Notärztin Andrea Bergen 1467 - Marina Anders - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1467 E-Book

Marina Anders

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Seit dem Tag seiner Geburt kämpft Emil gegen den Krebs in seinem Körper und darum, (noch) nicht in den Himmel zu kommen. Mehr als einmal stand sein Leben auf der Kippe.
Jetzt ist er drei Jahre, und wieder steht eine große, äußerst riskante Operation bevor, weil der Tumor in seinem Kopf gewachsen ist.
Anschließend muss Emil eine mehrwöchige Chemotherapie und Bestrahlungen über sich ergehen lassen. Doch während der Kleine sich auch jetzt nicht unterkriegen lässt und alle mit seinem Lebensmut verblüfft, bricht seine Mutter zusammen ...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 132

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Du kleine große Kämpferseele!

Vorschau

Impressum

Du kleine große Kämpferseele!

Emil, die »kleine große Kämpferseele«, ist uns allen am Elisabeth-Krankenhaus fest ans Herz gewachsen. Seit seiner Geburt kämpft der Kleine tapfer gegen seinen Hirntumor an und lässt sich durch keinen Rückschlag unterkriegen. Mit seinem Motto »Ich schaff' das schon« hat er schon die düstersten Prognosen Lügen gestraft und macht den anderen kleinen Patienten auf der Krebsstation immer wieder Mut.

Leider scheint Emil diesmal nicht recht zu behalten, denn sein Tumor hat sich inzwischen weit ausgebreitet und bedroht wichtige Hirnareale! Deshalb will unsere Neurochirurgin Linda Behnke nun doch die gefährliche Operation wagen, denn sie ist Emils einzige Überlebenschance! Aber Emils Mutter verweigert ihre Zustimmung zu diesem Eingriff und ist durch kein noch so gutes Wort zur Einsicht zu bringen. Dabei läuft Emil die Zeit davon!

Meine letzte Hoffnung ist jetzt sein Vater, der sich irgendwo in Nordafrika aufhält. Wenn ich ihn doch nur erreichen könnte!

»Mami, da ist ein Licht im Friedwald.« Wie aus weiter Ferne drang Emils dünnes Stimmchen in Marissas Bewusstsein. Seufzend tauchte sie aus dem Schlaf auf. Warum war es auf einmal so kalt im Zimmer?

Dann sah sie, dass das Fenster offen stand. Emil musste es geöffnet haben, das tat er gern. Schattenhaft zeichnete sich seine kleine Gestalt gegen den sternenübersäten Nachthimmel ab.

Sofort war Marissa Andresen hellwach. Sie knipste das Licht an und lief zum Fenster. Dort kniete Emil auf der Spielzeugtruhe und blickte hinüber zum Friedwald, der sich hinter ihrem Haus erstreckte.

Marissa hob ihn herunter und drückte ihn an sich. »Emil, Liebling, du darfst nicht am offenen Fenster stehen! Sonst erkältest du dich, und das darf nicht passieren.« Rasch schloss sie es wieder.

Emil kuschelte sich an sie. »Warum darf ich mich nicht erkälten, Mami?«

Was sollte sie antworten? Weil du ein todkranker kleiner Kerl bist, dessen Leben jeden Tag auf der Kippe steht?

»Niemand mag Erkältungen, die sind lästig«, erklärte sie. »Da hat man Husten und Schnupfen und fühlt sich ganz scheußlich.«

»Ich fühl mich auch ganz scheußlich. Werde ich im Friedwald begraben?«

Marissa schluckte den aufsteigenden Kloß in ihrem Hals hinunter. Es fiel ihr schwer, solche Fragen zu beantworten, aber sie wollte auch realistisch bleiben. »Ganz bestimmt«, erwiderte sie, denn darüber hatten sie bereits gesprochen.

Emil wusste, dass im Wurzelwerk der Bäume die Asche von Verstorbenen ruhte. Er liebte den Friedwald mit seinen Ruhebänken, den bemoosten Steinen und den Tieren, die in den Bäumen wohnten.

»Bei dem schönen großen Engel?«, fragte er. Das war der große geschnitzte Holzengel am Andachtsplatz.

»Ganz in der Nähe, mein Schatz. Aber sag mal, warum fühlst du dich scheußlich?« Marissas Stimme schwankte vor Angst. Wenn Emil sich scheußlich fühlte, stimmte etwas nicht.

Der Kleine gähnte. »Weiß nicht«, war seine verschlafene Antwort. »Alles ist komisch.«

Damit konnte Marissa nicht viel anfangen. Kranke Kinder fühlten sich oft nicht gut. »Vielleicht hast du nur schlecht geträumt«, meinte sie und gab ihm zum Trost einen Kuss.

»Das Licht«, erinnerte Emil sie. »Da ist ein Licht im Friedwald.«

Auch Marissa konnte jetzt den schwachen Lichtschein erkennen, der zwischen den Bäumen umhergeisterte, vermutlich von einer Taschenlampe. Jemand, der einen lieben Menschen verloren hatte, konnte nicht schlafen. Eine verzweifelte Mutter vielleicht?

Ein leichter Schauer durchlief ihren Körper. Der dunkle Friedwald mit dem umherwandernden Licht kam ihr jetzt beinahe etwas unheimlich vor. Mit einem Ruck zog sie die Vorhänge zu. »Komm, mein Schatz, gehen wir wieder ins Bett und schlafen weiter.«

Marissa trug den Kleinen zurück in sein Bett und deckte ihn zu. Ein letztes Küsschen noch, dann legte sie sich in das andere Bett und löschte das Licht. Seit Emils Krankheit schlief sie im Kinderzimmer, um sofort zur Stelle zu sein, falls er Hilfe brauchte.

Die Angst um Emil ließ sie nicht los und hinderte sie daran, wieder einzuschlafen. Warum fühlte er sich scheußlich? Von Schmerzen hatte er nichts gesagt. Er schien auch kein Fieber zu haben.

Auf dem Flur waren Geräusche zu hören. Im nächsten Moment ging die Tür auf, und ein Lichtstrahl fiel ins Zimmer.

»Alles in Ordnung?«, fragte Randolf leise.

»Ja«, flüsterte Marissa. Es verwunderte sie, dass ihr Mann nach ihnen sah. Vielleicht war er auf der Toilette gewesen und hatte ihre Stimmen gehört. Natürlich machte auch er sich Sorgen um ihren kranken Sohn, für den es keine dauerhafte Heilung gab. Aber er kümmerte sich ihrer Meinung nach nicht genug um ihn. Stattdessen flüchtete er sich in seine Arbeit und überließ es ihr, mit allen Problemen fertig zu werden.

Die Tür wurde leise ins Schloss gedrückt, das Zimmer lag wieder im Dunkeln. Einen Moment später hörte Marissa die Schlafzimmertür gehen.

Ein quälendes Gefühl der Einsamkeit überfiel sie. Angst stieg in ihr auf und wollte ihr die Luft zum Atmen nehmen. Marissa spürte, wie ihr der Schweiß ausbrach. Ihr Herz begann zu rasen, und sie fing zu zittern an. Nein, sie wollte nicht wieder einschlafen! Dann würde sie nur wieder Albträume haben.

»Randolf«, hörte sie sich flüstern. Sie sehnte sich so sehr nach ihm, konnte ohne ihn nicht leben. Er dagegen schien ohne sie bestens auszukommen. Musste er beruflich wirklich so viel unterwegs sein? Oder war es eher eine Flucht vor ihr und dem kranken Kind? Diese Fragen gingen ihr beinahe täglich durch den Sinn.

Hella, seine Mutter, schien ihn noch zu unterstützen. Zumindest kam es Marissa so vor. Hella hatte damals auch eine andere Frau für ihren Sohn im Sinn gehabt – Luisa, ihre rechte Hand in der exklusiven Parfümerie, die sie in der Fußgängerzone besaß. Als Randolf sich für Marissa entschieden hatte, war Hella maßlos enttäuscht gewesen.

Marissa dagegen hatte sich als die glücklichste Frau unter der Sonne gefühlt, als Randolf und sie in einer romantischen Bergkapelle in Tirol geheiratet hatten. Doch was war inzwischen aus ihrem Glück geworden? Ein Trümmerhaufen.

Sie hätte etwas darum gegeben, wenn sie das Glück von damals noch einmal hätte erleben dürfen. Doch Glück konnte man nicht erzwingen. Man konnte sich nur der Illusion von Glück hingeben.

Die wenigen positiven Dinge in ihrem Leben waren mehr oder weniger nur Illusion. Aber es tat gut, sich für kurze Zeit in einer Art Rausch zu befinden, auch wenn man hinterher wieder in einen tiefen Abgrund stürzte.

Von Emils Bett kamen gleichmäßige Atemzüge. Der Kleine war wieder eingeschlafen. Marissa dagegen konnte keinen Schlaf finden. Zu viele Gedanken gingen ihr durch den Kopf, zu viele sehnsüchtige Gefühle zogen durch ihre Brust.

Leise stand sie wieder auf und zog ihr Nachthemd aus. Sie sehnte sich nach Randolf, sie brauchte ihn. In einem Zustand glücklicher Erregung verließ sie das Kinderzimmer und schlüpfte ins Schlafzimmer, das sie vor Emils Krankheit mit Randolf geteilt hatte.

Leise Schnarchtöne empfingen sie. Marissas Herz klopfte stürmisch, als sie zu Randolf unter die Decke schlüpfte.

Wie wundervoll sich sein warmer Körper anfühlte! Marissa schlang ihre Arme um ihn und schmiegte sich sehnsüchtig an ihn.

Das Schnarchen verstummten. Unwillkürlich hielt Marissa den Atem an. Wie würde Randolf auf ihren nächtlichen Besuch reagieren? Sie seufzte glücklich, als sie seine zärtlichen Hände auf ihrem Körper spürte. Randolf ließ ein raues Stöhnen hören, bevor er mit seinen Lippen ihren Mund suchte.

Marissa klammerte sich an ihn. Sie brauchte ihn. Er hatte sie betrogen, doch sie liebte ihn.

***

Am nächsten Morgen war Marissa es, die sich scheußlich fühlte. Dabei hatte sie nicht den geringsten Grund dazu. Es war zwar eine kurze, jedoch glückliche Nacht gewesen, die sie in Randolfs Armen verbracht hatte.

Die Erinnerung daran zauberte ein Lächeln auf ihr schmal gewordenes Gesicht. Doch schon einen Moment später brach sie in Tränen aus. Die glückliche Nacht war im Grunde nur eine Illusion gewesen. Glück als Dauerzustand würde sich zwischen ihr und Randolf nicht mehr einstellen. Eine tiefe Niedergeschlagenheit überkam sie. Wie wundervoll wäre es, immer glücklich sein zu können, auch wenn es nur eine Illusion war!

Nach ihrer so selten gewordenen Liebesnacht hatte sich Randolf am nächsten Morgen ihr gegenüber nicht anders verhalten als sonst auch. Er hatte sich freundlich-distanziert gegeben, hatte nur wenig mit ihr gesprochen und Emil mehr Aufmerksamkeit geschenkt als ihr.

Letzteres war für Marissa auch völlig in Ordnung. Der Kleine hatte sowieso nicht viel von seinem Vater. Er hing so sehr an ihm. Feierlich hatte Emil ihm versprochen, tapfer weiter gegen seine Krankheit anzukämpfen, damit er noch nicht in den Himmel musste, sondern noch eine Weile auf der Erde bleiben durfte. Denn sein Papa war beruflich oft im Ausland.

Marissa schluchzte auf. Warum hatte das Schicksal so grausam zuschlagen müssen?

Im Gegensatz zu ihr fühlte sich Emil heute großartig. Er war ein Ritter, der mit einem Drachen kämpfte, und am Nachmittag durfte er in die Kita gehen. Da konnte er mit Gleichaltrigen spielen und neue aufregende Dinge lernen.

»Mama, machen die anderen Kinder auch manchmal in die Hose?«, fragte er plötzlich mit weinerlicher Stimme.

Marissa, die mit dem Rücken zu ihm am Herd stand, wischte sich kurz über die Augen und setzte ein Lächeln auf, bevor sie sich umdrehte.

»Das passiert anderen Kindern bestimmt auch manchmal, auch wenn sie nicht krank sind wie du«, erklärte sie Emil, wie schon so oft. »Du weißt doch, dass es bei dir anders ist, weil du nicht gesund bist wie sie.«

Emil nickte mit ernster Miene. »Weiß schon. Da ist das Ding in meinem Kopf, das nicht fortgehen will. Darum darf ich auch bald im Friedwald schlafen.«

»O nein, nicht bald!« Marissa war bemüht, ihr Lächeln beizubehalten. »Das wird sicher noch ganz lange dauern. Mama und Papa wollen dich doch behalten.«

»Ich will auch bei euch bleiben. Ganz lange.« Einen Moment lang schaute er traurig drein, dann schnitt er eine Grimasse. »Nass!«, rief er und machte Anstalten, vom Stuhl zu rutschen. »Bin wieder nass.«

Marissa legte den Kochlöffel zur Seite und war ihm beim Aufstehen behilflich. »Dann gehen wir rasch ins Bad und bringen die Sache wieder in Ordnung.«

Sie wusch ihn und zog ihm frische Sachen an. Mit einem liebevollen Klaps auf den Po schickte sie Emil wieder in die Küche und folgte ihm einen Moment später.

Marissa ließ ihn noch für eine halbe Stunde in seinem Ausmalbuch malen, dann trug sie das Mittagessen auf. Sie hatte einen bunten Nudelauflauf mit viel Käse zubereitet, wie Emil ihn liebte.

»Mhm, lecker, Mami«, rief er begeistert, als sie ihm eine Portion auf den Teller tat. »Das riecht gut.«

Angestrengt konzentrierte er sich darauf, Nudeln auf seine Gabel zu spießen und zum Mund zu führen, ohne dass sich die Käsefäden um sein Kinn und um seine Nase wickelten.

»Prima machst du das«, lobte seine Mutter ihn, und ein Strahlen lief über sein rundes, niedliches Gesicht.

Marisa nahm sich ebenfalls eine Portion und setzte sich zu ihm. Sie sah, wie Emil die Gabel aus der Hand fiel und ein paar Nudeln auf dem Boden landeten, doch sie tat so, als bemerkte sie es nicht. Wie konnte man auch mit einem kranken Kind wegen seiner neurologischen Defizite schimpfen?

Während sie aßen, überlegte Marissa, was sie an diesem freien Nachmittag alles anfangen konnte, wenn Emil in der Kita war. Normalerweise nutzte sie die Zeit, um verschiedene Dinge zu erledigen und sich einen Besuch in der Konditorei zu gönnen. Heute hatte sie jedoch zu nichts Lust. Wahrscheinlich würde sie nur die nötigsten Lebensmittel einkaufen und dann nach Hause fahren. Dann konnte sie sich mit der Vorbereitung für das Abendessen beschäftigen, bis es an der Zeit war, Emil von der Kita abzuholen.

Was sollte sie eigentlich am Abend kochen? Auch dazu verspürte sie keine große Lust. Natürlich würde Randolf wie üblich großen Hunger haben, wenn er nach Hause kam. Da wollte sie ihm auch ein leckeres Essen vorsetzen, denn es würde wieder Zeiten geben, wo er unterwegs war und Mahlzeiten mit ihm zur Seltenheit wurden.

Randolf war Ingenieurgeologe und arbeitete für eine große Baufirma, die ihn auch hin und wieder im Ausland einsetzte. Hauptsächlich war er auf Tunnelbau spezialisiert. Marissa war damals in derselben Firma als neue Projektberaterin eingestellt worden. So hatten sie und Randolf sich kennengelernt und sich schon nach kurzer Zeit unsterblich ineinander verliebt. Als sie schwanger wurde, hatten sie geheiratet.

Wie glücklich waren sie damals gewesen! Marissa hatte es nur schade gefunden, dass es ihr nicht gelungen war, sich mit Randolfs Mutter anzufreunden. Hella trat ihr nach wie vor kühl und zurückhaltend entgegen und ließ sie spüren, dass sie nicht die Schwiegertochter war, die sie sich gewünscht hatte. Die wäre Luisa gewesen, ihre bevorzugte Fachkraft in der Parfümerie und Kosmetikstudio Andresen.

Hella hatte auch kein großes Interesse an ihrem Enkelkind. Nicht nur, weil Emil behindert war und spezielle Pflege brauchte, darüber hinaus war sie viel zu beschäftigt, um Zeit für ihn zu haben. Man konnte sich die elegante Hella auch schlecht als Großmutter vorstellen, die mit ihrem Enkel spielte und Ausflüge mit ihm unternahm.

»Fertig, Mama«, riss Emil sie aus ihren Gedanken. »War ganz arg lecker.« Er strahlte zufrieden. »Und jetzt muss ich schlafen.«

»Schlafen?« Sofort war Marissa alarmiert. Warum wollte er jetzt schlafen? Ging es ihm nicht gut?

»Ich dachte, du wolltest heute in die Kita«, erinnerte sie ihn.

»Kita, okay.« Emil gähnte. »Dann geh ich eben in die Kita.«

Er wollte ohne Hilfe aufstehen, doch es klappte nicht, und er fiel zu Boden. Rasch hob Marissa ihn auf. Wehgetan hatte er sich offenbar nicht, doch um seine zusammengepressten Lippen zuckte es. Nicht vor Schmerz, sondern vor Frust, wie Marissa wusste. Sie drückte ihn an sich und gab ihm ein paar tröstende Küsschen.

Wenig später saßen sie im Auto. Auf der Fahrt zur Kita plauderte Emil munter vor sich hin. Er freute sich auf die anderen Kinder, und Marissa freute sich mit ihm. Sie war so froh, dass man in der Tagesstätte bereit gewesen war, Emil zeitweise aufzunehmen, seine Fähigkeiten zu fördern und ihm Gelegenheit zu geben, mit anderen Kindern zu spielen.

***

Nachdem Marissa ihn abgeliefert hatte, sank ihre Stimmung schlagartig auf den Nullpunkt. Nervosität und Unruhe stiegen in ihr auf, die sich zu einem bedrückenden Angstgefühl steigerten.

War es richtig, Emil für mehrere Stunden in der Kita zu lassen? Was war, wenn die Betreuerinnen nicht genügend auf ihn aufpassten? Wenn er ihnen mit seiner Tollpatschigkeit auf die Nerven ging? Wenn er wieder hinfiel?

Trotz seiner Krankheit und der damit verbundenen Behinderung war Emil ein lebhaftes Kind, das viele Ideen hatte und gern so sein wollte wie seine Spielkameraden. So klein er noch war, so verstand er aber auch, dass er krank und deshalb anders war als die anderen Kinder. Meistens machte ihm das nichts aus. Er war ungemein tapfer und immer gut drauf.

Marissa wusste, dass sie allen Grund hatte, stolz auf ihren Kleinen zu sein und sich mit ihm über alles zu freuen, was ihm Spaß machte und im Bereich seiner Möglichkeiten lag. Aber da war auch die Angst, dass es eines Tages schlagartig aus sein konnte. Die geringste Veränderung in Emils Zustand versetzte sie schon in Panik.

Randolf dagegen sah die Dinge lockerer. »Eine überbesorgte Mutter« hatte er sie erst vor Kurzem wieder genannt und ihr vorgeworfen, dass sie Emil um viel Spaß brachte, den er in seinem kurzen Leben haben könnte.

Kurzes Leben ... warum nur, warum?

Marissa brach der Schweiß aus. Angstattacken überkamen sie und drohten ihr den Verstand zu nehmen. Sie war kaum in der Lage, das Auto durch den Verkehr zu steuern.

Oh mein Gott, das halte ich nicht aus! Marissa riss sich den Sicherheitsgurt vom Leib, weil er ihr förmlich die Luft abdrückte. Mit zitternden Fingern öffnete sie alle Fenster. Ihr langes braunes Haar flatterte im kühlen Oktoberwind und nahm ihr die Sicht. Hastig strich sie es sich aus dem Gesicht und schloss die Fenster wieder.

An Einkaufen war jetzt nicht mehr zu denken. Ihr wurde alles zu viel, sie musste raus aus der Stadt. Sie wusste auch immer noch nicht, was sie kochen sollte. Aber das war jetzt nicht mehr wichtig. Wichtig war nur, dass sie auf dem schnellsten Weg nach Hause kam, raus aus dem Verkehr und weg von den vielen Menschen. Zu Hause würde sie sich am wohlsten fühlen, am sichersten.