Nebelgeister - K. Müller - E-Book

Nebelgeister E-Book

K. Müller

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Beschreibung

Geister, die Bäume bewohnen; ein Füller, der von allein Klassenarbeiten schreibt; ein Vampir, der in einem Sarg angespült wird; Sterbende, die Visionen haben; Ein Vorhang, der einen Mord beobachtet - hier lässt es sich vergnüglich gruseln!

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Seitenzahl: 89

Veröffentlichungsjahr: 2014

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K. Müller

Nebelgeister

Kurzgeschichten

 

 

 

Dieses eBook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Mais

Halte dich an mir fest

Der Bahnhof

Sie und Er

Konstantin

Das Kreuz im Fenster

Die Leiche im Treibsarg I

Die Leiche im Treibsarg II (Der Weihnachtsvampir)

Zwei Geschenke

Timos Füller

Baumgeister

Der Vorhang

Impressum

Mais

Im Labor von Professor Hallmaker türmten sich ganze Maispflanzen mit und ohne Wurzeln, einzelne Kolben verschiedener Farben, vollgekritzelte Schmierzettel. Ein heftiger Windstoß drohte alles durcheinander zu wirbeln, als die Tür geöffnet wurde. Sofort stürzte sich der Professor auf die oberste Lage der flatternden Papiere und schrie ohne auch nur aufzusehen: „Raus hier!“

„Sorry!“, sagte John während er die Tür gemächlich ins Schloss fallen ließ. Er grinste. „Warum benutzen Sie nicht endlich den PC für ihre Aufzeichnungen?“

„Muss ich Ihnen zum siebzehnten Mal erklären“, erwiderte der Professor indem er den jungen Mann einen winzigen Moment aus dem Augenwinkel betrachtete, „dass ich bereits mehrfach alle Daten verloren habe, die das Gerät hätte speichern sollen?“

John warf einen Blick auf Science, Hallmakers Hund, der vollkommen reglos in seinem Körbchen lag. Es war das erste Mal, dass er John keine Beachtung schenkte. Verwundert und erleichtert zugleich dachte John: ‚hat er das Mistvieh endlich erzogen‘. Dennoch schlug er einen empörten Ton an. „Professor!“, sagte er. „Meine Leute in der IT-Abteilung haben das Problem längst im Griff! Mir sind seit mindestens zwei Monaten keine Systemabstürzte mehr zu Ohren gekommen!“ Er schob ein paar neben dem Mikroskop liegende Ordner zur Seite und setzte sich auf die frei gewordene Lücke.

„Mir egal“, brummte der Professor. „In diesen Unterlagen ist mein Wissen gut genug aufgehoben.“ Er richtete sich auf, tippte auf einen Stapel eng beschriebener Blätter und sah John an. „Solange es nicht durch unbedachtes Türwedeln sabotiert wird. UndIhre Leute haben keine Ahnung von meiner Arbeit!“

John winkte ab. „Brauchen sie auch nicht. Dafür verstehen sie viel von Logik, Arithmetik und Simplifizierung. Sie sollten ihnen ruhig vertrauen.“

Der Professor schürzte die Lippen und zögerte einen Moment, bevor er sagte: „Wozu? Ich habe es ohne sie geschafft! Ganz ohne das Ärgernis, immer wieder von vorn beginnen zu müssen!“ Stolz lächelnd ergriff er einen Maiskolben. „Hier drin steckt es!“ Voller Güte und Nachsicht streichelte er den Kolben, als wäre er das Cellulite durchwirkte Bein einer Frau. „Kein Computer auf der Welt kann leisten, was dieser kleine Kerl zu tun vermag.“

John erhob sich und ging auf den Professor zu, um den Kolben ebenfalls zu berühren. „Da drin?“, fragte er.

Sofort trat der Professor einen Schritt zurück. „Jawohl!“, sagte er und ließ den Kolben in der Seitentasche seines Laborkittels verschwinden. Als sei das Gespräch damit beendet, wandte er sich um und begann Pflanzenwurzeln abzuzählen.

Er kam bis fünf, dann überlegte John laut: „Hm, und wie funktioniert ihre Entdeckung?“ Lautlos schnappte er sich einen der anderen Maiskolben und versuchte vergeblich, etwas Besonderes an ihm auszumachen. Schließlich biss er einfach hinein. ‚Gar nicht mal übel‘, fand er. ‚Erstaunlich zart und süß. Als wäre er zubereitet‘.

Der Professor zählte weitere fünf Pflanzenwurzeln ab, ehe er antwortete: „Ganz einfach. Ich habe ein paar Sequenzen der Gene mit denen eines Säugetieres ausgetauscht. Genau gesagt, mit denen meines Hundes.“ Er deutete mit der Schulter auf Science. „Und nun kann, wer von der Pflanze nascht“, er kicherte kurz, „fühlen, was sie fühlt.“ Er wandte sich wieder John zu. „Natürlich ist das Verfahren noch nicht ausgereift. So besteht das Problem…“ Er brach ab und starrte auf den angenagten Maiskolben in Johns Hand. „Sie haben doch nicht etwa…“

„Der ist wirklich gut“, meinte John und biss noch einmal zu. „Damit wird die Firma viel Geld verdienen.“

Für einen Moment schien der Professor in sich zusammen zu sinken, doch dann fasste er sich wieder. Er straffte seinen Rücken. „Es besteht das Problem, dass die Pflanze verdaut wird, was zunächst zu heftigem Schmerzempfinden führt und später zu einer gewissen inneren Leere.“ Er unterbrach sich. „Im Hirn, Sie verstehen.“

Beide sahen gleichzeitig zu Science hinüber. „Wieviel hat er davon gefressen?“, fragte John, während er weiter kaute.

Der Professor räusperte sich. „Ähem. Ein Korn.“

Johns Augen weiteten sich. „Und wann?“

„Nun“, der Professor sah auf die Wanduhr über der Tür. „Vor etwa drei Stunden.“

„Wie lange hält denn dieser Zustand an?“

„Tja, das ist ja das Problem. Das Verhalten der Pflanze scheint das des Tieres zu überlagern und ich kann mir zurzeit nicht vorstellen“, seine Stimme wurde immer leiser, „dass sich daran noch einmal etwas ändert.“

Halte dich an mir fest

Na komm schon, ich bin randvoll. Sieh her! Hm, ich werfe mal einen dicken Lichtstrahl auf den Jackpot. 5.000 Euro - komm schon, das kannst du nicht ignorieren. Also stell‘ das Bier ab oder nimm es mit, der Platz vor mir ist gerade frei. Ein Stuhl steht bereit.

Hm, hm, vielleicht wecke ich deine Aufmerksamkeit mit einer kleinen Melodie? Hör nur, wie fröhlich ich klinge! Und genauso fröhlich wirst du sein, wenn du –

Wusste ich es doch, da bist du ja endlich! Willkommen beim Goldseeker. Ein hübsches Hemd trägst du heute. Schwarz ist in. Ich mag die legere Art, in der du die oberen Knöpfe unbeachtet lässt. Allerdings könnte deine blasse Haut mal etwas Sonne vertragen, was meinst du? Einmal den Hauptgewinn abräumen und dann ein Trip nach Las Vegas? In die Sonne und zu den richtigen Gewinnen. Heute hast du einen Lauf, ich fühle es und du fühlst es!

Komm schon, ich mach dir ein Angebot: zu Anfang bekommst du drei Spiele zum Preis von zweien. Worauf wartest du noch? Nur ein Euro Einsatz, da brauchst du doch nicht zu überlegen! Wirklich nicht. Ja, genau, sieh in dein Portemonnaie. Meine Güte, wie dick es ist. Kipp den Inhalt doch einfach in die Schale unterhalb des Rückgabeschachtes. Genau. Na dann kann es ja losgehen.

Warum hältst du denn die Luft an? Sei ganz ruhig, was kann dir passieren? Heute ist dein Tag! Drück den Startknopf. Gut machst du das!

Nun bin ich am Zug: ich werfe meine Schwungräder an und – zack – schon drehen sich die drei Rollen mit den Symbolen für fünf verschiedene Metalle. Wow, ist das ein Gefühl! Herrlich, diese Geschwindigkeit. Alles kribbelt, kannst du es spüren? Juhu! Ich stand schon so lange still, dass ich ganz betrunken werde von den Drehungen.

Nein! Warte doch noch ein Weilchen, bevor du die grüne Taste drückst! Ich –

Okay, du bist der Boss. Dann stoppe ich eben die erste Rolle. Ich lasse sie langsam austrudeln. Was schätzt du, wo die Rolle wohl stehen bleibt? Beim Stahlrohr? Der Bronzeschnalle? Dem Silberlöffel?

Nein, dies ist unser erstes Spiel heute, da gebe ich immer Starthilfe. Zu Anfang darf ich das. Also besser: beim Goldnugget.

Siehst du? Ich wusste doch, dass du es heute schaffen kannst. Wenn die beiden anderen Rolen auch das Nugget zeigen, bist du reich! Ein bisschen zumindest. Überleg nur mal, was du mit dem vielen Geld machen kannst, falls du nicht nach Las Vegas fliegst: Ein schicker Fernseher wäre nicht übel. Zwei-Meter-Diagonale und mit allem Schnickschnack. 3D und so. Und eine neue Couch gleich dazu. Alles in Anthrazit. Passend zu deinem Hemd, sozusagen. Dann kannst du auch mal wieder eine Frau mitbringen, das wünschst du dir doch schon so lange!

Entschuldige, aber ich sitze hier fest und kann nicht weghören, wenn du dich unterhältst. Das muss dich nicht stören. Außerdem will ich dir helfen. Überleg nur mal weiter: hm, vielleicht Inge, die gibt dir schließlich immer einen Kaffee aus, wenn sie Thekendienst hat. Oder Michael, den Besserwisser, der dauernd versucht, dich zu bremsen. Denk nur an letzte Woche, als er dich daran gehindert hat, läppische fünf Euro auf Gladbach zu setzen. Der würde Augen machen, wenn er den Fernseher und die bequeme Couch sieht! Ja, das würde sich gutanfühlen, glaubst du nicht? Überleg mal.

Nun genieß das Spiel doch! Warum hast du es denn so eilig? Die Geschäfte haben schon geschlossen, heute kannst du deinen Gewinn ohnehin nicht mehr unter die Leute bringen. Aber wie du willst, ich halte die mittlere Rolle an. Und zwar beim Silberlöffel, ach nein – nicht zu fassen! Beim Goldnugget! Und das war echter Zufall, du Glückspilz! Nun bist du nur noch ein Symbol vom Hauptgewinn entfernt. Vom Fernseher, der Couch, Las Vegas. Huh.

Jetzt kann ich verstehen, dass du tief durchatmest, denn jetzt heißt es, die letzte Rolle im richtigen Moment zu stoppen. Na, das wirst du schon schaffen! Du bist ja ganz nah dran. Also rauf mit dem Finger auf die grüne Taste. Worauf wartest du denn nun schon wieder? Es rotiert doch nur noch diese eine Rolle. Nun komm! So macht das keinen Spaß. Das wird langweilig. Drück endlich!

Aaah, danke. Wollen mal sehen, ob du den richtigen Moment erwischst hast. Das Quecksilberthermometer rauscht vorbei, das Stahlrohr und die Bronzeschnalle auch. Die Rolle rotiert beständig langsamer. Beim Silberlöffel hält sie auch nicht, also beim Goldnugget? Setz dich doch wieder. Und lass meine Seitenwände los bevor du die Zierleisten abbrichst. Du hast lange nicht geblinzelt, tun dir die Augen nicht weh? Du weißt, wie besorgt ich um dich bin. Vertrau auf mich.

Die Rolle steht schon fast. Das Goldnugget blitzt auf. Und verschwindet.

Na hör mal, deswegen brauchst du dich doch nicht wegzudrehen! Kopf hoch! Das war gerade mal das erste Spiel und das zweite ist ja bereits bezahlt. Der Startknopf leuchtet. Sieh hin, er leuchtet!

Autsch! Das war gemein. Es besteht kein Grund, mir die Faust in den Leib zu rammen. Ich kann doch nichts dafür, dass du verloren hast. Du hast die dritte Rolle angehalten. Im falschen Moment eben. Dass du das Spiel verloren hast, lag an dir und nicht an mir – du hast einfach den Bruchteil einer Sekunde zu spät gedrückt! Ich spiele dir trotzdem die Schlussfanfare.

Diesmal machst du es besser, das weißt du. Ja richtig, trink erstmal einen Schluck, das wird dich beruhigen. Außerdem krallst du deine Finger dann nicht in meine Seite. Auf geht’s. Die Rollen drehen sich bereits. Wunderbar, ich liebe das. Zehn Sekunden, neun. Einen winzigen Augenblick noch. Gleich lasse ich die Stopptaste aufblinken. Zwei Sekunden, eine. Da!

Och, so schnell? Wie schade. Hm. Jedenfalls hast du es dir selbst zuzuschreiben, dass die erste Rolle diesmal bei der Silbermedaille stehen bleibt. Du hättest warten müssen. Pass auf deine Nerven auf!

Aber so schlimm ist das ja auch nicht, denn für drei Silbermedaillen erwarten dich immerhin 50 Euro. Und das ist doch auch was! Kein Grund, die Augen zu verdrehen.

Und auch kein Grund, dermaßen auf die Stopptaste zu starren. Und nein - nicht schon wieder die Faust! Verdammt, schlag nicht so hart zu!