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Aus den Aufzeichnungen der Notärztin:
Eine böse Vorahnung überkam mich, als ich die Einsatzmeldung hörte: Eine schwangere Frau ist von einer Leiter gestürzt! Vor Ort stelle ich schockiert fest, dass es unsere Inneneinrichterin Tabea ist, deren Kind gerade in höchster Gefahr schwebt. Ausgerechnet sie, die seit Jahren mit ihrem Partner verzweifelt versucht, schwanger zu werden. Ihre künstliche Befruchtung war nun endlich geglückt. Es tut mir so leid! Während ich versuche, ihr Mut zu machen und alles für den Transport ins Krankenhaus zu organisieren, macht ihr Partner Claus ihr die größten Vorwürfe: Sie hätte in ihrem Zustand doch nicht arbeiten dürfen ... Ich kann es kaum ertragen. Wie wenig Liebe muss man empfinden, um in so einer Situation nicht einfach für die Freundin da zu sein? Ich habe ihn höflich vor die Tür gebeten. Daraufhin ist er ganz abgehauen und hat Tabea im Stich gelassen. Ich hoffe, dass sie und ihr Baby das schaffen - allein. Nicht nur jetzt, sondern für immer.
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Seitenzahl: 130
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Ich wollte doch nur dein Kind
Vorschau
Impressum
Ich wollte doch nur dein Kind
Eine böse Vorahnung überkam mich schon, als ich die Einsatzmeldung hörte: Eine schwangere Frau ist von einer Leiter gestürzt!
Vor Ort stelle ich schockiert fest, dass es unsere Inneneinrichterin Tabea ist, deren Kind gerade in höchster Gefahr schwebt. Ausgerechnet sie, die seit Jahren mit ihrem Partner verzweifelt versucht, schwanger zu werden. Ihre künstliche Befruchtung war nun endlich geglückt. Und jetzt das! Es tut mir so leid!
Während ich versuche, ihr Mut zu machen und sie auf den Transport ins Krankenhaus vorzubereiten, macht ihr Partner Claus ihr die größten Vorwürfe: Sie hätte in ihrem Zustand doch auf keinen Fall arbeiten dürfen ...
Ich kann es kaum ertragen. Wie wenig Liebe muss man empfinden, um in so einer Situation nicht einfach für die Freundin da zu sein? Ich habe ihn höflich vor die Tür gebeten.
Daraufhin ist er ganz abgehauen und hat Tabea im Stich gelassen.
Ich hoffe, dass sie und ihr Baby das schaffen – allein. Nicht nur jetzt, sondern für immer.
Tabea lag steif auf der Liege, starrte an die Decke und hoffte, dass es diesmal klappen würde. Gerade zog ihr der Arzt den Katheter aus der Gebärmutter, in dem sich die Samenspende befunden hatte.
»Bleiben Sie noch eine Viertelstunde mit gekreuzten Beinen liegen, das erhöht die Chancen einer Befruchtung«, meinte er sachlich.
Tabea nickte nur. Das hätte er ihr nicht sagen müssen – sie kannte die Routine auswendig. Eine Viertelstunde liegen bleiben, dann aufstehen, zu Claus in die Warteecke gehen und mit ihm nach Hause fahren – schwanger. Vielleicht.
Tabea seufzte. Sie hasste diese Prozeduren, auch wenn sie die einzige Möglichkeit boten, Mutter zu werden.
Sie und Claus wünschten es sich so sehr. Wenn endlich feststand, dass sie Kinder bekommen konnte, würden sie heiraten.
Ihre Gedanken wanderten zwischen der Vergangenheit und der Zukunft hin und her. Was hatten sie schon alles versucht, damit sie endlich schwanger wurde!
Nach einer erfolgreichen In-vitro-Fertilisation hatte sie eine Fehlgeburt gehabt. Danach hatte sie sich zu einer intrazytoplasmatischen Spermieninjektion überreden lassen, die jedoch keinen Erfolg gehabt hatte. Eine hormonelle Stimulation der Eierstöcke und speziell aufbereitetes Sperma waren gefolgt, und ihre Eileiter auf Durchgängigkeit überprüft worden. Und nun hatte zum dritten Mal die Insemination im Kinderwunschzentrum stattgefunden, wobei mittels Katheter die Samenzellen in ihre Gebärmutter transportiert wurden.
Tabea musste sich eingestehen, dass sie allmählich die Nase voll hatte. Irgendwann würde der Punkt erreicht sein, wo sie nicht mehr wollte, auch wenn Claus und sie sich noch so sehr ein Kind wünschten. Dazu kam noch, dass sie sich nicht mehr so gut verstanden wie am Anfang ihrer Beziehung. Tabea hoffte, dass sie mit einem Kind ihre noch nicht zustande gekommene Ehe retten konnten.
Endlich war es so weit, dass sie aufstehen durfte und entlassen war.
»Alles Gute für Sie, Frau Strasser«, wünschte Dr. Greve ihr. »Diesmal hat es bestimmt geklappt.«
Tabea lächelte säuerlich. Hatte sie diesen Satz nicht schon zu oft gehört?
»Danke, Herr Doktor. Auf Wiedersehen.«
Nach diesem Mal eventuell noch ein weiterer Versuch, dann ist Schluss, sagte sie sich energisch. Sie war Ende zwanzig, und Claus ging schon auf die vierzig zu. Sie konnten nicht ewig auf ein Kind warten.
Tabea ging in die Wartezone.
Als Claus sie kommen sah, erhob er sich von seinem Stuhl und legte die Zeitschrift, mit der er sich die Wartezeit vertrieben hatte, zurück auf den Tisch.
»Wie war's?«, fragte er gewohnheitsmäßig.
»Wie immer«, gab Tabea frustriert zurück. »Doof und langweilig.«
Claus legte seinen Arm um ihre Schultern. »Sei nicht so negativ, Liebes. Diesmal hat es bestimmt geklappt.«
Tabea konnte es schon nicht mehr hören. Ein untrügliches Gefühl sagte ihr, dass es auch diesmal nicht der Fall sein würde.
»Warten wir es ab«, erwiderte sie düster.
Sie verließen das Gebäude und gingen zum Parkplatz, wo sie in Claus' Wagen stiegen.
»Willst du in deinen Laden?«, fragte er.
»Um Himmels willen, nein!«, wehrte Tabea gestresst ab. »Ich muss mich zum Teufel hinlegen!«
»Sei doch nicht gleich so aufgebracht.« Claus' Miene zeigte eine Mischung aus Verständnis und Beleidigtsein.
Tabea schwieg. Claus hatte ja recht. Es war nicht fair, dass sie jetzt so sauer reagierte, wo das Ergebnis noch gar nicht feststand. Vielleicht hatten sie ja Glück, und diesmal würde ihnen ein Baby beschert sein. Warum nicht ein wenig optimistisch sein, auch wenn man es in der letzten Zeit verlernt hatte?
»Sorry«, erwiderte sie mit einem kleinen Lächeln und strich ihm entschuldigend über den Schenkel.
Auf dem Nachhauseweg kamen sie an der Beethovenstraße vorbei. Dort wohnte die Arztfamilie Bergen. Andrea Bergen war Notärztin am Elisabeth-Krankenhaus, ihr Mann hatte im Anbau der Jugendstil-Villa seine Kinderarztpraxis. Letztes Jahr im Herbst hatte Tabea den Wintergarten der Familie neu eingerichtet, nun hatte sie einen neuen Auftrag von ihnen bekommen. Werner Bergen wollte sein Wartezimmer neu gestaltet haben.
Den Auftrag hatte Tabea gern angenommen. Sie war Raumausstatterin und Inhaberin von Kreative Wohngestaltung Strasser. Claus war Architekt und wollte gern in ihr Geschäft einsteigen. Tabea hatte bisher noch keine konkrete Zusage gemacht. Claus hatte allerlei Pläne, wollte umgestalten und vergrößern. Nicht alle seine Ideen gefielen Tabea. Ihr gefiel auch nicht das schicke Stadthaus, das er gebaut hatte und in dem sie wohnten.
Tabea nannte es im Stillen einen schmucklosen und seelenlosen Kasten. Viel lieber hätte sie in einem gemütlichen Landhaus gelebt, oder in einem gemütlichen Blockhaus wie ihre Tante Margot. Doch Claus war der Architekt, und was er entwarf und baute, war schön.
Oh, und heiraten! Wenn es mit dem Baby geklappt hatte, würden sie heiraten. Tabea zog die Stirn in unwillige Falten. Und dann? Was war, wenn es mit einem Kind letzten Endes doch nicht klappte? Würde Claus sie dann nicht mehr heiraten wollen?
***
»Hallo, Frau Strasser«, wurde Tabea von Aylin Usta, der Azubi des Kinderarztes, begrüßt. »Nehmen Sie bitte im Wartezimmer Platz. Herr Dr. Bergen wurde ins Elisabeth-Krankenhaus abberufen, aber er wird sicher bald kommen.«
Tabea bedankte sich und betrat das Wartezimmer. Es war leer, denn es war Mittwochnachmittag und es fand keine Sprechstunde statt. Dennoch war Dr. Bergen mit seinen kleinen Patienten beschäftigt, denn er war Belegarzt auf der Kinderstation des Elisabeth-Krankenhauses.
Tabea setzte sich und ließ ihre Blicke umherschweifen.
Hier also war ihr nächster Arbeitsplatz. Im Geist ersetzte sie die Stühle mit Polsterbänken. Die Vorhänge wollte sie ganz weglassen, denn durch das große Sprossenfenster blickte man hinaus in den schönen Garten der Bergens. Die Wände mussten neu gestrichen und dekoriert werden, und auch der Teppich sah nicht mehr sehr schön aus. Kein Wunder bei der Kinderschar, die jeden Tag hier auf dem Boden spielte. Tabea wollte vorschlagen, den ungünstigen Teppich durch einen Laminatboden zu ersetzen.
Sie stand auf und wanderte umher. Während ihr allerlei Ideen in den Sinn kamen, machte sie sich dazu Notizen. Dann war es auch schon so weit, dass sie Dr. Bergens Wagen in die Einfahrt einbiegen sah.
»Tut mir leid, dass ich Sie warten ließ, Frau Strasser«, begrüßte der Kinderarzt sie mit einem Händedruck. »Einer meiner kleinen Patienten ist am Blinddarm operiert worden, und ich habe im Krankenhaus rasch nach ihm gesehen.«
»Das ist bei einem Arzt doch selbstverständlich, Herr Doktor«, erwiderte Tabea freundlich. »Ich habe mir unterdessen Gedanken gemacht und mir auch schon einige Veränderungen notiert.«
»Setzen wir uns und besprechen wir Ihre Ideen, Frau Strasser.« Werner Bergen wartete, bis sie Platz genommen hatte und setzte sich ihr gegenüber.
Ein Lächeln zog über sein sympathisches Gesicht. »Ich bin schon sehr gespannt. Unseren Wintergarten haben Sie ganz fantastisch eingerichtet. Die ganze Familie fühlt sich sehr wohl dort. Einschließlich Dolly«, fügte er mit einem kurzen Auflachen hinzu.
Auch Tabea musste lachen. Dolly war eine tollpatschige junge Mischlingshündin, die Tabea bei ihrer Arbeit ständig im Weg gewesen war.
Sie begannen, Tabeas Ideen zu besprechen. Der Kinderarzt nickte zustimmend.
»Das kann ich mir alles sehr gut vorstellen, Frau Strasser. Kann ich mir die Klebefolien, die sie für die Wände und Möbel verwenden wollen, bei Ihnen im Studio ansehen?«
»Sehr gern, Herr Dr. Bergen. Ich habe schöne Musterkollektionen. Bringen Sie doch Ihre Frau mit.«
»Das auf jeden Fall. Andrea besitzt mehr Geschmack als ich. Aber um meinen Geschmack geht es ja nicht unbedingt. Das Wartezimmer soll in erster Linie den Kindern gefallen. Und natürlich auch deren Eltern.«
Dem konnte Tabea nur zustimmen. »Melden Sie sich wegen eines Termins bei mir, wenn Sie mit Ihrer Frau gesprochen haben.« Sie steckte Notizblock und Stift zurück in ihre Tasche und stand von ihrem Stuhl auf.
»Bis bald dann, Herr Dr. Bergen.« Tabea reichte dem Kinderarzt die Hand und ließ sich von ihm zum Ausgang bringen.
Auf dem Weg zu ihrem Auto wurde sie von einer aufgeregt bellenden Dolly begrüßt.
»Hallo, Dolly.« Tabea tätschelte der Hündin das glänzende schwarze Fell.
Einen Moment später kam Andrea Bergen um die Hausecke.
»Oh, hallo, Frau Strasser!«, rief sie erfreut und kam näher. »Waren sie wegen der Einrichtung des Wartezimmers bei meinem Mann?«
»Ja, wir haben die ersten Ideen besprochen.« Tabea lächelte. »Der neue Auftrag wird mir Spaß machen.«
Die Notärztin nickte. »Wenn alles auf Kinder ausgerichtet sein soll, wird es sicher eine nette Abwechslung für Sie sein.«
Tabea schluckte, ihr Lächeln verschwand. Unter diesem Aspekt hatte sie ihren neuen Auftrag noch nicht betrachtet. Es ging nicht nur um neue Dekorationen, Tapeten und Lampen, es sollte alles kindgerecht sein. Dr. Bergens kleine Patienten sollten sich hier wohlfühlen und ihre Angst vor dem Onkel Doktor vergessen. Für Tabea eine schöne Aufgabe. Und ganz nebenbei würde sie an das Kinderzimmer denken, das sie für ihr eigenes Kind so liebend gern eingerichtet hätte.
Andrea Bergen legte ihr kurz die Hand auf den Arm.
»Ich fürchte, das hätte ich nicht sagen sollen, Frau Strasser. Ich weiß ja, wie sehnlich Sie sich ein Kind wünschen und sicher gern ein eigenes Kinderzimmer eingerichtet hätten. Hoffentlich wird es Ihnen nicht allzu schwerfallen, das Wartezimmer meines Mannes neu zu gestalten?«
Das Lächeln kehrte auf Tabeas Gesicht zurück.
»Nein, ich freue mich darauf. Und vielleicht hat es ja auch diesmal geklappt.«
Tabea erzählte ihr von ihren Befruchtungsversuchen im Kinderwunschzentrum und dass sie nun ungeduldig auf das Ergebnis wartete.
»Im Moment ist es noch zu früh für einen Schwangerschaftstest, da muss ich noch ein paar Tage warten. Sie können sich nicht vorstellen, wie aufgeregt ich bin! Und mein Partner natürlich auch.«
Andrea Bergen lächelte verständnisvoll. »O ja, das kann ich mir gut vorstellen. Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen, dass Ihre Behandlung diesmal Erfolg haben wird.«
»Danke, Frau Dr. Bergen, vielen Dank!«
Tabea verabschiedete sich von der Notärztin, tätschelte Dolly noch einmal kurz das Fell und ging zu ihrem Auto.
***
Kaum hatte Andrea Bergen ihren Notarztkollegen Herbert Conrady vom Nachtdienst abgelöst, musste sie mit ihrem Team auch schon zu einem Einsatz ausrücken.
»Hochschwangere Frau auf den Straßenbahnschienen!«, informierte Jupp Diederichs sie, der den Anruf von der Rettungszentrale entgegengenommen hatte.
»O Gott!« Andrea rannte hinter ihren beiden Sanitätern hinaus ins Freie, wo unter dem Vordach der Rettungswagen stand.
Jupp Diederichs schwang sich hinter das Steuer, Ewald Miehlke, der Rettungssanitäter, auf seinen Platz. Andrea setzte sich neben ihn. Beruhigend tätschelte sie ihm den Arm. Seit einer spontanen Zwillingsgeburt im Rettungswagen hatte er eine panische Angst vor Einsätzen mit hochschwangeren Frauen. Er hatte deswegen sogar Therapiestunden nehmen müssen, sonst könnte er seinen Beruf nicht mehr ausüben. Das wusste außer der Notärztin und seinem Kollegen Jupp jedoch niemand.
An der Unfallstelle hatte sich eine Menschentraube gebildet, die von der Polizei zurückgedrängt wurde, um dem Rettungswagen Platz zu machen.
Jupp brachte ihn zum Stehen. Das Notarztteam kletterte mit seinen Utensilien heraus und eilte zu der Patientin. Sie lag auf dem Rücken, zwischen ihren Beinen hatte sich ein nasser Fleck auf dem Asphalt gebildet. Die Fruchtblase war also geplatzt. Ihr rechter Arm war seltsam verdreht, in ihrem Blick stand die Angst.
Andrea kniete sich zu ihr und nahm eine rasche Erstuntersuchung vor, wobei sie der Patientin verschiedene Fragen stellte.
»Mein Baby!«, klagte die werdende Mutter. »Kommt es schon?«
Andrea erkundigte sich nach dem Stand der Schwangerschaft und erfuhr, dass der Geburtstermin in weniger als einer Woche bevorstand.
»Das ist gut möglich«, erwiderte Andrea freundlich. »Sie brauchen sich deswegen aber keine Gedanken zu machen. Wir werden Sie zu einer gründlichen Untersuchung ins Elisabeth-Krankenhaus bringen.«
»Das ist gut. Dort bin ich bereits angemeldet. Dr. Schwarzhaupt ist mein Arzt.«
»Perfekt. Es kann sein, dass sich Ihr Baby trotz Ihres Sturzes noch ein paar Tage Zeit lassen wird. Haben Sie wehenartige Schmerzen?«
»Nein, nichts dergleichen. Schmerzen habe ich nur hier.« Die werdende Mutter legte ihre Hand auf ihr rechtes Schlüsselbein.
Andrea tastete die Stelle ab, wobei die Patientin mit einem Schmerzenslaut zusammenzuckte.
»Es scheint gebrochen zu sein«, erklärte Andrea. »Das muss gleich geröntgt werden.«
Sie bat ihre beiden Sanitäter, die Patientin vorsichtig auf die Trage zu betten. Ein Schmerzmittel lehnte die Hochschwangere ab.
Sie schloss die Augen und lag während der Fahrt vollkommen ruhig da, als hätte sie Angst, jede Bewegung könnte zu einer vorzeitigen Geburt führen.
Sie erreichten das Elisabeth-Krankenhaus, ohne dass es dazu gekommen wäre. Doch kaum hatten sie die Notaufnahme betreten, setzten die Wehen ein.
In aller Eile wurde die werdende Mutter von zwei Pflegern auf die gynäkologische Station gebracht. Andrea Bergen begleitete sie.
An der Anmeldung stand Sebastian Folgers, der Arztsekretär von Oberarzt Dr. Schwarzhaupt, mit einer jungen Frau, die ein Baby im Arm hielt. Gerade strich er dem Kleinen selbstvergessen über das flaumige Köpfchen. Ein zärtlicher, aber auch ein gequälter Ausdruck lag auf seinen sympathischen Zügen. Andrea kannte den Grund, und warmes Mitgefühl für den Kollegen stieg in ihr auf.
Leicht überhastet verabschiedete sich Sebastian von Mutter und Kind und wandte sich dem Neuzugang zu. Rasch nahm er die Personalien auf, suchte und fand den Oberarzt, ebenso einen leeren Untersuchungsraum.
Hebammenschwester Carola erschien mit Dr. Schwarzkopf im Schlepptau. Er hatte freundliche und aufmunternde Worte für seine Patientin und rollte gemeinsam mit Schwester Carola die Trage davon.
»Ein Unfall«, erklärte Andrea dem Arztsekretär und übergab ihm den Einsatzbericht, den er kopierte.
Sebastian wischte sich kurz über die Augen. »Entschuldigen Sie bitte, Frau Bergen, aber es ist für mich nicht immer einfach, auf dieser Station zu arbeiten und jeden Tag mit Babys und ihren glückstrahlenden Müttern zu tun zu haben.«
Andrea Bergen nickte verständnisvoll. »Ich kann verstehen, dass es für Sie immer noch hart ist, auch wenn inzwischen über zwei Jahre vergangen sind.«
»Drei Jahre«, korrigierte er. »Ich weiß, die Zeit soll alle Wunden heilen, zumindest trösten wir unsere Patienten damit. In vielen Fällen mag es ja auch zutreffen und teilweise auch bei mir. Aber dann gibt es wieder diese Augenblicke, und alles ist wieder so frisch, als wäre es erst gestern passiert.«
»Irgendwie sind Sie immer noch im Trauerjahr«, meinte Andrea. »Das wird sich ändern, sobald Sie Ihr Leben neu eingerichtet haben. Eine neue Beziehung, noch mal ein Kind ...«
»Keine neue Beziehung!«, wehrte Sebastian entschieden ab. Er senkte den Blick und schob sinnlos Dinge auf dem Tresen der Anmeldung hin und her.
»Ein Kind, ja«, sagte er nach einem Moment des Schweigens. »Aber keine neue Frau.«
Andrea fand seine Ausdrucksweise etwas seltsam. Wollte Sebastian ernstlich ein Kind, aber nicht die dazugehörige Mutter?
Sie kam nicht mehr dazu, eine entsprechende Frage zu stellen, denn über ihren Pager wurde sie zu einem neuen Einsatz gerufen.
»Sorry.« Rasch lief sie zum Fahrstuhl.
***
»Mist! So ein blöder Mist!«
Frustriert blickte Tabea auf ihre Slipeinlage. Blut! Warum jetzt Blut? Das war kein gutes Zeichen.
Eine ganze Weile stand sie da und haderte mit ihrem Schicksal, bevor sie sich frisch machte und das Bad verließ.
»Ich mag nicht mehr«, murmelte sie trotzig. »Ich mag einfach verdammt noch mal nicht mehr!«
Warum zum Kuckuck wurde sie nicht schwanger?