Nachtjäger - Carmen Pannek - E-Book

Nachtjäger E-Book

Carmen Pannek

0,0

Beschreibung

Dies ist die Lebensgeschichte von Kurt Schellenberger, meinem Onkel, der am 30.01.1921 in Marienberg/Erzgeb. geboren wurde und am 18.01.2014 in Bautzen verstarb. Aus seinen Aufzeichnungen, Fotos und Erinnerungen ist dieses Tagebuch entstanden, das für seinen Sohn, seine Enkel und Urenkel bestimmt war. Sein Wunsch, dass sein Sohn dieses Buch einmal fortsetzen würde, ging leider nicht in Erfüllung. Er verstarb noch im selben Jahr wie sein Vater. Dieses Buch ist ein authentisches Zeitzeugnis für die Jahre vor, während und nach dem 2. Weltkrieg. Geschildert wird unter anderem das Leben eines Jagdfliegers, Nachtjägers und in Kriegsgefangenschaft.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 107

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Nachtjäger

Aus dem Tagebuch von Kurt Schellenberger
Überarbeitet von Carmen Pannek

Impressum

Texte Copyright by Carmen Pannek

Umschlaggestaltung Copyright by Carmen Pannek

Fotos: Copyright by Carmen Pannek

Inhalt

Vorwort

Retrospektive

Jugendzeit und erste Liebe

Mein Entschluss steht fest

Ich möchte Flieger werden

Ausbildung zum Flugzeugmechaniker

Im Führerhauptquartier

Ostpreußen

Ausbildung zum Flugzeugführer

Abschlussprüfung mit Hindernissen

Prag-Gbell

Ich werde Nachtjäger

Fronteinsatz

Weiter Richtung Osten

Luftschlacht über Königberg

Lottka

„Schwarzurlaub“ zu Hause

Flucht aus dem Kessel

Notlandung

Landung im Blindflug

13. Februar 1945

Notlandung mit Bomben

Mein letzter Flug

In der Schlacht

Auf der Flucht

In Kriegsgefangenschaft

Entlassung

Wieder zu Hause

Hochzeit und Wohnungssuche

Die Familie wächst

Epilog

Ergänzung aus dem Jahr 2004

Bildteil

Vorwort

Dies ist die Lebensgeschichte von Kurt Schellenberger, meinem Onkel, der am 30.01.1921 in Marienberg/Erzgeb. geboren wurde und am 18.01.2014 in Bautzen verstarb.

Aus seinen Aufzeichnungen, Fotos und Erinnerungen ist dieses Tagebuch entstanden, das für seinen Sohn, seine Enkel und Urenkel bestimmt war.

Sein Wunsch, dass sein Sohn dieses Buch einmal fortsetzen würde, ging leider nicht in Erfüllung. Er verstarb noch im selben Jahr wie sein Vater.

Kurts Leidenschaft war das Fliegen und obwohl er sich nach dem Krieg für ein Leben mit seiner Familie entschloss und nicht für das eines Kapitäns bei der Lufthansa, hat er seinen Traum vom Fliegen nie aufgegeben. Gemeinsam mit seinem Sohn hat er sich in Bautzen noch dem Segelfliegen gewidmet.

Eines seiner schönsten Erlebnisse später war sicher, dass er noch einmal selbst mit einer JU 52 fliegen konnte.

Im Gedenken an Kurt Schellenberger

März 2020

Carmen Pannek

Aus dem Tagebuch

Retrospektive

Am 30.Januar 1921 wurde ich geboren. Dass mein Geburtsort Marienberg / Erzgeb. war, erfuhr ich erst später, doch mein Erinnerungsvermögen reicht bis dorthin zurück.

Ich muss damals drei bis vier Jahre alt gewesen sein, als ich im Sandhaufen saß und mich mit meinem Spielzeugwasserwagen beschäftigte.

Auch kann ich mich noch erinnern, dass ich mit meinen Freunden in den Aschengruben herumgestöbert habe. Meine Kumpels hießen Schlosser und Hausding Schorschel.

Diese ersten Erinnerungen spielten sich im Hof hinter dem Ratskeller ab, der an unser Haus grenzte. Wir wohnten Hindenburgstraße 1. Meine Mutter wohnte mit ihrer Mutter und dem Stiefvater zusammen in zwei Zimmern. Sie verstanden sich, wie mir vorkam, nicht besonders gut.

Einmal nahm mich der Großvater auf den Arm, um mit mir meine Mutter von der Arbeit abzuholen. Dabei erinnere ich mich, dass er sagte: „Dort kommt der Laufbesen“ – womit er meine Mutter meinte. Mein Vater wohnte damals in Großolbersdorf und kam nur selten in unsere Wohnung. Einmal kam er mit einem eitrigen Finger und ich weis noch, wie sehr er mir leid tat. Meine Mutter brachte mir manchmal Spielzeug mit, sie arbeitete in einer einschlägigen Fabrik.

In meinem fünften Lebensjahr verzogen wir nach Falkenau bei Flöha, wo meine Eltern eine Wohnung weit abseits des Dorfes zugewiesen bekommen hatten.

Im Volksmund hieß dieses Haus der „Pfibig“. Wir wohnten hier mit vier Familien. Außer meinen Schwestern und der Nachbarstochter hatte ich keine Spielgefährten und ich war oft sehr einsam. Da ich der Älteste war, musste ich immer auf die kleineren Geschwister aufpassen, wovor ich mich, da ich es mit Widerwillen tat, öfter drückte. Bei solchen Gelegenheiten nahm ich mir aus dem Schuppen einen alten Strick und ging damit in den nahegelegenen Busch. Hier band ich das Seil an einen ausladenden Ast einer am Hang stehenden Eiche, hing mich mit den Händen dran und pendelte im weiten Bogen um den Baum herum. Das waren immer die schönsten Stunden. Einmal lies es sich nicht verhindern und ich musste mit den beiden ältesten Schwestern spielen. Ich setzte sie in den Handwagen und fuhr mit ihnen ein Stück durch die Gegend. Auf dem Heimweg ging es bergab. Ich kniete mich hinten drauf und lenkte mit einer Hand. Doch ein Stein spielte mir einen Streich und so fuhren wir, da gerade ein Baum in der Nähe stand, frontal dagegen, Nun hatte ich endgültig den Kanal voll. Ich fuhr heim und bemerkte dort, dass Ilse über und über blutete. Sie hatte sich einen kurzen Ast in die Stirn gespießt und nun ein „Loch im Kopf“. Zum Glück war mein Vater bei den Arbeitersamaritern und konnte gleich eingreifen. Nachher sollte ich drankommen. Doch ehe er mich ergreifen konnte, war ich längst über alle Berge, wo ich so lange wie möglich blieb – denn ich wusste was mir bevorstand. Mein Vater hatte eine lockere Hand und meine Abreibung bekam ich schließlich doch.

In der schweren Zeit, wo viele Männer arbeitslos waren, ging es meinem Vater nicht anders. Um die vielen Mäuler stopfen zu können, nutzte er jede Gelegenheit um Geld zu verdienen.

So ging er z.B. mit Grünwaren handeln oder über Sonntag „Kessel klopfen“ Ich war inzwischen auch älter geworden und um zu Hause einen Esser weniger zu haben, gab man mich zum Kunze-Bauer zum Kühe hüten. Schließlich musste ich dann einmal vom Sommer bis zu Weihnachten ganz dort bleiben. Meinen Eltern half das zwar finanziell sehr, aber mir ging es tüchtig aufs Gemüt und auf die Nerven, denn ich musste tüchtig mit ran.

Dort hat man mir die Lust zur Landwirtschaft so richtig ausgetrieben ! Früh um vier ging ich mit der Magd Else in den Kuhstall. Da wurde ausgemistet und die schweren Tragen hinausgeschleppt. Dann wurde eingestreut, getränkt und gefüttert. Das Heu musste ich im Finsteren aus der Scheune holen. Einmal hatte der Knecht Oswin (das war übrigens der Sohn von unserem Nachbarn – mein späterer Pionierleiter – sein Bruder ist als Interbrigadist in Spanien gefallen) vergessen den Hund anzubinden, der nachts frei herumlief. Er lag im Heu und schlief, als ich ihm, da es ja noch finster war, auf den Bauch trat, nahm er mir das übel und sprang mich an. Da er sehr groß war, schmiss er mich um und biss mich in den rechten Oberarm. Ich drückte ihm verzweifelt die Gurgel zu und schrie wie am Spieß. Als dann nach langer Zeit Oswin aus dem Pferdestall kam und mich fand und befreite, fragte er warum ich nicht gerufen hätte. Es stellte sich dann heraus, dass man mein Schreien als das Krähen eines Hahns gedeutet hatte !

In der Regel ging ich dann nach dem Füttern – wenn Else anfing zu melken, frühstücken. Dann musste ich mich beeilen, um pünktlich in der Schule zu sein. Hier war ich nicht besonders gut aber auch nicht schlecht. Könnte ich die Zeit zurückdrehen, ich würde mir jedenfalls mehr Mühe geben.

Kam ich dann vom Unterricht zurück, wurde schnell das Mittagessen runtergeschüttet, die Kühe abgekettet und raus ging es auf die Weide bis es dämmerte.

Vom Kühe hüten wäre manche Episode zu erzählen, aber das würde zu sehr ins Detail gehen. Ich möchte nur noch festhalten, dass ich mit den Jungen die in der Nähe ihre Kühe hüteten, um die Wette jodelte und wir uns gegenseitig im Kehrreim die tollsten Sachen an den Kopf warfen. Jede Kuh hatte ihren Namen. Eine Kuh hieß „Hirsch“, die war besonders schlecht und war immer der Anführer wenn es ins Kraut ging. Eine andere hieß „Lahme“, sie lahmte, wie schon der Name sagt und war die bravste, weil sie nicht so schnell war wie die anderen. Der Bulle hieß wie alle Bullen „Hans“.

Als ich ihn hindern wollte, zur anderen Herde zu laufen, griff er mich einmal an. Aber gewieft wie ich war, steckte ich meinen Knüppel als er den Kopf senkte durch seinen Nasenring und nagelte ihn so lange an der Erde fest, bis sich sein Groll etwas gelegt hatte.

Als dann alles abgeweidet war und die Kühe schon die abgehackten Rübenblätter fressen durften, dauerte es nicht lange und es fiel der erste Schnee. Nun wurde im Gut weitergearbeitet. Der Bauer verstand es, mir keine Langeweile aufkommen zu lassen. Es wurden Kartoffeln ausgelesen, gedroschen (manchmal sogar mit dem Dreschflegel) , es wurden Rüben und Kartoffeln eingemietet und vieles mehr.

Neben meinem täglichen Essen bekam ich dann zu Weihnachten ein Geschenk. Ich kann mich nur noch an einen braunen Anzug (Kletterweste und kurze Hose) erinnern und an eine braune Baskenmütze. Braun kam damals sehr in Mode ! Nach Weihnachten durfte ich dann endlich wieder heim. Meine Eltern waren inzwischen umgezogen. Sie hatten ein Siedlungshaus gebaut. Hier fühlte ich mich wieder wohl. Als mein Vater den Garten und das Feld urbar machte, musste ich tüchtig mit ran. Trotzdem blieb mir noch genug Zeit, um mit meinen Freunden im nahen Wald herum zu toben. Hier verbrachte ich nun die letzten Jahre meiner Kindheit.

Babysitter brauchte ich nun nicht mehr spielen, das besorgten die Mädels untereinander. Die beiden „Großen“ passten auf die beiden „Kleinen“ auf.

1935 beendete ich meine Schulzeit, ich bekam die Durchschnittszensur zwei und war zufrieden.

Jugendzeit und erste Liebe

Wir gingen mit Vater zur Berufsberatung nach Flöha, ich wollte Maler werden, doch die Umstände waren so, dass ich schließlich als „Osterjunge“ in die Spinnerei ging, die in unserem Ort war. Hierzu besuchte ich drei Jahre lang die dafür zuständige Berufsschule in Flöha. Die Arbeit in der „Spinne“ gefiel mir gar nicht und ich war froh, als ich 1938 meine Prüfung im Beruf und in der Schule ablegen konnte.

Neben meiner Arbeit lernte ich meine erste „Jugendliebe“ kennen. Wir arbeiteten in einer Schicht und auf einem Saal und immer wenn wir zusammenstanden, kam der Obermeister dazu, guckte über seine Brille und tobte fürchterlich. Ich wundere mich heute noch, wie ich das alles ertragen konnte.

Mit Elfriede war ich auch einmal in Chemnitz im Theater. Anschließend tranken wir noch eine Flasche Wein und fuhren nach Hause. Ich war ihr wohl zu dumm und zu ruhig, deshalb „kümmerte“ sie sich bald um einen anderen.

Der hat sie aber auch nicht bekommen – mein Trost. Später hat sie einen geheiratet, der mir von der Schule her in primitiver Erinnerung ist. Ich wagte mich dann an eine andere ran. Einmal war ich mit ihr in Flöha im Kino. Auf dem Heimweg muss ich mich so blöd angestellt haben, dass sie auf Rache sann. Himmelfahrt bestellte wir uns früh beizeiten zu einer Radtour. Ich wartete mit frisch geputztem Rad länger als eine Stunde vor ihrem Haus und suchte dann endlich das Weite. Am anderen Tag erfuhr ich im Betrieb, dass sie schon am Vorabend nach Eppendorf zu einem anderen – und mit ihm in den Himmel gefahren war. Dieser andere war übrigens derselbe, der mir die Elfriede ausgespannt hatte. Auf ihn komme ich in einem späteren Abschnitt noch mal zu sprechen.

Die Enttäuschungen nahm ich nicht sehr tragisch und nach einigen Wochen war alles vergessen.

Durch meinen Vater wurde ich schon als Kind an den Sport herangeführt – er war Turnwart im Arbeiterturnverein. – und so legte ich selbstverständlich auch viel Wert darauf, es meinem Vater gleich zu tun.

Im Winter fesselte mich hauptsächlich der Gerätesport. Ich besuchte auch einen Vorturnerlehrgang und nahm an vielen Gerätemeisterschaften teil. Im Sommer trieb ich zusätzlich Leichtathletik. Ich habe mich bei allen Wettkämpfen in der Spitzengruppe gehalten und auch manchen Sieg errungen. Davon zeugen viele Eichenkränze, Sträußchen, Urkunden und Silber- oder Bronzeblätter. Meine Stärke lag im 3- bzw. 5 km Lauf und im Winter im Biathlon. Natürlich musste ich auch in der „H-J“ sein. Meine Eltern sahen das mit Stirnrunzeln, konnten aber in der damaligen Zeit nichts unternehmen bzw. mich daran hindern.

Es ging aufwärts in Deutschland. Die Arbeitslosenzeit hatte ein Ende. Leider sah ich damals noch nicht so klar wie heute, sonst hätte ich bemerken müssen, wo die ehemaligen Arbeitslosen eingesetzt wurden. Nämlich am Westwall, auf den Autobahnen und in Rüstungsbetrieben. Göbbels machte gute Propaganda und der größte Teil stand auf der Seite der Reichsregierung. Adolf holte das Sudetenland „heim ins Reich“. Uns jungen Leuten juckte das Fell. Am liebsten wollten wir schon in der Uniform stecken und mitmachen. Ich machte, da ich noch zu jung war, erst einmal einen H-J-Schießwarrtlehrgang in Frankenberg mit. Nach erfolgreicher Beendigung war ich Kameradschaftsführer und Gefolgschaftsschießwart. Ich war abnahmeberechtigt für das Schützen- und Scharfschützenabzeichen.

Ja, der Führer hatte es verstanden, uns für sein Vorhaben gefügig zu machen. Mir dauerte auch alles schon zu lange und so meldete ich mich freiwillig zur Luftwaffe.

Ja, ich wollte hoch hinaus mit meinen siebzehn Lenzen.

Mein Entschluss steht fest:

Ich möchte Flieger werden

Das Fliegerausbildungsregiment Weimar-Nora registrierte mich und 1939 wurde ich in Chemnitz gemustert. Ich war KV und ging am 09.Januar 1940, nachdem ich am Vormittag noch die Fahrprüfung für Auto und Motorrad ablegte, zum Stellplatz.

Mittags saß ich mit meiner Mutter allein am Tisch, es gab Salzkartoffeln, Möhrengemüse und Beefsteak.

Es war mir, ehrlich gesagt, doch nicht ganz egal und ich musste tüchtig würgen. Köhler Herbert, ein alter Sportkamerad und ich waren die einzigen aus unserem Dorf.

Und jetzt komme ich noch mal auf meinen ehemaligen „Nebenbuhler“ aus der Spinnerei zurück: Als wir schon abmarschbereit vor dem Hotel „Hohenzollern“ in Chemnit