Narren und Sterbliche - Bernard Cornwell - E-Book + Hörbuch

Narren und Sterbliche Hörbuch

Bernard Cornwell

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Beschreibung

Der Winter 1595 ist kalt. Das macht auch den Mitgliedern der Theatertruppe von William Shakespeare zu schaffen, einer von vielen in London. Die Stadt ist seit längerem vom Theaterfieber ergriffen, neu entstandene Schauspielhäuser vor den Toren der Stadt fassen Tausende Zuschauer, die sich mit Bühnenstücken, Tanz, Zoten und dressierten Bären unterhalten lassen. Halbseidenes Gesindel sind diese Schauspieler in den Augen der puritanischen Obrigkeit, die alle Bühnen verbieten will. Aber viele im Hochadel lieben das Theater, und auch die Königin tut es. Zur Hochzeit einer hochgestellten Dame soll die Truppe ein neues Stück auf die Bühne bringen, eine Komödie mit dem Titel «Der Sommernachtstraum». Mit von der Partie: Richard, William Shakespeares jüngerer Bruder, vom Älteren wenig geliebt und auf der Bühne nur in Frauenrollen geduldet. Dann geschieht eine Katastrophe: Ein konkurrierendes Schauspielhaus lässt das Stück stehlen. Aber Richard weiß, wie die Uraufführung zu retten ist. Er wird das Stück zurückstehlen und damit William dazu bringen, ihn endlich zu respektieren, ihm endlich eine Männerrolle zu geben – und dann fehlt ihm zu seinem Glück nur noch die Hand der schönen Silvia … Ein ungeheuer spannender und farbiger historischer Roman über Eifersucht, Verrat, Liebe und die Kunst, wie ihn nur Bernard Cornwell schreiben kann.

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Zeit:12 Std. 18 min

Sprecher:Frank Stieren

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Bernard Cornwell

Narren und Sterbliche

Historischer Roman

Aus dem Englischen von Karolina Fell

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Der Winter 1595 ist kalt. Das macht auch den Mitgliedern der Theatertruppe von William Shakespeare zu schaffen, einer von vielen in London. Die Stadt ist seit längerem vom Theaterfieber ergriffen, neu entstandene Schauspielhäuser vor den Toren der Stadt fassen Tausende Zuschauer, die sich mit Bühnenstücken, Tanz, Zoten und dressierten Bären unterhalten lassen. Halbseidenes Gesindel sind diese Schauspieler in den Augen der puritanischen Obrigkeit, die alle Bühnen verbieten will. Aber viele im Hochadel lieben das Theater, und auch die Königin tut es.

 

Zur Hochzeit einer hochgestellten Dame soll die Truppe ein neues Stück auf die Bühne bringen, eine Komödie mit dem Titel «Der Sommernachtstraum». Mit von der Partie: Richard, William Shakespeares jüngerer Bruder, vom Älteren wenig geliebt und auf der Bühne nur in Frauenrollen geduldet.

 

Dann geschieht eine Katastrophe: Ein konkurrierendes Schauspielhaus lässt das Stück stehlen. Aber Richard weiß, wie die Uraufführung zu retten ist. Er wird das Stück zurückstehlen und damit William dazu bringen, ihn endlich zu respektieren, ihm endlich eine Männerrolle zu geben – und dann fehlt ihm zu seinem Glück nur noch die Hand der schönen Silvia …

 

Ein ungeheuer spannender und farbiger historischer Roman über Eifersucht, Verrat, Liebe und die Kunst, wie ihn nur Bernard Cornwell schreiben kann.

Über Bernard Cornwell

Bernard Cornwell, geboren 1944 in London und aufgewachsen in Essex, arbeitete nach seinem Geschichtsstudium lange als Journalist bei der BBC. 1980 heiratete er eine Amerikanerin und lebt seither überwiegend in den USA. Weil er dort keine Arbeitserlaubnis bekam, verwirklichte er seinen langgehegten Wunsch, Bücher zu schreiben. Er gilt weltweit als unangefochtener König des historischen Abenteuerromans, seine Werke wurden in über 20 Sprachen übersetzt; Gesamtauflage: mehr als 20 Millionen Exemplare. Die Queen zeichnete ihn mit dem «Order of the British Empire» aus. In seiner Freizeit spielt Cornwell gerne Theater, bevorzugt in Stücken des Schwans von Stratford.

Narren und Sterbliche

ist mit großer Zuneigung gewidmet

allen Schauspielerinnen und Schauspielern,

Regisseuren, Musikern und Technikern des

Monomoy Theatre

PUCK: Herr, was für Narren sind doch diese Sterblichen!

Ein Sommernachtstraum

Akt III, Szene 2

 

HIPPOLYTA: Das ist das Dümmste, was ich je gehört.

THESEUS: Auch die Besten dieser Art sind nichts als Illusion; und die Schlechtesten sind genauso gut, wenn die Vorstellungskraft sie nachbessert.

HIPPOLYTA: Das muss dann deine Vorstellungskraft sein und nicht ihre.

THESEUS: Wenn wir uns nichts Schlechteres von ihnen vorstellen als sie selbst, dürften sie als vortreffliche Männer durchgehen.

Ein Sommernachtstraum

Akt V, Szene 1

TEIL EINSVortreffliche Männer

EINS

Ich starb, kurz nachdem die Uhr im Gang neun geschlagen hatte.

Manch einer behauptet, Ihre Majestät Elizabeth, Königin von Gottes Gnaden über England, Frankreich und Irland, würde nicht gestatten, dass in ihren Palästen Uhren schlagen. Es ist der Zeit nicht gestattet, für Ihre Majestät zu vergehen. Sie hat die Zeit besiegt. Aber diese Uhr schlug. Ich erinnere mich daran.

Ich zählte die Schläge. Neun. Dann schlug mein Mörder zu.

Und ich starb.

 

Mein Bruder meint, es gibt nur eine einzige Art, auf die eine Geschichte erzählt werden kann. «Fange», sagt er auf seine aufreizend pedantische Art, «mit dem Anfang an. Mit was auch sonst?»

Wie ich sehe, habe ich etwas zu spät angefangen, daher werden wir auf fünf Minuten vor neun zurückgehen und erneut beginnen.

Stellt Euch, wenn Ihr so gut sein wollt, eine Frau vor. Sie ist nicht mehr jung, aber auch nicht alt. Sie ist groß und, so wird mir unaufhörlich erklärt, auffallend schön. Am Abend ihres Todes trägt sie ein Kleid aus nachtblauem Samt, übersät mit eingestickten Silbersternen, von denen jeder mit einer Perle besetzt ist. Blass lavendelblaue Stofflagen aus Moiréseide bauschen sich unter dem vorne offen herabfallenden Überrock heraus, wenn sie sich bewegt. Mit der gleichen, kostspieligen Seide sind die Ärmel gefüttert, sodass sich die Lavendelfarbe durch die modischen Schlitze zeigt, die in den sternenbestickten Samt eingearbeitet sind. Der Rock streift den Boden, verbirgt ihre zarten Schlupfschuhe, die aus einem alten Gobelin gefertigt sind. Solche Schlupfschuhe sind unbequem, wie es Gobelin-Schuhe immer sind, wenn sie nicht mit Leinen oder, besser noch, mit Satin gefüttert wurden. Sie trägt einen Krauskragen, der am Hinterkopf emporragt und steif gestärkt ist, und darüber wird ihr apartes Gesicht von rabenschwarzem Haar umrahmt, das in Locken und Ringeln zu einer aufwendigen Frisur aufgesteckt ist, um die sich Perlschnüre winden, passend zu der Halskette, die über ihrem Schnürmieder herabhängt. Eine Silberkrone, auch sie perlenbesetzt, zeigt ihren hohen Rang. Ihr blasses Gesicht schimmert in einem seltsamen, beinahe überirdischen Leuchten, indem es das Licht ungezählter Kerzen zurückwirft, während ihre Augen dunkel und ihre Lippen rot geschminkt sind. Sie hält sich gerade, wiegt sich in den Hüften und nimmt die Schultern zurück, sodass ihr seidenbedeckter Busen, der weder zu groß noch verschwindend klein ist, den Blick auf sich zieht. Sie zieht an diesem Abend viele Blicke auf sich, denn sie ist, wie ich häufig zu hören bekomme, eine betörend schöne Frau.

Die schöne Frau ist in Gesellschaft zweier Männer und einer jüngeren Frau, und eine dieser Personen wird sie ermorden, doch das weiß sie noch nicht. Die jüngere Frau ist in jeglicher Hinsicht ebenso schön gekleidet wie die ältere, womöglich sind ihr Mieder und ihr Rock sogar noch kostspieliger, strahlen in blassen Seidenstoffen und wertvollen Edelsteinen. Sie hat ihr blondes Haar hoch über einem Antlitz voll unschuldsvoller Lieblichkeit aufgetürmt, doch das ist trügerisch, denn sie tritt für die Inhaftierung und die Entstellung der älteren Frau ein. Sie ist die Nebenbuhlerin der älteren Frau, und weil sie jünger und ebenso schön ist, wird sie als Siegerin aus dieser Konfrontation hervorgehen. Die beiden Männer hören belustigt mit an, wie die jüngere Frau ihre Rivalin beleidigt, und dann sehen sie, wie sie einen schweren Eisenleuchter mit vier Kerzen in die Hände nimmt. Sie tanzt, tut so, als sei der Eisenleuchter ein Mann. Die Kerzen flackern und rußen, doch keine erlischt. Die junge Frau tanzt graziös, stellt den Kerzenleuchter weg und wirft einem der Männer einen schamlosen Blick zu. «Würdet Ihr mich kennen», sagt sie neckisch, «dann wüsstet Ihr, wie sehr ich leide.»

«Euch kennen», mischt sich die ältere Frau ein, «oh, man kennt Euch!» Es ist ein geistreicher Einwurf, deutlich ausgesprochen, auch wenn die Stimme der älteren Frau etwas heiser und gedämpft klingt.

«Euer Leiden, Herrin», sagt der kleinere der beiden Männer, «ist meine Pflicht.» Er zieht einen Dolch. Einen kerzenflackernden Moment lang scheint es, als wolle er die Klinge in die jüngere Frau rammen, doch dann dreht er sich um und stößt ihn gegen die Ältere vor. Die Uhr, ein mechanisches Wunderwerk, das sich in dem Gang unmittelbar vor dem Saal befunden haben musste, hatte zu schlagen begonnen, und ich zähle die Schläge.

Das Publikum keucht auf.

Der Dolch gleitet zwischen die Taille der älteren Frau und ihren rechten Arm. Sie keucht ebenfalls auf. Dann taumelt sie. In ihrer linken Hand, vor den Blicken des entsetzten Publikums verborgen, hält sie ein winziges Messer, mit dem sie eine Schweinsblase ansticht, die in einem Beutel an ihrem Gürtel versteckt ist. Der Gürtel ist prächtig. Er ist aus sahneweißem Ziegenleder gearbeitet und mit scharlachroten Tuchrauten verziert, auf denen winzige Perlen glitzern. Der Beutel ist ein schlichter Leinenbeutel, der an silbergewirkten Schnüren von dem Gürtel herabhängt. Als er angestochen wird, gibt die Schweinsblase einen Schwall Schafsblut frei.

«Ich bin gemeuchelt!», schreit sie. «Ach weh! Ich bin hingemordet!» Ich habe diese Zeile nicht geschrieben, also bin ich nicht verantwortlich dafür, dass die ältere Frau bekundet, was schon offensichtlich gewesen sein musste. Die jüngere Frau schreit auf, nicht vor Entsetzen, sondern vor Begeisterung.

Die ältere Frau taumelt noch etwas mehr herum, dreht sich dabei, damit das Publikum das Blut sehen kann. Wenn wir nicht in einem Palast gewesen wären, hätten wir das Schafsblut nicht verwendet, weil das Samtkleid zu prachtvoll und zu teuer war, doch für Elizabeth, für die keine Zeit existiert, müssen wir uns verausgaben. Also verausgaben wir uns. Das Blut durchtränkt das Samtkleid, ist jedoch kaum zu sehen, weil der Stoff so dunkel ist. Doch viel von dem Blut befleckt die lavendelfarbene Seide und spritzt auf das Segeltuch, das über die türkischen Teppiche ausgebreitet worden ist, auf denen die Frau nun schwankt, erneut aufschreit, in die Knie sinkt und dann, mit einem weiteren Aufschrei, stirbt. Für den Fall, dass irgendwer geglaubt haben sollte, sie sei lediglich in Ohnmacht gefallen, ruft sie verzweifelt zwei letzte Worte aus: «Ich sterbe!» Und dann stirbt sie.

Die Uhr hat gerade neun Mal geschlagen.

Der Mörder nimmt die Krone vom Haar der Toten und überreicht sie mit einer übertriebenen Verbeugung der jüngeren Frau. Dann packt er die Hände der toten Frau und zerrt sie mit unnötiger Grobheit außer Sicht. «Ihren Körper lassen wir zurück», sagt er laut und keucht vor Anstrengung, als er die Leiche wegzieht, «hier soll sie bis in alle Ewigkeit vermodern.»

Er verbirgt die Frau hinter einem hohen Wandschirm, der den größten Teil einer Tür im Hintergrund der Bühne verdeckt. Die Stoffbahnen des Wandschirms sind mit verschlungenen rot und weiß blühenden Rosen bestickt, die aus zwei dichtbelaubten Ranken sprießen.

«Die Pest soll dich holen», sagt die tote Frau leise.

«Piss dir auf die Eier», flüstert ihr Mörder und geht zurück vor das Publikum, das vor Entsetzen über den unvermittelten Tod einer solchen dunkelhaarigen Schönheit in schweigende Erstarrung gefallen ist.

Die ältere Frau war ich.

Der Raum, in dem ich gerade gestorben war, ist von unzähligen Kerzen erleuchtet, doch hinter dem Wandschirm ist es stockfinster. Ich schob mich zu der halboffenen Tür und kroch in das Vorzimmer dahinter, wobei ich darauf achtete, die Tür nicht zu berühren, deren Oberkante über den Rosenwandschirm hinweg sichtbar ist.

«Gott steh uns bei, Richard!», sagte Jean leise zu mir. Sie strich über meinen schönen Rock, der mit dem Schafsblut befleckt war. «Was für eine Ferkelei!»

«Lässt es sich auswaschen?», fragte ich und stand auf.

«Vielleicht», sagte sie zweifelnd, «aber so schön wie vorher wird es nicht mehr. Jammerschade ist das.» Jean ist eine brave Frau, eine Witwe und unsere Schneiderin. «Komm, lass mich die Seide einweichen.» Sie ging weg, um einen Krug mit Wasser und ein Tuch zu holen.

Ein Dutzend Männer und Jungen hatten es sich in dem Raum bequem gemacht. Alan Rust saß dicht bei zwei Kerzen und formte mit den Lippen lautlos die Worte nach, die er von einem langen Papierstreifen ablas, während George Bryan und Will Kemp Karten spielten, wobei sie eine unserer Requisitentruhen als Tisch benutzten. Kemp grinste. «Eines Tages steckt er dir das Messer tatsächlich zwischen die Rippen», sagte er, schnitt eine Grimasse und spielte den Sterbenden. «Das würde ihm gefallen. Und mir auch.»

«Dich soll auch die Pest holen», sagte ich.

«Du solltest nett zu ihm sein», sagte Jean, während sie begann, sinnlos auf den Blutflecken herumzutupfen. «Zu deinem Bruder, meine ich», fuhr sie fort. Ich sagte nichts, stand nur da, als sie versuchte, die Seide zu reinigen. Halb hörte ich den Schauspielern in dem großen Saal zu, in dem die Königin auf ihrem Thron saß.

Dies war das fünfte Mal, dass ich für die Königin gespielt hatte; zweimal in Greenwich, zweimal in Richmond und nun in Whitehall, und ständig fragten die Leute, wie sie war, und ich erfand gewöhnlich irgendeine Antwort, denn es war unmöglich, sie zu sehen oder zu beschreiben. Die meisten Kerzen standen an dem Ende des Saales, an dem die Schauspieler auftraten, und Elizabeth, Königin von Gottes Gnaden über England, Frankreich und Irland, saß unter einem üppigen roten Baldachin, der das Licht von ihr abschirmte, doch selbst in diesem Halbdunkel konnte ich ihr Gesicht erkennen, das so weiß war wie eine Möwe, unbewegt, ernst, unter hochaufgetürmtem, rotem Haar und einer silbernen oder goldenen Krone. Sie saß still wie eine Statue, außer, wenn sie lachte. Ihr so weißes Gesicht wirkte missbilligend, und doch war es offenkundig, dass sie die Theaterstücke genoss, und die Höflinge beobachteten sie ebenso wie uns auf der Suche nach Hinweisen danach, ob sie an uns Gefallen finden sollten oder nicht.

Ihr Busen war weiß wie ihr Gesicht, und ich wusste, dass sie Bleiweiß benutzte, eine Paste, um die Haut weiß und glatt zu machen. Sie kleidete sich wie eine junge Frau, verlockte Männer mit einer Andeutung blasser Brüste, doch weiß Gott, sie war alt. Sie sah nicht alt aus, und sie strahlte in kostbaren Stoffen, die mit Juwelen besetzt waren, die das Kerzenlicht einfingen. So alt, so starr, so blass, so königlich. Wir wagten nicht, sie anzusehen, denn ihren Blick aufzufangen würde die Illusion zerstören, die wir ihr boten, doch wenn es mir gelang, sah ich verstohlen zu ihr hin, sah ihr pastenweißes Gesicht über der parfümierten Menge auf den tiefer stehenden Sitzen.

«Vielleicht muss ich neue Seide in den Rock einnähen», sagte Jean, immer noch leise sprechend, und erschauerte, als eine Windböe Regen gegen die hohen Fenster des Vorzimmers trieb. «Scheußliches Wetter, um draußen unterwegs zu sein», sagte sie, «es regnet wie Teufelspisse, wirklich, das tut es.»

«Wie lange dauert es noch, bis dieser Schund zu Ende ist?», fragte Will Kemp.

«Fünfzehn Minuten», sagte Alan, ohne von dem Papier aufzusehen, das er las.

Simon Willoughby kam durch die Tür zum großen Saal. Er spielte die jüngere Frau, meine Rivalin, und er grinste. Er war ein hübscher Knabe, gerade sechzehn Jahre alt. Er warf Jean die Krone hin, dann drehte er sich um sich selbst, sodass sich sein langer, heller Rock aufblähte. «Wir waren gut heute Abend!», sagte er fröhlich.

«Du bist immer gut, Simon», sagte Will Kemp warmherzig.

«Nicht so laut, Simon, nicht so laut», ermahnte ihn Alan mit einem Lächeln.

«Wohin willst du?», wollte Jean von mir wissen. Ich war zu der Tür gegangen, die zum Hof führte.

«Ich muss pissen.»

«Aber lass den Samt nicht nass werden!», zischte sie. «Hier, nimm das!» Sie brachte mir einen schweren Umhang und legte ihn um meine Schultern.

Ich ging in den Hof hinaus, wo der Regen auf die Pflastersteine niederging, und stellte mich in den Schutz einer Holzarkade, die wie ein minderwertiger Kreuzgang um den Hof lief. Ich zitterte. Der Winter stand vor der Tür. Auf der gegenüberliegenden Seite des Hofes befand sich der Bogen eines Tordurchgangs, in dem zwei schwächliche Fackeln flackerten. Etwas Dunkles zuckte in der Ecke der Arkade. Vielleicht eine Ratte oder eine der Katzen, die im Palast lebten. Den Palast soll die Pest holen, dachte ich, und die Pest soll Ihre Majestät holen, für die keine Zeit existiert. Sie legte den Beginn ihrer Theatervorführungen gern auf den Nachmittag, doch der Besuch eines Gesandten hatte diese Vorstellung verzögert, und es würde ein nasser, dunkler und kalter Heimweg werden.

«Ich dachte, du musst pissen.» Simon Willoughby war mir in den Hof gefolgt.

«Ich habe einfach ein bisschen frische Luft gebraucht.»

«Es war warm dort drin», sagte er, dann raffte er seine hübschen Röcke und begann in den Regen zu pinkeln, «aber wir waren gut, oder nicht?» Ich sagte nichts. «Hast du die Königin gesehen?», fragte er. «Sie hat mich angeschaut!» Wieder sagte ich nichts, denn es gab nichts zu sagen. Natürlich hatte ihn die Königin angeschaut! Sie hatte uns alle angeschaut! Sie hatte uns schließlich zu sich befohlen! «Hast du meinen Tanz mit dem großen Kerzenständer gesehen?», fragte Simon.

«Hab ich», sagte ich knapp, dann schlenderte ich von ihm weg, folgte der kreuzgangartigen Arkade um die Ecke des Hofes. Ich wusste, dass er von mir gelobt werden wollte, denn der junge Simon Willoughby war auf Lob aus wie eine Hure auf Silber, doch es konnte nie genügend Komplimente geben, um ihn zu befriedigen. Davon abgesehen war er ein recht vernünftiger Jüngling, ein guter Schauspieler und, mit seinem langen, blonden Haar, hübsch genug, um Männer zum Seufzen zu bringen, wenn er eine junge Frau spielte.

«Es war meine Idee», rief er mir nach, «so zu tun, als wäre der Kerzenständer ein Mann!»

Ich beachtete ihn nicht.

«Das war gut, oder nicht?», fragte er quengelnd.

Ich war jetzt auf der anderen Seite des Hofes, tief in den Schatten. Kein Lichtschimmer der Flammen, die in dem Tordurchgang flackerten, konnte mich erreichen. Zu meiner Rechten war eine Tür, kaum sichtbar, und ich öffnete sie behutsam. Was für ein Raum auch immer hier war, er lag in noch tieferer Dunkelheit. Ich spürte, dass es ein kleiner Raum war, trat aber nicht ein, lauschte nur und hörte nichts in dem böigen Wind und dem unaufhörlichen Plätschern des Regens. Ich hoffte darauf, etwas zum Stehlen zu finden, etwas, das ich verkaufen konnte, etwas Kleines, das sich leicht verstecken ließ. Im Palast von Greenwich hatte ich unter einem Gobelinstuhl einen kleinen Beutel mit Saatperlen gefunden, den jemand verloren haben musste. Ich hatte den kleinen Beutel unter meinen Röcken versteckt und die Perlen an einen Apotheker verkauft, der sie zermahlen zur Heilung von Irrsinn einsetzte, jedenfalls behauptete er das. Er zahlte mir weit weniger, als sie wert waren, weil er wusste, dass sie gestohlen waren, aber ich machte trotzdem an diesem einen Tag mehr Geld als üblicherweise in einem ganzen Monat.

«Richard?» Simon Willoughby rief nach mir. Ich blieb still und rührte mich nicht; ich wusste, dass ich in meinem dunklen Umhang unsichtbar für ihn sein musste. Ich mochte Simon recht gern, doch ich war nicht in der Stimmung, ihm wieder und wieder zu erklären, wie gut er gewesen war.

Dann wurde eine Tür auf der gegenüberliegenden Hofseite geöffnet, sodass ein Streifen Laternenlicht in den regennassen Hof fiel. Zuerst dachte ich, es müsste einer der Schauspieler sein, der uns ausrichten wollte, dass wir gebraucht wurden, doch stattdessen war es ein Mann, den ich nie zuvor gesehen hatte. Er war jung, und er war reich. Die Reichen sind leicht an ihrer Kleidung zu erkennen, und dieser Mann war in ein Schlitzwams aus schimmernder gelber Seide mit blauem Unterstoff gekleidet. Seine Hose war gelb, seine hohen Stiefel braun und glänzend gewichst. Er trug ein Schwert. Sein Hut war blau mit einer langen Feder, und um seinen Hals hing Gold, und noch mehr Gold war an seinem Gürtel, doch was am stärksten auffiel, war sein langes, derart blassblondes Haar, dass es beinahe weiß wirkte. Ich überlegte, ob es eine Perücke war. «Simon?», rief der junge Mann.

Simon antwortete mit einem nervösen Kichern.

«Bist du allein?»

«Ich glaube schon, mein Herr.» Simon hatte mich eine Tür öffnen und schließen hören und musste geglaubt haben, dass ich in den Palast zurückgegangen war. Dann wurde die Tür auf der gegenüberliegenden Hofseite geschlossen, und der Neuankömmling wurde von Schatten verhüllt. Der junge Mann ging auf Simon zu, und die flackernden Fackeln im Tordurchgang warfen gerade genug Licht für mich, um zu erkennen, dass seine Stiefel Absätze wie Frauenschuhe hatten. Er war klein und wollte größer aussehen. «Richard war hier», hörte ich Simon sagen, «aber er ist wieder gegangen. Ich glaube, er ist wieder gegangen.»

Der Mann sagte nichts, drückte Simon nur gegen die Wand und küsste ihn. Ich sah ihn Simons Röcke hochraffen und hielt den Atem an. Die beiden drängten sich aneinander.

Es war nichts Überraschendes an dieser Sache, nur dass Seine Lordschaft, wer immer er auch war, nicht bis zum Ende des Stücks gewartet hatte, um nach Simon Willoughby zu suchen. Jedes Mal, wenn wir in einem der Paläste der Königin gespielt hatten, waren die Lords in den Umkleideraum gekommen, und ich hatte Simon mit dem einen oder anderen von ihnen verschwinden sehen, was erklärte, warum Simon Willoughby stets Geld zu haben schien. Ich hatte keins, und das war der Grund, aus dem ich stehlen musste.

«Oh ja», hörte ich Simon sagen, «Mylord!»

Ich schlich näher heran. Meine Gobelinschuhe machten keine Geräusche auf dem Stein. Der Wind fuhr laut um die Palastdächer, und der ohnehin schon unablässige Regen wurde noch stärker und verschluckte alles, was die beiden sagten. Es fiel eben genügend Licht von den Fackeln in ihren Halterungen herüber, um Simons zurückgebogenen Kopf und seinen offenen Mund zu sehen, und immer noch neugierig, schob ich mich näher heran. «Mylord!», rief Simon mit einem beinahe schmerzerfüllten Klang in der Stimme.

Seine Lordschaft lachte in sich hinein, trat zurück und ließ Simons Röcke fallen. «Meine kleine Hure», sagte er, doch seine Stimme klang nicht unfreundlich. Ich sah, dass er selbst mit seinen Frauenabsätzen nicht größer war als Simon, der einen ganzen Kopf kleiner war als ich. «Ich will dich heute Nacht nicht», sagte Seine Lordschaft, «aber tu deine Pflicht, kleiner Simon, tu deine Pflicht, und du wirst in meinem Haushalt leben.» Er sagte noch mehr, doch das konnte ich nicht hören, weil die Windböen den Regen heftig auf das Dach des Kreuzgangs trieben, dann beugte sich Seine Lordschaft vor, küsste Simon auf die Wange und kehrte in den Umkleideraum zurück.

Ich blieb stehen. Simon lehnte keuchend an der Wand. «Und wer war dieser Zwerg?», fragte ich.

«Richard!» Er klang sowohl ängstlich als auch erschrocken. «Bist du das?»

«Natürlich bin ich es. Wer war Seine Lordschaft?»

«Nur ein Freund», sagte er, dann wurde er davor gerettet, weitere Fragen beantworten zu sollen, weil die Tür des Vorzimmers erneut geöffnet wurde und Will Kemp sich herausbeugte. «Ihr zwei Huren, kommt her!», knurrte er. «Ihr werdet gebraucht! Das Stück ist zu Ende!»

Offenbar sprach mein Bruder den Epilog. Ich wusste, dass er ihn eigens verfasst hatte, um ihn an den Schluss des Stückes anzuhängen wie Bänder an den Schwanz eines Pferdes zum Erntefest, und zweifellos überschüttete er die Königin mit Artigkeiten.

«Kommt!», fauchte Kemp erneut, und wir hasteten wieder hinein.

Wenn wir in unserem Schauspielhaus sind, beenden wir jeden Auftritt mit einem Tanz. Wir tanzen, Will Kemp spielt den Possenreißer, und die Knaben ahmen kreischende Mädchen nach. Will wirft mit Beleidigungen und derben Scherzen um sich, das Publikum grölt, und die Tragödie ist vergessen; doch wenn wir für Ihre Majestät spielen, tanzen wir nicht, und wir reißen auch keine Possen. Wir erzählen keine Witze über Schwänze und Hintern, sondern reihen uns stattdessen wir Bittsteller vorne an der Bühne auf und verbeugen uns respektvoll, um zu zeigen, dass wir, auch wenn wir so getan haben, als wären wir Könige und Königinnen, Herzöge und Herzoginnen und sogar Götter und Göttinnen, unseren bescheidenen Platz kennen. Wir sind nichts als Schauspieler und stehen so weit unter dem Palastpublikum wie Höllengnome unter den strahlenden Engeln des Himmels. Und deshalb erwiesen wir an diesem Abend nur unsere Ehrerbietung, und weil uns die Königin mit einem Nicken Anerkennung gezollt hatte, belohnte uns das Publikum mit Beifall. Ich bin sicher, dass die Hälfte von ihnen das Stück nicht ausstehen konnte, aber sie hörten auf das Stichwort Ihrer Majestät und applaudierten artig. Die Königin starrte uns einfach nur gebieterisch an, ihre knochenbleiche Miene undurchdringlich, und dann erhob sie sich, die Höflinge verfielen in Schweigen, wir verbeugten uns alle erneut, und dann war sie gegangen.

Und unser Spiel war aus.

 

«Wir treffen uns im Theatre», verkündete mein Bruder, als wir schließlich wieder in dem Vorzimmer waren. Er klatschte in die Hände, um alle auf sich aufmerksam zu machen, weil er wusste, dass er schnell sprechen musste, bevor die Lords und Ladys aus dem Publikum in den Raum kamen. «Alle, die eine Rolle in der Komödie und in Hester haben. Sonst muss niemand kommen.»

«Die Musiker auch?», fragte jemand.

«Die Musiker auch, also morgen Vormittag im Theatre, und zwar früh.»

Ein Stöhnen war zu hören. «Wie früh?»

«Schlag neun», sagte mein Bruder.

Noch mehr Stöhnen. «Spielen wir morgen Das Glück des toten Mannes?», fragte einer der angeheuerten Schauspieler.

«Sei kein Schwachkopf», antwortete Will Kemp anstelle meines Bruders, «wie könnten wir das?»

Sowohl seine Direktheit als auch die Schärfe seines Tons waren der Erkrankung Augustine Phillips’, einem der wichtigsten Schauspieler der Truppe, und Christopher Beestons geschuldet, der von Augustine ausgebildet wurde und bei ihm wohnte. Glücklicherweise hatte Augustine keinen Part in dem Stück, das wir gerade aufgeführt hatten, und Christophers Rolle hatte ich lernen und so seinen Platz einnehmen können. In anderen Stücken würden wir die beiden ersetzen müssen, allerdings würde es, wenn der strömende Regen nicht endete, der draußen immer noch niederging, am nächsten Tag keine Aufführung im Theatre geben. Doch dieses Problem war vergessen, sobald die Tür zum Saal geöffnet wurde und ein halbes Dutzend Lords mit ihren parfümierten Ladys eintrat. Mein Bruder verneigte sich tief. Ich sah den jungen, blonden Mann mit dem blau unterfütterten gelben Schlitzwams und war überrascht, als er Simon Willoughby unbeachtet ließ. Er ging einfach an ihm vorbei, und Simon, offenkundig vorgewarnt, tat nichts, als sich zu verbeugen.

Ich wandte den Besuchern den Rücken zu, während ich aus meinen Röcken stieg, das Mieder auszog und in mein schmuddeliges Hemd schlüpfte. Mit einem feuchten Tuch wischte ich mir das Bleiweiß ab, mit dem mein Gesicht und meine Brust hell geschminkt worden waren, Bleiweiß, in das zermahlene Perlen gemischt wurde, damit die Haut im Kerzenlicht schimmerte. Ich hatte mich in die dunkelste Ecke des Raumes zurückgezogen und betete, dass niemand Notiz von mir nehmen würde, und sie taten es nicht. Außerdem betete ich, dass uns ein Schlafplatz irgendwo im Palast angeboten werden würde, vielleicht in einem Stall, doch ein solches Angebot erfolgte nicht, außer für diejenigen, die wie mein Bruder innerhalb der Stadtmauern wohnten und deshalb erst nach Hause konnten, wenn beim Hellwerden die Stadttore geöffnet wurden. Von uns Übrigen wurde erwartet, dass wir gingen, mochte es regnen oder nicht. Es war beinahe Mitternacht, als wir den Palast verließen, und für den Fußweg nördlich um die Stadt herum brauchte ich wenigstens eine Stunde. Es regnete immer noch, auf der Straße herrschte pechschwarze Finsternis, aber ich ging mit drei von den angeheuerten Schauspielern, was als Begleitung ausreichte, um jeden Strauchdieb abzuschrecken, der närrisch genug war, sich bei diesem garstigen Wetter draußen herumzutreiben. Ich musste Agnes aufwecken, die Magd, die in der Küche des Hauses schlief, in dem ich die Mansarde gemietet hatte, aber Agnes war in mich verliebt, das arme Mädchen, und hatte nichts dagegen. «Du solltest in der Küche bleiben», sagte sie verschämt, «hier ist es warm!»

Stattdessen schlich ich hinauf, darauf bedacht, die Witwe Morrison, meine Hauswirtin, nicht zu wecken, der ich zu viel Miete schuldete, und nachdem ich meine tropfnassen Sachen ausgezogen hatte, zitterte ich mich unter der dünnen Decke in den Schlaf.

Am nächsten Morgen erwachte ich müde und verfroren in der klammen Dachkammer. Ich legte ein Wams und eine Kniehose an, stopfte mein Haar unter die Kappe, wischte mir mit einem halbgefrorenen Tuch übers Gesicht, suchte den Abtritt im Hinterhof auf, schluckte einen Krug Dünnbier, griff mir einen harten Brotkanten aus der Küche, versprach der Witwe Morrison die Miete, die ich ihr schuldig war, und dann ging ich hinaus in einen frostigen Morgen. Immerhin regnete es nicht.

Vom Haus der Witwe konnte ich auf zwei Wegen zu unserem Schauspielhaus gehen. Entweder ich wandte mich in der Gasse nach links und ging dann nordwärts die Bishopsgate Street hinauf, aber durch diese Straße drängten sich morgens zumeist Schafe oder Kühe, die in die Schlachthöfe getrieben wurden. Davon abgesehen würden nach dem Regen knöchelhoch Schlamm, Kot und Dreck auf der Straße stehen, also wandte ich mich nach rechts und sprang über den offenen Siel, der an den Finsbury Fields entlang verlief. Beim Aufkommen rutschte ich aus, und mein rechter Fuß glitt zurück in das Wasser, auf dem eine grünliche Schicht schwamm.

«Du erscheinst mit deiner gewohnten Anmut», ertönte spöttisch eine Stimme. Ich hob den Blick und sah meinen Bruder, der ebenfalls beschlossen hatte, durch die Fields zu gehen, statt sich an verängstigtem Vieh in den Straßen vorbeizuzwängen. Er war in Begleitung von John Heminges, einem weiteren Mitglied unserer Truppe.

«Guten Morgen, Bruder», sagte ich, während ich mich aufrichtete.

Diesen Gruß überging er, und er bot mir keine Hilfe an, als ich den schlüpfrigen Hang hinaufkletterte. Nesseln brannten sich in meine rechte Hand, und mein Fluchen brachte ihn zum Lächeln. Es war John Heminges, der vortrat und mir eine helfende Hand entgegenstreckte. Ich dankte ihm und sah meinen Bruder gereizt an. «Du hättest mir helfen können», sagte ich.

«Das hätte ich in der Tat», stimmte er mir kühl zu. Er trug einen dicken Wollumhang und einen dunklen Hut mit einer extravaganten Krempe, die sein Gesicht beschattete. Ich sah ihm kein bisschen ähnlich. Ich bin groß, mit schmalem Gesicht und glatt rasiert, während er ein rundliches, derbes Gesicht hat, mit einem schwächlichen Bart, vollen Lippen und sehr dunklen Augen. Meine Augen sind blau, seine sind geheimniskrämerisch, tiefliegend, und sein Blick ist immerzu misstrauisch. Ich wusste, dass er am liebsten weitergegangen wäre, ohne mich zu beachten, aber mein unvermutetes Erscheinen in dem Graben hatte ihn gezwungen, mich zur Kenntnis zu nehmen und sogar mit mir zu sprechen. «Der junge Simon war exzellent gestern Abend», sagte er mit geheuchelter Begeisterung.

«Das hat er mir auch erzählt», sagte ich, «mehrfach.»

Unwillkürlich lächelte er, auch wenn es nur ein winziges, belustigtes Zucken des Mundwinkels war und sofort unterdrückt wurde. «Der Tanz mit dem Kerzenständer?», fuhr er fort, als hätte er mich nicht gehört. «Das war gut.» Ich wusste, dass er Simon Willoughby lobte, um mich zu ärgern.

«Wo ist Simon überhaupt?», fragte ich. Üblicherweise hätte er bei seinem Lehrherrn John Heminges sein sollen.

«Ich …», begann Heminges, doch dann sah er nur belämmert vor sich hin.

«Er beschmutzt natürlich die Laken in irgendeinem herrschaftlichen Bett», sagte mein Bruder, als läge diese Antwort klar auf der Hand.

«Er hat Freunde in Westminster», sagte John Heminges peinlich berührt. Er ist etwas jünger als mein Bruder, vielleicht neunundzwanzig oder dreißig, spielt auf der Bühne jedoch gewöhnlich ältere Charaktere. Er ist ein gutartiger Mensch, weiß über die Abneigung zwischen meinem Bruder und mir Bescheid und tut sein wirkungsloses Bestes dagegen.

Mein Bruder hob den Blick zum Himmel. «Ich glaube nicht, dass es aufklart. Jedenfalls nicht rechtzeitig. Dann können wir heute Nachmittag nicht auftreten, und das ist Pech», er lächelte mich säuerlich an, «es bedeutet, dass du heute kein Geld bekommst.»

«Aber wir proben doch, oder?», fragte ich.

«Du wirst nicht fürs Proben bezahlt», sagte er, «nur für die Auftritte.»

«Könnten wir nicht Das Glück des toten Mannes zeigen?», warf John Heminges ein, der unser Gezanke beenden wollte.

«Nicht ohne Augustine und Christopher», sagte mein Bruder.

«Vermutlich nicht, nein, natürlich nicht. Zu schade! Es gefällt mir.»

«Es ist ein seltsames Stück», sagte mein Bruder, «auch wenn es seine Stärken hat. Zwei Paare und beide Frauen in andere Männer verliebt! Reichlich Gelegenheit für ein paar Tänzchen!»

«Wir nehmen Tänze in das Stück auf?», fragte John Heminges erstaunt.

«Nein, nein, nein, ich meine Spielraum für Verwicklungen. Zwei Frauen und vier Männer. Zu viele Männer! Zu viele Männer!» Mein Bruder unterbrach sich, um die Windmühlen auf der anderen Seite der Fields zu betrachten. «Und dann ist da noch der Liebestrank! Das bietet Möglichkeiten, aber es ist alles falsch, alles falsch!»

«Warum falsch?»

«Weil die Väter der jungen Frauen den Trank zubereiten. Es sollte die Hexe sein! Was hat eine Hexe für einen Sinn, wenn sie nicht hext?»

«Sie hat einen Zauberspiegel», betonte ich. Das wusste ich, weil ich die Hexe spielte.

«Zauberspiegel», sagte er verächtlich. Er ging mit großen Schritten weiter, vielleicht, um mich abzuhängen. «Zauberspiegel!», wiederholte er. «Das ist ein marktschreierischer Trick. Magie liegt in den …», er hielt inne und beschloss dann, dass das, was immer er auch hatte sagen wollen, an mich vergeudet wäre. «Und es ist nicht entscheidend! Wir können das Stück ohne Augustine und Christopher nicht aufführen.»

«Wie ist es mit dem Verona-Stück?», fragte Heminges.

Wenn ich es gewagt hätte, diese Frage zu stellen, wäre ich ignoriert worden, aber mein Bruder mochte Heminges. Dennoch zögerte er, in meiner Gegenwart zu antworten. «Beinahe fertig», sagte er unbestimmt, «beinahe.» Ich wusste, dass er ein Stück schrieb, das in Verona spielte, einer Stadt in Italien, und dass er gezwungen worden war, die Arbeit daran zu unterbrechen, um sich ein Hochzeitsstück für unseren Gönner Lord Hunsdon einfallen zu lassen. Er hatte über die Unterbrechung gemurrt.

«Gefällt es dir noch?», fragte Heminges, der die Gereiztheit meines Bruders nicht wahrnahm.

«Es würde mir mehr gefallen, wenn ich es beenden könnte», gab er wild zurück, «aber Lord Hunsdon wünscht ein Hochzeitsstück, also zum Teufel mit Verona.» Schweigend setzten wir unseren Weg fort. Zu unserer Rechten, jenseits des mit grünlichem Schaum überzogenen Grabens und einer Backsteinmauer, lag das Curtain, ein Schauspielhaus, das ein Konkurrent von uns gebaut hatte. Eine blaue Flagge wehte an der Stange auf dem hohen Dach. Sie verkündete, dass es an diesem Nachmittag eine Darbietung geben würde. «Wieder mal eine Tierschau», sagte mein Bruder höhnisch. Im Curtain hatte es seit Monaten kein Schauspiel mehr gegeben, und es sah danach aus, als würde es an diesem Nachmittag auch im Theatre keines geben. Wir hatten nichts aufzuführen, solange andere Schauspieler die Rollen Augustines und Christophers nicht gelernt hatten. Wir hätten das Stück aufführen können, das wir der Königin gezeigt hatten, wenn wir es in den letzten Monaten nicht schon zu oft gespielt hätten. Spiel ein Stück zu oft, und das Publikum neigt dazu, es leere Aleflaschen auf die Bühne regnen zu lassen.

Wir erreichten die Holzbrücke, die über den Abwasserkanal und zu einer breiten Lücke in der langen Backsteinmauer führte. Hinter der Lücke war das Theatre, unser Schauspielhaus, eine große Holzrotunde, so hoch wie ein Kirchturm. Es war James Burbages Einfall gewesen, das Schauspielhaus zu erbauen, und ebenfalls sein Einfall, die Brücke zu errichten und die Mauer zu durchbrechen, was bedeutete, dass unsere Gäste nicht die morastige Bishopsgate Street hinaufmussten, um zu uns zu kommen, sondern die Stadt durch das Cripplegate verlassen und über die Finsbury Fields zu uns schlendern konnten. So viel Volk hatte diesen Weg schon gemacht, dass inzwischen ein breiter Schlammpfad quer über das offene Gelände verlief. «Gehört dieser Umhang der Truppe?», fragte mein Bruder, als wir über die Brücke gingen.

«Ja.»

«Pass auf, dass er wieder in den Umkleideraum zurückkommt», sagte er spitz und blieb an der Lücke in der Stadtmauer stehen. Er ließ John Heminges als Ersten durchgehen, und dann, zum ersten Mal, seit wir uns bei dem Graben getroffen hatten, sah er zu mir auf. Er musste aufsehen, weil ich einen ganzen Kopf größer war als er. «Bleibst du bei der Truppe?», fragte er.

«Das kann ich mir nicht leisten», sagte ich. «Ich habe Mietschulden. Du gibst mir nicht genügend Arbeit.»

«Dann hör auf, deine Abende im Falcon zu verbringen», lautete seine Antwort. Ich dachte, er würde nichts weiter sagen, denn er ging weiter, doch nach zwei Schritten drehte er sich wieder zu mir um. «Du bekommst mehr Arbeit», sagte er schroff. «Augustine ist krank, und sein Schauspielschüler hat das Fieber. Wir müssen sie ersetzen.»

«Augustines Rollen wirst du mir nicht geben», sagte ich, «und um Mädchen zu spielen, bin ich zu alt.»

«Du spielst, was wir dich zu spielen heißen. Wir brauchen dich, zumindest über den Winter.»

«Du brauchst mich!», warf ich ihm seine eigene Äußerung an den Kopf. «Dann bezahl mir mehr.»

Er beachtete meine Forderung nicht. «Wir fangen heute mit den Proben zu Hester an», sagte er kühl, «wir arbeiten nur an Augustines und Christophers Szenen. Morgen führen wir Hester auf und am Samstag die Komödie. Ich erwarte, dass du zur Stelle bist.»

Ich zuckte mit den Schultern. In Hester und Ahasuerus spielte ich Uashti, und in der Komödie war ich die Emilia. Ich kannte den gesamten Text. «Du zahlst William Sly doppelt so viel wie mir», sagte ich, «und meine Rolle ist genauso groß wie seine.»

«Vielleicht, weil er doppelt so gut ist wie du? Und davon abgesehen bist du mein Bruder», sagte er, als würde das alles erklären. «Bleib einfach noch über den Winter. Und danach machst du, was du willst. Verlass die Truppe und verhungere, wenn es das ist, wonach dir der Sinn steht.» Er ging weiter zum Schauspielhaus.

Ich spuckte ihm nach. Bruderliebe.

 

George Bryan schritt zur Rampe der Bühne und verbeugte sich so tief, dass er beinahe das Gleichgewicht verlor. «‹Edler Prinz›», sagte er, als er wieder sicheren Stand gefunden hatte, «‹gemäß meiner Verpflichtung werde ich Euch dienen, bis dass mich der Tod zunichtemacht.›»

Isaiah Humble, der Einsager, hüstelte, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. «Verzeihung! Es heißt: ‹Bis mich der Tod zunichtemacht.› Da steht kein ‹dass›. Verzeihung!»

«Mit dem ‹dass› ist es besser», sagte mein Bruder milde.

«Es ist mit oder ohne das ‹dass› ein maßloser Scheiß», sagte Alan Rust, «aber wenn George ‹dass› sagen will, Master Humble, dann sagt er ‹dass›.»

«Verzeihung», sagte Isaiah auf seinem Stuhl im Hintergrund der Bühne.

«Du hattest recht damit, ihn zu korrigieren», tröstete ihn mein Bruder, «das ist deine Aufgabe.»

«Trotzdem Verzeihung.»

George nahm schwungvoll seinen Hut ab und verbeugte sich erneut. «Blablabla», sagte er, «‹bis dass der Tod mich zunichtemacht.›» George Bryan, ein ängstlicher und sorgenvoller Mann, der merkwürdigerweise immer selbstbewusst und entschlossen wirkte, wenn das Schauspielhaus voll war, hatte den kranken Augustine Phillips ersetzt. Die Probe sollte ihn und Simon Willoughby, der Christopher Beestons Part übernommen hatte, in das Stück einbinden.

John Heminges quittierte Georges zweite Verbeugung mit einem trägen Winken. «‹Für eine Spanne Zeit gehn wir, Trost zu suchen, in unseren Obstgarten oder an einen andern Ort.›»

Mit einem gewaltigen Satz sprang Will Kemp auf die Bühne. «‹Wer möchte trinken Wein›», bellte er, «‹doch keine Reben hat, muss nach Frankreich schicken oder selber hin. Und tut er’s nicht, so muss er zusammenschrumpfen!›» Bei dem Wort zusammenschrumpfen ging er mit verschreckter Miene in die Hocke und umschloss mit beiden Händen seine Schamkapsel, was bei Simon Willoughby krampfhaftes Kichern auslöste.

«Gehen wir zu dem Obstgarten?» George unterbrach Will Kemp fragend.

«Zum Obstgarten, ja», sagte Isaiah, «oder zu irgendeinem anderen Ort. Das steht im Text: ‹Obstgarten oder zu irgendeinem andern Ort›.» Er wedelte mit der Manuskriptseite. «Verzeihung, Will.»

«Ich wüsste gern, ob es der Obstgarten ist.»

«Warum?», fragte Alan Rust streitlustig.

«Soll ich mir Bäume vorstellen? Oder einen Ort ohne Bäume?» George wirkte verunsichert. «Es hilft, wenn man es weiß.»

«Stell dir Bäume vor», blaffte Rust. «Apfelbäume. Wo du dem Haudegen begegnest.» Er deutete auf Will Kemp.

«Sind die Äpfel reif?», fragte George.

«Kommt es darauf an?», fragte Rust.

«Wenn sie reif sind», sagte George, der immer noch unsicher wirkte, «könnte ich einen essen.»

«Die Äpfel sind klein», sagte Rust, «nicht ausgereift, genau wie Simons Titten.»

«Stammt diese Geschichte nicht aus der Bibel?», warf John Heminges ein.

«Meine Titten sind nicht klein», sagte Simon Willoughby und drückte seine magere Brust mit den Händen hoch.

«Sie ist aus dem Alten Testament», sagte mein Bruder, «sie findet sich im Buch Esther.»

«Aber in der Bibel kommt niemand vor, der Haudegen genannt wird!», sagte John Heminges.

«Ab jetzt schon, verdammt», sagte Alan Rust. «Können wir weitermachen?»

«Das Buch Esther?», fragte George. «Warum heißt sie dann Hester?»

«Weil Hochwürden William Venables, der diesen Mist geschrieben hat, seinen Arsch nicht von seinem Schrumpfpimmel unterscheiden konnte», sagte Alan Rust energisch. «Und würdet ihr jetzt alle ruhig sein und Will seinen Text aufsagen lassen?»

«Wenn es so schlecht ist», sagte George, «warum führen wir es dann wieder auf?»

«Fällt dir ein anderes Stück ein, das wir bis morgen einstudieren können?»

«Nein.»

«Da hast du dein Warum.»

«Mach weiter, Will», sagte mein Bruder erschöpft.

«Hier ist ein Brett lose», sagte George und tippte mit der Fußspitze vorn auf die Bühne, «deshalb bin ich beinahe hingefallen, als ich mich verbeugt habe.»

«‹Mir fehlen Trank und Speis›», machte Will Kemp vor den leeren Rängen des Theatre geltend, «‹doch, wie sag ich gern, auch ein blindes Huhn findet einmal ein Korn, und nun ist es an mir, befriedigt zu werden.›»

«Befriedigt zu werden!» Simon Willoughby machte sich vor Lachen beinahe in die Hose. Er war vor mir im Theatre angekommen und wirkte erstaunlich lebhaft und ausgeschlafen. «Bist du gestern Abend nicht nach Hause gegangen?», hatte ich ihn gefragt, doch zur Antwort hatte er mich nur angegrinst. «Hat er dich bezahlt?», fragte ich.

«Vielleicht.»

«Kannst du mir was leihen?»

«Ich muss auf die Bühne», hatte er gesagt und sich eilig davongemacht.

«Sollte das nicht heißen ‹Speis und Trank›?», unterbrach nun George wieder die Probe.

«Das ist mein Text», knurrte Will Kemp, «was kümmert dich das also?»

Isaiah spähte in seine Textausgabe. «Nein», sagte er, «Will hat recht, es heißt ‹Trank und Speis›, Verzeihung.»

Ich war müde, also trottete ich aus dem Hof und durch den düsteren Tortunnel, an dem Jeremiah Poll, ein alter Soldat, der in Irland ein Auge verloren hatte, das äußere Tor bewachte.

«Es fängt bald wieder an zu regnen», sagte er, als ich vorbeikam, und ich nickte. Jeremiah sagte das immer, wenn ich an ihm vorbeiging, selbst an den wärmsten, trockensten Tagen. Ich hörte das Klirren und metallische Reiben von Schwertklingen, und als ich in das schwache Sonnenlicht trat, sah ich Richard Burbage und Henry Condell, die sich im Schwertkampf übten. Sie waren schnell, ihre Klingen zuckten herum, zogen sich zurück, kreuzten sich und stießen vor. Henry lachte über etwas, das Richard Burbage gesagt hatte, dann sah er mich, und sein Schwert richtete sich nach oben, während er zurücktrat und mit seiner Dolchhand das Signal zur Unterbrechung der Übung gab. Sie drehten sich beide zu mir um, doch ich gab vor, es nicht zu bemerken, und wandte mich zu der Tür, die zu den Zuschauerrängen führte. Als ich hindurchging, hörte ich sie lachen.

Ich stieg die kurze Treppe zum unteren Rang hinauf, wo ich die Bühne vor mir hatte, auf der sich George immer noch über Äpfel und lose Bretter aufhielt, und dann, während das Schwerterklirren wieder einsetzte, legte ich mich hin. Ich spielte Uashti, eine persische Königin, aber mein Text wurde noch wenigstens eine Stunde lang nicht gebraucht, also machte ich die Augen zu.

Ein Tritt an meine Beine weckte mich, und als ich die Augen öffnete, sah ich James Burbage über mir stehen. «Da sind Percies in deinem Haus», sagte er.

«Was ist dort?», fragte ich, während ich mich aus dem Schlaf kämpfte und aufstand.

«Percies», sagte er, «in deinem Haus. Ich bin gerade vorbeigekommen.»

«Die sind wegen Pater Laurence da», erklärte ich, «die Bastarde.»

«Waren sie denn schon einmal dort?»

«Die Bastarde kommen jeden Monat.»

Pater Laurence wohnte wie ich im Haus der Witwe Morrison. Er war ein ehemaliger Priester, der das Zimmer direkt unter meiner Dachkammer gemietet hatte, wenn ich auch vermutete, dass die Witwe ihn umsonst dort wohnen ließ. Er war über sechzig und halb gelähmt vor Gliederschmerzen, besaß jedoch immer noch einen wachen Geist. Er war ein römisch-katholischer Priester, was in den meisten Fällen Grund genug war, um jemanden nach Tyburn oder zum Tower Hill zu schaffen, wo man ihm bei lebendigem Leibe die Eingeweide herausriss, doch Pater Laurence war ein marianischer Pfarrer, was bedeutete, dass er während der Regentschaft der Halbschwester unserer Königin, der katholischen Königin Mary, ordiniert worden war, und solche Männer durften am Leben bleiben, solange sie keinen Ärger machten. Pater Laurence machte keinen Ärger, aber die Persevanten, das waren die Männer, die verräterische Katholiken jagten, durchsuchten ständig sein Zimmer, als würde der arme alte Mann einen Jesuiten hinter seinem Nachtstuhl verstecken. Sie fanden nie etwas, weil mein Bruder die Messgewänder und Altarkelche Pater Laurences zwischen den Kostümen und Requisiten des Theatre verborgen hatte.

«Sie werden nichts finden», sagte ich, «wie immer.» Ich schaute zur Bühne hinunter. «Werde ich gebraucht?»

«Das ist der Tanz der Jüdin», sagte James Burbage, «also nein.»

Auf der Bühne paradierten Simon Willoughby, Billy Rowley, Alexander Cooke und Tom Belte in einer Reihe, angeführt von einem Mann, der einen Stab mit einem Silberknauf in der Hand hielt und sie damit auf die Beine oder Arme schlug. «Höher!», rief er. «Ihr seid hier, um eure Beine zu zeigen. Springt, ihr abgehalfterten Krabbelkinder, springt!»

«Wer ist das?», fragte ich.

«Ralph Perkins. Freund von mir. Er unterrichtet Tanz bei Hofe.»

«Bei Hofe?» Ich war beeindruckt.

«Die Königin sieht es gern, wenn gut getanzt wird. Genau wie ich.»

«Eins, zwei, drei, vier, fünf, springt!», rief Ralph Perkins. «Das ist eine Galliarde, ihr Lumpenbengel, kein Bauerntrampeltanz. Springt!»

«Verdammtes Pech, das mit Augustine und seinem Schüler», brummte James Burbage.

«Werden sie wieder gesund?»

«Wer weiß? Sie haben Brechmittel, Aderlass und Einläufe bekommen. Vielleicht hilft es. Ich bete darum.» Er runzelte die Stirn. «Simon Willoughby hat Beschäftigung, bis sich Christopher erholt hat.»

«Das wird ihm gefallen», sagte ich säuerlich.

«Und dir nicht?»

Ich zuckte wortlos mit den Schultern. Ich fürchtete James Burbage. Er pachtete das Theatre, was ihn zum Herrn über das Gebäude, wenn nicht auch über das Grundstück, machte, auf dem es stand, und sein ältester Sohn, der Richard hieß wie ich selbst, war einer unserer wichtigsten Schauspieler. James war einst selbst Schauspieler gewesen und davor Zimmermann, und er besaß immer noch die muskulöse Statur eines Mannes, der mit den Händen arbeitet. Er war groß, grauhaarig, und seine Miene mit dem kurzen Bart war unnachgiebig, und auch wenn er selbst nicht mehr auftrat, so war er doch ein Teilhaber, einer der acht Männer, die sich die Ausgaben und die Gewinne des Theatre teilten. «Er verhandelt hart», hatte mir mein Bruder, der ebenfalls Teilhaber war, einmal erzählt, «aber er hält sich an sein Wort. Er ist ein guter Mann.» Nun blickte James stirnrunzelnd zur Bühne, während er mit mir sprach. «Denkst du immer noch ans Weggehen?»

Ich sagte nichts.

«Henry Lanman», sagte Burbage ausdruckslos, «hat der Bastard mit dir geredet?»

«Nein.»

«Versucht er, dich abzuwerben?»

«Nein», sagte ich erneut.

«Aber hat dein Bruder recht? Er sagt, du denkst daran, von uns wegzugehen. Stimmt das?»

«Ich habe darüber nachgedacht», sagte ich mürrisch.

«Sei kein Narr, Junge. Und lass dich nicht von Lanman verführen. Er verliert Geld.» Henry Lanman war der Besitzer des Curtain-Schauspielhauses, das nur einen kurzen Fußweg südlich von uns lag. Während unserer Aufführungen konnten wir das dortige Publikum jubeln hören, den Schlag ihrer Trommeln und den Klang ihrer Trompeten, auch wenn diese Geräusche in letzter Zeit seltener geworden waren. «Er zeigt dieser Tage Schwertkämpfe», fuhr Burbage fort, «Schwertkämpfe und Bärenhatz. Was sollst du also bei ihm? In einem Kleid herumlamentieren und hübsch aussehen?»

«Ich habe nicht mit ihm gesprochen», beharrte ich wahrheitsgemäß.

«Dann hast du wenigstens noch einen Funken Verstand übrig. Er hat keinen Stückeschreiber und niemanden, der sie spielt.»

«Ich habe nicht mit ihm gesprochen!», wiederholte ich gereizt.

«Denkst du, Philip Henslowe wird dich anheuern?»

«Nein!»

«Er hat mehr als genug Schauspieler.» Henslowe besaß das Rose-Schauspielhaus südlich der Themse, und er war unser größter Rivale.

«Dann ist es Francis Langley», sprach James Burbage unerbittlich weiter. «Hat er mit dir geredet?»

«Nein.»

«Er baut diesen monströsen Klops von einem Schauspielhaus auf der Bankside, und er hat keine Schauspieler, und Stücke hat er auch keine. Rivalen und Feinde», die letzten drei Worte klangen bitter.

«Feinde?»

«Lanman und Langley? Lanman hasst uns. Der Grundstücksbesitzer hier hasst uns. Die verfluchten Stadtväter hassen uns. Der Oberbürgermeister hasst uns. Hasst du uns auch?»

«Nein.»

«Trotzdem denkst du daran, wegzugehen?»

«Ich verdiene kein Geld», murmelte ich. «Ich bin arm.»

«Natürlich bist du arm! Wie alt bist du? Zwanzig? Einundzwanzig?»

«Einundzwanzig.»

«Glaubst du, ich hätte Geld gehabt, als ich angefangen habe?», fragte Burbage angriffslustig. «Ich habe mir meine Ausbildung erarbeitet, mein Junge, ich habe mir mein Geld verdient, Geld gespart, Geld geliehen, die Pacht hier bezahlt, das Schauspielhaus gebaut! Ich habe gearbeitet, mein Junge!»

Ich schaute in den Hof hinaus. «Ihr wart Schreiner, oder?»

«Und ein guter», sagte er stolz, «aber ich hatte kein Geld, als ich anfing. Alles, was ich hatte, waren meine beiden Hände und der Wille zu arbeiten. Ich habe gelernt, zu sägen und zu stemmen und zu bohren und zu schnitzen. Ich habe ein Handwerk gelernt. Ich habe gearbeitet.»

«Und das hier ist das einzige Handwerk, das ich beherrsche», sagte ich verbittert. Ich nickte zu meinem Bruder hin. «Dafür hat er gesorgt, stimmt das etwa nicht? Aber in einem Jahr oder so werdet ihr mich hinauswerfen. Dann gibt es keine Rollen mehr für mich.»

«Das weißt du nicht», sagte er, aber es klang nicht überzeugend. «Welche Rollen willst du denn?»

Ich wollte gerade antworten, als Burbage die Hand hob, damit ich schwieg. Ich drehte mich um und sah, dass eine Gruppe Fremder im Hof des Schauspielhauses stand, von wo aus sie die tanzenden Jungen auf der Bühne anstarrten. Vier waren grimmig aussehende Männer mit Schwertern an der Seite und trugen Lord Hunsdons Livree mit der weißen Rose. Die Männer wachten breitbeinig und herausfordernd über vier Frauen. Eine der Frauen war älter, unter ihrer Haube lugte weißes Haar hervor. Sie bedeutete den Männern zu bleiben, wo sie waren, und ging hocherhobenen Hauptes und selbstsicher zur Bühne. Als mein Bruder sie sah, verbeugte er sich tief. «Mylady!», grüßte er sie überrascht.

«Wir haben einen Gutshof bei Finsbury inspiziert», erklärte Ihre Ladyschaft kurz angebunden, «und meine Enkelin wünschte, Euer Schauspielhaus zu sehen.»

«Ihr seid höchst willkommen», sagte mein Bruder. Auf der Bühne hatten sich alle die Kappen vom Kopf gerissen und waren auf ein Knie gegangen.

«Hört mit der Speichelleckerei auf», sagte Ihre Ladyschaft spitz, «habt Ihr gerade getanzt?»

«Ja, Eure Ladyschaft», antwortete Ralph Perkins.

«Dann tanzt weiter», sagte sie herrisch, bevor sie meinen Bruder zu sich winkte. «Auf ein Wort, wenn es recht ist.»

Ich wusste, dass sie Lady Anne Hunsdon war, die Frau des Lord Chamberlains, des Oberhofkämmerers. Er war der Förderer unserer Truppe. Einige Adelige zeigten ihren Reichtum, indem sie ständig ein Gefolge feingekleideter Bediensteter im Schlepptau hatten, oder durch den Besitz der schnellsten Hirschhunde im Königreich oder mit verschwenderischen Palästen und weitläufigen Parkanlagen, während andere, wenige andere, die Schauspielertruppen förderten. Wir waren Lord Hunsdons Schoßtiere, wir spielten zu seinem Vergnügen und machten Männchen, wenn er geruhte, uns zur Kenntnis zu nehmen. Und wenn wir durchs Land reisten, was wir jedes Mal taten, wenn die Londoner Schauspielhäuser aufgrund einer Seuche geschlossen wurden, schützte uns der Name und das Wappen des Lord Chamberlains vor den elenden puritanischen Stadtvätern, die uns einsperren, oder noch besser, aus der Stadt peitschen lassen wollten. «Komm, Elizabeth», befahl Lady Hunsdon, und ihre Enkelin, für deren Hochzeit mein Bruder gezwungen worden war, sein italienisches Stück hintanzustellen und etwas Neues zu schreiben, trat zu ihrer Großmutter und meinem Bruder. Die beiden Dienstmägde warteten mit den Bewachern, und es war eine dieser beiden Mägde, deren Blick ich auffing und die mir den Atem stocken ließ.

Lady Anne Hunsdon und ihre Enkelin waren prächtig aufgeputzt. Elizabeth Carey glänzte in einem Reifrock aus zartgelbem, geschlitztem Leinen, unter dem der silberfarbene Futterstoff aufschimmerte. Ihr Mieder konnte ich nicht sehen, weil sie ein kurzes, hellgraues Cape trug, das mit den weißen Rosen bestickt war, die das Wappenzeichen ihres Vaters und ihres Großvaters bildeten. Ihr Haar war hellblond und nur mit einem Netz aus vergoldeten Silberfäden bedeckt, auf dem kleine Perlen schimmerten. Ihre Haut war weiß, wie es der Mode entsprach, aber sie brauchte kein Bleiweiß dafür, denn ihr Gesicht war makellos, sie hatte nicht einmal den Anflug von Röte auf den Wangen. Ihre lächelnden, geschminkten Lippen waren voll, und ihre blauen Augen strahlten, als sie mit offenkundigem Entzücken die vier Knaben betrachtete, die wieder begonnen hatten, nach Ralph Perkins’ Anweisungen zu tanzen. Elizabeth Carey war eine Schönheit, doch ich starrte nur ihr Dienstmädchen an, eine kleine, schlanke Erscheinung, deren Augen funkelten, so sehr begeisterte sie das Geschehen auf der Bühne. Sie trug einen Rock und ein Mieder aus dunkelgrauem Wolltuch und eine schwarze Bundhaube auf ihrem hellbraunen Haar, aber da war etwas in ihrer Miene, ein Zug um die Lippen im Zusammenspiel mit ihrer Gesichtsform, mit dem sie die strahlende Elizabeth in den Schatten stellte. Sie drehte sich, sah sich in dem Schauspielhaus um und fing meinen Blick auf, und da war die Andeutung eines mutwilligen Lächelns, bevor sie sich wieder zur Bühne umwandte. «Lieber Herr Jesus», murmelte ich, wenn glücklicherweise auch so leise, dass meine Worte nicht bis zu den Frauen drangen.

James Burbage lachte in sich hinein. Ich reagierte nicht darauf.

Elizabeth Carey klatschte mit behandschuhten Händen Beifall, als der Tanz zu Ende war. Mein Bruder sprach mit ihrer Großmutter, die über etwas lachte, was er gesagt hatte. Ich starrte die Magd an. «Die gefällt dir wohl», sagte James Burbage bissig. Er dachte, ich würde Elizabeth Carey ansehen.

«Euch nicht?»

«Sie ist ein ziemlicher Leckerbissen», räumte er ein, «aber hör gefälligst auf, sie anzustarren. In ein paar Monaten ist sie verheiratet. Mit einem Berkeley», fuhr er fort, «Thomas. Er hat das Recht, dieses Feld zu beackern, du nicht.»

«Was tut sie hier?», fragte ich.

«Woher zum Teufel soll ich das wissen?»

«Vielleicht will sie das Stück sehen, das mein Bruder geschrieben hat», mutmaßte ich.

«Er wird es ihr nicht zeigen.»

«Habt Ihr es gesehen?»

Er nickte. «Warum interessiert dich das? Ich dachte, du wirst uns verlassen.»

«Ich habe gehofft, dass es darin eine Rolle für mich gibt», lautete meine schwache Behauptung.

James Burbage lachte. «Es gibt eine Rolle für jeden! Es ist ein langes Stück. Es muss lang sein, weil wir für Seine Lordschaft etwas Besonderes auf die Beine stellen müssen. Lang und neu. Man tischt für die Enkelin des Lord Chamberlains kein aufgewärmtes Essen auf, man serviert ihr etwas Frisches. Etwas Seichtes.»

«Seicht?»

«Es ist eine Hochzeit, keine verdammte Beerdigung. Sie wollen Gesang, Tanz und Liebespaare im Mondenschein.»

Ich schaute auf die andere Seite des Hofes. Mein Bruder sprach gestikulierend, beinahe, als würde er eine Rede auf der Bühne halten. Lady Anne Hunsdon und ihre Enkelin lachten, und das Dienstmädchen sah sich immer noch mit großen Augen im Theatre um.

«Wenn wir ein Stück zu ihrer Hochzeit aufführen», sprach Burbage weiter, «müssen wir es natürlich dort einstudieren, wo wir es spielen werden.»

«Somerset House?» Ich wusste, wo Lord Hunsdon wohnte.

«Das verdammte Dach vom großen Saal ist eingestürzt», sagte Burbage belustigt, «also werden wir wahrscheinlich in ihrem Haus in Blackfriars proben.»

«Wo ich eine Frau spielen werde», haderte ich.

Er drehte sich stirnrunzelnd zu mir um. «Liegt es daran? Hast du es satt, Röcke zu tragen?»

«Ich bin zu alt dafür! Ich habe den Stimmbruch hinter mir!»

Burbage umfasste mit einer Geste das ganze Rund des Schauspielhauses. «Sieh es dir an, Junge! Holzbalken, Verputz und Kulissen. Aber wir verwandeln es ins Alte Rom, in Persien, in Ephesus, und die Leute auf den Stehplätzen glauben es. Sie reißen die Augen auf. Sie schnappen nach Luft! Weißt du, was mir dein Bruder erzählt hat?» Er hatte mich am Wams gepackt und dicht zu sich gezogen. «Sie sehen nicht, was sie sehen, sie sehen, was sie zu sehen glauben.» Er ließ mich los und grinste schief. «Solche Sachen sagt er, dein Bruder, aber ich verstehe, was er meint. Wenn du spielst, glauben sie, eine Frau zu sehen! Vielleicht kannst du kein junges Mädchen mehr spielen, aber als Frau in den besten Jahren bist du gut!»

«Ich habe eine Männerstimme», sagte ich verdrießlich.

«Aye, und du rasierst dich, und du hast einen Schwanz, aber wenn du leise sprichst, finden sie es großartig!»

«Aber wie lange noch?», wollte ich wissen. «In einem Monat oder so sagt Ihr, ich tauge nur noch für Männerrollen, und dafür haben wir genügend Schauspieler.»

«Willst du den Helden spielen?», spottete er.

Darauf sagte ich nichts. Sein Sohn Richard, der mit Henry Condell die Schwerter gekreuzt hatte, spielte in all unseren Stücken die Heldenrolle, und man kam leicht in Versuchung zu denken, er würde die besten Rollen nur bekommen, weil sein Vater das Pachtrecht über das Schauspielhaus innehatte, ebenso, wie man leicht in Versuchung kam zu denken, er wäre nur aufgrund seines Vaters zum Teilhaber geworden, doch die Wahrheit lautete, dass er gut war. Die Leute liebten ihn. Sie kamen über die Finsbury Fields, um Richard Burbage die Jungfrau gewinnen, die Bösewichte besiegen und für Ordnung auf der Welt sorgen zu sehen. Richard war nur drei oder vier Jahre älter als ich, was bedeutete, dass ich keine Aussicht darauf hatte, auf der Bühne eine Jungfrau zu gewinnen oder das Publikum mit meiner Schwertkunst zu blenden. Und ein paar von den Schauspielschülern, den Knaben, die in diesem Moment auf der Bühne herumhüpften, wurden größer und würden bald meine Rollen spielen können, und das würde dem Schauspielhaus Geld sparen, denn die Schauspielschüler wurden mit nur wenigen Pennys entlohnt. Ich bekam zumindest ein paar Schillinge wöchentlich, nur, wie lange noch?

Die Sonne glitzerte in den Pfützen auf dem kopfsteingepflasterten Hof. Elizabeth Carey und ihre Großmutter rafften die Röcke und gingen zur Bühne, und die Jungen dort hörten auf zu tanzen, nahmen die Kappen ab und verbeugten sich, alle bis auf Simon, der stattdessen einen weitausholenden Hofknicks machte. Lady Anne sagte etwas zu ihnen, und sie lachten, dann drehte sie sich um und ging mit ihrer Enkelin an der Seite Richtung Ausgang. Elizabeth redete lebhaft. Ich sah, dass ihr Haar an der Stirn gezupft war, um den Haaransatz einen modischen Zoll weiter oben beginnen zu lassen. «Elfen», hörte ich sie sagen. «Ich liebe Elfen!»

Weil die Ladys dicht vor dem Zuschauerrang vorbeigehen mussten, auf dem James Burbage und ich uns unterhielten, hatten wir die Mützen abgenommen, und mir fiel das lange Haar ums Gesicht. Ich strich es zurück. «Wir werden unseren Kaplan bitten müssen, das Haus zu exorzieren», plauderte Elizabeth Carey angeregt weiter, «falls sich die Elfen zum Bleiben entschließen!»

«Besser ein Elfenschwarm als die Ratten in Blackfriars», sagte Lady Anne knapp, dann sah sie mich und blieb stehen. «Du warst gut gestern Abend», sagte sie unvermittelt.

«Mylady», sagte ich und verbeugte mich.

«Ein guter Tod gefällt mir immer.»

«Es war aufregend», fügte Elizabeth Carey hinzu. Ihr fröhliches Gesicht begann zu strahlen. «Als du gestorben bist», sagte sie, ließ ihre Röcke los und faltete die Hände vor der Brust, «hatte ich nicht damit gerechnet, und ich war so …», sie zögerte einen Moment lang auf der Suche nach dem richtigen Wort, «getroffen.»

«Ich danke Euch, Mylady», sagte ich pflichtbewusst.

«Und jetzt ist es so seltsam, dich in einem Wams zu sehen!», rief sie aus.

«Zur Kutsche, meine Liebe», unterbrach sie ihre Großmutter.

«Du musst die Elfenkönigin spielen», befahl mir Elizabeth Carey mit gespieltem Ernst.

Die Magd riss die Augen auf. Sie starrte mich an, und ich starrte zurück. Sie hatte graue Augen. Ich glaubte erneut, die Andeutung eines Lächelns, einen Hauch Mutwillen, in ihrem Gesicht zu sehen. Machte sie sich über mich lustig, weil ich eine Frau spielen würde? Dann wurde mir bewusst, dass ich womöglich Elizabeth Carey beleidigte, wenn ich nicht auf sie achtete, und ich verbeugte mich ein zweites Mal. «Eure Ladyschaft», sagte ich, weil ich sonst nichts zu sagen hatte.

«Komm, Elizabeth», befahl Lady Anne. «Und du auch, Silvia», fügte sie scharf in Richtung der grauäugigen Magd hinzu, die mich immer noch ansah.

Silvia! Das war der schönste Name, den ich jemals gehört hatte.

James Burbage lachte. Als die Frauen und ihre Leibwache gegangen waren, setzte er sich die Mütze wieder auf sein kurzgeschnittenes graues Haar. «Getroffen», sagte er. «Getroffen! Madame hat Witz.»

«Wir spielen ein Stück über Elfen?», fragte ich empört.

«Elfen und Narren», sagte er, «und es ist noch nicht ganz fertig.» Er hielt inne und kratzte sich den kurzen Bart. «Aber mag sein, dass du recht hast, Richard.»

«Recht?»

«Mag sein, dass es an der Zeit ist, dir Männerrollen zu geben. Du bist großgewachsen! Das ist für Rollen wie Uashti unwichtig, weil sie eine Königin ist. Aber körperliche Größe passt besser zu Männerrollen.» Er blickte stirnrunzelnd zur Bühne. «Simon ist eigentlich nicht groß genug, nicht wahr? Kommt ja kaum bis zu einem Zwergenarschloch rauf. Und deine Stimme wird mit den Jahren noch tiefer, und du spielst gut.» Er stieg den Rang zum äußeren Umgang hinauf. «Du spielst gut. Also, wenn wir dir eine Männerrolle in dem Hochzeitsstück geben, bleibst du dann über den Winter?»

Ich zögerte, dann dachte ich daran, dass James Burbage ein Mann war, der zu seinem Wort stand. Ein unnachgiebiger Mann, sagte mein Bruder, aber ein redlicher. «Ist das ein Versprechen, Mister Burbage?», fragte ich.

«Soweit ich es versprechen kann, ja, das ist es.» Er spuckte in seine Handfläche und streckte sie mir entgegen. «Ich tue mein Bestes, um dafür zu sorgen, dass du in dem Hochzeitsstück einen Mann spielst. Das ist mein Versprechen.»

Ich schlug ein. «Danke», sagte ich.

«Aber im Moment bist du die verdammte persische Königin, also rauf auf die Bühne und benimm dich königinnenlich.»

Ich ging auf die Bühne und benahm mich königinnenlich.

ZWEI

Samstag.