Norwegen - Silvia Schneider-Schiess - E-Book

Norwegen E-Book

Silvia Schneider Schiess

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Beschreibung

Als ihr jüngstes Kind volljährig wurde, erfüllte sich die Autorin einen Lebenstraum: sie reiste für drei Monate nach Norwegen. Voller Humor schildert sie in diesem Buch, weshalb es so lange gedauert hat, bis sie sich diese Auszeit gönnte und weshalb sie überhaupt auf diese Idee kam. Silvia Schneider-Schiess nimmt ihre Leser mit auf ein spannendes Abenteuer in Norwegen und verhehlt dabei nicht, dass sie sich komplett in das Land verliebt hat.

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Seitenzahl: 270

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Für Stefan, Thomas, Sereina und Florian

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Es war einmal

Das erste Mal

Danach und davor

Träume sind lange nur Schäume

Sommerferien in Norwegen

Zum ersten Mal in Vikersund

Noch ein OL im Land der Seen und Wäl

Auf nach Schweden

Alltagsleben

Das Träumen geht weiter

Herbstferien am Tyrifjord

Schon wieder Vikersund

Wachsende Sehnsucht

Ab in die Wüste

Zwischen den Grenzen

Elche und Alpakas

In Schwedens Wäldern

Kurzbesuch in Norwegen

Für einmal im Süden – von Norwegen

Auf nach Tansania

Träume werden wahr

Noch einmal Norwegen und Schweden

Veränderungen

Es wird konkret

Nur noch wenige Monate

Ein Auto muss her

Abschied nehmen

Es geht los

Angekommen

Abschied

Erste Wanderung allein

Alltag in Vikersund

Hochzeit auf Englisch

Mein erster OL-Wettkampf im Mai

Wanderung in „meinem“ Hovlandsfjell

Schüler OL in Vikersund

Sprint-Meisterschaft

Post aus Bern

Trainings in Snarum und Brunesmo

Zu Besuch in Modum Bad

Norwegische Konfirmation

Wieder ein Wettkampf und ein biss

In der Nordmarka

Besuch in der Schweiz

Zurück „nach Hause“

Grunnlovsdagen 17. Mai

Besuch von Sereina

Sorge um Findus

Gemütlicher Mai-Ausklang

Nasser und kühler Juni-Beginn

Thomas und Sabine zu Besuch

Wanderung in der Holleia

OL ohne Kompass

Alltag in Vikersund

Pfingsten am Pinseløp

Wiedersehen mit Stefan

Ein letztes Mal im Hovlandsfjell

Abschied von Vikersund

Es geht gegen Norden zu

Midnattsolgaloppen

Für einmal etwas Ferien

Auf Senja

Abschied vom Norden

Vogelinsel Runde

Auf nach Førde

Auf dem „grossen Pferd“

Ausflug zum Briksdalsbreen

Es darf ruhig auch gemütlich sein

Zurück zur Natur in Tunhovd

Eine Woche voller Emotionen

Der Abschied naht

Die Worte zum Schluss

Vorwort

«Liebes Käthi…» – so begann meine Geschichte. Vor ein paar Jahren schrieb ich meine Erinnerungen an meine Auszeit in Norwegen für eine liebe Freundin auf. Gedacht war, dass nur sie die Geschichte lesen sollte. Sie hatte sich für meine Erlebnisse interessiert, also wollte ich diese für sie festhalten. So einfach war das. Ohne Käthis Interesse hätte ich niemals aufgeschrieben, wie es mir in den drei Monaten in Norwegen ergangen war. Ich dachte mir nämlich, dass meine Erlebnisse viel zu wenig interessant seien. Es gibt so viele Menschen auf dieser Welt, so viele unterschiedliche Personen, nur schon die Vorstellung, dass alle ein Buch schreiben, erschien mir absurd. Irgendwann gäbe es nur noch dicke Bücher, aber niemanden, der sie kaufen und verschlingen würde.

Aber dann begann ich zu schreiben. Zuerst wusste ich nicht, wo ich beginnen sollte. Käthi sagte mir, schreib doch von Beginn weg. Nur war das gar nicht so einfach. Denn wann hatte eigentlich alles begonnen? Sicherlich nicht erst am Karfreitag, den 23. April 2011, da begann zwar meine Reise nach Norwegen. Aber für die eigentliche Geschichte musste ich viel weiter zurück in die Vergangenheit blicken, nämlich bis ins Jahr 1961 – eine Zeit also, in der es mich noch gar nicht gab. Meine Auszeit aber hatte bereits damals ihren Anfang genommen.

Es war einmal

Es war einmal vor vielen Jahren, als ein junger Schweizer froh und munter nach Norwegen zog. Der junge Schweizer war mein Vater, frisch diplomierter Elektrotechniker und gerade mal 25 Jahre jung. Zusammen mit seinem Freund Peter wollte er die Welt erobern. Dass die zwei jungen Herren dieses Vorhaben gerade in Norwegen begannen, war reiner Zufall. Offenbar schien Oslo für sie das Tor zur Welt zu sein. Zu Beginn wohnten die beiden in Blommenholm, einem damals noch kleinen Vorort Oslos. Sie waren Untermieter einer älteren Dame und das war offenbar kein Zuckerschlecken, doch dazu später mehr. Jedenfalls haben sie von ihr sicherlich nicht gelernt, dass die Norweger gastfreundliche Menschen sind. Von diesen Startschwierigkeiten liessen sich die beiden zum Glück nicht beirren. Bald sollte sich herausstellen, dass die strenge Dame eine klare Ausnahme darstellte.

Als kleines Mädchen hörte ich oft und gern den Erzählungen meines Vaters zu. Heute erscheint es mir, als hätten seine Abenteuer im Lauf der Zeit an Gefährlichkeit stetig zu-genommen, als wären die Fische, die er angelte, immer grösser und die Berge, die er bestieg, immer höher geworden. Doch das war mir egal. Ich war fasziniert. Norwegen erschein mir als ein Ort der Märchen und Abenteuer. Ob damals die Liebe zu Norwegen, die Sehnsucht nach diesem Land im hohen Norden in mir entstand und zu wachsen begann?

Mein Vater führte während seiner Zeit in Oslo ein Tagebuch. Ein Glücksfall für mich, die ich doch alles über das Land erfahren wollte. Allerdings war mein Vater weniger ein Autor, sondern vielmehr ein Zeichner. Sein Buch mit dickem Einband, den er selber gemacht hat, ist somit voller Fotos, Skizzen und nur kurzen Texten. Auch kleben darin unzählige Eintrittstickets, Fahrscheine der norwegischen Eisenbahn und andere Zeitdokumente. Ich genoss es unheimlich, in diesem für mich geheimnisvollen Buch herumzublättern und an den eigenartigen Schriften herum zu studieren. Norwegisch war für mich damals eine Sprache, die nur spezielle Menschen kannten. Mein Vater war natürlich ein solcher.

Eine Geschichte, die ich immer und immer wieder hören wollte, war diejenige vom Erbsenkochen. Mein Vater und sein Freund Peter durften in ihrem Zimmer am Homansvei nicht kochen. Und sie durften auch die Küche der Wirtin nicht benutzen. So mussten sie entweder mit kalten Speisen Vorlieb nehmen, sich auswärts verpflegen oder das Verbot umgehen. Natürlich taten sie häufig Letzteres. Auf einem kleinen Elektrokocher entstanden in dem kleinen Zimmer die abenteuerlichsten Gerichte. Ob die Wirtin tatsächlich nie etwas von den heimlichen Kochaktivitäten ihrer Pensionsgäste mitbekam, sei dahingestellt. Glücklicherweise wurde dadurch aber verhindert, dass die beiden armen Schweizer verhungern mussten. Der Lohn, den sie von ihrem Arbeitgeber, der damaligen Brown Boveri erhielten, reichte bei weitem nicht aus, um sich täglich auswärts zu verköstigen. Die Not machte sie erfinderisch.

An den Wochenenden gingen die beiden oft auf Wanderschaft. Und hier kommen die Erbsen ins Spiel. Wandern in Norwegen bedeutet, dass man mit Gummistiefeln und Mückenspray bewaffnet unterwegs ist. Ohne diese wichtigen Hilfsmittel ist ein Fortkommen in den Wäldern fast unmöglich. Natürlich kennen die Norweger Wanderwege. Sie markieren diese sogar und zeichnen sie auf Tourenkarten ein. Aber es ist ihnen egal, ob diese Wege durch Sümpfe, Bäche und dergleichen führen. Das kommt daher, dass die Wanderwege im Winter Loipen sind, die man mit Langlaufskiern befährt. Wenn alles verschneit und zugefroren ist, merkt man vom nassen Untergrund wenig. Ohne Schnee ist es dann auf diesen Wegen praktisch immer nass. Daher ist auch ein Mückenspray unentbehrlich, weil die kleinen Biester sich in der feuchten Umgebung pudelwohl fühlen. Und kein Wanderschuh, geschweige denn Turnschuh, übersteht die erste halbe Stunde trocken. Dies wusste mein Vater. Auf allen Fotos ist er mit riesigen Gummistiefeln abgebildet.

Mein Vater und sein Freund mochten das Wandern. Am liebsten wanderten sie das ganze Wochenende durch. Wenn schon in die Natur, dann richtig – so ihr Motto. Auf halbem Weg wurde gezeltet, bevor es am nächsten Tag wieder Richtung Oslo zurückging. Auch auf den Wanderungen musste gekocht und gegessen werden. Man wollte schliesslich auch an den Wochenenden nicht verhungern. So kam mein Vater einmal auf die glorreiche Idee, eine Büchse Erbsen über dem Feuer zu erhitzen.

Diese Idee war eigentlich nicht neu, denn in seinem Zimmer in Blommenholm hatte er trotz Verbot schon unzählige Büchsen auf dem Kocher erhitzt. Leider überlegte mein Vater damals physikalisch nicht ganz richtig, obwohl er in diesem Fach eigentlich ein Profi ist. Der Druck, welcher durchs Erhitzen der Büchse entstand, war so gross, dass die Erbsli nur so aus der Büchse schossen. Und das bevor er überhaupt ein paar Löcher in den Deckel stanzen konnte. Die Erbsen flogen Geschossen gleich in alle Richtungen. Bloss in den hungrigen Mündern landete keine einzige. So ging das. Ich weiss nicht, wie oft ich diese Geschichte hören wollte. Aber ich bin mir sicher, dass es sehr oft war. Und ich sehe heute noch meinen Vater vor mir, wie er mir diese genüsslich grinsend und in Erinnerungen schwelgend erzählt.

Natürlich könnte ich noch viel vom Aufenthalt meines Vaters erzählen, aber hier geht es nicht um seine Geschichte in Norwegen, sondern um meine. Fast während meiner gesamten Jugendzeit hat sich diese stillgehalten. Mir war damals alles andere viel wichtiger. Sehnsüchte nach dem geheimnisvollen Norwegen kamen keine auf. Weshalb auch? Ich hatte genug damit zu tun, erwachsen zu werden und meinen Platz in der Welt zu finden. Die Eltern waren in dieser Zeit auch nicht mehr so wichtig, ich wollte mich schliesslich ablösen und nicht alte Geschichten aufgebrüht bekommen.

Das erste Mal

Meine erste Bekanntschaft mit dem Norden war denn auch keine Reise nach Norwegen, sondern ins benachbarte Schweden. Ich war vierzehn Jahre alt und eine begeisterte, wenn auch nur halbwegs talentierte Orientierungsläuferin. Da mein Bruder ebenfalls gerne mit Karte und Kompass in den Wäldern herumrannte und meine Eltern nichts dagegen hatten, beschlossen wir, uns für einmal im hohen Norden auf Postensuche zu begeben. Als Familie notabene.

Der Vater wollte mit, weil er in unserer Familie am meisten Erfahrung mit Reisen hatte, schon einmal im angrenzenden Norwegen gewesen war und Auto fahren konnte. Die Mutter wollte sich um unser leibliches Wohl kümmern und Zeit mit der Familie verbringen. Mein Bruder und ich waren die umsorgten Sportler. Leider brach ich mir bereits auf der Hinreise in Dänemark das Schlüsselbein. Mit meinen sportlichen Erfolgen wollte es also nicht so richtig klappen. Aber ich rannte den Fünf-Tage-Orientierungslauf (OL) tapfer durch oder marschierte ihn vielmehr. Trotz diesem schwierigen Start begann das Skandinavien-Fieber damals auf jeden Fall schon leicht zu glühen. Was für Wälder, was für Seen! In solch einer Umgebung sollte man länger leben können, so mein Gedanke.

Die nächste Reise führte mich dann zum ersten Mal nach Norwegen. Meine Liebe zu diesem Land wuchs nun definitiv, wenn auch nicht von Anfang an. Ich war mittlerweile siebzehn Jahre alt und hatte ein ganzes Jahr darauf gespart, für ein paar Wochen nach Skandinavien in die Ferien zu reisen. Gross war mein finanzielles Polster nicht, während fünf Wochen musste ich mit achthundert Franken auskommen. Aber ich war es gewohnt, zu sparen und sorgte mich nicht um meine Zukunft.

Wir waren eine Gruppe von jungen Sportlern, welche den Skandinaviern zeigen wollte, dass auch wir Schweizer gut im Orientieren sind. Zu dieser Zeit war ich auch zum ersten Mal verliebt und freute mich auf die ersten Ferien mit meinem Freund. Sobald das Semester an der Bündner Kantonsschule zu Ende war, begaben wir uns auf die grosse Reise. Wir hatten uns Interrail-Tickets gekauft und wussten, dass wir nun herrliche vier Wochen der Unabhängigkeit vor uns hatten. Den ersten Stopp legten wir in Mühlhausen ein, dort gab es einen Drei-Tage-OL, an dem wir teilnehmen wollten. Von dort fuhren wir weiter Richtung Norden, das grossartige Abenteuer konnte beginnen. Wir fuhren mit dem Zug via Mannheim und Hamburg nach Kopenhagen. Die Fahrt entlang der damaligen DDR-Grenze, welche mit einem endlosen Stacheldraht abgeriegelt war, werde ich nie vergessen. Wer hätte damals gedacht, dass ich heute, dreissig Jahre später, mit einem Mann aus ebendiesem Land zusammenlebe?

Von Kopenhagen ging es fast direkt weiter nach Stockholm. In der schwedischen Metro-pole blieben wir einen Tag und genossen ein wenig das Treiben in der Stadt. Über Nacht fuhren wir dann mit dem Zug weiter nach Luleå. Hier nahmen wir an einem Fünf-Tage-OL teil, meinem zweiten nach 1979, als wir mit den Eltern in Schweden gewesen waren. Nach der letzten Etappe ging die Reise weiter nach Finnland. Auch dort verschrieben wir uns voll und ganz dem Orientierungslaufen.

In beiden Ländern begeisterten mich vor allem die Wälder. Die Ruhe und die unberührte Natur zogen mich in ihren Bann. In Finnland hatten wir auch Zeit für uns, gingen wandern oder badeten an einem der zahlreichen Seen. In Haukipudas, einem Dorf irgendwo in dieser weiten Landschaft, nahmen wir an einem kleineren OL teil. Dieser ist mir in sehr guter Erinnerung geblieben, weil die Organisatoren uns jungen Schweizern das Leben so angenehm wie möglich machten. Wir durften in einem Schulhaus übernachten, wurden mit einem grossen Car herumchauffiert und am Wettkampftag wurden wir mit einer extra für uns aufgetriebenen Schweizerfahne begrüsst.

Die Begrüssung mit der Fahne durfte ich dann auch viele Jahre später in Norwegen erleben. Sind wir Schweizer auch so gastfreundlich? Nicht so gut gefielen mir in Finnland die wenigen Städte, die wir besuchten. Vor allem in Oulu fiel mir auf, dass vorwiegend ältere Menschen auf den Plätzen um Geld bettelten und grosse Mengen leerer Alkoholflaschen um sie verstreut lagen. Finnland in den Achtzigern war noch kein Sozialstaat. Viele pensionierte ältere Menschen konnten von der mageren Rente nicht leben und vergammelten auf den Strassen. Das war ein trauriger Anblick und hat sich gottlob geändert.

Nach Finnland ging es via Schweden endlich nach Norwegen. Diese erste Reise in die Gegend des Polarkreises ist mir noch sehr präsent. Wir waren zwar nicht in den Bergen, aber Bäume hatte es trotzdem keine. Solche Gegenden hatte ich bis dahin noch nie gesehen und war beeindruckt. Bemerkenswert fand ich auch, dass man mitten im Sommer in Stadtnähe noch Schnee sehen konnte. Die Hänge rund um Narvik waren noch richtig weiss. An unsere einzige Nacht in der Stadt kann ich mich speziell gut erinnern, denn ich fror unheimlich. Ich hatte alle meine Kleider angezogen, aber Wärme verspürte ich keine. Mein Freund und ich wanderten die halbe Nacht in der Gegend herum. Dunkel war es ja um diese Zeit nicht, nur furchtbar kalt. So gefroren habe ich seither in Norwegen nie mehr.

Von Narvik aus fuhren wir mit der Hurtigrute, dem norwegischen Postlinienschiff, nach Svolvær auf die Lofoten. Diese Inseln bezauberten mich auf der Stelle und ich schwor mir, irgendwann wieder dorthin zurückzukehren. Wer jemals auf den Lofoten gewesen ist, wird immer wieder dorthin wollen. Die Natur, die man dort erleben kann, ist einmalig. Für mich war es Liebe auf den ersten Blick. In der Schweiz haben wir zwar fantastische Berge mit herrlicher Aussicht auf weitere Berge. Auf den Lofoten aber sind die Berge nicht so hoch, aber die Aussicht ist magisch. Erblickt man in der einen Richtung auch Berge, so sieht man in anderer Richtung das Meer und unzählige Inseln vor sich. Dieser Kontrast ist unglaublich schön und einzigartig.

Von den Lofoten aus ging es via Bodø nach Oslo und noch einmal an einen kleineren Orientierungslauf. Oslo selber habe ich damals gar nicht richtig gesehen. Auch diese Stadt, so nahm ich mir damals fest vor, wollte ich noch einmal besuchen.

Für mich junge Frau war diese Reise ein tiefergehendes Erlebnis, war ich doch zum ersten Mal ohne Eltern unterwegs und hatte ich auch zum ersten Mal so etwas wie Liebe zu einem anderen Land empfunden. Norwegen hatte sich ganz tief in mein Herz gebrannt. Und wenn ich auch die Jahre danach für lange Zeit nicht mehr in dieses Land kam, so brannte die Liebe ununterbrochen weiter und brauchte nur eines Tages wieder an die Oberfläche meines Bewusstseins zu dringen.

Danach und davor

Mit zwanzig hatte ich die Matura in der Tasche und dachte zum ersten Mal, dass mir nun die Welt zu Füssen liegt. Doch was tun, mit dieser Welt? Unter den Füssen lassen? Unter die Füsse nehmen?

Ich wagte mich vorerst noch nicht sehr weit. Genau genommen wagte ich mich nirgendwo hin und blieb in Graubünden. In Chur machte ich ein Bankpraktikum und lernte dort Rosmarie kennen. Sie wurde eine meiner besten Freundinnen. Mit ihr hatte ich dann plötzlich die Idee: Wir fahren gemeinsam für drei Monate nach Norwegen. Meine Liebe zu diesem Land war auf meine Freundin übergeschwappt, denn wir begannen intensiv Pläne zu schmieden. Da wir zur damaligen Zeit weder Internet noch Handy hatten, mussten wir uns anderer Mittel für die Reisevorbereitung bedienen. So erkundigten wir uns telefonisch oder brieflich bei verschiedenen Organisationen nach Möglichkeiten, in Norwegen leben und arbeiten zu können. Das war für uns beide von vornherein klar. Wir wollten nicht einfach drei Monate in Norwegen herumreisen und Touristen sein. Wir wollten das Land und vor allem dessen Bewohner richtig kennenlernen.

Dies konnten wir unserer Meinung nach nur, wenn wir mit ihnen lebten und arbeiteten. Am Schluss unserer Recherchen hatten wir zwei Möglichkeiten zur Auswahl. Bei der ersten Variante hätten wir für drei Monate auf einem norwegischen Fischkutter mitfahren und uns mit dem Abschaben und Ausnehmen der toten Fische beschäftigen können. Der Gedanke an tote Fische mit starren Augen schreckte uns beide ab. Wir liessen es bleiben.

Bei der zweiten Variante konnten wir auf einem norwegischen Bauernhof leben und bei der Sommerarbeit mithelfen. Das tönte gut und Rosmarie machte sich daran, Näheres über die Bedingungen in Erfahrung zu bringen. Irgendwie merkte ich aber plötzlich, dass ich kalte Füsse bekam. Auf jeden Fall begann ich zu grübeln und nachzudenken, während Rosmarie lieber gestern als morgen in das Land meiner Träume wollte. Um es kurz zu machen: Ich zog den Schwanz ein und war zu feige, der Heimat für lumpige drei Monate den Rücken zu kehren und die Freiheit in Norwegen zu geniessen. Meine Freundin war ziemlich enttäuscht von mir und meinem Rückzug, sagte mir dies allerdings erst viele Jahre später. Sie flog schliesslich allein für drei Monate nach England und ich begrub meinen Traum von einem Norwegenaufenthalt irgendwo tief in mir drin.

Träume sind lange nur Schäume

Das Leben nahm seinen Lauf, ich zügelte zusammen mit meinem Freund nach Bern in die erste eigene Wohnung. Den Bündner Freund hatte ich mittlerweile gegen einen Berner ausgetauscht. Orientierungsläufer war auch er. Statt zu studieren, wie ich dies eigentlich geträumt hatte, begann ich bei einer Bank zu arbeiten. Ich kann es heute sagen, glücklich war ich dabei nicht. Aber mir war die Unabhängigkeit von den Eltern damals wichtiger als eine anständige Ausbildung. Viel verdiente ich nicht und da mein Freund studierte, war das Geld für uns beide immer knapp. So fand ich es besser, erst gar keine Träume mehr entstehen zu lassen oder hervorzukramen.

Doch irgendwann klopfte der Name Norwegen wieder an. Aus welchem Grund auch immer, ich hörte das Klopfen und versuchte, wenigstens ein bisschen in die Nähe des so weit entfernten Landes zu rücken. Nachdem ich meine Ersparnisse gezählt hatte, entschied ich, dass diese reichen mussten, um mir wenigstens einen Norwegisch-Kurs zu finanzieren. Das war zwar nicht die ersehnte Reise, aber immerhin konnte ich so die Sprache und auch ein wenig die Kultur des Landes kennenlernen. Mein Bruder, der damals in Zürich studierte, leistete sich übrigens auch den Unterricht in einer skandinavischen Sprache. Er ging in den Schwedisch-Unterricht. Allerdings liess er es nicht bei heimlichen Träumen für sein Lieblingsland bewenden, sondern arbeitete zielstrebig auf einen mehrjährigen Aufenthalt in Stockholm hin.

Für mich war der Besuch des Norwegisch-Unterrichts ein Genuss. Meine Lehrerin hiess Ragnhild Guyot und war eine waschechte Norwegerin, die in Bern lebte. Natürlich, weil sie einen Berner geheiratet hatte. Wir waren eine kleine Gruppe von Anfängern, alle hatten ihre Gründe, diesen Kurs zu besuchen. Ein älteres Ehepaar war dabei, weil der Sohn eine Norwegerin geheiratet hatte und die beiden sich wünschten, mit den Enkelkindern besser sprechen zu können. Sohn und Schwiegertochter lebten in Norwegen.

Ein anderer Teilnehmer wollte irgendwann einmal auswandern. Eine Teilnehmerin kannte ich schon von früher, sie war eine OL-Kollegin, welche die Sprache aus purer Neugierde lernen wollte. Und dann ich. Meine Beweggründe waren schon etwas schwieriger zu erklären. Ich liebte ein Land, das ich eigentlich gar nicht kannte und ich wollte die Sprache lernen, um diesem Land etwas näher zu sein. Irgendwie speziell, aber es machte Spass.

Nach dem ersten Abend, an welchem wir uns im Begrüssen geübt hatten, ging ich freudestrahlend zu meiner Arbeitskollegin Susanne und fragte: „Hva heter du?“. Anstatt uns dann mit langweiligen Briefen oder Geldzählen zu beschäftigen, vergnügten wir uns damit, uns gegenseitig die ersten Sätze aus meinem neuen Norwegisch-Textbuch vorzulesen und uns abzufragen. Noch lange nach dieser ersten Lektion begrüssten wir uns auf Norwegisch mit der Frage: „Wie heisst du?“.

Ich war etwa ein Jahr lang Teilnehmerin des Norwegisch-Kurses, als ich zum ersten Mal schwanger wurde. Die Schwangerschaft hindurch ging ich weiter in den Kurs und lernte immer mehr von dieser Sprache. Für mich war es auch nicht besonders schwierig, sie zu lernen. Von meinem Vater erhielt ich einen seiner wenigen norwegischen Romane, der „Kampen mot havet“ hiess. Gelesen habe ich ihn allerdings nie ganz. Ich glaube, er ist in altem Norwegisch, vielleicht gar in Nynorsk geschrieben. Irgendwo im Keller wird dieses Buch noch liegen und irgendwann werde ich es auch lesen.

Sommerferien in Norwegen

1990 verbrachten wir uns unsere Sommerferien endlich wieder in Norwegen. Sie führten uns genau dorthin, wo ich schlussendlich viele Jahr später für meine Auszeit landen sollte – in die Nähe von Vikersund. Als wir die Reiseroute besprachen, war dieser Ort nur ein Name unter vielen. Mein damaliger Mann und ich wollten mit unserem einjährigen Sohn Thomas einen Teil Norwegens mit dem Camper bereisen. Natürlich musste auch ein wenig Orientierungslauf drin liegen. Zwei unserer OL-Freunde aus Bern kamen mit.

Mein Mann, mein Sohn und ich flogen nach Oslo und mieteten uns am Flughafen den Camper. Markus und Nicole, unsere beiden Freunde, fuhren mit dem Auto nach Norwegen. Für uns war die Reise sehr bequem und kurz. Markus und Nicole hatten eine lange Fahrt durch ganz Deutschland, Dänemark und der schwedischen Küste entlang vor sich.

Wir flogen von Zürich nach Oslo Fornebu, damals gab es nur diesen einen Flughafen. Den Camper konnten wir in der Nähe des Flughafens abholen. Der Flug war sehr angenehm, Thomas verschlief ihn komplett und wachte erst beim Landeanflug wieder auf. Dafür erhielt er tolle Plastikflugzeuge zum Spielen mit dem SAS-Signet drauf.

Was wir bei der Ferienvorbereitung zu wenig beachtet hatten, war die Ausstattung des Campers. Hätten wir uns etwas eingehender mit Mietcampingwagen auseinandergesetzt, hätten wir gewusst, dass diese Fahrzeuge so gut wie leer waren. So kam es, dass wir die erste Nacht ohne jeglichen Schlafkomfort, also ohne Schlafsäcke oder Decken verbringen mussten. Diese hatten wir Nicole und Markus mitgegeben, um Fluggepäck zu sparen. Der einzige, der nicht unter der Kälte oder der harten Unterlage litt, war Thomas. Für ihn hatte ich eine Daunendecke mitgenommen, die er gut brauchen konnten. Thomas schlief also sehr gut in der ersten Nacht, trotz der ungewohnten Umgebung. Wir zwei Grossen hatten hingegen mit der Kälte zu kämpfen. Aber wir überlebten es und für mich war es ja nicht das erste Mal.

Mit dem neuen, für uns ungewohnt grossen Auto fuhren wir am nächsten Tag fast direkt nach Lillehammer. Logischerweise war damals noch nichts von Olympia zu spüren und so konnten wir die hübsche Kleinstadt ohne grossen Rummel geniessen. Mir gefielen die vielen rot-weissen Häuser und die Trolle auf Anhieb. Von beidem gab es eine ganze Menge.

Etwas ausserhalb von Lillehammer, quasi am nördlichen Ende liegt das Dörfchen Fåberg. Dieses Dörfchen hat einen Bahnhof und genau dort, punkt 17 Uhr, hatten wir uns mit Nicole und Markus verabredet. Da es im Jahr 1990 noch keine Handys für Normalsterbliche gab, waren der vereinbarte Zeitpunkt und Ort eine spezielle Sache. Wir waren uns nicht sicher, ob alles klappen würde. Seit der Abfahrt der beiden in Bern hatten wir nichts mehr von den beiden gehört. Sie waren mittlerweile schon eine Woche unterwegs.

Wir waren etwas zu früh dort und ich nutzte die Gelegenheit, meine Norwegisch Kenntnisse beim Bahnhofwärter-Ehepaar auszuprobieren. Es klappte wunderbar, die beiden Leute hätten uns wohl am liebsten gleich zu sich eingeladen. Vor allem die Frau war begeistert darüber, dass eine Schweizerin unbedingt Norwegisch lernen wollte. Das war offenbar selten. Die Begeisterung der Norweger über Menschen, die norwegisch lernen, hält bis heute an.

Obwohl wir leichte Zweifel hatten, dass wir an diesem einsamen Bahnhof unsere Freunde pünktlich treffen würden, klappte alles wunderbar. Exakt um fünf Uhr abends näherte sich ein Auto mit Berner Kennzeichen. Wir begrüssten Nicole und Markus, als ob es die grösste Selbstverständlichkeit wäre, irgendwo in einem Dorf in Norwegen andere Berner zu treffen. Die Vorfreude auf die gemeinsame Reise war gross.

Noch am gleichen Abend fuhren wir weiter und rund 13 Kilometer östlich von Lillehammer, in Mesnalien, schlugen wir unser erstes gemeinsames Zeltlager auf. Doch von Zelt war nicht die Rede, denn Nicole und Markus fanden unseren Camper bequemer als ihr kleines Zelt. Kurzerhand beschlossen sie, auf den Sitzbänken zu schlafen, welche man durchs Hinunterklappen zu schmalen Betten machen konnte. Das Zelt wurde in der nächsten Zeit nie aufgestellt.

Doch bevor wir zum gemütlichen, sprich kulinarischen Teil übergehen konnten, wurde ich als Vorhut zu den Bauersleuten geschickt. Ich musste nachfragen, ob wir auf ihrem Boden übernachten durften. Wir durften und es half vermutlich, dass ich meine Bitte in holprigem Norwegisch vortrug. Unser Nachtlager war direkt an einem See, schöner hätte es für den Anfang nicht sein können.

Die nächsten Tage waren Ferien pur. Wir genossen die wunderbare Landschaft rund um Lillehammer in vollen Zügen, gingen auf Wanderschaft, besuchten ein Freilichtmuseum und füllten die Mägen mit selber gepflückten Heidelbeeren. Auch Baden in den zahlreichen kleinen Seen war ein Muss. Thomas mit seinen damals strohblonden Haaren wurde öfters von Leuten für einen Norwegerjungen gehalten. Mich machten diese Bemerkungen immer ein wenig stolz. Das war ja schon fast so, als wäre ich selber ein bisschen eine Norwegerin.

Enger, Jevnaker, Hønefoss waren die Orte, die wir besuchten. Sie liegen allesamt in Gegenden, die mir später im 2011 zu einer wirklichen Heimat geworden sind. Daran dachte ich anfangs der Neunzigerjahre allerdings noch lange nicht. Schliesslich hatte die Familienplanung erst gerade angefangen. Während diesen Tagen erzählte ich Nicole im Vertrauen, dass ich mit dem zweiten Kind, mit Tochter Sereina, schwanger war.

Zum ersten Mal in Vikersund

In der Nähe von Vikersund nahmen wir am einzigen Orientierungslauf dieser Ferien teil. Es war ein Zwei-Tage OL, welcher von „Modum O-Lag“ organisiert wurde. Ein sympathischer Anlass, den ich sehr genoss. Es gab nicht viele Teilnehmer und die Infrastruktur war eher einfach. Aber der Wald war ein Traum, echt norwegisch, wie man ihn sich besser nicht vorstellen kann.

Dort hatte es alles, was das Herz eines OL-Läufers begehrt: Sümpfe, Steine, Bäche, moosbewachsene Hügel, Heidelbeersträucher, Mulden und Täler, Löcher und Senken. Ich lief einen sehr guten ersten Lauf und konnte unterwegs gar die vor mir gestartete Nicole einholen. Da wir uns mitten im Wald getroffen hatten, liefen wir den Rest der Strecke zusammen. Genau diesen Wald sollte ich dann während meiner Auszeit noch mehr geniessen. Er grenzt direkt an das kleine Haus, welches ich viele Jahre später zwei Monate lang bewohnen durfte. Manchmal sind die Zufälle schon gewaltig.

Thomas gaben wir während des Wettkampfes in den Kinderhort, den der organisierende Club anbot. Zwar verstanden die Betreuerinnen nicht, was er jeweils sagte und er nicht, was sie meinten, aber irgendwie fanden sie doch zueinander. Als ich meinen Sohn abholte, spielte er friedlich mit einem norwegischen Mädchen. Allerdings wurde er kurz darauf von einer Wespe gestochen und was die Sanitäterin dann zu ihm sagte, war ihm völlig Wurst. Er schrie nur wild drauflos.

Die zweite Etappe liess ich aufgrund leichter Bauchschmerzen aus. Es war noch so früh in meiner Schwangerschaft, dass ich nichts riskieren wollte. Stattdessen versprach ich den anderen dreien, im Zieleinlauf zu warten und sie noch ein letztes Mal anzuspornen.

Dieses Warten war für mich noch einmal ein besonderes Erlebnis. Gleich neben dem letzten Posten hatte eine Familie ihren Sonntags-Kaffeetisch aufgestellt. Es waren einige Leute versammelt, von der Grossmutter bis zu den kleinen Enkelkindern waren alle dabei. Als ich mit Thomas in der Nähe herumstand, kam eine der Frauen auf mich zu und fragte mich – natürlich auf Norwegisch –, ob ich nicht Lust hätte, mit ihnen Kaffee zu trinken und Kuchen zu essen.

Ich sagte erfreut zu und erlebte dort wieder einmal, wie schnell man in Norwegen aufgenommen wird, wenn man schon nur versucht, die gleiche Sprache zu sprechen. Die Familie war hell begeistert über meine Norwegisch-Kenntnisse und bombardierte mich richtiggehend mit Fragen. So gut es ging gab ich Antwort. Thomas wurde von der Kinderschar betreut, ass jede Menge Kuchen und war zufrieden. Die Augen meiner drei Mitreisenden, völlig müde vom Lauf, wurden riesig, als sie mich friedlich beim Kaffeetrinken sahen. Alle drei waren wohl ein wenig neidisch auf mich und meine Plauder-Stunden.

Nach diesem kurzen Abstecher ging es bereits wieder zurück Richtung Oslo. Wir hatten in Høvik, einem Aussenquartier von Oslo, ein Zimmer reserviert und wollten die Tage bis zur Abreise von Nicole und Markus gemeinsam in Norwegens Hauptstadt verbringen. Den Camper hatten wir schon zurückgebracht, den benötigten wir nicht mehr.

Denn nun ging es in Markus Auto auf Entdeckungstour. Dabei durfte selbstverständlich ein Besuch beim Holmenkollen nicht fehlen. Der Anblick des gewaltigen Schanzentischs war beeindruckend. Die Landefläche war ein grosser See, in welchem im Sommer gebadet wurde. Unvorstellbar, dass jemand freiwillig von dieser Höhe mit den Skiern hinunterfahren und auch noch hinunterspringen konnte.

Meine drei Begleiter entschlossen sich, mit dem Lift die Sprungschanze hochzufahren und von dort die Aussicht zu geniessen. Ich blieb mit Thomas lieber auf dem Boden. Als Ausrede gab ich an, dass Thomas in luftiger Höhe grosse Angst habe. Wir zwei genossen das Herumspazieren rund um den See und das Betrachten der Elche und Trolle im Souvenirshop.

Nicht fehlen durfte ein Besuch der Museumsinsel Bygdøy und von Oslos Innenstadt. Hier besuchten wir den Vigelandpark, das Rathaus, Aker Brygge und flanierten durch die Karl-Johans-Gate. Diese Stadt war mir sofort sehr lieb geworden und ich sog die Atmosphäre mit allen Sinnen ein.

Nicole und Markus machten sich nach diesen Sightseeing-Tagen mit dem Auto auf die Heimfahrt. Wir drei Verbleibenden erkundeten während den nächsten Tagen Oslos Umgebung mit der Strassenbahn. So fuhren wir an einem Tag zum Sognsvann zum Baden. Auch diesen See besuchte ich während meiner späteren Auszeit wieder und schwelgte in Erinnerungen.

Wir schliefen in Unterkünften der Universität. Leere Studentenzimmer wurden günstig an Touristen vermietet. Zu dritt ging es noch einmal auf die Museumsinsel, diesmal in das Freilichtmuseum, welches wir beim ersten Besuch ausgelassen hatten. Hier wurde das einfache Leben der norwegischen Landbevölkerung auf authentische Weise nachgestellt. Dabei fühlte ich mich in eine andere Welt versetzt und wünschte mir, auch irgendwann so oder ähnlich leben zu dürfen. Die Einfachheit der Häuser und des damaligen Lebens haben mich schon immer fasziniert.

Anfangs August flogen wir wieder in die Schweiz zurück und ich wusste, dass ich mein Herz definitiv an Norwegen verloren hatte. Es ging allerdings sehr, sehr lange, bis ich das Land wieder einmal besuchen durfte – ganze vierzehn Jahre.

Noch ein OL im Land der Seen und Wälder

Im Februar 1991 wurde ich Mutter von Sereina und zwei Jahre später im April kam Florian dazu. Mit drei Kindern, einem grossen Garten und dem Haushalt für fünf Personen hatte ich genug zu tun und keine Zeit, irgendwelchen Norwegenträumen nachzuhängen. Da ich gemeinsam mit den Kindern in die Welt von Astrid Lindgren eintauchen durfte, war mir damals Schweden fast ein wenig näher. Natürlich meine ich das Schweden anfangs des zwanzigsten Jahrhunderts. Es gefiel mir, von den Bauern zu lesen, ich fühlte mit den Kindern von Bullerbü mit und litt gemeinsam mit Michel im Holzschuppen. Immer wieder tauchten Astrid Lindgrens Geschichten in meinem Leben auf. Die Kinder waren gottlob hell begeistert, wenn ich wieder ein neues Buch nach Hause brachte und vorlas.

Oft buk ich vorher die typisch schwedischen „Kanelbullar“, Zimtwecken, nach einem Rezept, welches mir eine gute Freundin aus Schweden gegeben hatte. Meine Kinder wuchsen gemeinsam mit Madita, Lisa von Bullerbü, Pippi Langstrumpf, Ronja Räubertochter und den vielen anderen sympathischen Figuren Lindgrens auf. Was ich mir einmal leistete, war ein gemeinsamer Besuch in Vimmerby, dem Geburtsort der schwedischen Kinderbuchautorin, sowie einen Besuch im Junibacken, einem wunderschönen „Museum“ in Stockholm, wo man in Gondeln schwebend auf alle Lindgren Figuren hinunterschauen kann.

In Vimmerby war ich mit den Kindern. Noch heute, viele Jahre später ist uns dieser Tag in wunderbarer Erinnerung geblieben. Im Junibacken war ich einige Jahre später ohne Kinder, das war ein wenig speziell, denn ich wette, ich war die einzige kinderlose Person an diesem Nachmittag. Ob es mir etwas ausmachte? Natürlich nicht!

Auf nach Schweden