Nichts gegen blasen - Jacinta Nandi - E-Book

Nichts gegen blasen E-Book

Jacinta Nandi

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Beschreibung

"Das Problem beim Blasen ist immer: Macht man es richtig, wird man geil und will ficken. Und nur zu blasen, ist langweilig. Macht man es normal, ist es nur langweilig. Deswegen übe ich dabei das Einmaleins im Kopf, manchmal liste ich alle britischen Könige seit 1066 auf oder stelle mir vor, dass jemand ein Gedicht von Sylvia Plath auf den Bauch tätowiert hat." Eine verrückte Familie in England und Chaos in Berlin: Jacinta hat einen transsexuellen ehemaligen Stiefvater, eine behinderte Mutter, einen kleinen Sohn. Vor ihrem Exmann flüchtete sie ins Frauenhaus, und gerade hat sie ihr geliebter Freund verlassen. Seither sammelt Jacinta Ficktermine mit schönen Penissen. Darunter ist der effiziente deutsche Mann, der gleichzeitig mit dem Fuß die Tür zuschiebt und mit der Hand die Kondompackung aufreißt − so unromantisch, dass es schon fast wieder romantisch ist. Sie beschreibt den ungeschönten Alltag alleinerziehender Frauen, die Tapferkeit bleicher dünner Teenie-Mütter und die selbstzufriedenen Sozialarbeiterinnen im Frauenhaus. Was für ein wunderschön beschissenes Leben. Explizit und authentisch, mit Tempo und Pointe.

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Das Buch

Genau vor einem Jahr habe ich meinem Ex Peter auf einer Hochzeit in der Toilette einen geblasen. Auf Knien, mit viel Augenkontakt. Es war der romantischste Blowjob meines Lebens. Als ich fertig war, machte ich Peter einen Antrag, woraufhin er sich von mir trennte. »Ich habe mir nie eine Zukunft mit dir vorgestellt«, sagte er, »ich habe es einfach weiterlaufen lassen, jeden Tag.« Manchmal denke ich, diesen Blowjob werde ich für den Rest meines Lebens bereuen.

Ein Jahr ist es her, dass Peter mit Jacinta Schluss gemacht hat. Ein Jahr, in dem sie viel geheult, böse SMS geschrieben und noch mehr Wein getrunken hat. Ihr ehemaliger Stiefvater hat sich zur Frau umoperieren lassen, ihre Mutter erhielt die Diagnose Multiple Sklerose, ihr Sohn Lenny hat vielleicht mehr um den Verlust von Peter getrauert als sie selbst. Aber in dem Jahr hat Jacinta auch jede Menge Liebhaber getroffen – Männer und Frauen –, ihren G-Punkt gefunden, sich ein lustiges und feministisches, aber auch nicht zu lustiges und feministisches Profil bei OkCupid angelegt, alte Freundschaften wiederentdeckt und das Leben gefeiert, in all seinen verfickt schönen Facetten.

Die Autorin

Jacinta Nandi wurde 1980 in Ost-London geboren und kam mit zwanzig nach Berlin. Sie schreibt für die taz den Blog »Riotmama« sowie als Amok-Mama eine Kolumne für das englischsprachige Stadtmagazin Exberliner. Jacinta Nandi ist Mitglied der Lesebühnen Rakete 2000 und Die Surfpoeten.

JACINTA NANDI

nichts gegen blasen

ullstein extra

Die folgenden Textteile sind in veränderter Form bereits in anderen Medien erschienen:

Im Kapitel »REPARATUR«: Ein Teil ist in der taz in der Kolumne »Die gute Ausländerin« veröffentlicht worden.Im Kapitel »REPARATUR«: Teile dieser Geschichte sind im Exot Magazin erschienen.Im Kapitel »VOLL IN ORDNUNG«: Eine etwas andere Version dieser Geschichte ist in Neues Deutschland veröffentlicht worden.Im Kapitel »ZEN«: Diese Geschichte ist als zwei Kolumnen in »Die gute Ausländerin« in der taz erschienen.

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Wir wählen unsere Bücher sorgfältig aus, lektorieren sie gründlich mit Autoren und Übersetzern und produzieren sie in bester Qualität.

ISBN: 978-3-8437-1123-4

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2015Umschlaggestaltung: sauper smile, MünchenUmschlagmotiv: © Billie Segal

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

E-Book: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin

JAHRESTAG

Ich habe einen ganz schlimmen Pilz und sitze traurig in meiner Küche und google Diäten, die ihn abtöten sollen, weil ich zu faul bin, um zur Apotheke zu laufen. Diese Zäpfchen funktionieren sowieso nicht immer. Wenn Männer einen Pilz bekämen, wären die Medikamente viel wirksamer. Die Wissenschaftler würden dafür kämpfen, wenn sie selbst davon betroffen wären.

Mein Fuck-Buddy ruft an.

»Hast du gerade Lenny bei dir?«, fragt er.

»Nicht wirklich«, sage ich.

»Kann ich vorbeikommen.«

»Ach nein. Ich hab einen Pilz.«

»Kein Problem. Also für mich ist das kein Problem.«

»Dein Penis ist zu dick. Es tut schon ein bisschen weh, selbst wenn ich keinen Pilz habe. Meine Pilz-Vagina ist zu empfindlich für deinen dicken Penis.«

Er legt auf. Wir haben eine voll tolle Ebene, denke ich. Meine beste Freundin Lizzy schreibt mir auf Facebook, sie will vorbeikommen. Eigentlich muss ich arbeiten, aber ich sage ihr, sie soll kommen. Sie bringt voll teuren Wein mit, ich weiß, dass er teuer ist, weil das Etikett so geil aussieht, die Grundfarbe so hübsch ist und die Buchstaben geschmackvoll und stilvoll sind und so. Ich bin gut darin, teuren Wein zu erkennen. Das ist alles eine Frage des Etiketts. Lizzy ist eine hübsche, dünne Frau, mit dunkelblonden Locken, Riesenaugen und Riesenbrüsten. Sie ist so hübsch, dass sogar deutsche Männer sie in der U-Bahn ansprechen. Sie fragen nach ihrer Telefonnummer und so. Und die Türken und Araber auf den Straßen Neuköllns machen ihr fast jeden Tag einen Heiratsantrag.

»Warum kaufst du in letzter Zeit immer so teuren Wein?«, frage ich sie.

»Weil ich jetzt einen geilen Job habe.«

»Ach so.«

»Denkst du, dass ich jetzt sparen sollte?«, fragt Lizzy.

»Worauf?«

»Auf ein Haus.«

»Auf ein Haus? Warum? Nein«, sage ich. »Höchstens auf einen Urlaub. Mach mal den Wein auf. Ach, ich weiß nicht. Wir sind so alt geworden, Lizzy. Mir ist endlich klar geworden, dass ich nie wieder heiraten werde. Ich werde nie wieder heiraten. Wir werden nie reiche Männer heiraten. Vielleicht solltest du doch auf ein Haus sparen. Aber das ist so anstrengend, oder? Langweilig und anstrengend. Es gibt so viele schöne Sachen, die man kaufen kann. Weißt du was? Heute ist der Jahrestag meiner Trennung von Peter.«

Genau heute vor einem Jahr waren mein Ex Peter und ich auf einer Hochzeit in England. Er war Trauzeuge und voll nervös, und nach seiner Rede habe ich ihm in der Toilette einen geblasen. Auf Knien, mit viel Augenkontakt. Sehr intensivem Augenkontakt. Ich bin manchmal sehr romantisch, besonders auf Hochzeiten, ich werde von der Romantik infiziert. Die ganze Zeit über dachte ich: Wenn du fertig bist, macht er dir sofort einen Antrag. Es war der romantischste Blowjob meines Lebens. Aber dann, als ich fertig war, machte er keinen Antrag, also übernahm ich diese Aufgabe für ihn, woraufhin er mein Angebot ablehnte und ich weinte. Dann machte er mit mir Schluss. »Ich habe mir nie eine Zukunft mit dir vorgestellt«, sagte er, »ich habe es einfach weiterlaufen lassen, jeden Tag.« Ich weiß diese Worte auswendig, aber ich kann mich nicht an sie erinnern. Ich kann mich nicht daran erinnern, wie er mir das sagte, sondern nur daran, wie ich nachher meinen Freunden davon erzählt habe. Das ist wie mit der ersten Erinnerung oder als ob diese Worte Teil meiner Knochen, vielleicht sogar meiner DNA geworden wären.

Manchmal denke ich, dass ich diesen Blowjob für den Rest meines Lebens bereuen werde.

»Wahnsinn!«, meint Lizzy. »Ich habe immer gedacht, nach einem Jahr hättest du viel mehr Fortschritte gemacht als jetzt, also einen neuen Mann oder so, ich weiß nicht, warum, aber ich habe immer gedacht, bis dahin bist du total drüber weg.«

»Ich bin mehr oder weniger drüber weg«, sage ich trotzig.

»Aber du bist nicht bereit, dich in einen Mann zu verlieben, oder, Jacinta? Du willst dich doch gar nicht in einen anderen Mann verlieben. Dass es vorbei ist, weißt du erst, wenn du bereit bist, dich wieder zu verlieben.«

Ich gucke Lizzy an und schüttele den Kopf. »Die Liebe gibt es nicht, Lizzy. Das ist doch nur Ablenkung. Eigentlich sind wir hier auf der Erde, um Kunst zu machen oder Rassismus und Sexismus abzuschaffen. Wir haben keine Zeit für die Liebe. Das, was wir Liebe nennen, ist nur eine Ausrede, ein Vorwand dafür, nicht das zu tun, was wir tun sollten, das heißt, Kunst produzieren und Rassismus und Sexismus abschaffen.«

»Ach so. Bist du dir da ganz sicher, Jacinta?«

»Ja, man kämpft für die Liebe, weil man Angst hat, dass man nicht gut genug ist, um für etwas Ordentliches zu kämpfen. Aus Feigheit. Ist doch lächerlich.«

»Ach so. Irgendwie schade.«

»Ja.«

»Wollen wir Bridget Jones angucken?«, fragt Lizzy.

»Lass uns lieber alle Heiratsantragszenen aus allen Jane Austen-Verfilmungen angucken, die es je gegeben hat.«

»Oh ja«, ruft sie. »Manchmal hast du so gute Ideen.«

Wir gucken zuerst die BBC-Verfilmung von Stolz und Vorurteil aus den 90er Jahren. Gott, ist Mr Darcy fickbar in diesem Film. Ich würde mich so sehr freuen, wenn Frauen Pornos drehen würden. Dann würde es lauter Jane Austen-Verfilmungen geben, mit komplizierten Handlungen, geilen Kleidern, hinterfotzigen Schwestern oder Schwägerinnen. Es gäbe eine Hochzeit und dann würde ordentlich gefickt. Das wäre echt voll geil. Dafür würde es sich zu kämpfen lohnen.

FICKTERMINEPLANUNG

Das Schlimmste an Trennungen ist, wie engherzig man wird. Man schreit sich an wegen Küchentischen und Reclam-Heften, bis der Hals weh tut. Kurz nachdem Peter weg war, habe ich ernsthaft überlegt, über die Zitty einen Afrikaner zu bestellen, der vorbeikommt und irgendwelche männlichen Sachen in der Wohnung macht: Löcher in die Wände bohren zum Beispiel, irgendetwas Männliches eben. Nur damit mein Freund – ich meine: mein Exfreund, das Arschloch, wenn er vorbeikommen sollte, um seine Sachen zu packen, abzuholen und so weiter –, nur damit er sehen würde, dass ich in der Zwischenzeit männlichen Besuch hatte, echten männlichen Besuch von einem echt männlichen, handwerklich begabten Mann, nicht nur einen Ficktermin, sondern Besuch von einem männlichen, bohrbereiten Mann. Letztendlich habe ich es nicht getan, aber ich habe in der Zitty schon nach Afrikanern geguckt.

Nach dieser Hochzeit in England zurück in Berlin – schon am Flughafen – rief ich eine meiner besten deutschen Freundinnen, Martha, an und sagte ihr, ich wolle Selbstmord begehen, könne aber nicht, wegen des Scheißkinds.

Wenn du Selbstmord begehen willst, es aber nicht kannst, wegen des Scheißkinds, gibt es kaum andere Optionen. Das ist das Problem daran. Außer sehr laut weinen. Also habe ich meine Freundin Martha angerufen und sehr laut geweint.

Danach dachte sie, sie müsse auf mich aufpassen, und rief mich ständig an.

»Komm zum Karneval der Kulturen!«, sagte sie.

»Nein.«

»Du musst zum Karneval kommen!«

»Ich will nicht. Karneval ist so stressig.«

»Aber letztes Jahr warst du da! Wir haben uns dort gesehen!«

»Ja, ich war aber mit Lenny da. Ich kann da nur mit dem Kind hingehen, sonst kotze ich vor Stress mit den ganzen Leuten und so.«

»Aber mit einem Kind ist es noch stressiger als ohne! Komm doch mit!«

»Mit einem Kind ist das Leben immer total stressig, man merkt nicht, ob man beim Karneval der Kulturen ist oder nicht. Aber ich bin nicht bescheuert, ich gehe nicht ohne ein Kind zum Scheißkarneval der Scheißkulturen.«

»Das macht total Spaß und ist voll multikulti und so«, sagte Martha.

»Ich will nicht.«

»Du kannst doch nicht den ganzen Tag allein zu Hause rumhocken.«

»Ich will nicht.«

»Du musst.«

»Schau mal, ich will wirklich nicht. Und außerdem habe ich einen Ficktermin«, sagte ich.

Martha war 36 Sekunden lang still. Ich weiß das, weil ich mitgezählt habe. Dann sagte sie: »Es ist. Viel. Zu früh. Du solltest zum Karneval kommen.«

»Ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen, als wegen des Scheißkarnevals der Kulturen einen Ficktermin abzusagen. Ich finde es okay, dass dicke, blasse deutsche Hausfrauen sich Saris anziehen und Maracas schütteln. Schön sieht das nicht aus, aber ich würde es nicht verbieten. Ich will ihnen nur nicht dabei zugucken.«

»Jacinta«, sagte Martha, »hör auf mich. Du weißt gerade nicht, was du tust. Du machst einen Riesenfehler. Hör auf mich. Ich muss dir was Wichtiges sagen.«

»Ich höre«, antwortete ich.

Martha sagte, langsam und deutlich: »Sex. Hat. Sich. Geändert.«

»Was?«, fragte ich.

»Wann hast du das letzte Mal außerhalb einer Beziehung jemanden gefickt?«

Ich durchsuchte mein Hirn nach meinem letzten Ficktermin, bevor ich mit meinem Freund – ich meine, mit meinem Exfreund, dem Wichser – zusammengekommen war. Das bisschen Fremdficken sollte ich jetzt nicht erwähnen, dachte ich.

»2006. Oder vielleicht Januar 2007. Oder Februar. Aber lange her.«

Martha wiederholte: »Sex. Hat. Sich. Geändert.«

»Echt?«

»Echt.«

»Wie denn?«

Martha atmete tief aus, dann sagte sie: »Sex ist voll porno jetzt. 2006, 2007 hatte das noch nicht angefangen. Aber jetzt ist Sex voll porno. Die Erwartungen der Männer gegenüber den Frauen, mit denen sie ficken, sind deutlich gestiegen. Die Erwartungen sind jetzt unglaublich hoch. Die Leistungen, die erwartet werden, haben sich geändert.«

»Echt?«

»Jacinta, du bist wie eine Sekretärin, die Anfang der 80er Kinder gekriegt hat. Jetzt sind die frühen 90er und deine Kinder gehen in die Highschool, und du willst zurück in die Arbeitswelt. Aber diese Welt hat sich verändert. Die Spielregeln sind neu. In deiner Abwesenheit hat eine Computerrevolution stattgefunden. Die Fähigkeiten, die du in deiner Ausbildung erworben hast, sind nicht mehr relevant. Verstehst du, was ich meine?«

»Nein«, sagte ich. »Sag mir konkret, was sich geändert hat.«

Martha atmete wieder tief aus, dann sagte sie: »Analverkehr zum Beispiel.«

»Was, Analverkehr?«

»Analverkehr ist kein Extra mehr, das ist jetzt Standard.«

»Was?«

»Yep, Jacinta, Analverkehr ist jetzt Teil des Standardprogramms.«

»Nee.«

»Außerdem musst du jetzt viel, viel, viel deepthroaten.«

»Echt?«

»Ja, inzwischen sind Deep-throat-Blowjobs auch Standardprogramm.«

»Echt jetzt?«

»Auf jeden Fall. Und du solltest viel auf seinen Penis spucken«, sagte Martha.

»Ich sollte viel auf seinen Penis spucken«, wiederholte ich.

»Ja, das ist Etikette, das gilt jetzt als höflich.«

»Etikette?«

»Das wird jetzt halt erwartet.«

»Kommt mir ein bisschen unhöflich vor, auf seinen Penis zu spucken.«

»Ich sage dir was, Jacinta«, erklärte sie, »du denkst, du machst was Tolles und Befreiendes und oh, jetzt bin ich Single, jetzt ficke ich rum wie Carrie aus Sex and the fucking City, oh, ich bin so post-feministisch und befreit … aber ich sage dir, du hast keine Ahnung, was sich im Sexbereich getan hat, während du in einer Beziehung warst. Die Erwartungen sind dermaßen gestiegen. Sex ist jetzt Leistungssport.«

»Schlimmer als Karneval der Kulturen kann es nicht sein«, sagte ich. »Manche der dicken, blassen deutschen Hausfrauen, die Maracas schütteln, haben rosa Pickel auf dem Rücken.«

»Was ist mit deiner Muschi? Hast du deine Muschi komplett rasiert?«, fragte Martha. »Komplett rasiert? Und wenn ich sage komplett, meine ich total komplett. Total haarfrei solltest du sein.«

»Na ja, schon«, sagte ich.

»Hast du schon?«, fragte sie.

»Ja«, sagte ich.

»Und dein Poloch?«, fragte sie. »Hast du dein Poloch gewaxt?«

Ich sagte nichts. Ich wiederholte die Worte im Kopf. Dann fragte ich: »Habe ich was?«

»Hast du dein Popoloch gewaxt? Wenn du dein Popoloch nicht waxt, wird er nach eurem Ficktermin seinen gesamten Freundeskreis anrufen und allen erzählen, dass du ein haariges Arschloch hast.«

»Ich soll das Arschloch waxen?«

»Ich hab’s dir doch gesagt. Es ist zu früh. Komm mit zum Karneval.«

Ich sagte langsam, deutlich, vorsichtig: »Martha. Ich finde es okay, dass Frauen Männern mehr gefallen wollen, als die Männer uns gefallen wollen. Ich finde das wirklich okay. Es ist traurig, aber ich akzeptiere es. So ist es halt. Wir wollen denen gefallen und gefallen ihnen nicht, und dann tun wir Sachen, um ihnen zu gefallen, aber es funktioniert meistens nicht, weil die Arschlöcher lieber Snooker spielen oder so. Ich bin nicht die Art Feministin, die das nicht akzeptiert. Das akzeptiere ich. Ich akzeptiere, dass wir den Männern mehr gefallen wollen als sie uns. Aber, aber, aber ich kann doch nicht, ich kann doch nicht … ich kann doch nicht die Innenbereiche meines Körpers enthaaren.«

»Wenn du nicht vorhast, dir das Arschloch zu waxen, kannst du auch nicht erwarten, dass er es ausleckt.«

»Dass ich das erwarte, habe ich nie behauptet. Oder?«

»Gut.«

Vielleicht sollte ich wirklich zum Karneval gehen, dachte ich mir. Ich sollte mir einen Afrikaner schnappen und ihn zwingen, in alle Wände meiner Wohnung lauter männliche Löcher zu bohren. Oder vielleicht sollte ich lernen, wie man eine Bohrmaschine benutzt. Aber diesen Gedanken lösche ich sehr schnell aus meinem Gehirn, noch schneller eigentlich als den Plan, mein Arschloch zu waxen.

Ja, das Schlimmste an einer Trennung ist also, wie engherzig man wird, wie kleinlich, wie berechnend. Ich habe vorher nie gedacht, dass ich rechnen kann, jetzt verrechnete ich mein Leben und all die Blowjobs, die ich gegeben hatte, mit dem Deutsch-Latein-Wörterbuch und Hemingways Kurzgeschichtensammlung, die Peter in der Wohnung vergessen hatte. Jetzt plötzlich verstand ich, warum Männer Frauen Schmuck kaufen sollten – das hatte ich vorher nie verstanden –, aber jetzt verstand ich das, es war eine Art Versicherung. Nachdem die Arschlöcher dich verlassen haben, bringst du diesen Schmuck zum Laden, und mit dem Geld, was du dafür bekommst, betäubst du den Schmerz ein bisschen.

Aber es ist nicht alles schlimm an Trennungen.

Die Wahrheit ist, wenn ich ehrlich bin: Ein bisschen gefiel mir die Freiheit auch, die ein gebrochenes Herz mit sich bringt. Normalerweise bin ich eine Frau, die immer darüber nachdenkt, was sie tun darf und was nicht. Jetzt war es mir egal. Ich wollte sterben, und alles was ich tat, um nicht sterben zu müssen, war erlaubt. Ich durfte in der Küche rauchen und Beyoncés Single Ladies tausendmal auf YouTube abspielen, tagsüber Disney-Filme gucken und Wein trinken und mich mit Fastfremden bei Facebook zum Ficken verabreden.

Ich meine, es ist nicht so, dass ich normalerweise keine Disney-Filme gucke oder Wein trinke. Ich mache es. Aber nicht tagsüber. Wenn ich es tagsüber mache, kriege ich normalerweise ein schlechtes Gewissen – eigentlich bin ich voll der Tageslicht-Nazi – oh, zehn Uhr früh und ich gucke schon Disney, ich bin so unintellektuell, oh, zehn Uhr früh, und ich trinke Wein, hoffentlich werde ich nicht Alkoholikerin, oh, zehn Uhr früh, und ich habe schon einen Ficktermin verabredet, ich bin eine Schlampe – voll schlechtes Gewissen –, aber mit einem gebrochenen Herz darf man alles, immer: aufstehen, Kaffee machen, Zähne putzen und dann, los geht’s, Disney an, Wein auf, Schwanz rein. Mir doch scheißegal.

Ein paar Tage nach unserem Telefonat kam Martha nachmittags bei mir vorbei. Eigentlich ist sie nur mit mir befreundet, um Englisch zu üben. Sie spricht fast nie Deutsch mit mir, es ist total nervig. Würde sie Deutsch mit mir sprechen, dann müsste ich unsere Gespräche nicht übersetzen, wenn ich darüber schreibe. Aber egal.

»Hast du heute schon eine ganze Flasche Wein getrunken?«, fragte sie mich, vorwurfsvoll.

»Nein!«, rief ich, total beleidigt. »Denkst du, dass ich eine Alkoholikerin bin oder so was?«

»Gut«, sagte sie.

»Ich habe drei Viertel davon getrunken. Mein Ficktermin hatte auch ein Glas.«

Ich habe Peters und meinen gemeinsamen Freunden natürlich nie erzählt, dass ich fremdgegangen bin, deswegen hielt sie jetzt meine Hände in ihren und fragte leise: »Ist es sehr traurig für dich, wieder Sex ohne Emotionen zu haben?«

Die Wahrheit ist, dass ich nicht weiß, wovon die Menschen reden, wenn sie über Sex ohne Emotionen sprechen. Wenn Sex geil ist, dann sind da immer Emotionen, Glück zum Beispiel, und wenn es scheiße ist, dann ist es halt scheiße. Ich bin mir nicht sicher, ob ich weiß, was Sex mit Emotionen ist, und wie er sich von normalem Sex unterscheidet. Aber ich denke, sie meinte eigentlich nur ficken außerhalb einer Beziehung. Deshalb guckte ich sie einfach an und sagte: »Geht so. Willst du ein Glas Wein? Ich habe Chardonnay da.«

Wir tranken Chardonnay und rauchten in der Küche.

Ich sagte: »Übrigens weiß ich nicht, ob ich das überleben werde.«

Martha sagte: »Natürlich wirst du das überleben. Du bist so stark und unabhängig und selbstbewusst und toll! Du bist Beyoncé! Du bist voll Beyoncé! Du bist noch stärker und unabhängiger und selbstbewusster als Beyoncé! Du bist eine Feministin!«

»Ja.«

Sie sagte: »Du bist meine feministischste Freundin aller Zeiten.«

Zuerst war ich ein bisschen skeptisch, aber dann dachte ich an die meisten ihrer anderen Freundinnen, die wirklich echt so’ne Barbie-Zombie-Tussi-Frauen sind, und konnte es mir doch ganz gut vorstellen.

Ich seufzte. »Eigentlich meine ich das gar nicht so ernst mit dem Feminismus«, gab ich zu. »Ich tue nur so, weil ich mal in der Cosmo gelesen habe, dass Männer feministische Frauen in echt viel attraktiver finden. Wollen wir The Lion King gucken?«

»Hast du nicht Cap & Capper?«, fragte sie.

»Cap & Capper habe ich vorgestern angeguckt. Aber ich habe Lady and the Tramp da.«

»Oooh ja«, rief Martha. »Okay. Denkst du, dass der Wein ausreichen wird?«

»Auf jeden Fall«, sagte ich. Ich machte Lady and the Tramp an. Und solange der Film lief und Wein in meinen Körper floss, spürte ich den Schmerz nicht.

HEIMWEH

»Wie geht’s dir?«, fragt mich mein Kumpel Jens, als wir zusammen im Keller sitzen. Ich mag Keller. Na ja, ich meine damit nicht so echte, Fritzl-mäßige Keller – obwohl ich manchmal schon denke, wenn ein Mann dich wirklich liebt, wird er dich tatsächlich für immer in einen Keller einsperren und dir ab und zu ein paar Vitamin-D-Tabletten bringen. Aber ich meine nur Kneipen, die im Keller sind. Die mag ich voll gerne.

Ich werfe ihm einen fast wütenden Blick zu.

»Warum fragst du das?«, frage ich.

»Ich habe bemerkt, dass du mich jede Woche als Erstes fragst, wie es mir geht. Und ich wollte mal derjenige sein, der das fragt. Ist das nicht nett von mir? Und: Wie geht es dir?«

»Frag mich das nie wieder!«, sage ich.

»Nee?«

»Mein Freund hat mich verlassen«, sage ich.

Jens sieht total geschockt aus.

»Er hat was getan?«

»Er ist ausgezogen.«

»Ausgezogen? Aber warum? Hat er rausgefunden, dass du fremdgegangen bist?«

»Nein.«

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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