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Ja, ich bin nordlandsüchtig! Wer selbst schon einmal in Schweden, Norwegen, Finnland oder gar auf Island war, vielleicht sogar den Polarkreis mit den eigenen Füßen überquert hat, der weiß, wovon ich rede! Die überwältigenden Bilder, Eindrücke und Erinnerungen haben sich tief in Kopf und Herz eingegraben. Sie überdauern in uns sogar den Wahnsinn des Alltags, den wir täglich in einer modernen Welt erleben müssen. Auf einem alten Weg justieren sie uns neu, indem wir selbst zu uns zurück finden und uns von einem entseelten, leeren Dasein einer fremdbestimmten Zeit befreien. Ich lade dich ein, mit uns den geheimnisvollen Spuren dieses Weges zu folgen, das Abenteuer Nordland selbst zu erleben. Wenn du es wagen willst, nehme ich dich mit in eine unwirkliche Welt aus einer vergessenen Zeit, auf eine Reise in die besinnliche Seen- und Schärenlandschaft Schwedens, zu den Fjorden, Gletschern und in das Gebirge Norwegens, in die borealen Wälder und die endlosen Weiten Finnlands, zu der sturmumtobten Brandung der Färöer Inseln und nach Ultima Thule - dem Ende der Welt aus Feuer und Eis! Die von Lebenslust erzählenden Geschichten werden dich vielleicht zum Schmunzeln bringen, dich hoffentlich ganz oft an die Freude am einfachen Leben erinnern, dich manchmal auch zum Nachdenken anregen, dir ganz sicher aber auch Ideen und ganz praktische Hilfen für deine eigene Reiseplanung in den Norden geben. Deine Koffer sind in Gedanken hoffentlich schon gepackt, denn nun erwartet dich ein großes Reiseabenteuer oder eben auch der lange und aufregende Weg zu dir selbst!
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Seitenzahl: 362
Veröffentlichungsjahr: 2019
Sven Starekad
Nordland Der Weg zu dir selbst
Reiseaventüren eines Querdenkers. Eine Revolte gegen die Moderne.
Impressum
Copyright 2019
Sven Starekad: „Nordland. Der Weg zu dir selbst. Reiseaventüren eines Querdenkers. Eine Revolte gegen die Moderne.“
Band 1: Schweden
Illustrationen: Magalie Ahumada
Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44,
22359 Hamburg
ISBN 978-3-7497-0257-2 (Paperback)
ISBN 978-3-7497-0258-9 (Hardcover)
ISBN 978-3-7497-0259-6 (ebook)
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Bibliografische Information der Deutschen
Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Band 1
Schweden Geheimnisvolles Königreich der Seen, Wälder und Schären
Band 2
Finnland
Stolzes Reich der 100 000 Seen, Wälder und Weiten
Band 3
Norwegen
Sagenreiches Wikingerland zwischen Fjorden, Fjells und Faszination
Band 4
Die Färöer
Unentdeckte, sturmgepeitschte Inseln im Atlantik
Band 5
Island
Das Ende der Welt aus Feuer und Eis
Prolog
Ja, ich gestehe! Ich bin nordlandsüchtig! Wer selbst schon einmal in Schweden, Norwegen, Finnland oder gar auf Island war, vielleicht sogar den Polarkreis mit den eigenen Füßen überquert hat, der weiß, wovon ich rede! Ein Gefühl, das dich irgendwann packt und dich dann ein Leben lang nicht mehr loslässt. Irgendwann fühlt sich der Jahresurlaub, auf den man Monat für Monat und Woche für Woche nur noch wie ein monotones Uhrwerk hingearbeitet hat wie die lang ersehnte Fahrt til hjeme (nach Hause) an. Man scheint geradezu machtlos zu sein gegen die überwältigenden Bilder, Eindrücke und Erinnerungen vergangener Reisen, die sich tief in Kopf und Herz eingegraben haben. Ohne dass man diesen Vorgang bewusst wahrgenommen hat oder gar hätte beeinflussen können, sind sie ein Teil des eigenen Ichs geworden. Sie überdauern in uns sogar den Wahnsinn des Alltags, den wir täglich in Deutschland erleben müssen. Die Präsenz dieser Bilder scheint fortan in uns zu wohnen und sie steht abrufbereit zur Verfügung, wenn wir sie brauchen, wenn der Alltag uns wieder einmal wie ein Mühlenstein um den Hals hängt und uns droht in die Knie zu zwingen. Zunächst ist diese Welt der Erinnerung an eine scheinbar von Menschen unbezwingbare Landschaft verbunden mit der Erkenntnis, nur ein Teil dieser vereinnahmenden Herrlichkeit der Natur zu sein, vielleicht nur eine Fluchtwelt, die uns der erdrückenden Alltäglichkeit und seiner Monotonie entfliehen, aber uns auch wieder erfassen lässt, was wichtig und richtig ist im Leben. Früher oder später aber wird das, was uns die Natur dort vermittelt hat zu einer festen Erdung, die uns unbewusst zunehmend verändert dann haben wir den alten Pfad wieder gefunden den Weg zu uns selbst!
Den Spuren dieses Weges möchte ich mit dir in diesem Buch gemeinsam folgen, sie in den Erzählungen für dich erfahrbar und in unserem Abenteuer Nordland selbst erlebbar machen. Ich nehme dich mit auf die Reise in die besinnliche Seen- und Schärenlandschaft Schwedens, zu den Fjorden, Gletschern und in das Gebirge Norwegens, in die borealen Wälder und die endlosen Weiten Finnlands, zu der sturmumtobten Brandung der Färöer Inseln und nach Ultima Thule- dem Ende der Welt aus Feuer und Eis! Vielleicht werden die Spuren dieser langen Reise am Ende zu deinen eigenen, zu denen, die deinen Namen tragen.
Die nachfolgenden Ereignisse, an denen ich dich gern durch meine Erzählungen Teil haben lassen möchte, haben sich tatsächlich so zugetragen, wie du sie hier lesen wirst. Es sind Episoden meines Lebens, die es verdienen auf diese ganz besondere Art und Weise wie sie mich selbst formten auch aufgeschrieben zu werden. Schenke diesem Buch der Erinnerungen deine Namen und ich lade dich ein, es noch einmal gemeinsam mit mir zu durchwandern.
Eingebettet in die von Lebenslust erzählenden Geschichten werden die teilweise wirklich amüsanten Begebenheiten, die so nur das Leben selbst schreiben kann, dich vielleicht zum Schmunzeln bringen, dich hoffentlich ganz oft an die Freude am einfachen Leben erinnern, dich manchmal auch zum Nachdenken anregen, vielleicht auch in eine andere Welt entführen, dir ganz sicher aber auch Ideen und ganz praktische Hilfen für deine eigene Reiseplanung in den Norden geben.
Deine Koffer sind in Gedanken hoffentlich schon gepackt, denn nun erwartet dich ein großes Reiseabenteuer oder eben auch der lange und aufregende Weg zu dir selbst!
Allen Edlen gebiet ich Andacht,
Hohen und Niederen von Heimdalls Geschlecht.
Ich will Walvaters Wirken künden,
Die alten Geschichten,
deren ich mich entsinne.
(Aus der Völuspa- Weissagung der Seherin)
Ich danke den Göttern, den Geistern und den Ahnen, die meine Hand beim Schreiben dieses Buches führten. Ich danke meiner Familie, meiner Frau und meinen Kameraden, durch die ich die Fährte meines Lebens finden und lesen lernte, bis ich wusste, wer ich bin.
Band 1
Schweden
Geheimnisvolles Königreich der Seen, Wälder und Schären
Vorwort zum ersten Band
Lass mich nachdenken, als junger Sprössling von 18 Jahren brach ich zu meinem ersten Abenteuer nach Skandinavien auf und seitdem ist nahezu kein Sommer vergangen, in dem das Nordlandfieber mich nicht zurück in die Wildnis gerufen hätte. Wie im Flug sind seit dieser ersten Reise bereits 22 Jahre vergangen. Ein Nacherzählen all unserer Fahrten hätte sicher noch einmal zwei Jahrzehnte für die Fertigstellung dieses mehrbändigen Reiseromans erfordert, deshalb kann ich dir hier nur von einer kleinen Auswahl der Abenteuer erzählen. Ich habe mich sehr schwer getan mit der Selektion, das kannst du mir glauben. Gerade bei dem Gedanken daran, egal wie ich es drehte und wendete, immer spannende und amüsante Ereignisse, vor allem aber auch einige atemberaubende Regionen unserer Reisen mit einer wie auch immer getroffenen Auswahl aussparen zu müssen. Irgendwann bin ich dann zu dem Schluss gekommen, einfach mal damit anzufangen aufzuschreiben wie alles begann und wie wir die ersten Spuren eines inneren Pfades aufgenommen haben, der sehr schnell so viel scheinbar Selbstverständliches grundsätzlich und radikal in Frage stellte und uns die Augen für eine andere Wahrnehmung unserer Welt öffnete.
Ich hoffe sehr, dass ich damit die richtige Entscheidung für einen Weg getroffen habe, der in der Lage ist, dich in dein eigenes Leseabenteuer zu führen und dich nun vermutlich genauso unvorbereitet abholt, wie unsere abenteuerlichen Reisen ihren Anfang nahmen.
Das Jahr des Aufbruchs ins erste Abenteuer führt uns zunächst nach Schweden, genauer gesagt nach Süd- und Mittelschweden auf die Spuren einer ziemlich skurrilen Reise von Skåne (Schonen) bis nach Dalarna, in die meine Freunde und ich uns in jugendlichem Leichtsinn überaus spontan einfach hineinstürzten…und zwar so spontan und leichtsinnig, dass ihre Herausforderungen und Abenteuer eigentlich schon von vornherein in ihr angelegt waren. Schon in den Jahren darauf bereisten wir weite Teile Finnlands und Norwegens und schließlich auch die Färöer Inseln und Island. Immer ist uns eine gewisse Leichtsinnigkeit und manchmal auch eine konsequente Selbstüberschätzung erhalten geblieben, die so manches Abenteuer geradezu provozierte, eines aber verband alle Fahrten in unseren frühen, unbeschwerten Jahren gleichermaßen- die pure Lust am Leben!
Du gamla, du fria, du
fjällhöga nord,
Du tysta, du glädjerika sköna !
Jag tysta dig vänasta land uppa jord,…
Du alter, du freier, du
gebirgshoher Norden,
Du stiller, du freudenreicher Schöner!
Ich grüße dich, lieblichstes Land auf der Erde,…
(Verse aus der ersten Strophe der schwedischen
Nationalhymne, Text Richard Dybeck)
Gut, ich will ehrlich sein, wer das nördliche Europa vom Kreuzfahrtschiff aus oder mit dem „Sightseeing Bus“ (wie das ja heute bezeichnenderweise heißt) glaubt, entdeckt zu haben, dem werden die Tore zu einem neuen Lebensgefühl verschlossen bleiben. Man hat dann das Land und die atemberaubende Natur gesehen, vielleicht bewundert, vielleicht zog auch in wenigen Sekunden ein überwältigender Moment der Stille an uns vorbei, der uns irritierte, als wir uns plötzlich ganz klein und verloren in der scheinbar endlosen Weite der Landschaft oder im Schatten majestätischer Berge fühlten und dabei bemerkten, wie im Verhältnis zu dem, was uns nun umgab, alles ganz schnell klein und unbedeutend wurde, was uns bis dahin immer für unumstößlich lebensbestimmend oder gar übermächtig galt, letztlich aber bleiben diese Eindrücke durch das Panoramafenster nur flüchtige Aufnahmen, deren ergreifende Strahlungskraft auf uns spätestens ein paar Tage nach unserer Reise schon wieder verblasst, bevor sie eine nachhaltige Veränderung in uns entfalten kann. Die Bilder, die wir glaubten mitnehmen zu können und zur Sicherheit auf einen Fotofilm gebannt haben, versinken zu Hause in der Flut, der uns im Alltag überwältigenden und allumfassenden Bewusstseinsprägung der Medien- und Konsumgesellschaft. Jeder Versuch mittels fotographischer Abbilder einen Weg zurück zu finden, scheitert in einem, ihrer Wirkung beraubtem Dimensionsbruch des Fotoausschnittes, der uns schon bald eigentlich nur noch daran erinnert, dass wir uns seinerzeit durch seine Produktion selbst die Chance auf eine allumfassende Aufnahme der Eindrücke genommen haben.
Die vielleicht erahnte Einladung der Natur zu uns selbst gerät mit dem Anlegen der Alltagsketten von suggerierten Abhängigkeiten und scheinbaren Notwendigkeiten schnell in Vergessenheit. Wir verriegeln wieder fest die Tür zu uns selbst. Den schmalen Spalt, den wir bereits für uns geöffnet sahen, verdrängen wir leichtfertig, wenn die heimische, allgegenwärtige, sinnfreie und erschöpfende „Eventkultur“ unserer Zeit an uns vorbeirauscht bis wir uns in ihr verlieren und mit uns selbst nichts mehr anzufangen wissen. Dann haben wir nicht nur diesen kurzen, stillen Moment der inneren Einkehr, sondern auch uns selbst wieder ganz und gar vergessen.
Vielleicht bäumt sich noch einmal in einem noch verbliebenden Hauch von Zweifeln an diesem Dasein die Sehnsucht nach einer Fluchtwelt auf, euphorische Hoffnungen auf ein Entfliehen, die sich jedoch schnell in der medialen Inszenierung der Reiseveranstalter zwischen Dekadenz und erkauftem Rundumsorglospaket verbrauchen. Wir hecheln uns durch die Angebote der Reisekataloge, weil man ja das alles einmal gesehen haben muss. Vielleicht gelingt es uns sogar was richtig Abgedrehtes zu finden, dass in Aussicht stellt, von unserem persönlichen Umfeld endlich die ersehnte Bewunderung und Anerkennung für unser ganz individuelles Erlebnis zu erschleichen. Wenn wir uns richtig viel Druck machen und richtig viel Geld ausgeben, können wir auf der Suggestionsliste eines erfüllten Lebens möglicherweise sogar irgendwann alles abhaken- nur was dann?
Werden wir dann endlich glücklich und zufrieden sein? Ich glaube nicht. Auf der Flucht vor der Langeweile und der selbst geschaffenen grauen Monotonie unseres Alltags, immer wieder angetrieben durch die Hoffnung auf Anerkennung sind wir um den Globus gehetzt von einer Station zur Nächsten, aber wir haben nie etwas für uns selbst mitgenommen.
Es ist und bleibt eben ein Unterschied, ob ich mir einen Berg von unten anschaue oder ob ich ihn besteige- und das meine ich sowohl wörtlich als auch metaphorisch, denn es ist und bleibt ebenso ein Unterschied, ob ich mir ein Land in der Bequemlichkeit von Vollpension und voll durchorganisiertem Tagesablauf anschaue oder ob ich es mit allen Entbehrungen, zu überwindenden Selbstzweifeln und existentiellen Grundversorgungsängsten entdecke, erfühleerlebe! Glaube mir, du wirst noch am gleichen Tag deines Aufbruches, an dem du dein Vertrauen in dich selbst wieder findest, der glücklichste und bei deiner Heimkehr ein veränderter Mensch sein, den du selbst kaum wiedererkennst. Du brauchst nur etwas Mut dich dir selbst zu stellen!
Den Preis, den dir die Natur schenken kann, ist mit keinem Geld der Welt zu bezahlen, aber umsonst ist er trotzdem nicht. Er muss von dir mitunter hart erkämpft werden, manchmal eben auch in einem Kampf gegen dich selbst. Ohne Fleiß kein Preis!
Dass jedoch die Anforderungen an die Willenskraft in Nordlands Gefilden oft den erträglichen Erschöpfungsgrad bei weitem übersteigen, hatten wir uns bei unserem ersten Aufbruch nach Skandinavien so nicht vorstellen können.
Unser erstes Abenteuer in Schweden schien bezogen auf die Reiseplanung auch schon recht abenteuerlich zu beginnen. Das lag allerdings in erster Linie daran, dass für meine Reisegefährten, eine zusammen gewürfelte Truppe aus unserem Heimatdorf und mich in einer Mischung aus allgemeiner Erfahrungslosigkeit, dafür aber nicht zu bändigender Lebensfreude, jugendlicher Spontaneität und fast leichtsinniger Sorglosigkeit die Realität der Ausgangssituation unserer Reise keine Rolle zu spielen schien. Uns alle verband damals das junge Alter um die 18 Jahre, eine Freundschaft, die uns durch das gemeinsame Aufwachsen in einer Bullerbüatmosphäre zu Brüdern im Geiste und Herzen gemacht hatte und ein aus dieser Gemeinschaft erwachsenes Selbstvertrauen, dass uns so manches Mal auch in die gefährlichen Höhen einer jugendlichen Selbstüberschätzung trieb und das Bewusstsein entwickelt hatte, das die Welt eigentlich nur darauf wartet, von uns entdeckt zu werden.
Gemeinsam war uns auch, und das war uns in unserem „Bullerbü“ nie aufgefallen, was wir nicht hatten, nämlich Geld. Abgesehen von ein wenig Taschengeld und ein paar durch mühsames Zeitungsaustragen erlaufene Kröten. Eine Tatsache, die uns jedoch zu keinem Zeitpunkt, in dem was wir vorhatten; einschränkte oder gar irritierte. Wir hatten schlichtweg nie Geld gebraucht um unsere Träume zu verwirklichen, denn sie waren und das wird mir jetzt erst bewusst, wo ich mich gedanklich damit beschäftigte; in meiner gesamten Kindheit nie unmittelbar materieller Art gewesen. Eine Angel und die notwendige Ausrüstung hatte man sich mal zu Weihnachten schenken lassen, ein Zelt oder einen Fußball hatte man mit Glück auf dem Sperrmüll gefunden und ein Fahrrad, na ja, das war vielleicht irgendwann mal ein Geburtstagsgeschenk gewesen. Für ein paar Stichworte auf dem nächsten Wunschzettel musste ich dann schon ziemlich lange nachdenken und meist fielen mir dann letztendlich doch nur wieder Ergänzungen zu meinem Angelgeschirr ein. Alles andere, was wir zu unserem Glück brauchten, hatten wir mit kreativer Fantasie immer selbst geschaffen. Ob es der Bogen für unsere ersten Jagdversuche, der in Papas Werkstatt gebaut worden oder aber eine aus zusammen getragenen Abfallbrettern gezimmerte Hütte war, in diesen Dingen hatten wir eine tiefe Erfüllung gefunden, die uns vor den eingeredeten Konsumbedürfnissen da draußen in der anderen Welt schützte. Ich erinnere mich noch heute gern an unsere ganz eigene Gestaltung eines sich von uns so sehr gewünschten Gartenteiches zurück. Als bestens geeignet erschien uns eine alte Badewanne, die wir auf dem Schrottplatz des örtlichen Sanitärbetriebes hinter dem Zaun des Pausenhofes unserer kleinen Dorfschule ausmachten. Nachdem wir sie irgendwie über den Zaun gewuchtet hatten, zogen wir sie einen ganzen Tag lang über die Gehwege des halben Dorfes bis wir sie endlich da hatten, wo wir sie als unseren Teich eingraben wollten. Für den Inhaber des Sanitärbetriebes war es nicht sehr schwer sein Eigentum wieder zu finden. Über die Gehwege zog sich die lange Spur des an ihr montierten Abflussrohres vom Schrottplatz bis zu der Wiese hinter unserem Haus. Es stellte sich dann auch heraus, dass die Wanne keineswegs für eine Entsorgung bestimmt war. Das Wissen um unsere Mühe und ihre liebevolle Umgestaltung zum Gartenteich, ließ das Handwerkerherz dann aber doch erweichen.
Als mir in meiner frühen Jugend erst richtig bewusst wurde, dass ich Geld gar nicht brauchte, hab ich dann auch dieses nervige Zeitung austragen sofort wieder beendet. Na ja, der Begriff „sofort“ ist vielleicht nicht ganz so treffend gewählt. Wie automatisiert habe ich diese ätzende, langwierige Tätigkeit ohne darüber nachzudenken ausgeführt. Erst nach einigen Jahren fiel mir auf, dass sie eigentlich nur wertvolle Lebenszeit stiehlt und mir eigentlich nichts einbrachte, was für mich von wert war.
Diese Erinnerungen lassen mich heute klar erfassen, warum auch bei unseren Reiseplanungen Geld beziehungsweise seine äußerst begrenzt verfügbaren Ressourcen eigentlich nie eine erwähnenswerte Rolle spielte. Wir erfassten finanzielle Mittel gar nicht als eine Notwendigkeit für die Erfüllung unserer Träume, eben weil sie auch sonst in unserem Bullerbü ohne jede Bedeutung waren. Nahezu mittelos haben wir den vielleicht schönsten Teil dieser Welt gesehen, in dem wir die mit Sicherheit schönste Zeit unseres Lebens erleben durften. Dafür brauchte es kaum Geld, dafür aber Mut und Entbehrungsbereitschaft und davon hatten wir in den frühen Jahren so überschwänglich viel, dass wir sie hätten mit vollen Händen verschenken können.
Mit der bestandenen Führerscheinprüfung und meinem ersten eigenen Auto, einem Geschenk meines Großvaters, war unser Reisedrang, den bis dahin mit dem Fahrrad erkundeten, aber eben doch begrenzten Erfahrungsraum auf den Rest des Planeten zu erweitern, nicht mehr zu bremsen. Opas alter Ford war auf seine alten Tage so noch einmal für uns sozusagen zum Tor zur weiten Welt geworden. Als ein späterer Reisegefährte dann auf einer unseren legendären Kellerpartys (nach denen grundsätzlich übrigens das gesamte Sitzmöbelinventar durch Sperrmüllsammlungen oder durch Spender, die nicht wussten für welchen „guten“ Zweck sie ihre Möbel gespendet hatten, ausgetauscht werden musstenalso die Partys waren wirklich legendär!) eine aus dem Autoatlas seines Vaters herausgerissene Karte von Schweden mitbrachte und sich darauf die Weite der Natur bereits erahnen und für uns alle als begeisterte Angler eine unvorstellbare, viel versprechende Gewässerdichte erkennen ließ, waren die Taschen schon gedanklich gepackt und die Reiseplanungen, ohne sie überhaupt konkret aufgenommen zu haben, abgeschlossen.
Wir warteten dann eigentlich nur noch auf den Tag, an dem die Fähre der TT-Line uns endlich von Travemünde nach Trelleborg in Schweden bringen sollte. Irgendwo habe ich dann auch noch den Gepäckträger gefunden, den Opa mir mit dem Ford mitgegeben hatte. Als wir den dann am Tag der Abreise montierten, waren wir zunächst ganz glücklich auf diesem Weg noch etwas Stauraum schaffen zu können, denn der Kofferraum und eigentlich auch schon die Rückbank waren bereits hoffnungslos überladen- das bezog sich sowohl auf die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten noch irgendwo etwas Überlebenswichtiges zu verstauen als auch auf das Gewicht, dass unser Reisemobil bereits bedrohlich absenkte. Eine Zigarettenschachtel hätte wohl noch gerade so zwischen Straße und Unterboden gepasst. Für Reisetaschen, Zelte, Schlafsäcke, Isomatten, Kochgeschirr und vor allem jede Menge Angelsachen von fünf Personen war das Auto erkennbar nicht gedacht gewesen.
Der weiße Blechesel ächzte unter dem Gewicht und es plagte mich ein ziemlich schlechtes Gewissen, dass ich Opas Ford in seinem Alter noch solch eine Last zumutete. Erst jetzt fiel uns auf, als wir in die Runde schauten, dass noch niemand von uns im Auto saß. Ohne uns hätte Großvaters Wagen vielleicht gerade noch so mit zugekniffenen Augen die Fahrt antreten können, aber mit uns als noch zusätzlichem Gewicht schien die Reise unmöglich, zumal es in diesem Erstversuch der Gepäckverstauung noch maximal für zwei Personen eine Sitzmöglichkeit gab. In diesen Stunden wurde das erste Mal der Traum von einem VW- Bus geboren, der sich jedoch erst Jahrzehnte später durch einen glücklichen Zufall realisieren sollte.
In der gegenwärtigen Situation musste also alles an Gepäck reduziert werden- alles?
Darüber bestand Einigkeit, das Angelgeschirr war überlebenswichtig, das brauchten wir unbedingt- und zwar jeder alles, was er sich so eingepackt hatte! Bei den nun mal fünf benötigten Schlafsäcken und zwei Zelten ließ sich auch nicht so recht etwas einsparen- es blieb also nur und das fiel niemandem wirklich schwer, auf eingepackte Ersatzkleidung zu verzichten. Gut, die ganz schweren Bleie für das Brandungsangeln mussten dann nach zähem Ringen mit uns selbst auch zu Hause bleiben.
Nach radikalem Aussortieren von Kleidung passten die übrig gebliebenen Reisetaschen, die Zelte und immerhin zwei Schlafsäcke, die wir mit einem Band aus unserem sagenumwobenen Partykeller direkt auf die Stangen der Gepäckträgerstangen banden, was zugegebener Maßen schon ein wenig behelfsmäßig aussah, aber nach optimistischer Einschätzung schon zu halten schien, passte nach einem spärlichen Einkauf sogar noch eine zweite Dosenbiercharge neben den Karton mit dem legendären und vor allem sehr preiswerten Burgentalerkorn von Aldi in den Fußraum des Beifahrers. Für viel mehr Lebensmittel war eh kein Geld mehr vorhanden. Ein paar Pakete Nudeln konnten noch unter die Sitze geklemmt, die eine und andere Konserve zwischen die Beine, der auf der Rückbank Sitzenden gedrückt und das Allerwichtigste, nämlich Mehl, Salz und Speiseöl für die Zubereitung des erwarteten Fischfanges in die Schlafsäcke im Kofferraum gewickelt werden und dann war es endlich soweit. Wir waren bereit für unser erstes großes Abenteuer in Nordlands Weiten. Schon nach wenigen Minuten Fahrtzeit wurde auf der Rückbank ein neuer Traum geboren, nämlich der von einem Dachsarg- eine Tatsache, die sich wohl von selbsterklärt.
Angekommen in Travemünde warteten wir voller Vorfreude auf die Abfahrt in Richtung Schweden. Nach der Registrierung am Schalter des Fähranlegers bemerkten wir, dass wir wohl in der ungeduldigen Erwartung, dass es nun endlich losgehen sollte, uns doch deutlich zu früh auf den Weg gemacht hatten. Der Skandinavienkai, an dem unsere Fähre hoffentlich irgendwann erscheinen sollte, versprach nicht gerade abenteuerliches Erlebnispotential und so schien uns nach dem mehrfachen Studieren der abgerissenen Atlasseite nach möglichen Zielen, die wir in den folgenden Wochen in Schweden ansteuern könnten, die Zeit doch schnell etwas sehr lang zu werden. Anders ist es kaum zu erklären, warum aus dem Geschiebe von Schlafsäcken, Angelsachen und Konserven Laute hervordrangen, aus denen hervorging, dass es doch als erheblich angenehmer empfunden werden würde, wenn man sich langsam entschließen könnte aus dem Auto zu steigen und die Wartezeit sinnvoll zu gestalten. Um der Forderung Nachdruck zu verleihen, wurde deutlich geäußert, dass man auch eine wirklich gute Idee habe, wie man die Wartezeit nutzen könne. Mit der „guten Idee“ wurden ich dann konfrontiert als wir uns alle aus dem Auto gezwängt hatten und mir eine vor sich hin schnurrende, warum auch immer mitgeführte Bart- und Haarschneidemaschine unter die Nase gehalten wurde. Die amüsiert fragenden bis verwirrten Blicke aus den Autos der anderen Reisenden, die allmählich die Wartespuren um uns herum füllten, sind mir bis heute fast bildlich in Erinnerung geblieben.
Es muss ja auch ein überraschender Anblick gewesen sein, inmitten von entstehenden Autoschlangen jemanden auf einer Fahrspurbegrenzung sitzen zu sehen, der sich dem Biergenuss hingebend, die Haare abrasieren lässt. Vermutlich war wohl beim Transport oder dem überhasteten Befreien des Gerätes aus der Reisetasche der Aufsatz der Maschine gebrochen und so blieb nach den ersten scheiternden Versuchen eines Haarschneidens, das noch die Idee von einer Frisurgestaltung verfolgte, nur noch die Kahlrasur. Als das offensichtlich deutlich spürbar stumpfe Schnittwerkzeug schließlich mehr an den Haaren herumriss als tatsächlich schnitt, merkte der Proband mit einer Miene, die sich vergeblich bemühte Schmerzen zu verbergen, an, dass eine Vollendung der Rasur unangenehmes Mitgefühl erregen würde, wenn er aussähe, als befände er sich in einer Chemotherapie infolge einer Krebserkrankung. Er bat deshalb eindringlich darum, den Pony einfach stehen zu lassen. Ein wirklich schlecht verstecktes Flehen um Gnade, wie ich fand. Es wurde dem Delinquenten gewährt, aber eigentlich nur, weil das Ergebnis so herrlich beknackt aussah und versprach, uns auf der gesamten bevorstehenden Reise zu amüsieren.
Ich glaube, die erkennbaren Schmerzen des reißenden Schneidwerkzeugs und die vorgeschobene Gefahr eines entgegengebrachten Mitgefühls für eine fälschlich angenommene Krebserkrankung hätte unser Proband eingehen sollen, denn der stehen gelassene Pony, der aus den ungleich hervorstehenden abgerissenen Haarbüscheln herausragte, verriet dem Betrachter, der sich einer gewissen Schadenfreude bei diesem Anblick generell nicht entziehen konnte, unmissverständlich, dass hier jemand in dem Versuch einer Frisurgestaltung kläglich gescheitert war. Die immer noch endlose Wartezeit schien dann eine Gruppendynamik zu entwickeln, die die bis dahin existierenden Vorstellungen von Ästhetik neu interpretierte und einen nach dem anderen von uns mehr oder weniger freiwillig auf den Begrenzungspoller zur Rasur brachte. Ich selbst konnte mich mit Blick auf die bereits fertig gestellten Frisuren wirklich nicht dazu durchringen mir derartiges anzutun, obwohl, und dies muss ich eingestehen, ich unter Tränen vor Lachen allen anderen nur dringlich zu dieser neuen Modefrisur raten konnte. Die Strafe für meine antreibende Motivation und mein ausgelassenes Amüsement über die fertig gestellten Kopfhautzerlegungen ließ jedoch nicht lange auf sich warten. Natürlich konnte ich mich nur kurz gegen diese Form schwerster Körperverletzung wehren. Alsbald saß ich selbst auf dem Begrenzungspoller zwischen den Fahrspuren, spürte im Nacken wie ein rachsüchtiger Wahnsinniger den unkontrollierbar an den Haaren reißenden Rasierer ansetzte und mir in der meine Erwartungen deutlich übersteigenden schmerzhaften Prozedur, die ersten Haarfetzen in meinen Pulloverausschnitt fielen. Auf gleicher Sitzebene konnte ich so auch jetzt auf Augenhöhe die Gesichter der Fährpassagiere in den vorbeifahrenden Autos der direkt angrenzenden Fahrspur deutlich direkter erleben, die ich nun noch verwunderter und vor allem noch amüsierter wahrnehmen durfte. Mir wurde schnell klar, warum sich die zu Beginn unserer Vorstellung vorsichtig amüsierten Mienen, sich nun schon in nahezu orgastische Lachekstasen verwandelt hatten. Anfänglich schien nämlich nur die Tatsache zu überraschen, dass jemand überhaupt auf die Idee gekommen war, die Wartezeit für das Haarschneiden zu nutzen, jetzt bekamen die vorbeifahrenden Schaulustigen aber gleich noch mit Blick auf die um den Probanden stehenden Gestalten, die Haarschneideorgie selbst mit präsentiert. Ich selbst konnte mir so ein Lachen, trotz der Schmerzen, ja schon nicht mehr verkneifen.
Der Reiseauftakt sollte sich noch zu einem nachhaltigeren Unterhaltungswert steigern, als ich hier schon vermuten hätte können. Während ich über Sinn- und Unsinn dieser Aktion und die Wirkung meines zukünftigen Erscheinungsbildes der nächsten Wochen auf andere nachdachte bis ich so ungefähr die Hälfte meiner einstigen Haarpracht verloren hatte und mein Schädel zwischen einzelnen Haarbüscheln in ursprünglicher Länge bereits kahl rasiert war, hörte ich wie die Schnittfolge der Klingen immer langsamer und kraftloser und die Maschine immer leiser wurde. Bevor ich dieses Ereignis richtig deuten konnte, brach das Schnurren abrupt ab. Stille. Ein kurzes Klickgeräusch, das sich in einem immer hektischer werdenden Tempo beim erfolglosen Betätigen des An- und Ausschalters wiederholte, verriet die kapitulierende Reaktionslosigkeit des Apparates- die Vermutung wurde schließlich zum Schrecken der Gewissheit- der Akku war eindeutig leer.
Üblicherweise ist dies ja keine Tragödie, aber unter diesen Umständen der Ausweglosigkeit das Ding irgendwo wieder ganz schnell aufladen zu können und der damit verbundenen Aussicht in wenigen Minuten die besondere Aufmerksamkeit der gesamten Fährenbesucher auf mich zu ziehen, schien schon eine besonders unterhaltsame Herausforderung zu sein. In der Erwartung den Rasierer auf dem Schiff wieder aufladen zu können, nahm ich diese Herausforderung an- es blieb mir ja auch nichts anderes übrig.
Als wir die Treppe vom Autodeck der Fähre zu ihrem Aufenthaltsbereich hochstiefelten, hielten sich die amüsierten Blicke abgesehen von den schadenfrohen Beäugungen meiner Reisegefährten tatsächlich jedoch in Grenzen. Als wir jedoch die anfänglich noch ziemlich engagierte Suche nach einer erreichbaren Steckdose aufgegeben hatten und wir uns an der Treppe des Empfangsbereiches der Rezeption zum Biertrinken und Schlafen zurückgezogen hatten, weil natürlich kein Geld für die Finanzierung einer Kabinenbuchung vorhanden gewesen war, wichen die uns zunächst überraschenderweise positiv aufgeschlossenen Blicke schließlich doch spürbar abschätzenden Gesichtsausdrücken. Man hielt uns ganz offensichtlich für Obdachlose, die irgendwie den Weg aufs Schiff gefunden hatten. Für die selbstdarstellungssüchtige Generation „das muss ich bei Facebook posten“ ist das sicher kaum nachvollziehbar, aber für uns war das Flehen um Anerkennung in der Gesellschaft immer schon eine Ausdrucksform labiler Persönlichkeiten gewesen. Uns war es insofern nicht nur egal, was andere über uns dachten, wir vertraten mit unseren bis heute erhaltenen Lebens- und Wertvorstellungen ein Bewusstsein, das davon ausging, dass der, der Anerkennung von dieser Gesellschaft bekommt, eh einem Selbstbild entsprechen musste, dass dem so diametral entgegenstand, was wir für lebenswert hielten, das uns die entgegengebrachte Missachtung der Passagiere sogar ein wenig mit Stolz über den so einfach realisierten Selbstausbürgerungsprozess erfüllte.
Endlich legte die Fähre in Trelleborg an. Endlich standen wir nun vor dem vermeintlichen Tor zur weiten, wilden Natur unserer Träume. Schon der Hafen und schließlich auch die Stadt selbst bildete jedoch das Gegenteil von dem ab, was wir uns erwartet hatten. Industrie, Beton, ein ohrenbetäubender Lärm und Menschen auf Konsummeilendas Einzige, das hier überhaupt noch im Entferntesten an den Begriff Natur erinnerte, war der Stadtpark. Für uns alle ein gleichsam ernüchterndes Erlebnis, dass uns schnell aus der Stadt in Richtung Norden heraus trieb. Ein hastiger Blick auf die herausgerissene Atlasseite offenbarte die E6 als schnellstmöglichen Ausweg aus der anstrengenden Urbanität. Bis auf die schwedische Geschwindigkeitsbeschränkung von 110 km/h (Finnland: 80km/h, teilweise 100 km/h, Norwegen: 80- 100km/h, Färöer: 50- 80 km/h, Island: 80- 90km/h) ist die E6 in jeder Hinsicht mit einer deutschen Autobahn zu vergleichen. Sie ist überwiegend sogar in einem noch besseren Zustand als viele deutsche Straßen, ist unmissverständlich beschildert, im Vergleich deutlich weniger befahren, fast immer staufrei und man kommt auf diesem Weg für skandinavische Verhältnisse relativ zügig voran. Der benötigte Zeitaufwand für das Ausweichen auf kleinere Nebenstraßen aus naturromantischen Gründen ist dagegen nicht mit deutschen Verhältnissen vergleichbar. In weiten Bereichen ist er ungleich höher und teilweise ist es recht schwer sich zurechtzufinden. Zumal sowohl Navigationsgeräte, die es in den ersten Jahren unserer Reisen für den privaten Nutzer noch gar nicht gab und die auch nach ihrer Markteinführung auf unseren Reisen aus Gründen unserer bewussten Verweigerung und unseres Misstrauens in die technische Verblödungsmaschinerie nie Verwendung fanden, als auch Straßenkarten in ihrem meist zu grobem Maßstabverhältnis kleinere Ortschaften als Orientierungspunkte und viel zu oft für uns wichtige geographische Gegebenheiten nicht aufgenommen haben. Dazu kommen oft unbeschilderte Straßen, die nicht selten im Nirgendwo des Waldes enden oder sich nach etlichen Kilometern als Wege zu privaten Häusern herausstellen. So kann man manchmal schon einige Zeit umherfahren ohne sich auf der groben Straßenkarte erkennbar bewegt zu haben.
In einigen Regionen Nordlands kommen dann noch sehr enge, kurvenreiche Straßen, Tunnel und oft auch unvermeidliche Fährverbindungen dazu, die die Fahrtzeit ohnehin extrem strecken. In höheren Lagen, vor allem in skandinavischem Nordwesten und in Teilen Islands warten die kleinen Nebenstraßen auch noch häufig mit Serpentinen mit einem Gefälle bzw. Steigungen von bis zu 15 Prozent auf, die du dich dann mit voll beladenem Gefährt allzu oft im zweiten Gang im Tempo einer schlafenden Wanderdüne hochquälen darfst. Während wir in Schweden, Norwegen und auf den Färöern genau auf diesen engen, sich durch berge windenden Wege auch immer wieder von Schafen oder Ziegen beharrlich am Weiterfahren gehindert wurden, waren es im finnischen Lappland immer wieder Rentiere, die die Kräuter am Straßenrand und die Wärme des Asphalts genossen und uns einfach nicht passieren lassen wollten.
Die großen Verkehrsstraßen wie die E6 entlang der Küste oder auch die E4, die zunächst von Helsingborg aus auf direktem Weg den Vättern ansteuert und sich durch das Binnenland bis nach Stockholm zieht, sind, trotz ihres deutlich geringeren landschaftlichen Reizes, wirklich zu empfehlen, insbesondere wenn man sich wie in unserem Fall so schnell wie möglich vom Süden des Landes in Richtung Norden bewegen möchte. Diese Himmelsrichtung als grobe Leitorientierung unserer Reise fixierte sich für unsere weitere Planung sehr schnell. Verbanden wir damit doch die Hoffnung, so in absehbarer Zeit die bereits seit einigen Fahrstunden uns begleitende, wenig spektakuläre, kultivierten Landstriche Südschwedens hinter uns zu lassen und endlich das wilde Schweden unserer Erwartungen kennen zu lernen. Wir sollten es kennen lernen und zwar ganz plötzlich und sehr viel früher als erwartet.
Unsere Flucht vor der Zivilisation wurde seit der ernüchternden Erfahrung in Trelleborg und seiner Umgebung, deren urbane Realität das Finden eines Zeltplatzes nahezu unmöglich erscheinen ließ, zunehmend hektisch vorangetrieben. Die bald darauf eintretende Konfrontation mit Malmö und Helsingborg machte es nicht unbedingt leichter die gesuchte Naturromantik zu finden, die wir erwartet hatten. Nach mehreren Stunden der Autofahrt war es mittlerweile jedoch schon Abend geworden. Das unmittelbar nach dem Verlassen der Städte umgebende Bild der scheinbar endlosen monotonen Agrarkultur von Skåne (Schonen), dass in seiner ernüchternden Wirkung auf uns offenkundig die Gründe für den depressiven Charakter der hier wirkenden populären literarischen Figur des Kommissars Wallander nahelegte, war nach wie vor unverändert und zog sich sogar weiter in Astrid Lindgrens Heimat Småland und schließlich sogar bis nach Västergötland hinein. Die Weite aus ebenen Feldern mit kleineren Städten schien endlos und unüberwindbar zu sein. Die Wälder, die an unserem Autofenster vorbeizogen, verdienten kaum noch ihre Bezeichnung. Im Zuge der allgegenwärtigen landwirtschaftlichen Nutzung sind sie zu so traurigen Resten zusammengeschrumpft, dass sie nur noch mit außerordentlich viel Fantasie an ihre wohl einstige Größe erinnern. Die Besiedlungsdichte, das Ausmaß der Kultivierung, aber auch die Gestalt der Landschaft ließen, abgesehen von den immer wieder am Straßenrand auftauchenden schnuckeligen roten Bullerbüholzhäuschen gar nicht das Gefühl aufkommen in dem Norden zu sein, von dem wir geträumt hatten. Unter diesen Bedingungen überhaupt noch einen einigermaßen geeigneten Zeltplatz in freier Natur vor dem Einsetzen der Nacht zu finden, wurde mit jeder vergehenden Stunde aussichtsloser. Der so gewissermaßen unerwartet entstandene Zeitdruck hatte uns konsequent auf eine Fahrtpause verzichten lassen. Der Harndrang war jedoch irgendwann noch konsequenter. Er hatte sich bereits zu einer unüberwindbaren Hürde für die Weiterfahrt entwickelt, die mit einer nicht mehr aufschiebbaren Dringlichkeit beseitigt werden musste. Die nächste Haltemöglichkeit an einem Getreidefeld einige Kilometer von der Hauptstraße entfernt, versprach endlich Erlösung. Aus dem Auto gesprungen oder viel mehr aus dem uns umgebendem Gepäck geschält, standen wir nun in Reih und Glied am Feldrand über dem sich die Nacht ausbreitete. Die Verkrampfung in den Gesichtern wich im Tempo des Dahinplätscherns einer Tiefenentspannung, die uns wieder Augen für diese romantische Stimmung des spätabendlichen Bildes in der Weite des Feldes schenkte. Ganz plötzlich wich dann jedoch alle Entspannung und alles Plätschern verstummte auf einen Schlag. Wir alle verfielen sofort in eine reaktionsunfähige Starre als wir hörten und sahen wie vor uns etwas aus dem Getreidefeld aufstand. In der Dämmerung der hereingebrochenen Nacht nur schemenhaft erkennbar, baute sich vor uns ein wirklich Furcht einflößender Schatten auf, der die Getreideähren bei weitem überragte. Für einen ganz kurzen Moment erschien im Dunkeln eine deutbare Gestalt. Wir standen einem Elch in wenigen Metern Entfernung gegenüber, seine Größe war wirklich überwältigend und seine Erscheinung unvergesslich. Auch er war offenbar ebenfalls kurz in eine Schockstarre verfallen nach dem wir ihn wohl an seinem Ruheplatz ungewollt aufgeschreckt hatten. Der Elch war allerdings bei Weitem nicht so reaktionsunfähig wie wir, denn in der nächsten Sekunde war das anmutige Tier auch schon wieder verschwunden und ließ mit der langsam verstummenden Tonlage des Davonlaufens im auseinander berstenden Feld die Adrenalinausschüttung im Körper ganz langsam wieder zurückfahren.
Die in freier Wildbahn aus unmittelbarer Nähe geradezu überwältigend wirkenden Paarhufer, die wohl jeder gedanklich unweigerlich mit Skandinaviens Weiten verbindet, sind in ganz Schweden tatsächlich noch relativ weit verbreitet. Schätzungen zufolge bewegt sich die Elchpopulation hier in etwa zwischen 300 000 und 400 000 Tieren. Ihr hauptsächliches Verbreitungsgebiet befindet sich südlicher als vielleicht zunächst angenommen, nämlich auf den Zwillingsbergen Halleberg und Hunneberg bei Vänersborg in Västergötaland.
Der Bestand ist so stabil, dass sie sogar bejagt werden können. In der Regel geschieht dies mit Hunden, die gezielt für die Elchjagd ausgebildet sind, um sie in der Wildnis überhaupt ausfindig machen zu können. Eine so direkte Konfrontation, wie wir sie damals erleben durften, ist dagegen ein wirklicher Glücksfall und den Wenigsten vergönnt. Wenn überhaupt, besteht die Chance auf einen Sichtkontakt zu diesen sehr scheuen Tieren nur bei ihrem zufälligen und immer überraschend plötzlichen Überqueren der Straße oder bei für sie ungünstigen Witterungsverhältnissen aus der Ferne. Wobei ich dir die leider zu oft nicht auf den Sichtkontakt beschränkte Konfrontation mit diesem mächtigen Tier im Straßenverkehr wahrhaftig nicht wünsche. Bei einem Körpergewicht von bis zu 800 Kilogramm und einem Stockmaß von bis zu über zwei Metern braucht man, glaube ich, nicht allzu viel Phantasie um sich das brutale Ausmaß einer Kollision vorstellen zu können, wenn diese massige Kreatur mit bis zu 50 Km/ h auf die Straße springt. Allein sein Geweih, die Schaufel, mit einer Spannweite von bis zu zwei Metern, wiegt in etwa so viel wie ein Elch am Tag Grünfutter vertilgt- sage und schreibe um die 50 Kilogramm!
Leider sind diese Unfälle im Straßenverkehr sogar recht häufig, gemeinsam mit Rehen und Wildschweinen führen Elche die traurige Rangliste der Wildunfälle in Schweden an. Etwa 4000 Tiere finden pro Jahr auf den Straßen Schwedens ihren Tod. Offensichtlich sind diese mächtigen Tiere sich in ihrer Wirkung auf ihre Mitgeschöpfe bewusst, so dass sie leider auch keine Scheu zeigen, sich auf eine Straße zu begeben, wenn sie nicht durch einen Wildzaun davon abgehalten werden.
Die beeindruckenden Einzelgänger, die sich nur im Herbst zur Brunft in Gruppen zusammenfinden, haben eigentlich abgesehen von sehr wenigen Fällen, in denen sie durch Krankheit oder Schwäche zur Beute von Wölfen oder noch seltener von Bären werden, neben dem Menschen, dem sie in der freien Natur soweit wie möglich aus dem Wege gehen, keine Feinde, deshalb bringt sie in ihrer natürlichen Umgebung ohne den Menschen auch so ziemlich nichts aus der Ruhe.
Ein sehr guter und langjähriger Freund von mir, ein leidenschaftlicher Jäger, der auch schon Elchen in Schweden nachstellte, erzählt mir immer wieder gern und auf eine eindrucksvolle Weise, wie ausgesprochen gelassen ein Elchbulle selbst bei seinem Stellen durch einen Hund reagiert. Während die Töle seiner ausgebildeten Passion folgend, aufgeregt wie von einem Wespenschwarm gejagt, um den Elch herumspringt, grast der in aller Ruhe ohne jede Irritation weiter. Wohl in dem Bewusstsein, dass ein Huftritt reichen würde um das nervige Kläffen für immer zu beenden. Erst wenn es den Jägern gelingt, sich gegen den Wind bis zum Tier auf eine Distanz zu nähern, in der es sicher angesprochen (waidgerecht geschossen) werden kann und der Elch seine Häscher dann noch rechtzeitig bemerkt, gerät er in eine panische Hast, die oft noch jedes erhoffte Jagdglück in den Wind schlägt.
In unserer nächtlichen Überraschungskonfrontation lag das Übergewicht der Panik dagegen eindeutig auf unserer Seite. Während der in der Dunkelheit verschwundene Elch sich vermutlich längst wieder beruhigt hatte, ließ unser, immer noch erstarrte Gesichtsausdruck einander erkennen, dass uns der Schrecken in alle Glieder gefahren war und der hatte noch mehr angerichtet als unsere Gesichter zu verzerren. Etwas, was uns nachhaltig penetrant dieses Erlebnis in den nächsten Tagen immer wieder in Erinnerung rufen sollte. Alle hatten sich in der plötzlichen Schockstarre mehr oder weniger intensiv die Hose eingenässt.
In dem Mangel an Ersatzkleidung, die ja aus Platzgründen und Überladungsbefürchtungen weitestgehend eingespart worden war, wurde dieser Unfall in der Enge des Beieinandersitzens im Auto zu einem echten olfaktorischen Abenteuer. Wenn man dem allgemeinen Geruchsempfinden jedoch mit kontinuierlicher Härte entschlossen entgegentrat, schien auch dieser irgendwann abzustumpfen. Dies zeigte zumindest die Erfahrung der folgenden, sich noch über Stunden hinziehenden Autofahrt bei den immer noch hohen Temperaturen, die die schwüle Nacht kaum spürbar senkte und die immer noch von der Hoffnung, dass sich die Besiedlungsdichte und ihre Landschaftskultivierung endlich auflösen würde, auf der E4 immer weiter in Richtung Norden vorangetrieben wurde. Vielleicht war es aber auch der fürsorglichen Versorgung der Reisenden durch meinen Beifahrer mit Bier und Zigaretten zu verdanken, dass die ausgelassene Stimmung, trotz der gewöhnungsbedürftigen Vorstellung, sich in einer rollenden Dixitoilette auf nächtlicher Irrfahrt ins Ungewisse zu befinden, zu keiner Zeit getrübt werden konnte.
Das Frönen des kontinuierlichen Biergenusses hatte zudem zu einem weiteren positiven Nebeneffekt geführt- der Beifahrer konnte nun seine Füße in eine halb geleerte Bierpalette stellen. Der nun mögliche Stellungswinkel entspannte die Beine derart, dass er jetzt sogar während der Fahrt und nicht nur während der Pinkelpausen außerhalb des Autos die Straßenkarte lesen konnte. Der Konsum des Hopfengetränkes war sicher auch dafür verantwortlich, dass man sich zu immer mehr werdenden Fahrtunterbrechungen genötigt sah- eine Wohltat, bei der man in die Lage versetzt wurde auch endlich mal wieder wenigstens kurzzeitig ohne Angstzustände frei durch die Nase zu atmen. Allerdings war das befreiende Pausieren, dass die Fahrt unter diesen Umständen deutlich erträglicher werden ließ, sehr bald mit einem Schlag vorbei. Ein immer stärker werdende Regen hatte eingesetzt und bestärkte uns in der Überzeugung nach etlichen zurückgelegten Kilometern, dass uns die E4 in dieser Nacht nicht mehr aus der Zivilisation heraus zu einem Naturidyll führen würde, an dem wir unsere Zelte aufschlagen konnten. Der Beifahrer wurde somit angewiesen die nächstmögliche Abfahrt zu einer Straße auf der Karte zu suchen, die in erreichbarer Entfernung eine Gewässernähe auswies um endlich einen Schlafplatz für die Nacht zu finden.
Im Rückblick schien dies die einzig richtige Entscheidung gewesen zu sein, aus der sich auch gleichsam die erste wichtige Erfahrung ableiten ließ, die auf ganz Skandinavien übertragbar ist. Die lang gezogenen Hauptstraßen über weite Distanzen sind zwar die schnellsten Verbindungen, sie bieten aber überwiegend in etwa so viel ungestörte Naturromantik wie deutsche Autobahnen. Die Suche nach einem Lagerplatz in unmittelbarer Nähe der großen Verkehrswege erweist sich in der Regel selbst für den geduldigsten Autofahrer als vergeblich. Das Ausweichen auf kleinere Nebenstraßen ist also, schon wenn man einen Ruheort für eine einzige Nacht sucht, unausweichlich. Den oft enormen Zeitaufwand, den das Finden eines geeigneten Zeltplatzes in den häufig schwierigen Ausgangsbedingungen wenig erschlossener Zugänglichkeiten und oft auch geographisch erschwerter Bedingungen wie etwa weiten Sümpfe oder einfach das nicht Vorhandensein von Ebenen und Platzräumen wie zum Beispiel in besonders extremer Form in der Fjordregion Norwegens benötigt, solltest du, willst du deine nervliche Belastbarkeit nicht überstrapazieren, wirklich nicht unterschätzen. Ich erinnere mich ungern an die oft nervenaufreibenden stundenlangen Suchen, die mich im wahrsten Sinne des Wortes an den (Straßen-)Rand der Verzweiflung trieben und so manches Mal tatsächlich auf einem Randstreifen irgendeiner Ausweichstraße endeten, weil die gewählte Ausfahrt entgegen der aus der Karte entnommenen viel versprechenden Erwartung nicht einmal in den Näherungsbereich eines möglichen Lagerplatzes führte und die viel zu spät begonnene Suche schließlich von einer überwältigenden Müdigkeit eingeholt wurde. Unweigerlich ist mit dieser Erinnerung auch das Unbehagen des Schaukelns unseres Gefährtes im Takt des Windstoßes vorbeifahrender Autos und das damit verbundene regelmäßige Aufschrecken aus dem Schlaf mit immer wieder beeindruckendem morgendlichen Folgeerscheinungen auf das körperliche Befinden verbunden.
An den kleinsten Nebenstraßen, an denen nur kaum Ortschaften liegen, finden sich meist die schönsten und ungestörten Plätze, die sich mit einem erfahrenen Blick bereits auf der Karte vor allem im Bereich ausgewiesener Gewässer, an denen diese Straßen dann möglichst dicht vorbeiführen sollten, schon erahnen lassen. Ich kann dir dabei sehr empfehlen die Suche dabei auf die auf der Karte weiß eingetragen Straßen zu richten, die möglichst auf langer Strecke am Gewässer vorbeiführen. In der Regel erfüllt sich eine erhoffte Punktlandung aus einem Kartenbild, das nur einen einzigen Gewässerkontakt der gewählten Straße ausweist, nicht. Mit ein wenig Glück findet man sogar Regionen auf der Karte, die neben dem anvisierten Lagerplatz noch alternative Streckenabschnitte in der Nähe ermöglichen. Diese sollten auf jeden Fall bei der Suche nach einem Lagerplatz angefahren werden, denn hier ist die Wahrscheinlichkeit fündig zu werden tatsächlich sehr hoch. Diese Erfahrung lässt sich in den wenigen dünn besiedelten Ecken Dänemarks und in weiten Teilen Schwedens genauso erfolgreich nutzen wie im Großteil Finnlands. In der zerklüfteten Küsten- und Fjordlandschaft des Großteils von Norwegen ist das Finden eines Lagerplatzes dagegen generell reine Glückssache. Außerhalb von Campingplätzen hier einen von der Straße erreichbaren Zeltplatz zu finden, ist bis auf wenige Ausnahmen geradezu unmöglich. Man kann sich das hierzulande kaum vorstellen, aber oft ist zwischen Fjorden und steilen Felswänden, zwischen denen sich die schmalen Straßen hindurch schlängeln nicht einmal ein Platz für das Abstellen des Autos auszumachen. Die wenigen aufwändig gestalteten Ebenen sind in der Regel Privatgrundstücke. Die Chance auf einen geeigneten und ungestörten Standort für ein Wohnmobil abseits der Straße tendiert hier außerhalb der kommerziellen Campingplätze gegen null. Generell empfehlen möchte ich dir die Lagerplatzsuche im Fjäll. Hier findet man auch in Norwegen eigentlich immer seinen Traumplatz. Dort oben findet sich mit ein bisschen Glück auch immer irgendwo einen Ort am Straßenrand, an dem man sein Auto parken kann. Von dort aus, muss man sich hier dann allerdings in das Gelände mit oft anspruchsvollen Wanderwegen und schwierigen Bodenbeschaffenheiten schlagen um zu Fuß einen Zeltplatz zu finden. Wenn du dich dafür entscheidest, plane erheblich mehr Zeit für die Suche ein. Das Gewracke des benötigten Lagerinventars zum gewählten Platz ist zwar eigentlich immer ziemlich heftig, aber die Mühe zahlt sich auch immer aus- so findet man doch in allen Regionen Nordlands die schönsten Orte für ein ungestörtes Lager.
Manchmal, gerade wenn du dich lediglich auf der Durchreise in nördlichere Gefilde befindest, sind solche Aktionen jedoch häufig zu aufwändig und zeitintensiv. Manchmal kann es dann auch ganz einfach und schnell zielführend sein, egal wo du dich gerade befindest, mal auf dem Anwesen der Ureinwohner anzuklopfen und nachzufragen, ob sie es erlauben würden, auf ihrem Privatgelände für eine Nacht zu zelten. Damit haben selbst wir mit unserem grenzwertigen Erscheinungsbild und extrem gewöhnungsbedürftiger, beißender Geruchspenetration nach Wochen in der Wildnis ausschließlich positive Erfahrung gemacht. Vielleicht entwickelte unser Auftreten aber auch immer wieder eine Spur unverdienten Mitleids und war damit ursächlich an der liebenswerten Aufgeschlossenheit unseres Gegenübers beteiligt.