Notärztin Andrea Bergen 1471 - Marina Anders - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1471 E-Book

Marina Anders

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Beschreibung

Nach dem plötzlichen Unfalltod ihrer Eltern kommt Amanda in die Obhut einer lieblosen, ja, grausamen Pflegefamilie. Einzigen Trost findet die Jugendliche in maßlosem Essen und der zwanghaften Sucht zu stehlen. Auch als junge Frau kann Amanda den tückischen Kreislauf von Bulimie und Kleptomanie nicht überwinden. Da begegnet sie dem charmanten Lothar, dem sie mehr und mehr verfällt. Obwohl sie ahnt, dass Unheil droht, erklärt sie sich in ihrer verzweifelten Suche nach Liebe bereit, für Lothar eine mysteriöse Tasche abzuholen. Doch der "Liebesdienst" wird ihr zum Verhängnis: Amanda findet sich unschuldig im Gefängnis wieder! Niemand glaubt ihr - auch nicht, dass ihre Nierenschmerzen, ausgelöst durch die jahrelange Ess-/Brechsucht, immer schlimmer werden ...
Als Notärztin Dr. Bergen im Frauengefängnis eintrifft, ist Amanda in einem lebensbedrohlichen Zustand: Die Nieren haben ihre Arbeit eingestellt - der jungen Frau droht ein multiples Organversagen ...


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Inhalt

Cover

Noteinsatz im Frauengefängnis

Vorschau

Impressum

Noteinsatz im Frauengefängnis

Was immer ich tue – nach dem dramatischen Einsatz im Frauengefängnis heute Morgen finde ich einfach keine Ruhe mehr! Denn die Inhaftierte, der ein multiples Organversagen droht und die ich ins Elisabeth-Krankenhaus eingeliefert habe, ist für mich keine Unbekannte. Vor einiger Zeit habe ich Amanda Lührsen im Supermarkt beim Stehlen beobachtet. Doch ihren zutiefst verzweifelten, leidenden Blick dabei werde ich wohl mein Leben lang nicht vergessen! Bevor ich damals zahlen und ihr nach draußen folgen konnte, war Amanda schon verschwunden – und nun dieses tragische Wiedersehen!

Was ist in der Zwischenzeit mit dieser jungen Frau geschehen? Weshalb sitzt sie im Gefängnis? Und wie konnte ihr Nierenleiden dort so lange übersehen werden?

Während meine Kollegen von der Intensivstation um Amanda Lührsens Leben ringen, begebe ich mich auf Forschungsreise in ihre Vergangenheit. Ich spüre, dass dort der Schlüssel für ihr trauriges Schicksal liegt. Wenn Amanda überlebt, dann soll sie eine zweite Chance bekommen!

»Hast du heute Nachmittag nicht frei, Mandy?«

Amanda Lührsen blieb auf dem Treppenabsatz stehen, als sie die Kollegin von unten heraufkommen sah.

»Ich habe noch Goodies ins Spa gebracht, aber jetzt bin ich weg«, erklärte sie.

»Goodies, aha.« Die Kollegin zwinkerte wissend.

Natürlich wusste auch das Personal, welche »Goodies« im Spa-Bereich des Wellness-Hotels Markgraf angeboten wurden. Manche Hotelgäste fragten danach ganz offen. Zum Beispiel jamaikanische Kräutertee-Mischungen, denen nebenbei auch THC-haltiges Cannabis beigefügt wurde, wenn auch in so geringen Mengen, dass es die erlaubten Grenzen kaum überschritt – vielleicht.

Amanda setzte ihren Weg fort. Als sie fast in der Eingangshalle angelangt war, schlug ihr Herz beim Anblick des schwarzhaarigen Mannes, der unten an der Treppe stand, einen Trommelwirbel. Ihr wurden regelrecht die Knie weich. Da war er ja, ihr heimlicher Schwarm, ihr Traummann! Und mit welchen Blicken er ihr entgegensah, so, als wollte er sie förmlich ausziehen!

»Hallo, Hübsche«, sprach er sie an. »Du arbeitest schon länger hier, stimmt's?«

»Richtig.« Amanda musste sich räuspern. »Aber jetzt habe ich frei«, fügte sie hinzu und spürte im selben Moment, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Hatte das nicht wie eine Aufforderung geklungen?

Er grinste breit. »Dann wünsche ich dir mal viel Spaß, Baby. Wenn du das nächste Mal freihast, lade ich dich ein, falls du nichts dagegen hast.«

Amanda konnte nichts mehr darauf erwidern, denn in diesem Moment erschien ihre Chefin.

»Lothar, kannst du mal bitte mit ins Büro kommen?«, bat Linda Markgraf, ohne von Amanda Notiz zu nehmen. »Da wären noch einige Unklarheiten.«

»Kein Problem. Die lassen sich bestimmt aufklären.« Damit gingen die beiden davon.

Amanda schlug das Herz immer noch bis zum Hals. Obwohl er ihr keinen Blick mehr geschenkt hatte, spürte sie, dass sie ihn interessierte. Bestimmt hatte er es nicht nur so dahingesagt, dass er sie einladen wollte. Welche Art von Einladung er wohl im Sinn hatte? Nur auf einen Kaffee? Oder zum Essen? Ins Kino?

Sie konnte es schon nicht mehr erwarten. Leider würde es eine ganze Woche dauern, bis sie wieder freihatte. Wie wollte er den richtigen Tag erfahren? Würde er anrufen und sich danach erkundigen?

Egal, es würde schon irgendwie klappen. Er kam ja häufig ins Wellness-Hotel. Lothar Peschke war Investmentbanker und mit den Hotelbesitzern befreundet. Amanda hatte munkeln hören, dass er früher Drogendealer gewesen war. Von ihm stammten neben den speziellen Teemischungen und Cannabidiol-Produkten für kosmetische Behandlungen im Spa auch die nicht ganz legalen Produkte, die dort angeboten wurden. Es störte sie nicht – solange er nicht mit harten Drogen zu tun hatte.

Selig schwebte Amanda zum Ausgang, nachdem sie im Waschraum des Personals noch rasch in ihre Sporthose geschlüpft war. Sie freute sich auf einen ausgiebigen Einkaufsbummel und auf eine Runde Jogging im Park, auch wenn es bereits winterlich kalt war. Dabei konnte sie wunderbar von ihrem zukünftigen Treffen mit Lothar träumen. Ob sie sich zu diesem besonderen Anlass etwas Schickes zum Anziehen kaufen sollte? Freche Dessous vielleicht?

Amandas Gedanken schlugen Purzelbäume. Im Geist sah sie sich mit Lothar Peschke in einem Nobelrestaurant bei Kerzenschein zu Abend essen. Kerzenschein – und Sekt natürlich. Champagner! Und dann die intimen Stunden danach ...

Amanda war sich weder ihres strahlenden Lächelns bewusst noch der verwundert-amüsierten Blicke der Kolleginnen und Gäste, an denen sie vorbeiging. Sie merkte auch kaum, wie sie bei ihrem Auto ankam, einstieg und in die Stadt fuhr. Erst als sie dort angelangt war, überlegte sie, was sie eigentlich hatte unternehmen wollen.

Einkaufen, fiel es ihr ein. Und joggen. Das wollte sie zuerst tun. Bei ihrem Job als Hotelfachangestellte war sie zwar den ganzen Tag auf den Beinen und hatte somit genügend Bewegung, doch auf einem schön angelegten Parcours zu laufen machte weitaus mehr Spaß. Man musste dabei weder Hotelgäste bedienen noch sich deren Klagen anhören.

Eine fahle Dezembersonne schien durch die kahlen Bäume im Park, als Amanda auf dem Trimmpfad dahinjoggte. Mit ihren Gedanken war sie immer noch bei Lothar Peschke. Seine Worte, sie einladen zu wollen, zauberten erneut ein Lächeln auf ihr Gesicht. Und schon verlor sie sich wieder in romantischen Träumen.

Lothar Peschke, der coole Typ mit den halblangen schwarzen Haaren, der durchtrainierten sportlichen Figur und den dunklen Augen gefiel ihr schon lange. Bisher hatte er sie kaum beachtet, doch bei den letzten Begegnungen hatte sie geglaubt, ein gewisses Interesse in seinem Blick zu lesen. Dass er sie nun einladen wollte, war für sie die Bestätigung, dass sie ihm nicht gleichgültig war.

Auf dem Trimmpfad war kaum Betrieb. Amanda genoss die Stille und die Tatsache, dass nur wenige Menschen unterwegs waren. Am liebsten joggte sie allein. Da konnte sie wunderbar ihren Gedanken nachhängen.

Aber eigentlich war sie gar nicht allein. Lothar lief an ihrer Seite, plauderte charmant und flüsterte ihr verliebte Worte ins Ohr. Amanda warf ihm ein Küsschen zu. Ach, war das Leben nicht wunderbar?

Sie vergaß all ihre Sorgen und Probleme. So glücklich und unbeschwert wie jetzt hatte sie sich schon lange nicht mehr gefühlt. Das machten nur die verliebten Gedanken um Lothar aus. Wie würde sie sich erst fühlen, wenn sie zusammen ausgingen, wenn sie sich küssten, die Nacht miteinander verbrachten? Es würde der Himmel auf Erden sein!

Autsch! In ihrem Gedankenflug hatte Amanda nicht auf den Weg geachtet und war über eine Wurzel gestolpert. Benommen richtete sie sich auf. Ihr rechtes Knie schmerzte, aber nicht schlimm. Schlimmer war, dass ihr Sturz wie eine kalte Dusche wirkte und sie unsanft aus ihrer verliebten Stimmung riss.

***

Amanda klopfte sich den Sand von der Hose und lief in langsamerem Tempo weiter. Doch es machte ihr keinen Spaß mehr. Die romantischen Tagträume um Lothar ließen sich nicht mehr zurückholen. Stattdessen waren die Depressionen wieder da. Die Sonne war verschwunden, und der Trimmpfad wirkte plötzlich düster und verlassen.

An einer Wegkreuzung schlug Amanda die kürzeste Strecke zum Parkplatz ein. Sie hatte keine Lust mehr, weiter zu joggen. Alles fühlte sich anders an, beinahe schon bedrohlich. Am liebsten wäre sie wieder ins Hotel zurückgekehrt und hätte sich in ihrem Zimmer verkrochen.

Der Einkaufsbummel wird mich ablenken, dachte sie. Vielleicht finde ich etwas Schickes, das ich zu Lothars Einladung tragen kann. Doch selbst dieser Gedanke hellte ihre Stimmung nicht auf. Jetzt konnte sie es sich gar nicht mehr vorstellen, dass Lothar tatsächlich mit ihr ausgehen wollte, oder was immer er mit seiner Einladung im Sinn hatte. Was wollte er auch mit einer unscheinbaren Hotelangestellten, wenn er offenbar die attraktivsten Frauen scharenweise haben konnte? Oft genug hatte sie ihn im Spa mit schönen Frauen flirten sehen.

Ein negativer Gedanke reihte sich an den anderen. Nein, sie war keine Frau, für die ein Mann wie Lothar Peschke sich ernstlich interessieren würde. Wahrscheinlich dachte er schon gar nicht mehr daran, dass er sie einladen wollte. Plötzlich war Amanda davon überzeugt, dass er diese Einladung nie aussprechen würde. Die hatte er sicher längst vergessen.

Das ist auch besser so, dachte sie weiter. Wenn sie keine Beziehung mehr einging, was sie auch schon länger nicht getan hatte, dann brauchte sie keine Angst zu haben, dass ihr Partner hinter ihr sorgfältig gehütetes Geheimnis kam. Geheimnisse, Plural. Ihr Leben war im Grunde verpfuscht. Das wollte niemand mit ihr teilen. Am besten tat sie ihre Arbeit und schlug sich so durch dieses nicht lebenswerte Leben.

Am Parkplatz angelangt, stieg Amanda in ihr Auto und stellte es zehn Minuten später im Parkhaus nahe der Fußgängerzone ab. Obwohl sie zu nichts Lust hatte, wollte sie noch diesen Einkaufsbummel unternehmen. Vielleicht verflüchtigten sich ihre Depressionen dann wieder. Sie hatte darauf verzichtet, zuerst noch einmal nach Hause zu fahren und schnell unter die Dusche zu springen, denn sie hatte in der winterlichen Kälte gar nicht geschwitzt. Und unter dem langen Mantel sah man die Jogginghose ohnehin nicht.

Amanda schlenderte von einem Laden zum anderen und besah sich die Auslagen in den Schaufenstern. Sie entdeckte etliche Sachen, die ihr gefallen hätten, doch sie brachte nicht die Energie auf, um in das Geschäft zu gehen und etwas anzuprobieren. Ihre Stimmung sank mehr und mehr auf den Nullpunkt.

Sie stand gerade vor dem Schaufenster einer Buchhandlung, als jemand sie ansprach.

»Sieh an, die liebe Cousine«, sagte eine spöttische Stimme. »Da läuft man sich mal wieder über den Weg.«

Amanda versteifte sich vor innerer Abwehr. Diese schneidende Stimme kannte sie nur zu gut, seit ihrer Kindheit! Widerstrebend drehte sie sich um. »Hallo, Hetty«, grüßte sie gezwungen.

»Übermorgen ist Mamas fünfzigster Geburtstag«, fuhr die Cousine fort. »Wir haben eine große Feier geplant. Leider bist du nicht eingeladen, aber vergiss nicht, Mama zu gratulieren und ihr Blumen zu schicken. Schließlich verdankst du ihr eine ganze Menge.«

»Oh ja?« Amanda verzog bitter die Lippen.

»Tu nicht so leidend!«, fuhr die Cousine sie gehässig an. »So gut wie bei uns hättest du es nirgends gehabt. Oder wärst du lieber ins Waisenhaus gegangen?«

Amanda wollte nichts weiter davon hören, wollte nicht mehr an die grausamste Zeit in ihrem Leben erinnert werden. Sie versuchte, sich an Hetty vorbeizudrängen, doch die Cousine versperrte ihr mit ihrer stämmigen Figur den Weg.

»Das wäre ohnehin besser gewesen«, hieb Hetty weiter auf sie ein. »Und für uns auch. Igitt, was hat es uns vor dir gegraust! Erst frisst du dich voll, dass man sich schämen muss, dann speist du alles wieder aus. Und geklaut hast du auch wie ein Rabe. Wahrscheinlich tust du das immer noch. Bis du mal im Gefängnis landest. Dann wollen wir erst recht nichts mehr mit dir zu tun haben.«

Amanda konnte es nicht mehr ertragen. Die Passanten wurden schon aufmerksam auf sie. Eine hilflose Wut stieg in ihr auf. Mit einer heftigen Bewegung stieß sie ihre Cousine zur Seite und rannte davon.

Blind vor Tränen lief sie zurück zum Parkhaus. Sie hätte schreien mögen bei dem Schmerz, der in ihrer Brust tobte. Warum konnte man nicht einfach tot umfallen?

***

Im Parkhaus blieb Amanda erst eine ganze Weile im Auto sitzen. Sie wäre jetzt nicht in der Lage gewesen zu fahren. Die unerwartete Begegnung mit Hetty hatte sie zutiefst aufgewühlt und sie erst recht in ein tiefes schwarzes Loch fallen lassen.

Verzweifelt ließ Amanda ihren Tränen freien Lauf. Der freie Nachmittag war ihr gründlich verdorben. An einen Einkaufsbummel war jetzt nicht mehr zu denken. Sie sehnte sich nur noch zurück nach ihren sicheren vier Wänden im Wellness-Hotel.

Noch hatte sie nicht die Nerven dazu, den Schlüssel im Zündschloss zu drehen und das Auto aus dem Parkhaus zu lenken. Amanda versuchte, ruhiger zu werden und die Gedanken an ihre schreckliche Kindheit zu verdrängen, doch sie waren wie kleine Teufel, die mit Hämmern auf ihren Kopf einschlugen.

Wie Lothar reagieren würde, wenn er alles über sie wusste?, drängte sich ihr die Frage auf. Nein, davon durfte er niemals erfahren! Niemand durfte die Wahrheit über sie wissen!

Amanda war sechs Jahre alt gewesen, als ihre Eltern bei einem Busunglück in Italien ums Leben gekommen waren. Auch sie hatte in dem Bus gesessen, doch sie hatte nur leichtere Verletzungen davongetragen. Ihre Tante und ihr Onkel hatten sie nach Hause geholt und sie bei sich aufgenommen.

Viel Trost und Verständnis hatten sie jedoch nicht für sie gehabt, und ihre beiden Cousinen, die zwei und drei Jahre älter waren als sie, hatten sich lautstark dagegen gesträubt, dass Amanda bei ihnen wohnte. Amanda hatte sie auch nie gemocht, war von ihnen immer nur gehänselt und drangsaliert worden.

Der Verlust der Eltern war ein furchtbarer Schock für sie gewesen. Wochenlang hatte Amanda nur geweint. Ihre Einschulung hatte unter diesen Umständen nicht stattgefunden, und sie war ein Jahr zurückgestellt worden.

Ihre Tante und ihr Onkel hatten die eigenen beiden Töchter bevorzugt. Amanda hatte stets zurückstehen müssen. Sie hatte auch nie Zuneigung und Anerkennung erfahren. So hatte sie schon als Kind Trost im Essen und im Stehlen gefunden. Mit den Jahren hatte sie Bulimie und Kleptomanie entwickelt, und das war heute ihr großes Problem.

Amanda schluchzte auf. Würde sie jemals ein normales Leben führen können? Sie würde es so gern, aber sie schaffte es nicht, ihre Zwänge und ihre Sucht in den Griff zu bekommen.

Auch im Wellness-Hotel Markgraf, wo sie nach der Schule ihre Ausbildung zur Hotelfachfrau absolviert hatte, kam sie davon nicht los. Obwohl sie sich dort wohlfühlte und man ihren Fleiß und ihr Engagement lobte, konnte sie ihre Heißhungerattacken und ihr zwanghaftes Stehlen nicht immer unter Kontrolle bringen, so sehr sie auch dagegen ankämpfte.

Sie wollte unter keinen Umständen riskieren, dass sie erwischt und angezeigt wurde. Schon in früheren Jahren hatte sie sich wegen Diebstahls mehrere Strafanzeigen eingehandelt, die sie beinahe ins Jugendgefängnis gebracht hätten.

Amanda tupfte sich die Augen trocken und betrachtete ihr Gesicht im Rückspiegel. Sie sah schrecklich aus. Ihre Lider waren rot und geschwollen, und ihr Blick drückte die Qualen aus, die ihr das Herz abdrückten. Am liebsten hätte sie sich irgendwo verkrochen. So, wie sie aussah, wollte sie auch nicht ins Hotel zurück. Man würde sich nur wundern und sie fragen, was aus ihrem freien Nachmittag geworden war.

Schließlich ließ Amanda den Motor an und verließ das Parkhaus. Eine Weile fuhr sie ziellos durch die Straßen, dann wurde sie von einem Einkaufszentrum plötzlich wie magisch angezogen. Eine heftige innere Unruhe erfasste sie, begleitet von einer Art Druckgefühl, das sie zu hassen gelernt hatte.

Amanda brach der Schweiß aus. Sie hatte regelrechte Hitzewallungen. Achtlos stellte sie ihr Auto auf dem Parkplatz ab und strebte raschen Schrittes auf den Eingang eines Supermarktes zu.

Ohne zu wissen, was sie eigentlich wollte, ging sie durch die Regalreihen. Da war er wieder, dieser unüberwindbare Drang zu stehlen. Amanda wusste, dass es das Einzige war, das sie trösten und beruhigen konnte. Stehlen. Oder Essen. Doch eine Heißhungerattacke hatte sie in den letzten Tagen nicht mehr gehabt. Wenn sie etwas stehlen konnte, würde es wie Balsam auf ihre wunde Seele sein. Nur musste sie sehr vorsichtig sein und durfte dabei nicht über die Stränge schlagen.

Verstohlen blickte sich Amanda um. Sie stand vor einem Regal mit Fischkonserven. Eigentlich war sie kein Fan davon, doch die bunten Dosen zogen sie unwiderstehlich an. Und schon ließ sie eine davon in ihrer Manteltasche verschwinden.

Als sie sich unauffällig entfernen wollte, stockte ihr der Schritt. Jemand hatte sie beobachtet. Es war eine Kundin, die gerade zur Kasse ging, eine Frau mit halblangen dunkelblonden Haaren. Mit einem seltsamen Blick sah sie ihr direkt in die Augen.