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Owen ist Ex-Soldat und Bodyguard der wunderschönen Erbin eines Spieleunternehmens… und ein Mann mit einem Geheimnis.
Als Texaner und ehemaliger Soldat ist Owen Harding hart im Nehmen. Es gibt nur eine Sache, vor der er sich wirklich fürchtet – seine innere Bestie. Ein Jahr in Agent Smiths Käfigen und eine Unmenge von Experimenten haben seinen Wolf in etwas Monströses verwandelt. Doch das Wilding-Rudel steht im Fadenkreuz des Wolfsjägers und seiner brutalen Anhänger, also dient Owen wieder, dieses Mal als Bodyguard. Wenn nur die Frau, die er beschützen soll, nicht so verdammt sexy wäre… und vollkommen tabu.
Durch seine tragische Ermordung hat Nova Wildings Vater ihr nicht nur sein Spieleunternehmen und ein neues PC-Spiel, das dringend veröffentlicht werden muss, hinterlassen, sondern auch ein Rudel voller Wölfe, die sie als Partnerin haben wollen… allen voran ein Beta, der entschlossen ist, Nova und ihre Firma sein zu machen. Als auch auf Nova ein Attentat verübt wird, findet sie sich plötzlich in den Armen ihres Bodyguards wieder… doch er ist der absolut falsche Mann zur falschen Zeit für sie.
Während Nova darum kämpft, ihre Spielefirma zu retten, und Owen alles in seiner Macht Stehende tut, um ihr Leben zu beschützen, kommen sie sich unausweichlich immer näher… bis sie beide herausfinden, dass sich ineinander zu verlieben das vielleicht gefährlichste Spiel von allen ist.
Achtung: WILD GAME ist ein eigenständiges und in sich abgeschlossenes Buch, das erste der Wilding Pack Wolves Reihe. Alle Bücher dieser Serie sind eigenständige Geschichten, aber für die Hintergründe und maximales Lesevergnügen empfiehlt es sich, zunächst mit der River Pack Wolves Trilogie zu beginnen.
Alle Teile der "Wilding Pack Wolves"-Reihe:
Wilding Pack Wolves 1 - Wild Game
Wilding Pack Wolves 2 - Wild Love
Wilding Pack Wolves 3 - Wild Heat
Wilding Pack Wolves 4 - Wild One
Wilding Pack Wolves 5 - Wild Fire
Wilding Pack Wolves 6 - Wild Magic
Andere Bücher von Alisa Woods:
Alle Teile der "River Pack Wolves" Trilogie:
River Pack Wolves 1 - Jaxson
River Pack Wolves 2 - Jace
River Pack Wolves 3 – Jared
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Text copyright © 2015 by Alisa Woods
All rights reserved.
Kein Teil dieser Publikation darf ohne die Erlaubnis des Herausgebers reproduziert, in einem Datenspeichersystem hinterlegt oder in jeglicher Art und Form weitergegeben werden, elektronisch oder mechanisch, inklusive Fotokopien, Aufnahmen oder Sonstigem.
English Copyright 2015 by Alisa Woods
2020 Deutsche Übersetzung von Michael Drecker
Herausgeber: Michael Drecker, Stühmeyerstr. 54, 44787 Bochum, Deutschland
Cover by Steven Novak www.NovakIllustration.com
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Owen ist Ex-Soldat und Bodyguard der wunderschönen Erbin eines Spieleunternehmens… und ein Mann mit einem Geheimnis.
Als Texaner und ehemaliger Soldat ist Owen Harding hart im Nehmen. Es gibt nur eine Sache, vor der er sich wirklich fürchtet – seine innere Bestie. Ein Jahr in Agent Smiths Käfigen und eine Unmenge von Experimenten haben seinen Wolf in etwas Monströses verwandelt. Doch das Wilding-Rudel steht im Fadenkreuz des Wolfsjägers und seiner brutalen Anhänger, also dient Owen wieder, dieses Mal als Bodyguard. Wenn nur die Frau, die er beschützen soll, nicht so verdammt sexy wäre… und vollkommen tabu.
Durch seine tragische Ermordung hat Nova Wildings Vater ihr nicht nur sein Spieleunternehmen und ein neues PC-Spiel, das dringend veröffentlicht werden muss, hinterlassen, sondern auch ein Rudel voller Wölfe, die sie als Partnerin haben wollen… allen voran ein Beta, der entschlossen ist, Nova und ihre Firma sein zu machen. Als auch auf Nova ein Attentat verübt wird, findet sie sich plötzlich in den Armen ihres Bodyguards wieder… doch er ist der absolut falsche Mann zur falschen Zeit für sie.
Während Nova darum kämpft, ihre Spielefirma zu retten, und Owen alles in seiner Macht Stehende tut, um ihr Leben zu beschützen, kommen sie sich unausweichlich immer näher… bis sie beide herausfinden, dass sich ineinander zu verlieben das vielleicht gefährlichste Spiel von allen ist.
Owen Harding war von verwundeten Soldaten umgeben.
Er gehörte nicht dazu – zumindest sah es von außen so aus, als wäre er unversehrt. Die Soldaten lagen in den Betten eines Veteranenkrankenhauses – der Krieg hatte ihnen Arme und Beine genommen und ihre Gesichter verbrannt, als hätte er Teile für ein grausiges Soldaten-Bingo gesammelt. Owen hatte drei Einsätze in Afghanistan hinter sich, doch der Anblick seiner Kameraden mit diesen entsetzlichen Verletzungen weckte in ihm immer noch den Wunsch, dem Krieg in den Arsch zu treten. Er kannte diese Soldaten nicht, aber ihre Art war ihm vertraut – damals, als er noch Obergefreiter Owen Harding war, war er genau wie sie gewesen und hatte alles geben wollen, um das Land zu beschützen, das er liebte.
Dann hatte sein Land ihn verraten.
Nein, das war nicht ganz fair. Er wusste, dass sein Land voller guter Menschen war… aber es gab dort auch ein paar schlechte. Und sowieso hatte ihn nicht das ganze Land und noch nicht einmal das gesamte Militär hintergangen. Ein einziger Oberst war dafür verantwortlich, dieses Arschloch mit seinen großen Ideen und fehlender Moral. Er war derjenige gewesen, der den Sprengsatz platzieren ließ, welcher Owens Leben zerfetzt und ihn in dieses Höllenloch eines medizinischen Gefängnisses geschickt hatte. Außerdem hatte der Oberst die Experimente autorisiert, die Agent Smith an Owen und unzähligen anderen Shiftern durchgeführt hatte. Es besänftigte ihn nicht besonders, dass Smith mittlerweile tot war und der Oberst einer Gerichtsverhandlung entgegensah. Es gab nichts, was er diesbezüglich noch hätte tun können, was aber nicht bedeutete, dass Owen für diese ganze Sache nicht wie für eine üble Nacht in Las Vegas bezahlen würde… nämlich für den Rest seines Lebens. Manchen Soldaten waren ihre Verletzungen von außen anzusehen, anderen hatte der Krieg einen Teil ihres Verstands geraubt. Ihm hatte das Militär sogar etwas noch Wichtigeres genommen – seine Identität.
Owen wusste einfach nicht mehr, wer oder was er war.
Er hatte den Krieg als ein Mann und ein Wolf begonnen – ein Shifter, der seine Fähigkeiten in den Dienst seines Landes stellte – doch dann hatten Agent Smiths Experimente ihn in eine Art Monster verwandelt. Und die Krönung dessen war, dass er nicht einmal wusste, was für ein Monster. Allerdings hatte er nicht gerade das Bedürfnis, es in absehbarer Zeit herauszufinden. Er hätte zwar nicht zugegeben, dass er Angst davor hatte, es zu erfahren… aber genauso war es.
„Wie läuft’s da drin?“, drang eine Stimme über seinen Ohrstöpsel zu ihm. Es war Murphy, einer der Mitarbeiter von Riverwise Private Security, Owens neuem Arbeitgeber. Owen war als hauptverantwortlicher Bodyguard von Nova Wilding angestellt, der Geschäftsführerin und Chef-Spieleentwicklerin von Wylderide Gaming, aber Murphy und Simpson waren bloß für die heutige Veranstaltung dabei. „Du kannst jederzeit Bescheid sagen, wenn du tauschen willst, Owen. Ich würde mir liebend gerne die neue Betaversion von Domination näher ansehen.“
„Domination?“, entgegnete Owen durch das Mikrofon, das an seinem Hemdkragen befestigt war. „Ist das ein Computerspiel oder etwas, das ihr mit Simpson an den Wochenenden macht?“ Domination: After Pulse war Wylderides brandneuer futuristischer Ego-Shooter. Das Spiel befand sich noch in der Betaphase, aber dank Nova konnten die verletzten Soldaten eine exklusive Demoversion auf mitgebrachten Laptops spielen. Das hier war eine Wohltätigkeitsveranstaltung, für die eine Art Mehrspielerwettbewerb speziell für die Soldaten des Veteranenkrankenhauses eingerichtet worden war. Owen selbst hatte nicht viel für Computerspiele übrig, aber er kannte eine Menge Gamer, sowohl beim Militär als auch bei sich zu Hause in Texas.
„Du bist echt’n Arsch“, quäkte Murphys Stimme in seinem Ohr. „Du weißt genau, wie gerne ich das Ding in die Finger bekommen möchte. Ganz zu schweigen von der Chefentwicklerin selbst.“
Owens Miene verhärtete sich etwas, obwohl Murphy ihn auf seinem Posten draußen vor dem Krankenhaus nicht sehen konnte. „Ich wusste nicht, dass die hohen Berufsstandards von Riverwise das Begrapschen von Klienten beinhalten.“ Er legte eine leichte Warnung in seine Stimme. Sie waren hier, um Nova vor der Hassgruppierung zu beschützen, die ihren Vater getötet und das gesamte Wilding-Rudel ins Visier genommen hatte… nicht um sie anzugaffen und respektlos über sie zu reden, selbst wenn es nur über den Funk war. „Muss ich dich rausnehmen und einen anderen Freiwilligen an Bord holen?“
„Nein, Sir.“ Murphy klang einsichtig. „Ich habe nur auf das Offensichtliche hingewiesen, Sir.“
„Und das wäre?“
„Dass Nova Wilding heute vielen Soldaten den Tag versüßt, Sir.“
„Verstanden.“ Owen ließ seinen Blick durch den Raum schweifen, bis er Nova wiedergefunden hatte. Seit ihr Vater vor einem Monat ermordet worden war, war er als ihr persönlicher Bodyguard für sie verantwortlich und ließ sie praktisch nie aus den Augen. Glücklicherweise verbrachte Nova den Großteil ihrer Zeit bei Wylderide, der Spielefirma, die ihr Vater gegründet und als Geschäftsführer geleitet hatte, und die Büroräume lagen relativ gut geschützt im vierundzwanzigsten Stock eines Hochhauses, mitten in der Innenstadt von Seattle. Diese Wohltätigkeitsveranstaltung war weitaus unsicherer.
Aber Murphy hatte recht – Nova Wilding war hübsch anzusehen.
Er sah ihr dabei zu, wie sie von einem Soldaten zum nächsten flitzte, ihr langes, pechschwarzes Haar hochgebunden, damit es nicht auf die Tastaturen fiel. Eine knallblau gefärbte Strähne lief auf einer Seite der Länge nach herab und ein Teil davon hatte sich gelöst. Sie fiel Nova immer wieder ins Gesicht, sodass sie sich diese ständig hinters Ohr zurückschieben musste – für ihn sah es nicht so aus, als würde sie diesen Kampf gewinnen können. Laut ihres Lebenslaufes war sie zweiundzwanzig Jahre alt, nicht viel jünger als Owen mit seinen sechsundzwanzig, aber die Kluft zwischen ihnen bestand aus mehr als nur Jahren. Seine Zeit auf diesem Planeten hätte sich nicht krasser von ihrer unterscheiden können. Außerdem war sie eine ganze Ecke kleiner als er – zierlicher Körper, schlanke Finger, doch mit der drahtigen Stärke eine Gymnastin, wenn sie zum Beispiel Kabel durch die Decken des Büros zog oder irgendwelches Equipment umherschleppte. Für die heutige Veranstaltung war sie in voller Kampfmontur erschienen – aber nicht der üblichen schwarzen Körperpanzerung, die man vom Militär kannte, sondern einer Art Spezialanfertigung, beinahe schon ein Kostüm, das auf ihre schmale Statur zugeschnitten war und Ähnlichkeit mit der Ausrüstung im Spiel hatte.
Es stand außer Frage, dass sie unglaublich heiß war. Der Blick eines jeden Veteranen folgte ihr, während sie von Bett zu Bett ging, auf ihre Laptops sah und ihnen die neuen Gameplay-Features des Spiels zeigte. Owen erkannte die Sehnsucht in den Augen der Soldaten wieder – er litt unter demselben quälenden Schmerz, der von zu vielen Gefechten und zu wenigen Frauen in seinem Leben stammte.
Tatsächlich war Nova so ziemlich die einzige Frau – und im Laufe des letzten Monats hatte er eine Menge von ihr mitbekommen. Meistens drehte sich bei ihr alles um das neue Vorzeigespiel ihrer Firma, aber da es darin im Prinzip um Militäreinsätze ging, hatte sie eine Menge Respekt für Soldaten und die Opfer, die sie brachten. Diese Veranstaltung war ihre Idee gewesen, obwohl sie noch um ihren Vater trauerte… oder vielleicht gerade deswegen. Sie hatte sich um alles gekümmert – sie hatte das neueste Gaming-Equipment von ihrer Firma sponsern lassen, die Genehmigung für das Veteranenkrankenhaus eingeholt und sogar einen speziellen Server für die Soldaten eingerichtet – und sie war seit den frühen Morgenstunden hier und hatte die Laptops und das Netzwerk getestet.
Gerade half sie zwei Veteranen, die wie Idioten nach ihr riefen und johlten, während sie mit ihren gesunden Armen herumwedelten und dabei fast ihre Laptops herunterstießen. Einem von ihnen fehlte der Arm komplett, der andere hatte seinen in einer Schlinge. Owen konnte nicht sagen, ob ihr breites Grinsen damit zu tun hatte, dass sie mit Schmerzmitteln vollgepumpt waren, oder mit der Tatsache, dass sich Nova über ihre Laptops beugte, um ihre Spiele übers Netzwerk zu verbinden, oder was auch immer sie da tat.
Die beiden Jungs warfen sich grinsende Blicke zu und brachen schließlich in Lachen aus.
Nova sah unsicher zwischen ihnen hin und her.
Owen blieb auf seinem Posten an der Tür, aber selbst aus ein paar Metern Entfernung konnte er sehen, wie sie ihr hübsches Gesicht in Falten zog und die Lippen zusammenpresste. Sie wich vor ihnen zurück und sah sich im Raum um, als würde sie nach etwas suchen. Als ihr Blick auf ihn fiel, zögerte sie, und blickte dann zu Boden.
Irgendetwas stimmte nicht.
Ihre Körpersprache war ihm mittlerweile wohlvertraut, selbst wenn ihre Unterhaltungen meist nie über Guten Morgen und Ich brauch‘ dringend ‘nen Kaffee hinausgegangen waren.
Er ging auf sie zu. „Rede kurz mit NovaCaine“, sagte er in sein Mikrofon. „Stelle solange das Mikro aus.“
Sie starrte immer noch auf den Boden, als er sie erreichte. „Alles in Ordnung, Ma’am?“
Sie blickte auf und wirkte leicht überrascht, ihn zu sehen. Wahrscheinlich schenkte sie ihm bei weitem nicht so viel Beachtung, wie er ihr. Andererseits gehörte das auch zu seinem Beruf. Ihrer war es, die Spielefirma ihres Vaters über Wasser zu halten.
Sie schüttelte den Kopf – sie standen nicht weit genug von den beiden spielenden Veteranen entfernt – wandte sich ab und ging mit ihm zu der Tür zurück, an der er eben noch gestanden hatte. Ein Pfleger eilte gerade hindurch, als sie dort ankamen, und Owen prüfte im Vorbeigehen dessen Namensschild. Es war einer der jüngeren Pfleger, den Owen wiedererkannte, also richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf Nova.
„Gibt es irgendetwas, womit ich Ihnen helfen kann, Ma’am?“, fragte er.
Sie griff nach der losen Strähne blauen Haares, zwirbelte sie zwischen ihren Fingern und warf dann einen Blick zurück auf die Soldaten. Das war eine Angewohnheit von ihr – mit ihrem Haar zu spielen, wenn sie über etwas nachdachte.
Er wartete.
Schließlich wandte sie sich ihm zu und fragte: „Glaubst du, sie würden sich wohler fühlen, wenn ich nicht hier wäre?“ Ihre Augen waren so dunkel wie die Mitternacht und doppelt so tiefgründig.
Er runzelte die Stirn. „Nein, Ma’am, das denke ich nicht. Aber ich bin mir auch nicht ganz sicher, ob ich Sie richtig verstehe.“
Sie ließ ihr Haar wieder los. „Ich hatte gehofft, das Spiel würde ihnen ein Gefühl von Kameradschaft zurückbringen. Aber sie scheinen, ich weiß nicht, sich etwas seltsam zu benehmen, wenn ich in der Nähe bin? Vielleicht könnten sie das Spiel mehr genießen, wenn ich sie nicht ablenke.“
Sie musste die Hitze der Blicke auf ihrem unverschämt süßen Hintern nicht bemerkt haben.
Er versuchte, sein Grinsen so gut wie möglich zu unterdrücken. „Nein, Ma’am. Diese Kerle können sich und ihre hässlichen Visagen die ganze Zeit gegenseitig betrachten. Sie tun ihnen etwas Gutes damit, diese Monotonie zu durchbrechen. Die Jungs wissen nur nicht recht, wie sie mit der, nun ja, verbesserten Aussicht umgehen sollen, die Sie mitbringen.“
Sie sah ihn verwirrt an. „Verbesserte Aussicht? Das Spielgeschehen findet in einem postapokalyptischen Kriegsgebiet statt, so realistisch, wie wir es—“
Owen konnte nicht anders – ein Lachen platzte aus ihm heraus. Es ließ sie umgehend verstummen und ihre blassen Wangen röteten sich wie kleine Rosen unter ihrem dunklen Eyeliner.
„Sie sind die Aussicht, Ms. Wilding. Bei allem Respekt, Ma’am, aber diese Jungs haben schon lange keine so gutaussehende Frau wie Sie mehr gesehen. Und schon gar nicht direkt neben ihrem Bett.“ Er kämpfte gegen das Grinsen an, das sich auf seinem Gesicht ausbreiten wollte, aber es wäre einfacher gewesen, sich den Mund zuzukleistern.
Überraschung spiegelte sich auf ihrer Miene wider, wurde dann aber von einem düsteren Stirnrunzeln verdrängt. Mit missbilligendem Kopfschütteln sah sie erneut zu Boden. Owen war sich nicht sicher, was das zu bedeuten hatte.
Dann sah sie wieder zu ihm auf. „Nova“, sagte sie leicht ungehalten.
„Wie bitte?“ Ihm musste etwas entgangen sein.
Erneut verdüsterte sich ihre Miene ein Stück. „Du bewachst mich seit über einem Monat, Owen Harding. Ich denke, es wird Zeit, dass du mich mit meinem Vornamen ansprichst.“
Also war er ihr aufgefallen. Er ließ ein Lächeln auf seinen Lippen spielen. „Ja, Ma’am.“
Sie verdrehte die Augen, dann wandte sie sich auf den Absätzen ihrer schwarzen Stiefel um und ging zurück an die Betten der Soldaten. Dieses Mal setzte sie ein breites, flirtendes Lächeln für sie auf und er war sich sicher, dass sie die Jungs damit noch ein ganzes Stück mehr aufbaute als zuvor. Vermutlich geriet das Spiel für die meisten von ihnen nur noch zur Nebensache.
Nova Wilding war nicht nur heiß und offensichtlich herzensgut, sie war auch aufgeweckt genug, das Spielentwicklungsunternehmen zu führen, das ihr Vater ihr durch seinen Tod so plötzlich hinterlassen hatte. Und offenbar gehörte verletzte Soldaten zu bezaubern ebenfalls zu ihrem Repertoire.
Seine Brust zog sich zusammen. Sie war genau die Sorte Frau, für die er was übrig gehabt hätte… wenn er nicht so ein Wrack wäre.
Er war nur noch ein Schatten seiner selbst. Während des Jahres, das er in Gefangenschaft verbracht hatte, hatten die Hemmstoffe ihn die meiste Zeit davon abgehalten, zu shiften… mit Ausnahme der wenigen Male, bei denen Agent Smith durch die Verabreichung verschiedener Seren versucht hatte, es absichtlich herbeizuführen. Owen hatte immer geglaubt, dass das Shiften reine Magie war, aber vielleicht war es am Ende doch bloß Biochemie.
Er war nie zur Uni gegangen, aber in der Schule, die er in seiner kleinen, staubigen Heimatstadt in Texas besucht hatte, hatte er nur Einsen gehabt. Er war grundsätzlich nicht auf den Kopf gefallen und hatte in der Armee noch einiges dazugelernt. Ihm war klar, dass Agent Smith genetische Experimente durchgeführt hatte – an ihm, an ahnungslosen Zivilisten und an einem Haufen anderer Leute, alles in seinem Versuch, eine Art Shifter-Supersoldaten zu erschaffen. Und Owen hatte ein paar grauenvolle und abscheuliche Dinge dabei passieren sehen. Menschen, die keine Menschen – oder Wölfe – mehr waren, sondern irgendein halbmutiertes Ding dazwischen. Was auch immer diese Gestalten waren, viele von ihnen konnten nicht zurückshiften, weil sie derart entsetzliche Missgeburten waren, dass sie fast augenblicklich verendeten. Im Gefängnis war es wie auf der verdammten Insel des Dr. Moreau zugegangen. Smith war jetzt tot, aber sein Vermächtnis bestand fort… in Owens Körper.
Selbst nachdem er befreit worden war, hatte Owen sich nicht getraut, zu shiften. Er konnte seinen Wolf nicht mehr heraufbeschwören und selbst wenn hätte er Angst, dies zu tun – wer wusste schon, was für eine Bestie hervorkommen würde? Die Beantwortung dieser Frage könnte die letzten zwei Sekunden seines Lebens mit sich bringen.
Aber nicht zu shiften bedeutete auch, dass seine Chancen, eine Partnerin zu finden, praktisch bei null lagen. Natürlich konnte er sich auf menschliche Frauen einlassen, aber Owen gefiel die Vorstellung nicht, irgendwen diesem Ding auszusetzen, das in ihm schlummerte. Nicht, wenn er selbst nicht wusste, was es war.
Was dazu führte, dass er seine gesamte Aufmerksamkeit seiner Arbeit widmete.
Der Arbeit… und Nova Wildings attraktivem kleinen Hinterteil. Doch er war nicht nur von ihrem sündhaft heißen Körper angetan, sondern auch von all den verschiedenen Seiten an ihr, die er kennengelernt hatte, während sie beinahe rund um die Uhr zusammen waren. Die Tage, die sie sich ins Büro schleppte, nachdem sie die ganze Nacht programmiert hatte. Das Lächeln, das sie für andere hervorbrachte, selbst als ihre Augen nach der Beerdigung noch dunkel umrandet waren. Und jetzt diese beherzte Flirtshow, die sie für die Soldaten hinlegte, die ihr Spiel spielten.
Diese Jungs würden heute Nacht mit Sicherheit von ihr träumen.
Aber dass sie diesen unbedingten Wunsch hatte, ihnen etwas Ablenkung zu verschaffen… damit drang sie direkt in sein Herz. Was zu einer gefährlichen Angelegenheit für ihn wurde. Diese Soldaten erholten sich vermutlich wieder oder bekamen womöglich sogar neue kybernetische Gliedmaßen, aber es gab keine Physiotherapie, die Owens genetischen Schaden heilen konnte, egal wie dieser auch aussah.
In ihm schlummerte eine tickende Zeitbombe.
Einer der Wylderide-Angestellten, Brad Hoffman, kam zu Nova und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Owen gefiel nicht, wie sich seine Hand auf ihren unteren Rücken legte – eine kleine, besitzergreifende Geste von dem Arschloch, das sich ständig als der Firmen-Alpha aufspielte. Owen hatte ungefähr fünf Sekunden gebraucht, um Brad als das Mitglied des Wilding-Rudels auszumachen, das am meisten dahinter her war, Nova zu seiner Partnerin zu machen. Obwohl sich Brad und Nova genauso oft zu streiten schienen, wie sie etwas Nettes zueinander zu sagen hatten.
Kurze Zeit später begannen sie, wieder zusammenzupacken. Nova verabschiedete sich bei jedem Soldaten mit einer Umarmung, bevor sie ihre Laptops wieder einsammelte. Eine Menge dankbare Gesichter sahen ihr nach.
Während Brad und zwei andere anfingen, den Rest des Equipments abzubauen, kam Nova zu ihm. „Die Jungs werden alles in den Transporter laden. Wir können schon vorfahren.“ Sie sah müde aus.
„Ja, Ma’am“, sagte er automatisch. Sie bedachte ihn mit einem finsteren Blick, der ihm direkt wieder ein Grinsen ins Gesicht trieb. „Ich meine, ja, Fräulein NovaCaine.“
Lautlos formte sie die Worte Oh mein Gott und ging dann an ihm vorbei in Richtung Ausgang, aber er bildete sich ein, ein leichtes Lächeln auf ihren Lippen entdeckt zu haben.
Owen sprach in sein Mikrofon: „NovaCaine verlässt das Gebäude. Holt den Wagen.“ Er konnte ziemlich leicht mit ihr Schritt halten – sie reichte ihm kaum bis zur Schulter und diese hübschen kleinen Beine trugen sie nicht besonders schnell vorwärts.
„NovaCaine?“, fragte sie und sah ihn von der Seite an. „Hast du etwa gespielt, ohne dass ich es mitbekommen habe?“
NovaCaine war eigentlich ihr Spielername, doch er hatte sich angewöhnt, ihn auch als ihren Codenamen für die Riverwise-interne Kommunikation zu nutzen. Dass er ihn vor ihr ausgesprochen hatte, war nur ein Versehen gewesen.
„Nein, Ma‘am, äh… Nova.“ Es fühlte sich irgendwie nicht richtig an, sie mit ihrem Vornamen anzureden, während er als ihr Bodyguard arbeitete. „Ich muss gestehen, dass ich kein Gamer bin.“
Sie sah ihn skeptisch an. „Du solltest es mal ausprobieren. Ich könnte es dir beibringen, aber du bräuchtest vorher vielleicht etwas Waffentraining.“ Sie grinste.
Er hatte zwar ein Jahr lang in einem Käfig dahinvegetiert, aber das hieß nicht, dass er vergessen hatte, wie man eine Waffe abfeuerte. „Ich vermute, dass eine Tastatur beim Schießen einen etwas schwächeren Rückstoß hat.“ Er erwiderte ihr Grinsen. „Aber gegen ein paar private Unterrichtsstunden hätte ich nichts einzuwenden, wenn du sie anbietest.“ Hatte er das gerade wirklich gesagt? Was war nur los mit ihm?
Sie musterte ihn mit einem Blick, der ihm nicht gerade unangenehm war. „Ich habe leider nicht mehr viel Freizeit, um zu spielen… aber vielleicht mache ich eine Ausnahme für den Mann, der dafür sorgt, dass ich den Tag überlebe.“
„Klingt nach einem fairen Deal.“ Aber sein Herz klopfte etwas zu heftig dafür, dass er in Schrittgeschwindigkeit lief.
Sie hatten den Ausgang des Veteranenkrankenhauses erreicht und traten auf die Straße in den hellen Sonnenschein Seattles hinaus. Das Krankenhaus bestand aus einem gesamten Campus medizinischer Gebäude, mit von Bäumen gesäumten Straßen und zusätzlichen Geschäften. Der schwarze Sedan, den Owen von Riverwise ausgeliehen hatte, wartete bereits auf sie, hinterm Steuer ein Mitglied des River-Rudels, das sich freiwillig gemeldet hatte, Novas Fahrer zu sein. Ihr Vater war durch eine Autobombe getötet worden, also kontrollierten sie vor jeder Abfahrt den Wagen. Die Fenster des Sedans waren heruntergelassen und Murphy und Simpson beendeten gerade ihre Suche nach explosiven Vorrichtungen unter dem Fahrzeug.
„Alles sauber“, sagte Murphy und zog den langen Griff des elektronischen Detektors unter dem Wagen hervor. Owen suchte gewohnheitsmäßig die Straße ab, aber alles sah normal aus – mehrere Autos parkten entlang des mit Bäumen gesprenkelten Straßenrands und es zog sich nur schwacher Verkehr durch den Krankenhauskomplex.
Er hielt Nova die Wagentür auf und sie ließ sich auf der Rückbank nieder. Owen rutschte hinterher und hatte gerade erst die Tür hinter sich geschlossen, als etwas Kleines und Metallisches durch das hintere Fenster geflogen kam. Die Zeit verlangsamte sich. Aus den Augenwinkeln bemerkte er ein Auto, das vorbeifuhr, sein Herz klopfte einmal in seiner Brust und schien dann in den Magen zu rutschen. Die Handgranate kullerte zu Boden und kam direkt zwischen Novas Stiefeln zum Liegen.
„Granate!“, schrie er, während er danach abtauchte, Nova mit einer Hand nach hinten in die Sitzpolster drückte und mit der anderen die Granate ergriff. Irgendwie bekam er sie mit den Fingerspitzen zu packen und schleuderte sie aus dem Fenster. Dann drückte er Novas Kopf auf den Rücksitz herab und bedeckte ihren Körper mit seinem. Eine ohrenbetäubende Explosion hob den Wagen an und brachte ihn dazu, sich zu überschlagen.
Nova kreischte. Er presste sie noch tiefer in die Polster, zog sie mit einem Arm an sich und stützte sich mit dem anderen ab, während das Auto sich überschlug. Nach mehreren Rollen kam der Wagen endlich zum Stillstand. Nova landete mit voller Wucht auf seiner Brust und er prallte mit dem Rücken gegen das Autodach, das jetzt der Boden war. Aufgeregte Rufe drangen von außerhalb des Wagens zu ihnen. Owens Ohren klingelten von der Explosion und ein scharfer Schmerz brannte auf seiner Brust… aber es waren nur Novas Klauen. Sie hatte sie unbewusst ausgefahren und in ihn gegraben, als sie sich in Todesangst an ihn geklammert hatte.
Er hielt sie weiter beschützend in seinen Armen, senkte aber den Kopf und fragte: „Alles in Ordnung?“
Sie schnappte keuchend nach Luft, dann stieß sie ein Quietschen aus, als sie sah, dass sich ihre Klauen durch den weißen Stoff seines Hemdes geschnitten hatten. „Oh Gott, tut mir leid!“ Ihre Hände shifteten zurück in menschliche Form, während sie versuchte, sich aus seinen Armen zu winden, aber er hielt sie weiterhin fest.
„Nova Wilding, du sagst mir sofort, ob du verletzt bist“, verlangte er in seinem strengsten Befehlston.
Sie hörte auf, sich befreien zu wollen, und sah in sein Gesicht hoch. Ihre Augen waren groß und panisch. „Nein, ich… ich glaube nicht.“
„Dann bringe ich dich hier raus.“ Er musste sie beruhigen, damit er sie so schnell wie möglich von hier wegbringen konnte.
Sie nickte zittrig. Er hob sie von seiner Brust hoch und sie schafften es, aus dem Fenster zu kriechen. Murphy half ihr bereits auf, während Owen eilig folgte.
„Was zur Hölle war das?“ Murphy schrie jemanden außerhalb des Wagens an, aber Erklärungen waren Owen momentan scheißegal. Er musste sie von hier fortbringen.
Er packte Murphys Arm, um dessen Aufmerksamkeit zu bekommen. „Du sicherst das Gelände und rufst die Polizei. Ich bringe sie hier weg.“
Owen wartete keine Antwort ab, sondern schlang den Arm um Novas Hüfte und hob sie praktisch vom Boden hoch, während er mit ihr den Bürgersteig entlangeilte. Er schirmte sie so gut er konnte mit seinem eigenen Körper ab, um sie vor möglichen Scharfschützen oder weiteren granatenwerfenden Angreifern zu beschützen, die vielleicht für den Fall positioniert worden waren, dass der erste Versuch danebenging. Scheiße, der erste Anschlag hätte auch nur ein Ablenkungsmanöver für das eigentliche Attentat gewesen sein können, das noch folgen würde. Sie war noch lange nicht außer Gefahr.
Er warf einen raschen Blick zurück auf das Autowrack. Die Granate war draußen auf der Straße detoniert, hatte zwei Bäume umgestürzt und Schrapnell in ein Auto auf der anderen Straßenseite gejagt... aber am schlimmsten hatte es den Fahrer getroffen. Er lag regungslos und in Stücke gerissen auf der Straße. Das Auto selbst ruhte mit seinem Dach und zerborstenen Scheiben auf dem Bürgersteig und hatte offenbar einen weiteren Baum umgestürzt.
Aber nichts davon spielte gerade eine Rolle für ihn. Sein einziger Gedanke galt Nova und der Tatsache, dass er sie schnellstmöglich in Sicherheit bringen musste.
Er hatte bereits einen sicheren Rückzugsort in dieser Gegend für einen Fall wie diesen ausgekundschaftet, also trugen ihn seine Beine ohne nachzudenken dorthin. Zwei Straßen runter, an einem der Krankenhausgebäude vorbei und einen schmalen, von Bäumen gesäumten Weg hoch. Das Krankenhausgelände war groß… sie brauchten bloß einen sicheren Ort, an dem sie verharren konnten, bis die Bedrohung vorbei war. Eine Laderampe tauchte vor ihnen auf. Owen führte Nova die Stufen hoch und durch die Hintertür eines medizinischen Vorratslagers.
Es war niemand sonst im Lagerhaus, aber Owen zog sie trotzdem ganz nach hinten, zwischen mehrere Stapel aus riesigen Kartons und metallene Vorratsregale.
Dann sprach er in sein Mikrofon. „NovaCaine ist am Rückzugsort. Lasst mich wissen, wenn ihr das Gebäude gesichert habt.“
Jetzt, wo er sie wieder losgelassen hatte, wich Nova bis zu einem der hohen Kartonstapel zurück und starrte ihn mit großen Augen an. Sie zitterte so heftig, dass ihr Haar um ihr Gesicht herum wogte. Sein Herz zog sich zusammen und er ging instinktiv auf sie zu. Er ergriff sie bei den Schultern und suchte ihren Körper ab. Ihre maßgeschneiderte Kampfmontur war zerkratzt und staubig, aber soweit er erkennen konnte, war das alles.
„Bist du sicher, dass dir nichts fehlt?“, fragte er sie nochmal.
„J… Ja.“ Aber das Wort wirkte sogar noch zittriger als sie.
Er zog sie für eine Umarmung zu sich und drückte sie an seine Brust, eine Hand sichernd auf ihrem Rücken, die andere auf ihrem Kopf, der an seiner Schulter lag. Es war, als ob er ein verängstigtes wildes Tier halten würde – fest an sich gepresst, ohne Fluchtmöglichkeit, sodass es keinen Sinn machte, sich zu wehren. Das beruhigte sie in der Regel… und es schien bei Nova genauso gut zu funktionieren. Sie gab einen schwachen, wimmernden Laut von sich, sank an seine Brust und vergrub ihr Gesicht darin, während ihre Hände den Kragen seines Jacketts zerknüllten.
„Hey, alles gut Schätzchen, es ist vorbei“, sagte er so sanft er konnte. „Du bist jetzt in Sicherheit. Keine Angst. Wir bleiben genau hier, bis sich dort draußen alles beruhigt hat.“ Er konnte das Beben ihres Körpers spüren und es verschaffte ihm das sonderbarste Gefühl – eine Art purer Zufriedenheit, dass sie gewillt war, sich von ihm halten zu lassen, gemischt mit einem aufregenden Rausch, der ihn weiteren Körperkontakt mit ihr haben wollen ließ.
Immer noch an seine Schulter gelehnt schüttelte sie den Kopf, als würde sie ihm nicht abkaufen, was er ihr gerade erzählte.
„Ich verspreche dir, dass du in Sicherheit bist“, wiederholte er. „Niemand weiß, wo wir sind. Wir sind hier so gut geschützt, wie nur irgend möglich. Und ich werde mit dir auch nicht von hier weggehen, bis ich weiß, dass es dort draußen wieder sicher ist.“ Der Klang dieser Worte schien ihr Zittern zu mindern. Ihr Haar hatte sich aus dem Dutt gelöst und formte eine Art schwarzen Heiligenschein um ihren Kopf. Er ließ seine Finger hineingleiten, massierte ihre Kopfhaut und beruhigte sie. Hoffte er zumindest.
„Wieso?“, fragte sie mit einem atemlosen Hauchen gegen seine Brust. „Wieso tun sie das nur?“
Wieso versuchten Leute, diese unglaubliche, wunderschöne Frau umzubringen? Dafür hatte er keine gute Antwort parat. Ja, die Experimente, die an den Shiftern verübt worden waren, waren öffentlich gemacht worden und hatten die meisten anständigen Leute erschüttert, aber nicht alle. Und als eine mutige Frau an die Öffentlichkeit trat, um sich als erste bekennende Shifterin für einen Sitz im Repräsentantenhaus zu bewerben… nun, das hatte für die Wolfshasser das Fass zum Überlaufen gebracht. Sie hatten das River- und das Wilding-Rudel gedoxt – was bedeutete, dass deren private Daten in einem YouTube-Video gepostet worden waren. Und seitdem lebten alle Shifter in ständiger Gefahr, Opfer von Gewalttaten zu werden. Eine Hassgruppierung voller Arschlöcher hatte sich dazu bekannt, ihren Vater mit einer Autobombe hochgejagt zu haben – und welchen besseren Weg gab es, den Rest der Shifterwelt zu terrorisieren, als diesem Mord den grausigen Tod seiner Tochter folgen zu lassen?
„Das sind bösartige Bastarde“, sagte Owen. Das war die einzige Erklärung, die er für manche Dinge auf dieser Welt hatte.
Wieder begann sie, den Kopf zu schütteln. Definitiv ein Nein. „Ich hätte nie hierher kommen sollen. Ich habe das Leben all derer riskiert, die mit —“
Er lehnte sich zurück, ohne sie loszulassen, aber weit genug, damit er auf ihr Gesicht herabsehen konnte. „Hey, Moment, du hast hier eine gute Sache gemacht. Du hast nichts Falsches getan. Diese Wolfshasser sind das pure Böse – sie sind hierfür verantwortlich. Wenn überhaupt ist es meine Schuld, weil ich nicht besser aufgepasst habe. Aber das wird mir nicht noch einmal passieren.“ Innerlich verursachte es ihm einen stechenden Schmerz, dass er das hier nicht hatte kommen sehen… obwohl eine im Vorbeifahren geworfene Handgranate nicht wirklich etwas war, für das man planen konnte. Er hoffte inständig, dass jemand einen besseren Blick auf das Auto hatte werfen können als er – er konnte sich beim besten Willen nicht einmal an die Farbe erinnern.
Nova sah mit diesen großen, dunklen Augen zu ihm hoch. „Du wirst mich beschützen.“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.
„Ja, Ma’am.“ Er war sich noch nie bei etwas so sicher gewesen.
Das dunkle Make-up um ihre Augen war leicht verschmiert, als hätte sie versucht, Tränen zurückzuhalten, den Kampf aber verloren. Ihre Lippen öffneten sich und ihre Brust hob und senkte sich schwer gegen seine. Ihr so nah zu sein… das war eine gefährliche Sache. Er sollte sie loslassen. Doch das würde er auf keinen Fall tun, bevor sie so weit war. Ihr verkrampfter Griff an seinem Jackett löste sich und sie legte ihm die Hände flach auf die Brust.
Dann atmete sie tief durch und wiederholte: „Du wirst mich beschützen.“ Aber dieses Mal war es weicher.
„Immer. Das verspreche ich dir, Nova.“ Seine Stimme war sanfter geworden, denn irgendwie… hatte sich etwas verändert.
Plötzlich ließ sie ihre Hände an seiner Brust hochgleiten, legte sie auf seinen Hinterkopf und zog ihn herab. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und es war mehr als deutlich, dass sie ihn küssen wollte. Ihre Lippen waren weniger als eine halbe Sekunde auf seinen, bevor er ihr eindeutig genausoviel zurückgab, wie er bekam.
Er löst seine bisherige Umarmung, damit er ihr seine Hände auf den Rücken pressen und sie noch näher an sich ziehen konnte. Ihr Mund öffnete sich für ihn und das war genau die Einladung, auf die er gewartet hatte. Er tauchte tief ein, schmeckte sie und nahm alles entgegen, was sie ihm begierig anbot. Es war wahnsinnig intensiv… und bevor er klar denken konnte, hatte er sie mit dem Rücken gegen den Stapel Kartons gedrückt und presste ihren zarten, in der Kampfmontur gekleideten Körper mit seinem dagegen. Seine Hände glitten in ihr Haar und bogen ihren Kopf zurück, um noch mehr zu verlangen. Er verlor das Gespür für alles – die Zeit, den Ort, obwohl er genau wusste, dass dies weder der Ort noch die Zeit für sowas war. Er schwelgte einfach in dem Gefühl, wie sich ihre Zunge um seine wandte, ihre Zähne an ihm knabberten, und kleine, wimmernde Laute ihre Kehle emporstiegen und ihn in den Wahnsinn trieben. Sein Körper schrie nach mehr und Wasser lief ihm im Mund zusammen, während er sie überall schmecken wollte. Dieser Kuss raubte ihm den Verstand—
„Owen? Bitte melden, Owen! Alles in Ordnung bei euch?“ Das Krächzen des Stöpsels in seinem Ohr ließ ihn zurückzucken und den Kuss abrupt abbrechen.
Sein Atem ging schwer und er sah, dass ihre Lippen leicht geschwollen waren. Er brauchte volle zwei Sekunden, um wieder zu Sinnen zu kommen und zu realisieren, wie komplett daneben das gewesen war.
Langsam griff er an das Mikrofon an seinem Hemdkragen. Scheiße. Hatten sie das alles mitbekommen? „Äh… ja. Alles in Ordnung.“
„Da kamen komische Geräusche über dein Mikro.“ Es war Murphy. „Dachte, ihr steckt vielleicht in Schwierigkeiten.“
Owen hielt Novas weit aufgerissenen Blick fest. „Nein, uns geht’s gut. Wahrscheinlich eine Fehlfunktion vom Mikro, durch die Explosion. Ich stelle es vorübergehend ab – hören kann ich euch aber noch. Sagt mir Bescheid, wenn ihr das Gelände gesichert habt.“
„Alles klar.“
Nova senkte den Blick, rückte unnötigerweise ihre schwarze Körperpanzerung zurecht und glättete ihr vom Kuss zerwühltes Haar. Dieser rosige Farbton blühte wieder auf ihren Wangen auf.
Sie hatte noch nie so hübsch ausgesehen, wie in diesem Moment, direkt nachdem er sie so leidenschaftlich geküsst hatte. Ein enges Gefühl in seiner Brust sagte ihm, dass er aufhören sollte, einen Schritt zurück machen, sich entschuldigen… all die Dinge, die er nicht tun wollte. Stattdessen bewegte er sich wieder auf sie zu und hielt inne, kurz bevor er sie berührt hätte. Oder geküsst. Obwohl er nichts lieber getan hätte als das.
„Wenn du mich das nächste Mal küssen willst“, sagte er, immer noch schwer atmend, „erinnere mich daran, vorher mein Mikro auszuschalten.“
Mit kurzen, abgehackten Bewegungen schüttelte sie den Kopf und sah überall hin, außer zu ihm. „Ich kann dich nicht küssen.“
Er beugte sich weiter vor. „Ach, wirklich? Denn ich würde sagen, dass du definitiv weißt, wie es geht.“ Wieso ging sie auf Distanz? Nur weil er ein einfacher Armeesoldat war? Oder ihr Bodyguard? Ganz zu schweigen davon, dass Owen jede Grenze der Professionalität überschritten hatte, die es gab… aber irgendwie glaubte er nicht, dass es das war. Verdammt, er hatte keine Ahnung, warum sie ihn überhaupt geküsst hatte, und schon gar nicht, warum sie entschieden hatte, es nicht noch einmal zu tun.
„Ich… kann das einfach nicht.“ Wieder legte sie ihm die Hände auf die Brust, doch diesmal drückte sie ihn weg.
Er wich bis zu den Regalen zurück, um ihr etwa drei Meter Raum zu geben. Natürlich hatte er schon davon gehört, dass die Wilding-Frauen wie Napalm im Bett waren… aber mit dieser Art von heiß und kalt konnte er nicht umgehen. Tatsächlich wusste er mit nichts von dem hier etwas anzufangen.
Mit zitterndem Finger zeigte sie auf ihn. „Das hier ist nie passiert. Du erzählst niemandem davon.“
„Ja, Ma’am.“ Doch es schürte ein wütendes Feuer in ihm. Ganz offensichtlich war er nicht gut genug für sie. Nicht dass sie da falschlag, aber es machte ihn trotzdem sauer.
Sie verschränkte die Arme und wich wieder zu den Kartons zurück. Etwas von Owens Ärger verpuffte in einem Anflug von Sorge. Was zur Hölle machte er hier? Nutzte er ihren verstörten emotionalen Zustand aus, nachdem sie fast in die Luft gesprengt worden wäre? Und dann fühlte er sich zurückgewiesen, weil sie in einem medizinischen Versorgungslager nicht weitergehen wollte?
So ein Arschloch war er doch nun auch wieder nicht.
„Bist du sicher, dass es dir gut geht?“, fragte er mit sanfter Stimme.
Sie nickte. Aber es war immer noch zittrig. „Ich will bloß nach Hause.“
Glücklicherweise nutzte Murphy diesen Moment, um sich wieder zu melden. „Alles gesichert. Du kannst sie herbringen, Owen. Oder wir kommen euch entgegen, wir haben einen neuen Wagen aufgetrieben.“
Owen stellte sein Mikro wieder an. „Verstanden.“ Als Nova ihn neugierig ansah, sagte er: „Dann bringen wir dich jetzt nach Hause.“
Er begleitete sie den gesamten Weg zurück ins Büro und dann nach Hause in ihre Wohnung, stets darauf bedacht, so wie zuvor Abstand zu halten, während er versuchte, sich weder an seinem Gesichtsausdruck noch seinem Verhalten anmerken zu lassen, was sich Unangemessenes in dem medizinischen Lagerhaus abgespielt hatte – für den Fall, dass jemand sie beobachtete.
Aber er würde diesen Kuss heute Abend im Bett mit Sicherheit noch mehrmals vor seinem inneren Auge abspielen.
Sie hätte sterben können.
Nova war zurück ins Büro gefahren, dann in ihre Wohnung, und hatte dort den Großteil der Nacht wachgelegen. Am nächsten Morgen war sie aufgestanden, hatte gefrühstückt, Owen an ihrer Wohnungstür getroffen und eine schweigsame Fahrt zu Wylderide zurückgelegt. Und dort hatte sie dann die volle Kaffeekanne zusammen mit ihrer Tasse aus dem Pausenraum mitgenommen und sich in ihr Büro zurückgezogen.
Mittlerweile war schon der halbe Vormittag vergangen und die ganze Zeit über gingen ihr ein Haufen Gedanken durch den Kopf. Gedanken über den Launch der neuen Betaversion. Darüber, wie sie das Rudel lange genug beisammenhalten konnte, um das Spiel tatsächlich zu veröffentlichen. Und, sich immer dann einschleichend, wenn sie es am wenigsten erwartete, Gedanken darüber, wie sie gestern hätte sterben können… und all diese Dinge keine Rolle gespielt hätten.
Was sie an diesen Kuss denken ließ.
Der Kuss, der sie selbst völlig überrascht und ihren Körper und ihre Seele in Brand gesetzt hatte.
Seitdem hatte sie kein Wort mehr zu Owen gesagt. Scheiße, sie konnte ihm nicht einmal in die Augen sehen. Sie hatte einen Monat damit verbracht, zu beobachten, wie er auf sie achtgab, und davon geschwärmt, wie heiß er war – mit diesen Ja, Ma’ams, seinem sexy Texasakzent und der militärischen Höflichkeit… dann hatte sie ihn in diesem Lagerhaus praktisch angefallen. Und ihn anschließend genauso schnell wieder abblitzen lassen.
Er war der falsche Mann. Vollkommen falsch. In jeder erdenklichen Hinsicht.
Und das hatte sie so aus der Bahn geworfen, dass sie das einzige getan hatte, was sie tun konnte. Das einzige, was sie immer mit Männern tat – sie hatte ihn weggestoßen.
Einen Mann… der ihr gerade das Leben gerettet hatte.
Ihre Wangen brannten mit heißer Scham, wenn sie daran dachte, und es vermischte sich mit der Hitze, die sich zwischen ihren Beinen bildete. Sie war so durcheinander.
Sie hätte gestern sterben können.
Nein, sie wäre gestern gestorben, wenn Owen Harding und seine blitzschnelle Reaktion nicht gewesen wären, mit der er einfach diese gottverdammte Granate aufgehoben und aus dem Wagen geworfen hatte. Gott, wer machte sowas? Wer hatte die Geistesgegenwart, so etwas tatsächlich fertigzubringen? Selbst wenn sie ihn nicht vorher schon heiß gefunden hätte, mit diesen breiten Schultern und den sexy Shiftermuskeln – ihn in Aktion zu sehen, wie er ihr buchstäblich das Leben rettete, sie an seinen unfassbar scharfen Körper presste und in Sicherheit trug… nun ja, das war zu viel für sie gewesen. Sie hatte sich mit der Willenskraft einer Cracksüchtigen an ihn geschmissen. Aber seine überwältigende Attraktivität war eine ziemlich klägliche Entschuldigung dafür, wie sie ihn danach behandelt hatte. Sie wusste das. Aber sie wusste auch, was passieren würde, wenn sie ihn nochmal küsste – eines würde zum anderen führen und sie würde diesen Cowboy schneller reiten, als er Danke, Ma’am sagen könnte.
Das einzige, was sie in diesem Lagerhaus richtig gemacht hatte, war, ihm die Wahrheit zu sagen – dass sie ihn nicht küssen konnte. Die Wölfe aus dem Rudel ihres Vaters waren schon seit Jahren darauf aus, sie zur Partnerin zu nehmen, und nach seinem Tod hatte sich dieser Wettkampf nur noch weiter intensiviert. Das Rudel hatte jetzt keinen Alpha mehr, und sie brauchten einen – Wylderide brauchte einen. Und sie wusste, dass sie irgendwann jemanden von ihnen zum Partner nehmen musste. Oder zumindest jemanden auswählte, der das Rudel hinter sich vereinen konnte. Direkt nach der Beerdigung hatte sie sie alle wissen lassen, dass sie sich nicht mit der Suche nach einem Mann befassen würde, bis sie den Tod ihres Vaters angemessen betrauert und die Zukunft der Firma gründlich durchdacht hatte. Das hielt sie vorerst auf Abstand, aber nur gerade so. Und Owen Harding, ihr sexy Bodyguard, war nicht einmal ansatzweise die richtige Wahl. Er war heiß und mutig und sündhaft verführerisch… aber ihn als Partner zu nehmen würde das Rudel auseinanderreißen. Und die Firma ihres Vaters zerstören. Sie konnte es sich nicht leisten, so dumm zu sein… sie hatte ein Unternehmen zu führen.
Nova sah aus dem Fenster ihres Büros auf die in der Sonne glänzenden Hochhäuser von Seattles Innenstadt. Fast zu sterben gab einem für gewöhnlich eine neue Perspektive. Im Moment zu leben – wie dem Moment, als Owen sie gegen diese Kisten gedrückt und ihr den Verstand rausgeküsst hatte – ergab Sinn, wenn man gerade sein Leben vom klaffenden Maul des Todes weggerissen hatte.
Aber diese Gruppe durchgeknallter Shifterhasser, die ihren Vater getötet hatten, wären sehr glücklich darüber, wenn sie von nun an unbesonnen in den Tag hinein leben und die Firma ihres Vaters infolgedessen untergehen würde. Komme was wolle, sie durfte nicht zulassen, dass das geschah. Diese Typen waren Terroristen und sie wollte verdammt sein, wenn sie sie gewinnen lassen würde – nicht, solange sie noch ein Wörtchen mitzureden hatte. Nova war keine Soldatin, nicht wie diese mutigen Männer, mit denen sie gestern den Tag verbracht und ihnen dabei hoffentlich eine kurze Atempause und etwas Ablenkung von dem Preis verschafft hatte, den sie dafür bezahlt hatten, ihr Land zu verteidigen – aber sie wusste, dass dieser Hassgruppe und deren Willen nachzugeben schlichtweg falsch war.
Was sie, Nova Wilding, wollte, spielte keine Rolle. Aber diesem Terror Widerstand zu leisten schon.
Nova riss sich vom Fenster los und ließ sich in den übergroßen Lederstuhl hinter ihrem Schreibtisch sinken. Sie hatte das Büro ihres Vaters direkt nach der Beerdigung abgeschlossen – sein Stuhl war das einzige, das sie dort herausgeholt hatte, bevor sie es versiegelte. Sie konnte nicht einmal daran denken, seine Sachen wegzuräumen. Wenn es nach ihr ginge, konnten sie alles so lassen, als Schrein für ihn und die Art und Weise, wie er diese Firma gegründet und geführt hatte. Die verdunkelten Fenster mit den heruntergelassenen Jalousien erinnerten jeden, inklusive sie, daran, warum sie sich so ins Zeug legten, um den Zeitplan für die Veröffentlichung von Domination einzuhalten. Der Bürostuhl, in dem sie saß, erinnerte sie jeden Tag umso mehr daran, dass er im Geiste immer noch bei ihr war, sie stärkte und ermutigte. Sie wusste, dass er diese Betaversion pünktlich veröffentlicht hätte, wenn es nur irgendwie möglich gewesen wäre. Genauso, wie sie um seinen Wunsch wusste, dass sie sich einen der vielen anständigen Wölfe als Partner aussuchte, die er im Laufe der Jahre in sein Rudel aufgenommen hatte, damit sie eines Tages seine Firma übernehmen konnte.
Es hätte nur nicht dieser Tag sein sollen. Oder irgendein anderer Tag in der nahen Zukunft.
Auf dem Bildschirm vor ihr überlagerten sich Fenster mit Umsatzprognosen, Social Media Management, Werbebudget und einem Haufen anderem Kram… warum konnte sie nicht einfach nur beim Programmieren bleiben? Oder der Spieleentwicklung? Davon hatte sie wenigstens Ahnung. Die geschäftliche Seite des Ganzen… sie war zwar damit aufgewachsen, aber die unendlichen Details waren ihr trotzdem noch neu.
Sie ließ den Kopf in ihre Hände sinken. Wie sollte sie das alles jemals schaffen? Es war erst einen Monat her, dass ihr Vater ermordet worden war, die Deadline für die Veröffentlichung kam bedrohlich nahe und sie hatte sich noch nie so verloren gefühlt.
Das war es, worum es bei dem Kuss mit Owen wirklich gegangen war – dies alles für einen Moment zu vergessen. Jetzt war sie zurück in der Realität und irgendwie musste sie diese bewältigen. Sie versuchte gerade, die verschiedenen Tabellenkalkulationen auf ihrem Bildschirm zu ordnen und zu durchblicken, als es an ihrer Bürotür klopfte.
Die Tür öffnete sich und Brad kam ohne eine Einladung herein. Owen war wie immer vor ihrer Tür positioniert und der eisige Blick, den er Brad hinterherwarf, überraschte sie ein wenig. Normalerweise war Owens Miene stoisch, wie für Armeesoldaten typisch, mit Ausnahme des Feuers in seinen Augen, als sie ihn weggestoßen hatte…
Brad schloss die Tür hinter sich und schnitt ihr die Sicht auf Owens finsteren Blick ab.
„Hey, du heißes Teil.“ Brad bewegte sich zügig um ihren Schreibtisch herum, nahm ihre Hand und zog Nova aus ihrem Stuhl. Bevor sie nur daran denken konnte, ihn wegzustoßen, hatte er sie in den Armen. Er sah auf sie herab und runzelte die Stirn. „Wie geht’s dir? Soweit ich das in den zweieinhalb Sekunden, die du gestern nach dem Attentat im Büro verbracht hast, erkennen konnte, sahst du ziemlich mitgenommen aus. Ich hab ein paarmal versucht, dich auf dem Handy anzurufen, aber du bist nie drangegangen.“
Nova schüttelte bloß den Kopf und trat zurück – ein gutes Stück aus seiner Reichweite. „Ich habe nur etwas Zeit gebraucht, um… das alles zu verarbeiten.“
Mit schmerzlicher Miene sah er sie an. „Meine Güte, Nova… ich hab dir doch gesagt, dass es keine gute Idee ist, zum Veteranenkrankenhaus zu gehen.“
Sie presste die Augen zusammen – das war so ziemlich das Letzte, was sie gerade hören wollte. Sie öffnete die Augen und funkelte ihn böse an. „Glaubst du nicht, dass es mir wegen dem, was passiert ist, schon schlecht genug geht? Mein Fahrer ist gestorben, Brad. Ich hätte sterben können.“ Sie wollte noch mehr sagen, brachte aber die Worte nicht über die Lippen, um all diese chaotischen Gefühle in ihr zu beschreiben.
Er kam näher und seine großen Hände griffen nach ihren Schultern. „Ich weiß“, sagte er sanft. „Ich habe die ganze Nacht daran denken müssen und es hat mich fast umgebracht.“
Sie wollte sich abwenden, doch sein dunkler Magnetismus zog sie gnadenlos an. Er hielt sie weiterhin fest und es waren Momente wie diese, in denen sie sich fragte, warum sie solche Kraft aufbrachte, um ihn immer wieder wegzustoßen. Von all den Wölfen im Rudel ihres Vaters war er die naheliegendste Wahl. Ja, er war gutaussehend, aber das war es nicht. Er hatte eine Stärke an sich, die sie einfach einnahm. Er war ein solcher Alpha – manchmal fühlte sie sich in seiner Gegenwart regelrecht verloren. Und sie hasste dieses Gefühl. Es erdrückte sie förmlich und als seine Partnerin… würde die Magie dieses Gefühl übermächtig machen. Und permanent.
„Du musst dir keine Sorgen um mich machen“, sagte sie, obwohl es sich beruhigend anfühlte, dass er das tat.
„Ich mache nichts anderes, als mir Sorgen um dich zu machen.“ Er nahm eine Hand von ihrer Schulter, um ihr mit dem Finger über die Wange zu fahren. „Du weißt, was ich für dich empfinde.“
Er machte kein Geheimnis daraus, dass er sie als Weibchen haben wollte und gegen jeden im Rudel um sie kämpfen würde. Was vollkommen barbarisch und lächerlich war… aber irgendwie auch verdammt heiß.
„Ich habe dir doch gesagt, dass ich noch nicht so weit bin.“ Sie lehnte sich zurück, aber er ließ sie nicht los.
„Es ist schon ein Monat, Nova.“ Sachte führten seine starken Hände sie wieder zu ihm, dann ließ er eine Hand durch ihr Haar und auf ihren Hinterkopf gleiten. „Ich weiß, dass du immer noch trauerst… aber ich weiß auch, dass du das brauchst, was ich dir bieten kann.“ Dann beugte er sich vor und bevor sie protestieren konnte, waren seine Lippen auf ihren, fest und fordernd. Er hatte sie zuvor schon geküsst, in Zeiten der Schwäche, wenn seine Annäherungsversuche ihren Widerstand gebrochen hatten und ihr Körper sie einmal mehr betrog und auf seinen reagierte… als ob ihre Wölfin seinem überbordendem Alphawesen nicht widerstehen konnte. Seine Zunge fuhr über ihre Lippen und drückte sich dann in ihren Mund und verlangte, dass sie ihn in sämtliche dunkle Orte ihrer selbst ließ. Ihre Wölfin flehte sie schon seit Ewigkeiten an, mit Brad ins Bett zu gehen – ihn diese rauen, starken Hände über ihren nackten Körper gleiten zu lassen – doch jetzt wich sie winselnd zurück, setzte sich abwartend hin und schien den Reizen gegenüber unempfänglich, die sie normalerweise zum Hecheln brachten.
Brad musste es auch gespürt haben, denn er brach den Kuss ab und runzelte die Stirn. „Ich weiß, dass du Angst hast, Baby. Die hätte jeder. Ich werde veranlassen, dass Riverwise uns noch mehr Sicherheitspersonal schickt. Ich bin mir sicher, dass sie das nach gestern sowieso vorhaben. Und ich will nicht, dass du das Büro aus irgendeinem anderen Grund verlässt, außer direkt nach Hause zu gehen.“
Sie wich vor ihm zurück und befreite sich endgültig aus seinen Armen. „Du gibst mir keine Befehle, Brad Hoffman.“ Sie wandte ihm den Rücken zu und stakste zum Fenster, die Fäuste wütend an ihren Seiten geballt.
Sie spürte, wie er sich hinter ihr näherte. „Das sind keine Befehle, Nova. Das ist nur gesunder Menschenverstand. Du musst dich schützen—“
„Ich schütze mich doch!“ Sie wirbelte zu ihm herum. „Aber ich kann nicht aufhören, mein Leben zu leben, nur weil jemand dort draußen es beenden will.“
„So wird es ja nicht ewig bleiben“, sagte Brad, einen gequälten Ausdruck im Gesicht. „Streite deswegen nicht mit mir, Nova, ich versuche doch bloß, auf dich aufzupassen. Wie dein Vater es getan hätte.“
„Mein Vater ist tot – und diese Leute sind dafür verantwortlich!“ Ein Feuer loderte in ihrer Stimme. „Ich werde denen nicht geben, was sie wollen, indem ich den Kopf einziehe und mich verstecke.“
Brad schüttelte den Kopf, sah nach draußen über die Stadt und biss sich auf die Lippe, als müsste er unendliche Geduld aufbringen, um mit ihr zu diskutieren.
Sie war sehr versucht, ihm zu sagen, dass er sich verpissen und aus ihrem Büro verschwinden sollte. „Bist du nur hierhergekommen, um zu sehen, ob ich noch am Leben bin? Oder hattest du tatsächlich irgendein Anliegen?“
Er sah gekränkt aus, aber das war ihr egal – er hätte es besser wissen sollen, als sie herumzukommandieren. Das war der schnellste Weg, sie sauer zu machen. Mit ihrem Vater hatte sie sich eigentlich nur dann in die Haare bekommen, wenn er versuchte, ihr zu sagen, was sie zu tun oder zu lassen hatte.