Nachher weiß man immer, wie schön es vorher war… - Frank Lau - E-Book

Nachher weiß man immer, wie schön es vorher war… E-Book

Frank Lau

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Beschreibung

Der Traum von Afrika: Für viele bleibt er ein Traum. Manche konnten sich diesen Traum mit einer Reise erfüllen, und Frank Lau hat sich nicht nur selbst seinen Lebenstraum von Afrika erfüllt, sondern auch vielen Menschen den schwarzen Kontinent nähergebracht. Fast 40 Jahre seines Lebens hat er auf diesem Kontinent in verschiedenen Ländern verbracht, hat Einheimischen und Tieren gleichermaßen geholfen, war Brotgeber für ganze Dörfer und Landstriche, hat verschiedene Camps eigenhändig aufgebaut und musste zusehen, wie die Naturgewalten seine Arbeit wieder zerstörten. Er hat zig Gäste aus der ganzen Welt empfangen und ihnen DAS Afrika-Erlebnis ihres Lebens bereitet. In diesem 1. Buch der Buchreihe "Wildes Afrika, ein vergessenes Paradies" schildert der Autor seine Erlebnisse mit Einheimischen, Tieren und Gästen. In zahlreichen Geschichten erzählt er aus seinem eigenen Leben und dem seiner Mitmenschen, berichtet von gefährlichen, aber auch unglaublichen Begebenheiten und dem großen Schutzengel, den sie immer dabei hatten…. Ein lesenswertes Büchlein zum Nachdenken, aber auch zum Verschenken an liebe Menschen. Witzig, ironisch und manchmal nachdenklich blickt er dabei auf sein Leben in Afrika zurück und zieht Bilanz.

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Seitenzahl: 173

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Impressum

Nachher weiß man immer, wie schön es vorher war…

vom Jäger zum Gejagten

1. Auflage 2024

Kamanjab, Namibia

Texte © Copyright by {Frank Lau}

Herausgeber:

Gräfin von Thurn & Taxis

www.bush-live.com ~ [email protected]

Verlag und Druck: Epubli Verlag GmbH, Berlin

Nachher weiß man immer, wie schön es vorher war…

vom Jäger zum Gejagten

von

Frank Lau

Eine Sammlung kleiner, wahrer Geschichten aus Afrika

Deutschland 2008

Prolog

»Ich hatte eine Farm in Afrika am Fuße der Ngongberge…« So beginnt Karen Blixen ihren Roman über ihr Leben in Kenia. Begleitet von traumhaft schönen, schwülstigen Bildern und melancholischer Musik wurde dieses Buch zum Film, der Geschichte schrieb. „Out of Africa“.

Nun, mein Buch ist nicht mit der gleichen Musik unterlegt und stellt auch nicht das Afrika der Kolonialzeit dar. Vielmehr beschreibe ich das Alltägliche auf einer Farm und auf den diversen Safaris.

Zugegebenermaßen ist Afrika, so wie es tatsächlich ist, kein Urlauberparadies. Dieses erfundene Paradies wird vom Leben während der Kolonialzeit posthum genährt – mögen es die Herrschenden und Diktatoren in ihrem Kampf um Unabhängigkeit lieben oder nicht.

In Hochglanzprospekten wird dieser Traum durch Reiseveranstalter suggeriert. Keiner von denen sieht oder kennt das richtige, wahre Afrika. Voller Hunger, Intrigen, Habgier, Korruption, Aids, vergessener Kleinkriege, Brutalität und Elend. Nein, so was ist nicht werbewirksam.

Und Afrika, so wie es sich Urlauber erträumen, überlebt nur wegen seiner Tierwelt und der Sehnsüchte der Reisenden. Derjenige, der in Afrika gelebt hat, wird es verstehen, wenn ich sage, dass ein Leben in „unserer Zivilisation“ die Qualität des einfachen Lebens nicht wett macht, dass kleine Freuden mehr bedeuten können als materieller Besitz und dass Qualität von Erlebnissen nicht durch Quantität ersetzt werden kann.

Das Leben in Afrika ist anders. Es kann mit nichts verglichen werden, was wir kennen. Ein alter Spruch besagt: ‚Wen Afrika nicht schafft, den bringt es um.‘ Mir jedenfalls hat es die Einsicht gebracht, dass unsere Zivilisation nicht das allein Erstrebenswerte ist, und es ängstig mich der Moment, in dem mein Wunsch zur Rückkehr größer wird als mein Verstand. Es wird dann meine letzte Safari sein. Nach all den schönen Dingen, die ich auf diesem Kontinent erlebt habe, aber auch den negativen Erlebnissen drängt es mich, das niederzuschreiben, was auch nicht alltäglich war. Sei es nicht für andere, so tue ich das für mich selbst.

Afrika hat mich zu einem Suchenden gemacht. Auf einer Suche nach der Einfachheit des Lebens, nach einem Sinn unseres Daseins. Es erschreckt mich immer wieder, dass in meinen Träumen die Wärme und der Geruch der roten Erde Afrikas vorkommen. Dann wache ich auf und bin durchgeschwitzt. Genauso wie unter dem Moskitonetz in meinem Camp während der Feuchte der Sommermonate.

Diese Träume sind so real, dass ich fühle, wie ich über die glatten Sandsteinplatten des Camps gehe, barfuß, vorbei an meinem Namen, den ich in den noch frischen Beton der Fugen geritzt hatte. Ich sehe im faden Licht der Außenbeleuchtung den Wachmann gekauert dasitzen wie einen Scherenschnitt.

Ich rieche den frisch geschnittenen Rasen und der Vollmond brennt auf mir wie die Sonne. Ein Teil von mir ist dort geblieben und kam nicht hierher zurück. Spokes hat sich nicht umgedreht, als er das Camp zum allerletzten Mal verließ. Tukutela ist als Geist geblieben und wartet dort auf mich. Dies sind die Gedanken an ein verlorenes Paradies, an mein vergangenes Leben.

Ich schreibe es auch auf für alle, die zurückgeblieben sind in dieser menschenverachtenden Diktatur des ehemaligen Freiheitskämpfers Robert Gabriel Mugabe. Ich schreibe es für die Wenigen, die noch leben mögen, im Angesicht dessen, was sie erleiden mussten. Ich schreibe es aber auch im Angesicht meiner eigenen Feigheit, nicht geblieben zu sein und im Kleinen und Verborgen gegen das anzukämpfen, was eine ganze Welt übersieht. Ich schreibe es für:

Alion, Peter, Cosmos, Moyo, Alpha, Sibanda, Mathew, Douglas, Daniel, Nkululeko, Josphat, Tabona, Kadoma, Nkoslati, Sheppard, China, Jaffta, Lawence, Konkeni, Clever, Darlington, Siphas, Jo, Danisa, Guss, Tshuma, Joyce, Hilda, Shupani, Jacobo, Nkulamani, Smart, Ray, Jerry, Gerald, Alan, Sara, Jimmy und Anne. Diejenigen, die ich nicht genannt habe oder deren Name ich vergessen habe, mögen mir verzeihen.

Eine Anmerkung sei mir noch gestattet. Alle diese Geschichten sind wirklich passiert und oft denke ich wehmütig daran zurück.

1 Der Elefant

Der Gast hatte den alten Elefantenbullen recht früh morgens beschossen. Entgegen meiner Anweisung mit einem Schuss aufs Blatt.

Der Bulle hatte mit einer gemischten Herde aus Jungbullen, Kühen und Kälbern in recht niedrig bewachsener Deckung gestanden. Der günstig stehende Wind hatte es uns erlaubt, vorsichtig durch die ganze etwa 80 Kopf starke Gruppe zu pirschen, bis wir ihn fanden. Nach dem Schuss waren die Elefanten in kurzer Flucht vor uns in den sehr dicht bewachsenen Abhang in Richtung des Gwayi gezogen.

Ich verfolgte die Fährte des Alten nun schon seit vielen Stunden. Immer wieder konnte ich ihn anhand seiner Fährte ausmachen. Einer Fährte, die viele Falten und Runzeln zeigte, so einzigartig und unverwechselbar wie ein Fingerabdruck eines Menschen. Wieder und wieder hatten sich andere Elefanten aus der Gruppe zu ihm gesellt, ihn umringt. Sie wussten, dass wir dem kranken Bullen folgten, und sie wussten, dass der Bulle getroffen war.

Es ist wie ein Versteckspiel im Busch auf Leben und Tod. Die Jagd auf diesen Giganten ist eine Art Philosophie, ein Spiel mit ungewissem Ausgang. Die Rollen von Jäger und Gejagtem können sich dabei ändern. Die kleinste Unachtsamkeit, und einer der Gegner nutzt seine Chance aus. Gnadenlos und unerbittlich.

Ich war müde und erschöpft, aber ein Nachlassen der Konzentration würde tödlich sein. In Momenten solcher Anspannung durcheilen viele Gedanken unsere Gehirne.

Unwillkürlich musste ich daran denken, dass die Lebensspanne von Elefant und Mensch gleich ist. Und dass dieser Bulle, dem ich jetzt folgte, in meinem Alter war. Er war groß und stark. Elefanten hören nicht auf zu wachsen, im Gegensatz zu uns Menschen. Was mag er wiegen? Seine sechs Tonnen bestimmt. Kein kleiner armseliger Zooelefant. Nein, dieser hier war in Freiheit geboren. Lange Zeit vor dem unseligen Bürgerkrieg, lange vor der Unabhängigkeit.

Er war vor mir in Afrika. Er kannte jeden Baum und jeden Strauch hier. Er war im Vorteil. Er war alt und er kannte die Menschen. Trug er auch alte, eingewachsene Kugeln in seinem Körper wie andere Elefanten, die ich vorher geschossen hatte? Diese Kugeln zeigten, dass nicht der Mensch über das Tier triumphiert hatte. Zeugen seines Sieges. Narben trug er, das hatte ich gesehen. Narben von unzähligen Kämpfen, Narben, die ihm die Stellung eingebracht hatten, in der er jetzt war. Die Spitzen seiner Stoßzähne waren abgebrochen. Kurze, dicke Stümpfe waren geblieben. Schwer, dick und gelb, nicht das Elfenbein der Jugend.

Eigentlich tat er mir leid. Ich kämpfte mit ihm, unsichtbar und doch gegenwärtig. Es war ein Schachspiel, in dem er jetzt am Zuge war. Seine Herde würde ihn schützen und beschützen. Junge rangniedere Bullen, Askaris, würden versuchen, uns abzudrängen oder uns anzugreifen.

Wir, das waren nur noch meine beiden Tracker Vincent und Cosmos und ich. Den Gast hatte ich zurückgelassen. Die Gefahr war zu groß. Ich hatte den Schützen zum Auto beordert und ihm Anweisung gegeben, wo er auf uns warten solle. Dort hinten, knapp oberhalb der Senke, wo der Dete als Rinnsal dahinfließt.

Wir fanden die kleine Gruppe immer wieder. Inmitten darin der Bulle. Er drehte sich langsam im Kreis, suchend. Die fünf jüngeren Bullen waren dicht bei ihm. Einer von ihnen, der mit dem einen Stoßzahn, berührte die winzige Wunde an seiner Seite mit dem Rüssel. Was mag ihm der Geruch gesagt haben? Bestimmt war es das erste Mal für den Jungen, eine solche Wunde zu beriechen.

Die Gruppe wurde sichtlich nervös. Die für uns Menschen unhörbaren Verständigungslaute im Infrasound: Was mögen sie nun sagen? Wir hören nur das dumpfe Magenkollern. Auf ein unsichtbares Kommando drehen die Elefanten ab. Weiter den Hang hinunter. Tiefer hinein in das bürstendicke Mopanegestrüpp.

Wir folgen langsam und vorsichtig. Nur kein Geräusch, nicht in den Wind kommen. Ich kann den Letzten der Bullen sehen. Nur als grauen Schatten im winterlich kahlen Astgewirr. Wir können sie kaum hören. Verwunderlich. Wie kann sich so ein großes Tier fast ohne Geräusche zu machen durch den Busch bewegen?

Da geschieht es. Unverhofft und ohne Vorwarnung stürmt einer der jüngeren Bullen auf uns zu. Einzahn. Ganz von links. Wir hatten ihn total übersehen. Mit einem grunzenden Trompetenlaut bricht er durch die Büsche. Jetzt sind keine 10 Meter mehr.

Vincent steht neben mir und klatscht einmal laut in die Hände. Ich brüll den Bullen an, das Gewehr im Halbanschlag. Noch 5 Meter. Der Bulle spreizt die Ohren und senkt den Kopf. Den Rüssel eingerollt. Ich hab das Gewehr nun ganz im Anschlag und ziele zwischen die Augen. Das ist ein Scheinangriff. Bitte nicht. Ich will dich nicht töten, geht es durch meinen Kopf. Im selben Moment stoppt der Elefant aus vollem Lauf. Er macht einen Schritt rückwärts und dreht ab, mit erhobenem Schwanz und Angsttrompeten. Wir hatten gewonnen. Für den Augenblick.

Noch eine oder eineinhalb Stunden bis zur Dämmerung. Es wird etwas geschehen. Die Zeit scheint komprimiert. Ich fühle den alten Bullen. Ich weiß, dass er da ist. Die Situation ist bedrückend und faszinierend zugleich. Ich hatte andere Elefanten gejagt. Aber dieser war anders, es war intensiver als je zuvor, dieses Gefühl vom Tod.

Es war das intensivste Gefühl des Jagens, das ich je gespürt hatte. Selbst heute, wenn ich diese Geschichte niederschreibe, fühle ich sie, als sei sie gegenwärtig. Es war mehr als nur eine Jagd. Vielleicht wusste ich, dass es einer meiner letzten ganz großen Elefanten war. Nein, eigentlich war er: der Elefant. Mein Elefant.

Irgendetwas geschah da. Vor uns, unsichtbar, fast unhörbar. Die lästigen Mopanefliegen störten mich schon lange nicht mehr. Doch war ihr zirrendes Summen lauter als die Geräusche im Busch. Vincent macht ein Handzeichen nach links. Ja, da war Bewegung und es kam lauter auf uns zu. Auf einer Blöße sehen wir sie kurz. Die Askaris. Sie hatten den Alten alleine gelassen. Und ich wusste, nun kam das Finale. Unausweichlich würde es nun geschehen.

Ich bewege mich langsam nach links, bis der Bewuchs etwas lockerer wird. Das Wasser hat hier die Erde weggespült und die Vegetation ist niedrig, nur kniehoch. Die Wasserrinne verläuft fast wie ein Weg zum höchsten Punkt des Hügels.

Dann wie aus dem Nichts steht er vor mir. 30 – höchstens 35 Meter entfernt Er sieht mich und setzt sich in Bewegung. Nicht sehr schnell, aber mit ausgreifenden Schritten. Er nimmt den „Weg“ hinauf. Ich laufe ihm nach. Der Abstand bleibt gleich. Ich renne. Ich denke an Karamojo Bell, den berühmtesten unter allen Elefantenjägern.

Was schrieb er einhundert Jahre zuvor? Der schwierigste Schuss von allen ist der Schuss aus dem Laufen, schräg von hinten. Hinter das Ohr. Hat er es für mich geschrieben oder hatte er das gleiche Erlebnis?

Ich renne weiter. Vor dem Bullen ist nun ein kleiner Absatz. Und dann aus vollem Lauf vorwärts dreht der Alte um. Ohne die Geschwindigkeit zu verringern, greift er an. Bergab, nun ist er im Vorteil. In einer Staubwolke stürmt er heran. Die riesigen Ohren sind gespreizt, der Rüssel ist eingerollt. Er nimmt den Kopf so tief runter, so dass er mit den Stoßzähnen und dem Rüsselansatz eine tiefe Furche in den Boden gräbt. Lautlos, riesig und schnell kommt er.

Ich war noch im Rennen und so bewegen wir uns aufeinander zu. Zwanzig Meter, Fünfzehn… Ich reiße das Gewehr hoch. Der Kopf des Bullen ist jetzt so tief, dass ich die Schädelbasis sehen kann. Zehn. Ich drücke ab und der Riese stürzt. Ich sehe das Hinterteil des Bullen in der Luft.

Den Kopf kann ich nicht sehen, er scheint unter dem Körper zu sein. Eine gewaltige Staubwolke steht vor mir. Repetieren. Er scheint genau in der kleinen Senke zu liegen, da zehn Meter vor mir.

Ich drehe mich schnell um. Orientierung. Wo sind die Tracker? Ich kann sie nicht sehen. Von rechts aus dem Busch höre ich Cosmos schreien: Er kommt hoch!

Es war eine halbe Sekunde, wenn nicht weniger. Unachtsam. Ich drehe mich zum gefallenen Riesen und sehe ihn davonstürmen. Weiter den Hügel hinauf. Zum Glück! Verzweifelt gebe ich einen Schuss auf sein Hüftgelenk ab. Aber er wird nicht langsamer. Er dreht nach rechts und ist verschwunden.

Ich atme durch. Ich weiß nicht, was geschehen ist. Das hier war ein Duell, keine Jagd mehr. Vorsichtig suchen wir nach Pirschzeichen. Fährten oder Schweiß. Vincent zeigt ohne ein Wort auf etwas vor uns. Schweiß, schaumig, rot, schleimig. Sehr viel und stetig. Cosmos entfährt ein Gurgeln. Da liegt etwas, halb so groß wie ein Tischtennisball, und weiß. Ein Stück Hirn. Eindeutig. Aber wie kann er....? Ist dieser Elefant real? Cosmos sagt leise: „Ghost“. Sehr langsam gehen wir weiter. Und immer wieder die gleichen Zeichen. Blut, Schleim, Hirn. Unfassbar.

Nach 200 Metern unendlich langen Weges sehe ich ihn da stehen. Alt, krank, müde mit hängendem Kopf. Er schwankt, er nimmt mich nicht mehr wahr. Ich laufe einfach auf ihn zu. Nicht feige von hinten. Ich laufe auf ihn zu, hoch erhoben mit festem Schritt. Ganz nah. Er soll nicht mehr leiden. Ich hebe mein Gewehr.

Der Knall erschreckt mich und der Bulle stürzt vor mir zu Boden. Fast lautlos. Ich sehe mein Gewehr an. Nein, ich hatte nicht geschossen. In der Aufregung hatten wir wohl komplett die Orientierung verloren.

Und ohne es zu wissen, war der Elefant mit letzter Kraft genau zu der Stelle gelaufen, an die ich den Gast am Morgen geschickt hatte. Er konnte ohne Mühe und gefahrlos dem Koloss einen Fangschuss geben. Von der Seite.

Ohne ein Wort ging ich zu dem Elefanten und berührte seine Stirn. Dann sagte ich was zu ihm. Ich lief um ihn herum, schnitt ihm den Schwanz ab und gab ihn dem Jagdgast. Denn es war sein Elefant!

Ich blieb noch etwa eine halbe Stunde neben ihm sitzen, bis die Dunkelheit hereingebrochen war.

Ich gebe zu, dass diese Geschichte ein Schlüsselerlebnis war. Und ich gebe zu, es war schwer, sie zu schreiben, denn diese Geschichte spiegelt auch mein Leben, das ich „dort“ geführt habe, wider und wirft in mir die Frage erneut auf, wohin ich gehöre!

Wäre mein Leben in Afrika zusammenzuballen auf einen Moment, so wären es diese 10 Stunden gewesen. Ich musste, nachdem ich es aufgeschrieben hatte, mit dem Gast von damals sehr lange telefonieren. Er hat es verstanden.

(Dete Valley 3; 2005)

2 Der Ingenieur

Jedes Mal, wenn ich an der Anhäufung von Häuschen vorbeikomme, die sich Gwayi River nennt und aus zwei Kneipen, einigen „Tack-Shops“ und einem staubigen Parkplatz besteht, dann sehe ich den „Ingenieur“ da sitzen.

Er sitzt immer an der gleichen Stelle und trägt immer die gleiche Kleidung. Er sitzt auch immer vor der gleichen Kneipe. Nur die Bierflasche scheint er zu wechseln. Der Ingenieur hat auch einen Assistenten. Den Pumpenaufseher.

Nun sind unsere afrikanischen Mitmenschen genau so wild auf Titel und Pöstchen wie wir auch. Eventuell noch etwas mehr.

Meine tägliche Kontrollfahrt durch das Revier war zu Ende. Alle Wege waren geräumt von umgestürzten Bäumen, die Salzlecken für das Wild waren bestückt. Und 200 kg Maisdrusch für die Elefanten hatten wir auch ausgebracht. Alles in Ordnung.

Mittagspause. Ich sitze gerade vor einem vorzüglichen Kudusteak, als es an der Tür klopft. "Sorry Boss, da sind paar Leute aus Gwayi die möchten dich sprechen". Ich schlinge das Steak runter und gehe zum Parkplatz.

Eine Abordnung aus dem "Dorf" steht vor mir. „Sir, wir haben da ein Problem. Seit ein paar Tagen haben wir kein Wasser mehr, denn die Dieselpumpe läuft nicht.“ „Hallo Nelson, welche Pumpe ist es denn?“ „Sir, die Pumpe hinterm Dorf Richtung Lubimbi, die beim großen Damm!“ Also gut. Ich springe in den Landrover und zuckele die Schotterstraße entlang. Ich passiere Gwayi River und überquere die Hauptstraße. Nach 10 Kilometern erreiche ich die Pumpstation.

Dort sitzt der Pumpenaufseher und döst vor sich hin. „Hey Mann, wo liegt das Problem?“  „Die Pumpe macht nicht ött ött!" „Seh ich auch. Was ist denn los? " „Vor ein paar Tagen machte die Pumpe noch ött ött, aber jetzt nicht mehr, aber Diesel ist im Tank!“

„So, und was hast du denn gemacht? Hast du versucht, sie zu reparieren? " „Nein, ich bin nur der Aufseher und ich sitze hier und schaue, dass die Pumpe ött ött macht!“ „Aber Ahnung von der Bratford & Stratton Pumpe hast du doch?“ „Ja, Boss, die macht ött ött aber jetzt nicht! Und ich mache das schon lange, denn der alte Buck hatte mich noch eingestellt vor der Landreform!" Mir schwant Schreckliches. „Wie lange machst du denn das schon?" „Ich meine so 20 Jahre!", erwidert der Aufseher.

Ich sehe mir das Ding an. Öl ist im Kurbelgehäuse. Kühlwasserzufluss ist ok. Ich drehe die Kurbel. Keine Kompression. Also das Ding muss auseinander.

„Habt ihr ein Werkzeugkit hier für die Bratford?“ „Du meinst für die ött ött?“ Nee, die hat der Ingenieur! Der ist in Gwayi. Ist der Mann mit der braunen Jacke und dem blauen Käppi. Der sitzt immer bei Nelson an der Kneipe. Der ist mein Boss!" Ich zuckele zurück nach Gwayi. Die beschriebene Person finde ich schnell und ist sogar bereit, mit zur Pumpe zu fahren.

„Also, hast du alles dabei? Ich meine, Werkzeug und so?“, frag ich den „Ingenieur“. „Ja, Chef, alles klar!“ Na, dann kann das nicht zu lange dauern mit der Reparatur, denke ich.

„Also, die Pumpe hat keine Kompression mehr. Denke, es ist die Kopfdichtung! Wann wurde das Ding zum letzten Mal gewartet? " Ich schaue den „Ingenieur“ an. Und der sieht mich an, und dabei merke ich, dass die Frage nicht so ganz rüberkam.

"Lho pumpero..." „Nein, Boss, du brauchst kein Chelappalapa zu sprechen, ich spreche Englisch!“ Also gut, ich wiederhole die Frage. Antwort ist derselbe Blick. „Ihr habt also die Pumpe nie gewartet? Wenn ich das so recht überlege, dann hat der alte Buck vor Jahrzehnten die letzte Inspektion gemacht?" Die Antwort ist knapp. "Ja, Boss!"

„Also gut, der Zylinderkopf muss runter!“, sag ich zum „Ingenieur“ und seinem Assistenten. „Reich mir mal nen 1 1/4 Zoll Schlüssel für die Kopfschrauben.“ Ich halte die Hand nach hinten, aber kein Schlüssel kommt. Ich drehe mich um und sehe den „Ingenieur“ an. "Was Boss??" „Ich sage, ich brauche den 1 1/4 Zoll-Schlüssel. Am Besten gekröpft!“ „Äh, da steht 18,20,15,19,........!" „Mann, das sind metrische Maße! Dann gib mir mal nen 32er oder 33er. „Das könnte klappen!“ Ich werde nervös. „Boss, sieht das Ding so aus?“ „Ja, Herr „Ingenieur“, so sieht der aus, nur das ist ein 15er. Also mehr als doppelt so groß!“ „Haben wir nicht. Warum muss die blöde Pumpe auch kaputt gehen!“, sagt der Herr mit der blauen Kappe. Der Assistent nickt zustimmend: „Ja, macht nicht mehr ött ött das blöde Ding!“

Ich laufe Blau an. Ich denke, dass ich in diesem Moment in der Lage gewesen wäre, den Zylinderkopf mit einem Ruck per Hand abzureißen. Oder den Kopf des "Ingenieurs". Ganz leise sagt Douglas zum „Ingenieur“: „Weißt du, der Boss… der ist tukutela… Dann ist es besser, du verkrümelst dich ganz schnell… der kann aber auch ganz lieb sein… Dann isser Spokes…“

Mit rotunterlaufenen Augen schaue ich Douglas an: „Halt die Schnauze, Douglas! Muss zurück ins Camp die Kiste holen!“ „Nee Boss, hab alles dabei“, sagt Douglas kleinlaut. „Mensch Douglas, seit wann denkst du mit?“, frag ich ganz stolz.

„Seit du den Vorschlaghammer nach Shupani geworfen hast“, sagt Douglas mit breitem Grinsen. Der „Ingenieur“ schluckt und fühlt sich unwohl. Der Assistent scheint zum Weglaufen bereit zu sein. Ach, ich liebe diese Menschen.

„So nun ist der Kopf ab. Wir brauchen ne neue Dichtung!“ „Entschuldigung, ist das das Kupferding mit dem großen Loch drin?“, so der „Ingenieur“. „Da hatten wir ganz viele davon, und weil die dieselbe Größe wie die Brandyflaschen haben, da hat Nelson ein duftes Flaschenregal in seiner Bar draus gemacht!“

Afrika hat seine eigenen Gesetze. Douglas strahlt. „Ich hab drei mitgebracht!“ Das rettet den Tag. Ist ja schon spät genug. Und ich hoffe vor der Dunkelheit, das Ding zum Laufen zu bringen. Dichtung drauf, Kopf drauf, Bolzen anziehen, Ventile einstellen. Und.... ött,ött,ött. Das Ding läuft. Der Assistent ist glücklich und umarmt die Pumpe. Der „Ingenieur“ strahlt und sagt: „Na wie haben wir das gemacht!“ Und Douglas steht ganz cool am Auto.

„Douglas, du bekommst ein Bier bei Nelson! Ich bin richtig stolz auf dich!“, ruf ich dreckverschmiert meinem Tracker zu. Der Assistent setzt sich wieder zur Pumpe, wie die letzten 20 Jahre auch. Der „Ingenieur“ betritt mit Siegermiene die Kneipe von Nelson und ich setze mich auf die Veranda vor der Kneipe. Mit Douglas.

„Also Douglas, sag mal. Du bist doch hier geboren und kennst hier jeden.“ „Ja, Boss, tu ich.“ „Also dann erklär mir mal das Ding mit dem „Ingenieur“! Wer bezahlt den eigentlich? Und so??"