und ihr Gesichtsausdruck wird weicher.

»Wir haben uns vor ungefähr einem halben Jahr getrennt. Wir waren ein bisschen länger als ein Jahr zusammen.«

Ich speichere die Info in meinem Gehirn ab, damit ich sie später mehr fragen kann, wenn wir allein sind.

»Eigentlich ist er ein cooler Typ«, sagt Dylan, der sich immer noch nicht entschieden hat, was er als Nächstes essen will. Erst merkt er gar nicht, dass Seth und Sierra ihn anstarren. Dann blickt er auf und zuckt mit den Achseln. »Was denn? Stimmt doch. Ihr zwei habt einfach nicht zusammengepasst.«

»Und warum nicht?«, will Sierra wissen. Ihre Gabel landet klirrend auf dem Tisch, und sie verschränkt die Arme vor der Brust.

»Hey, das ist Blancas erster Sonntag mit uns. Und sie hat dieses fantastische Essen mitgebracht. Müssen wir jetzt wirklich darüber diskutieren?«, fragt Seth und breitet die Arme aus, als wollte er uns an den Händen halten und »Kumbaya« singen. Anscheinend scheut er Konfrontationen.

»Ihr hattet nur ein einziges Date – und schwups, wart ihr zuuusammeeen.« Dylan zieht das Wort in die Länge. »Ich meine, wer macht so was?« Er sieht mich an, und ich hebe die Hände, denn ich werde mich ganz sicher nicht einmischen.

»Menschen, die sich mögen. Normale Menschen, Dylan.« Sierras Blick wandert hinüber zu Rian und zurück zu ihm. Aber ich glaube, ich bin die Einzige, der das auffällt.

Seth sieht aus, als wollte er am liebsten unter den Tisch kriechen und seine Eltern bitten, mit dem Streiten aufzuhören, während Dylan ganz ruhig seine Gabel auf den Teller legt und die Arme verschränkt, wodurch die Muskeln unter seinen vielen Tattoos hervortreten.

»Dylan hat sie einander vorgestellt«, flüstert mir Seth über den Tisch hinweg zu.

Ich nicke.

»Du hast schon immer für ihn Partei ergriffen. Und das ist auch der Grund, warum …« Sierras Gesichtsfarbe passt inzwischen zu ihrem leuchtend roten Haar.

»Warum was?«

»Warum es nicht funktioniert hat. Wenn einer von euch ihm mal gesagt hätte, dass er sich falsch verhält …«

»PSSST!!!«, zischt Rian. Doch statt damit die Stimmung zu lockern, passiert genau das Gegenteil. Plötzlich lehnen sich Sierra und Dylan beide über den Tisch.

»Ich lasse mich jetzt auf keine Diskussion ein«, sagt Dylan.

»Danke.« Seth greift nach seiner Gabel und entspannt sich ein wenig.

»Du gibst mir nur die Schuld, weil ich eine Frau bin. Du bist so ein Aufreißer. Du hast solche Angst vor einer festen Beziehung, dass du nicht mal weißt, wie sie funktioniert.«

Seth legt seine Gabel beiseite. »Anscheinend sind sie doch noch nicht fertig.«

»Ich?« Dylan deutet auf sich selbst, die Augenbrauen hochgezogen.

Seinem äußeren Erscheinungsbild nach zu urteilen, könnte er tatsächlich einer sein. Ich meine, er schreit förmlich nach Bad Boy. Die schwarzen Jeans, das weiße T-Shirt, die Tattoos. Seine etwas ruppige Art.

»Wir wissen doch alle, dass Sigmunds Name aus dieser Wohnung verbannt wurde, warum diskutieren wir also über ihn?«, fragt Seth, aber alle ignorieren ihn.

Dylan lehnt sich zurück, zieht einen Zwanzig-Dollar-Schein aus seiner Hosentasche und reicht ihn Seth. Seth nimmt ihn entgegen und starrt ihn an, als würde es sich um eine ausländische Währung handeln. Dylan erhebt sich, schiebt seinen Stuhl unter den Tisch und lehnt sich erneut nach vorn. »Sigmund, Sigmund, Sigmund, Sigmund …«

Sierra verengt die Augen zu schmalen Schlitzen. Jetzt steht auch sie auf, schiebt den Stuhl unter den Tisch und tut es Dylan gleich, indem sie sich so weit über den Tisch lehnt, dass ihr Gesicht direkt vor seinem ist. »Flittchen, Flittchen, Flittchen, Flittchen …«

Dylans Kiefer verspannt sich, und man merkt, dass er große Mühe hat, sich zurückzuhalten. Als er den Blick auf mich richtet, reiße ich die Augen auf. »Danke fürs Essen, Blanca.«

»Ähm … gern … geschehen«, stottere ich.

Er wendet sich zum Gehen, und ein paar Sekunden später knallt die Tür hinter ihm ins Schloss.

»Er treibt mich noch in den Wahnsinn!« Sierra stapft ins Wohnzimmer.

»Entschuldigung«, sagt Rian und wedelt mit der Hand herum, weil Sierra ihr im Weg steht. Sie scheint überhaupt nicht mitbekommen zu haben, was eben geschehen ist, denn plötzlich beginnt sie mit Knox eine Unterhaltung darüber, was gerade in der Serie passiert.

Ich frage mich, wie viele Staffeln ich schauen muss, um auf demselben Stand zu sein.

Sierra schnaubt und stapft den Flur entlang zu ihrem Zimmer.

»Ist ein ziemlich sensibles Thema.« Seth nimmt seine Gabel und zieht den Kuchen näher zu sich heran.

»Ich verstehe ja, dass Dylan mit ihm befreundet ist, aber warum ist das eine so große Sache?«, frage ich. Seit wir unsere Freundschaft wieder haben aufleben lassen, hat Sierra mir nichts von einer schlimmen Trennung erzählt.

Seth sieht mich an. »Dylan hat für Sigmund Partei ergriffen, als die beiden sich getrennt haben. Dylan ist hier eingezogen, damit Sigmund zu Knox und mir ziehen konnte. Aber es hat nicht funktioniert, also ist er vor einem Monat wieder ausgezogen. Deshalb hat sie auch so schnell eine neue Mitbewohnerin gebraucht.«

Es gefällt mir nicht, dass ich diese Info von Seth bekomme, obwohl ich das eigentlich von Sierra hätte erfahren sollen.

Ich nehme die Füße herunter, stehe auf und schiebe meinen Stuhl unter den Tisch. »Ich werde mal nach ihr sehen.«

»Ist ein schwieriges Thema. Die Trennung war für uns alle beschissen. Wir waren alle befreundet.« Seth sieht aus, als würde er gleich in Tränen ausbrechen, während er sich noch mehr Kuchen in den Mund schaufelt. Erstaunlich, wie viel ich während dieser kurzen Unterhaltung über ihn erfahren habe: Er verabscheut Konfrontation und isst, wenn er gestresst ist.

Ich gehe den Flur entlang und klopfe vorsichtig an Sierras Zimmertür. Nach einem leisen »Herein« trete ich ein und ziehe die Tür hinter mir zu.

»Hey«, sage ich.

»Hey.« Sie sitzt im Schneidersitz auf dem Bett, auf ihrem Schoß liegt ein Kissen. Sie beugt sich darüber und scrollt durch ihr Handy.

»Willst du reden?«, frage ich.

Sie legt das Handy weg. »Ist schon okay. Ich bin über ihn hinweg. Wirklich. Es tut nur noch ein bisschen weh.«

Ich setze mich zu ihr, lege den Arm um ihre Schultern und drücke sie an mich. »Du kannst mir alles erzählen. Ich weiß, wir hatten jahrelang keinen Kontakt, aber ich kann Geheimnisse immer noch sehr gut für mich behalten.« Ich fahre mir über die Lippen und schmeiße den imaginären Schlüssel weg, wie wir es früher immer getan haben.

»Eigentlich gibt es nicht viel zu erzählen. Wir haben uns einfach nur die ganze Zeit gestritten. Aber das bedeutet nicht, dass ich ihn nicht geliebt habe. Mein Gott, er konnte mich echt auf die Palme bringen.« Sie richtet sich auf und wendet sich mir zu. »Er hat Ben auf die Nase gehauen, weißt du?«

Mir fällt die Kinnlade herunter. »Er hat deinen Bruder geschlagen?«

Sie nickt. »Er war so verdammt verbissen. Als wäre ein Footballspiel an Thanksgiving das Wichtigste.« Sie verdreht die Augen.

Ich erwähne jetzt lieber nicht, dass ich diese Spiele an Thanksgiving früher öfter mitbekommen habe und weiß, wie hitzig sie werden können. Meine Brüder brauchten danach mehr als einmal einen Kühlakku. Aber jemandem auf die Nase zu hauen, kommt mir dann doch ein bisschen übertrieben vor.

»Das tut mir leid«, sage ich stirnrunzelnd.

Sie nickt. »Wenn wenigstens einer von deinen Brüdern noch zu haben wäre.« Sie lächelt ein wenig.

»Ekelhaft«, murmle ich.

»Oder Prinz Adrian von Sandsal. Den würde ich sofort nehmen.«