Notärztin Andrea Bergen 1502 - Marina Anders - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1502 E-Book

Marina Anders

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Beschreibung

So bald wie möglich CEO werden! Ganz an der Spitze der Firmenhierarchie stehen! Für seinen Traum, Karriere zu machen, tut Jan Kaplansky alles: Arbeitstage, die kein Ende finden, Besprechungs-Marathons und ausgefallene oder ungesunde Mahlzeiten! Vom ständigen Schlafmangel ganz zu schweigen! Alle guten Ratschläge, auf seine Gesundheit mehr Rücksicht zu nehmen, schlägt Jan in den Wind! Das ändert sich auch nicht, als er sich in die bezaubernde Neurochirurgin Dr. Astrid Wenger verliebt. Die junge Ärztin macht sich allergrößte Sorgen um Jan - zu Recht, wie sich bald zeigen wird. Denn nach einem dramatischen Treppensturz wird Jan ins Krankenhaus eingeliefert. Schon lange leidet er an rätselhaften Ohnmachtsanfällen, die er aller Welt verheimlicht hat! Die anschließende Untersuchung bringt zutage: Wenn Jan überleben will, muss er seinen Lebensstil von Grund auf ändern und seine Karrierepläne aufgeben! Doch dazu ist er nicht bereit - und riskiert die Katastrophe ...

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Inhalt

Cover

Plötzliches Karriereende?

Vorschau

Impressum

Plötzliches Karriereende?

Nachdem für meine Kollegin Astrid ein kleines Wunder geschehen war und sie den Fremden, in den sie sich verliebt hatte, hier in der Klinik »wiedergefunden« hatte, scheint sie ihn nun schon wieder verloren zu haben! In ihrer Funktion als Neurochirurgin hat sie Jan Kaplansky ans Herz gelegt, beruflich kürzerzutreten – und ist damit bei ihm auf taube Ohren gestoßen! Jan ist ein Workaholic durch und durch, und der Wunsch, ganz groß Karriere zu machen, geht ihm über alles. Dabei können seine ständigen Ohnmachtsanfälle einmal böse enden! Gestern hat Jan zornig und ohne Abschied unser Krankenhaus verlassen. Astrid weint bittere Tränen, denn sie hat große Angst um ihn ...

Und gerade ist das, was nie geschehen sollte, eingetreten: Ich wurde mit dem Rettungsteam zu einem Unfall in der Stadt gerufen: Ein Mann ist in den U-Bahn-Schacht gestürzt und kann sich nicht mehr rühren! Es ist Jan Kaplansky ...

»Du siehst wieder mal furchtbar schlecht aus, Junge«, empfing Irene Kaplansky ihren Sohn, als er zum Frühstück nach unten kam. Ihr Blick war dabei sorgenvoll auf ihren Einzigen gerichtet.

Jan drückte seiner Mutter ein Küsschen auf die Wange.

»Erst einmal einen wunderschönen guten Morgen, Muttchen«, begrüßte er sie mit gespielter Fröhlichkeit. Er wusste, dass sie nicht übertrieb. Er sah nicht nur schlecht aus, er fühlte sich auch so. Doch das wollte er auf keinen Fall zugeben. Seine Mutter machte sich ohnehin schon zu viele Sorgen um ihn.

»Du bist spät dran«, stellte sie fest. »Soll ich dir trotzdem ein Ei braten?«

Unversehens stieg Jan der Geruch von gebratenen Eiern und Speck in die Nase, obwohl nichts dergleichen auf dem Herd stand. Sein Magen stülpte sich dabei förmlich um. Nie im Leben würde er ein solches Frühstück hinunterbringen, auch wenn es ihm sonst immer geschmeckt hatte.

»Danke, heute nicht«, lehnte er ab. Am liebsten hätte er gar nichts gegessen, doch das hätte seine Mutter nicht akzeptiert. »Eine Scheibe Toast genügt mir.«

»Eine Scheibe, keine zwei?« Aus ihrer Stimme war deutliche Missbilligung herauszuhören.

Jan unterdrückte einen Seufzer. »Also gut, zwei Scheiben Toast.«

Er setzte sich auf seinen gewohnten Platz und streckte seine langen Beine unter dem Tisch aus.

»Hier hast du erst mal deinen Kaffee, Jan.« Mit einem mütterlichen Lächeln stellte Irene seinen Lieblingsbecher vor ihn hin, aus dem aromatische Düfte aufstiegen. »Dein Toast kommt gleich.«

»Danke, Mutter.« Jan erwiderte ihr Lächeln. Er liebte seine Mutter und kam mit ihr wunderbar aus. Nur ihr wachsames Auge auf seine Gesundheit störte ihn. Er wollte nicht, dass sie sich ständig Sorgen machte.

Während Irene in der Küche hantierte, war Jan mit seinen Gedanken bei den Aufgaben, die ihn heute in der Firma erwarteten. Unter anderem ging es dabei um Katalogausschreibungen sowie um den Einkauf und die Kalkulationen von Reisen.

Jan war Produktmanager bei einem der großen Reiseveranstalter. Er trug die Verantwortung für die Planung und für die zuverlässige Durchführung von Reisen. Laufende Marktanalysen waren dabei unerlässlich. Natürlich musste unbedingt auf höchste Qualität geachtet werden. So zählte es zu seinen Aufgaben, zu Urlaubszielen in aller Welt zu fliegen, um sich vor Ort neue Hotels anzusehen, über das Bettenkontingent zu verhandeln und Verträge abzuschließen.

»Wo bist du nur mit deinen Gedanken? Willst du deinen Toast nicht essen, bevor er kalt wird?«, hörte er seine Mutter mit leichtem Vorwurf fragen.

Jan beeilte sich, Butter auf die Toastscheiben zu streichen und eine davon mit Käse zu belegen. Auf die andere Scheibe kam hausgemachte Pfirsichmarmelade.

Irene setzte sich zu ihm. Ein bekümmerter Ausdruck lag auf ihrem noch immer jugendlichen Gesicht.

»Ich nehme an, du warst in Gedanken bereits beruflich unterwegs«, meinte sie. »Wohin geht es denn das nächste Mal?«

Jan trank einen Schluck von seinem Kaffee. Ihm wurde bewusst, dass er seiner Mutter noch gar nichts davon gesagt hatte, dass er Ende der Woche auf Reisen ging.

»Für ein paar Tage auf die Malediven«, erwiderte er leichthin.

»Ah. Und wann?«

Er wich ihrem Blick aus. »Ich fliege am Freitag und werde zehn Tage bleiben.«

»Mein siebzigster Geburtstag!« In ihrer Stimme schwangen unterdrückte Tränen mit, was sein schlechtes Gewissen aktivierte.

»Es tut mir leid, Mutter, aber es ließ sich leider nicht anders einrichten. Wir werden deinen Geburtstag gebührend nachfeiern.« Jan ließ seinen Toast sinken, in den er gerade beißen wollte. »Hey, ich habe eine noch bessere Idee. Warum kommst du nicht mit? Eine Reise auf die Malediven zu deinem Geburtstag, das wäre doch was.«

Irenes Gesicht leuchtete auf, dann erlosch das Leuchten wieder.

»Du würdest ohnehin keine Zeit für mich haben«, wandte sie ein.

Natürlich hatte sie damit recht. Wie üblich würde er von frühmorgens bis in die späte Nacht beschäftigt sein. Er würde auch nicht in ein und demselben Hotel übernachten, sondern umherreisen und mehrere testen.

»Wir können zusammen im Hotel wohnen und uns zu den Mahlzeiten treffen«, stellte er dennoch in Aussicht. »An deinem Geburtstag gehen wir groß aus. Was hältst du von Schnorcheln? Das hat dir doch immer Spaß gemacht. Es wird toll werden, auch wenn ich mich dir nicht jeden Tag widmen kann.«

Irene spielte mit ihrem Eierlöffel. »Schön wäre das schon«, räumte sie ein. Diesmal hörte man etwas wie Fernweh in ihrer Stimme. »Die Malediven haben mich immer interessiert. Aber damals, als Papa und ich noch das Reisebüro hatten, war eine so teure Reise leider nicht drin. Da war es auch nicht üblich, zu den Zielen zu reisen, die wir unseren Kunden angeboten haben. Da mussten wir uns mit Katalogmaterial begnügen.«

Jans Eltern waren Inhaber eines gut gehenden Reisebüros gewesen. Nach dem Krebstod seines Vaters hatte seine Mutter das Geschäft noch ein paar Jahre weitergeführt.

Für Jan als heranwachsenden Jungen war es eine Traumwelt gewesen. Die bunten Prospekte und Plakate hatten ihn fasziniert. Und er hatte nicht lange überlegen müssen, welchen Beruf er einmal erlernen würde. So hatte er seine Ausbildung bei seinen Eltern absolviert und anschließend für ein paar Jahre bei ihnen gearbeitet.

Natürlich hatten sie gehofft, dass er ihr Reisebüro einmal übernehmen würde. Doch Jan wollte schon damals höher hinaus und hatte mit Fleiß und Ausdauer die Karriereleiter erklommen. Er hatte sich bei einem der großen Reisekonzerne beworben, war angenommen worden und hatte sich zielstrebig hochgearbeitet.

Produktmanager sollte jedoch nicht Endstation seiner Karriere sein, damit wollte er sich nicht zufriedengeben. Er wollte zum CEO aufsteigen und die Gesamtverantwortung für den Touristikkonzern übernehmen. Marktpräsenz, Kundenorientierung, eine klare strategische Linie – er würde vieles besser machen als weniger erfolgreiche CEOs, die die Firma nur viel Geld kosteten und sie an den Rand des Ruins trieben. Der Erfolg eines Unternehmens hing in erster Linie von seinem CEO ab. Und Jan war auf dem besten Weg, ein Top-CEO zu werden.

Erneut in seinen Gedanken versunken, beendete er sein Frühstück. Seine Mutter sagte noch etwas, doch es drang ihm nicht wirklich ins Bewusstsein.

»Ich werde mir das noch durch den Kopf gehen lassen«, hörte Jan sie sagen, als er sich kurz darauf verabschiedete. Im ersten Moment wusste er nicht, was sie damit meinte. Ihm fiel nur auf, dass ihre Stimme traurig klang.

Er umarmte sie und wünschte ihr einen schönen Tag. Dann verließ er das Haus und ging zur Garage.

Auf dem Weg zur Firma fiel es ihm wieder ein. Er hatte seiner Mutter vorgeschlagen, mit ihm auf die Malediven zu fliegen, um dort ihren siebzigsten Geburtstag zu feiern. Das war es, was sie sich noch durch den Kopf gehen lassen wollte.

Jan seufzte. Wollte er sie wirklich mitnehmen? Sie würde bei all seinen Plänen und Projekten ein Hindernis darstellen. Aber er konnte seine Einladung jetzt nicht mehr zurückziehen. Er konnte nur hoffen, dass sie sich letzten Endes dagegen entscheiden würde.

***

»Nichts als schlechte Nachrichten!«, brummte Oberärztin Lore Keller missmutig. »Heute Morgen kam die Nachricht, dass Kollege Lehmann einen Skiunfall hatte und sich das Bein gebrochen hat.«

Notärztin Dr. Andrea Bergen, die mit ihr im Aufenthaltsraum auf der Inneren Station einen Kaffee trank, stellte ihre leere Tasse ab. Sofort dachte sie an die Probleme, die mit dem Ausfall des Neurochirurgen im Elisabeth-Krankenhaus auftreten würden. Aber erst einmal tat ihr der Kollege von Herzen leid.

»Ach je, der Ärmste! Er hatte sich so auf seinen Skiurlaub gefreut. Wird er den Rückholdienst in Anspruch nehmen?«

Lore schüttelte den Kopf. »Nicht aus dem Ausland. Es ist zwar nur Österreich, aber trotzdem ein Ausland. Da haben die ihre Regeln. Einen Beinbruch können sie auch dort im Krankenhaus versorgen. Fürs Erste hat man ihm einen vorläufigen Gips angepasst. Später soll er einen Gehgips bekommen.«

»Wie kommt er nach Hause?«

»Freunde werden ihn abholen und sein Auto zurückfahren.«

Andrea schenkte sich noch Kaffee nach. »Was genau hat er sich gebrochen?«

»Schienbein und Wadenbein. Nichts Kompliziertes.« Auch Lore gönnte sich noch ein halbes Tässchen.

Andrea seufzte. »Dumm ist auf jeden Fall, dass wir für eine ganze Weile keinen Neurologen in unserem Schockraumteam haben werden.«

Lore stimmte ihr zu. »Nicht nur im Schockraumteam, auch sonst wird er uns fehlen. Wir werden uns nach einem Ersatz umsehen müssen. Vielleicht ist Linda verfügbar.«

Dr. Linda Behnke war die Top-Neurochirurgin an der Universitätsklinik Marburg, die als gern gesehener Gast gelegentlich am Elisabeth-Krankenhaus operierte.

»Das wird sich so kurzfristig nicht einrichten lassen«, meldete Andrea Bedenken an. »Du weißt doch, wie gefragt sie ist und wie schwierig es immer ist, sie für besonders komplizierte Fälle herzubitten. Sie als Krankenvertretung zu verpflichten – nicht eine Neurochirurgin vom Format Linda Behnke, fürchte ich.«

»Ja, du hast schon recht. Also bitte keine Patienten einliefern, bei denen neurologische Expertise gefragt ist, Frau Notärztin.«

Andrea schnitt eine Grimasse. »Ich werde mir Mühe geben. Und was ist die nächste schlechte Nachricht, nachdem du in der Mehrzahl gesprochen hast?«

Lore seufzte. »Herrn Becks Zustand hat sich weiter verschlimmert. Er wird wohl nicht überleben. Die kompetente Behandlung seines Hirnaorten-Aneurysmas wäre eine Aufgabe für Kollege Lehmann gewesen. Ach, so ein Mist aber auch! Man hätte ihm keinen Urlaub gewähren sollen. Dann hätte er sich den Beinbruch erspart, und um Herrn Beck bräuchten wir uns keine Sorgen zu machen.«

Andrea lachte. »So einfach ist das leider nicht. Jeder hart arbeitende Arzt braucht seinen Urlaub. Außer dir natürlich, Lore. Du bist besessen von deinem Beruf, kämpfst wie eine Löwin um deine Patientin und legst selbst im Bett deinen Arztmantel nicht ab.«

»Alles Quatsch!«, wehrte Lore ab, auch wenn sie wusste, dass man ihr das nachsagte. »Aber okay. Wir alle brauchen Urlaub und Freizeit. Du, ich, Lehmann. Aber gerade dann passiert immer was.« Sie sah auf die Uhr. »Ich werde mich dahinterklemmen und versuchen, Linda zu erreichen. Vielleicht habe ich ja Glück, und sie kann zumindest Herrn Beck das Leben retten.«

»Schön wäre es. Ich drücke dir fest die Daumen.«

Sie tranken beide ihren Kaffee aus und verließen den Aufenthaltsraum.

***

Jan hielt sich an der Schreibtischkante fest. Wieso hatte er plötzlich einen Schweißausbruch? Es war nur mäßig warm in seinem Büro, denn die Heizung war klein gestellt.

Eine ungute Vorahnung überkam ihn, besonders, als ihm auch im Magen übel wurde und sich ein Schwindelgefühl einstellte. Nein, bitte nicht schon wieder!

Das Telefon klingelte. Jan fühlte sich nicht in der Lage zu antworten. Er musste etwas tun, um einen Anfall abzuwehren. Aber was?

Er hatte Angst hinzufallen, wenn er den Versuch unternahm aufzustehen. Aber er würde vermutlich sowieso umkippen, auch wenn er auf seinem Stuhl sitzen blieb. Wenn nur das Telefon aufhören würde zu plärren!

Jan konnte es nicht mehr ertragen. Fenster auf!, befahl er sich. Frische Luft würde ihm helfen, so glaubte er.

Kaum stand er auf seinen wackligen Beinen, kippte er vornüber und landete bäuchlings auf dem Boden. Für ein paar Augenblicke wusste er nichts mehr. Erst als die Tür aufflog und seine verhasste Sekretärin auf der Schwelle stand, kam er wieder zu sich. Sie hieß Hannelore Dornbusch und hatte zweifellos ihre Dornen.

»Hören Sie das Telefon nicht, Herr Kaplansky?«, tönte es ihm entgegen, gefolgt von einem entsetzten: »O Gott! Sind Sie okay?«

Jan rappelte sich auf. Er hasste sich für diese plötzlichen Ohnmachtsanfälle, die ihm das Leben schwermachten.

»Ja, okay«, stieß er zwischen den Zähnen hervor, während Hannelore das Telefon bediente.

Er riss das Fenster auf und atmete tief die kalte Februarluft ein. Es dauert keine Minute, bis er wieder vollkommen auf der Höhe war.

»Sie sind doch schon mal umgefallen«, erinnerte sich Hannelore Dornbusch. Sie rückte ihre Brille zurecht und musterte ihn aus schmalen Augen. »Wenn Sie weiter Karriere machen wollen, dann sollten Sie das in Ordnung bringen lassen«, riet sie ihm lehrmeisterhaft. »Was sagt denn Ihr Arzt dazu?«

Jan wünschte, sie würde den Mund halten, was der aufgebrachte Blick, den er ihr zuwarf, auch deutlich machte. »Nichts«, erwiderte er wahrheitsgemäß, denn es gab keinen Arzt.

Hannelore bedachte ihn mit einem strafenden Blick. »Sie möchten sich bitte bei Herrn Lindemann melden«, sagte sie noch, bevor sie aus dem Zimmer ging.

Jan ließ sich in seinen Bürosessel fallen. Sein Vorzimmerdrachen! Er hätte sich ja liebend gern von Hannelore getrennt, aber sie besaß auch ihre Qualitäten. In vieler Hinsicht war sie unbezahlbar. Und sie würde seinen Ohnmachtsanfall nicht in der Firma ausposaunen.

Es fiel ihm schwer, sich daran zu erinnern, was er zuletzt hatte tun wollen. Stattdessen kreisten seine Gedanken um sein Handikap.

Schon als 17-jähriger war er im Sportunterricht ohnmächtig umgefallen. Damals hatte man dem nicht viel Beachtung geschenkt. Für Jan war es peinlich und ärgerlich gewesen. Lange Zeit war es bei diesem einen Ereignis geblieben, doch Jahre später war es ihm mehrere Male passiert, dass er ohnmächtig umfiel und sich dabei auch verletzte. Beim Arzt war er nie gewesen, auch nicht, als er anfing, an Schlafmangel zu leiden und sich Symptome wie ständiges Gähnen, Konzentrationsschwierigkeiten und Reizbarkeit einstellten.

Seine Mutter hatte ihn oft genug dazu gedrängt, doch er hatte nie auf sie gehört. Natürlich wusste er selbst, dass es vernünftiger gewesen wäre, vor allem in Hinblick auf seine weitere Karriere, an der er verbissen arbeitete. Er wollte auch nicht ewig mit der Gefahr leben, im unpassendsten Moment umzufallen und sich dabei zu verletzen. Eines Tages würde er sich zu einem Arztbesuch aufraffen müssen, auch wenn er sich, abgesehen von gelegentlichen Ohnmachtsanfällen, für kerngesund hielt.

Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass gleich Feierabend war. Nicht, dass er jemals hätte pünktlich Feierabend machen können, dazu war er zu erfolgsorientiert. Oft wurde es bei ihm am Abend spät, und wenn er die Arbeit nicht geschafft hatte, nahm er sie mit nach Hause und saß die halbe Nacht darüber.

Heute war jedoch eine Ausnahme, denn es war der siebzigste Geburtstag seiner Mutter. Sie hatte seine Einladung auf die Malediven abgelehnt, da sie fürchtete, die meiste Zeit sich selbst überlassen zu sein. Er hatte sie auch nicht mit falschen Versprechungen überreden wollen. So hatte er die Dinge so arrangiert, dass er an ihrem Geburtstag noch zu Hause war. Heute Abend würde er sie zum Essen in die Ratsstuben ausführen. Morgen würde er auf die Malediven fliegen. Sein Koffer war bereits gepackt.

Jan erledigte noch das Nötigste, dann verabschiedete er sich von seinen Mitarbeitern im Büro und den Kollegen, die ihm auf dem Weg zum Ausgang begegneten.

***

»Viel Spaß heute Abend, Frau Wenger.« Dr. Rudolf Benrath, der rundliche Stationsarzt von der Chirurgie des Elisabeth-Krankenhauses, nickte der neuen Kollegin freundlich zu.

Astrid erwiderte sein Lächeln. »Besten Dank, Herr Benrath. Auch Ihnen einen gemütlichen Feierabend.«

Während Rudolf, der ebenfalls im Ärztewohnhaus wohnte, ein paar Wohnungstüren weiterging, schloss Astrid die Tür zu ihrem Apartment auf. Sie hatte einen anstrengenden Tag hinter sich und freute sich auf ein gutes Essen in den Ratsstuben, einem historischen Restaurant am Marktplatz.

Astrid war Neurochirurgin und arbeitete an verschiedenen Krankenhäusern auf Honorarbasis. Zurzeit machte sie am Elisabeth-Krankenhaus Vertretung für Dr. Lehmann, der sich im Skiurlaub ein Bein gebrochen hatte. Sie fühlte sich dort ausgesprochen wohl. Mit einigen Kollegen und Kolleginnen hatte sie sich spontan angefreundet, besonders mit Andrea Bergen, der Notärztin. Aber auch mit Rudolf Benrath verstand sie sich bestens.

Er hatte ihr am ersten Tag bei der Operation eines Hirnaorten-Aneurysmas assistiert, ebenso heute beim Schädel-Hirn-Trauma eines Unfallopfers, das Andrea Bergen mit ihrem Team eingeliefert hatte.