Notärztin Andrea Bergen 1464 - Marina Anders - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1464 E-Book

Marina Anders

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Beschreibung

"Ich bin adoptiert." Bei Christins Worten gerät die Welt der schönen Dr. Leona Harding jäh ins Wanken, und kurz muss sie sich sammeln, bevor sie sich wieder dem schwer herzkranken Mädchen zuwenden kann.
Vom ersten Moment an bestand zwischen ihr und dem kranken Kind eine ganz besondere, innige Beziehung, die Leona sich nicht erklären konnte. Aber kann es denn sein, dass das Wunder tatsächlich geschehen ist und sie ihr Kind endlich gefunden hat? Ist Christin ihr eigen Fleisch und Blut, die Tochter, die sie vor Jahren zur Adoption freigeben musste und die sie die ganze Zeit schmerzlich vermisst hat?
Obwohl Leona weiß, dass es unter diesen Umständen besser wäre, die gefährliche Herzoperation bei Christin einem Kollegen zu überlassen, will sie das Mädchen unbedingt selbst operieren. Doch dies entpuppt sich als fataler Fehler, denn im OP überstürzen sich die Ereignisse auf dramatische Weise ...


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Inhalt

Cover

Die OP, bei der sie weinte

Vorschau

Impressum

Die OP, bei der sie weinte

Vor Jahren hat Leona Harding ihre neugeborene Tochter zur Adoption freigegeben – und noch immer leidet sie darunter. Doch als junge Medizinstudentin, deren Freund gerade gestorben war, hatte sie nicht die Kraft, sich gegen ihren übermächtigen Vater zur Wehr zu setzen. Inzwischen arbeitet Leona als erfolgreiche Herzchirurgin, aber noch immer holen sie die Erinnerungen an ihr Baby regelmäßig schmerzlich ein. Sie würde alles darum geben, ihr Kind zurückzubekommen. Doch sie weiß nicht, wo sie es suchen soll ...

Nun hat Leona sich eng an ihre vierzehnjährige Sorgenpatientin Christin angeschlossen – viel enger, als gut für beide ist. Das Mädchen leidet an einem schweren Herzfehler und muss dringend operiert werden. Leona will die Operation selbst durchführen, aber ich habe allergrößte Bedenken! Die beiden sind sich zu nah, und das beeinträchtigt Leona emotional viel zu stark. Wie soll sie diesen komplizierten Eingriff ruhig und besonnen durchführen, wenn sie jede Sekunde um Christins Leben fürchtet?

Doch Leona ist fest entschlossen ...

»Ihre Tochter, Frau Harding.«

Müde hob Leona die Lider. Vor ihrem Bett stand eine Säuglingsschwester mit einem schreienden Baby im Arm.

»Nein!« Abwehrend streckte Leona die Hände aus, als die Schwester ihr das Kind an die Brust legen wollte. »Nehmen Sie es weg. Ich will es nicht.«

Die Säuglingsschwester lächelte nachsichtig. »Aber natürlich wollen Sie es, Frau Harding. Sehen Sie nur, wie süß das kleine Mädchen mit seinen roten Haaren ist. Es schreit, weil es Hunger hat, und möchte an Mamas Brust trinken.«

»Nein, ich will es nicht und darf es nicht!«, rief Leona verzweifelt und brach in Tränen aus.

***

Leona griff nach ihrer Kaffeetasse. Warum mussten die schmerzlichen Erinnerungen sie ausgerechnet an diesem Morgen, wo eine anstrengende Herzoperation anstand, wieder überfallen? Energisch wischte sie diese zur Seite und widmete sich ihrem Frühstück.

Doch die Erinnerungen an jene Nacht vor vierzehn Jahren, als sie einem kleinen Mädchen das Leben geschenkt hatte, ließen sich nicht vertreiben. Sie kehrten immer wieder zurück, oft zum unpassendsten Zeitpunkt, und würden sie ihr Leben lang verfolgen.

Hätte sie damals nur nicht auf ihren Vater gehört! Aber wie hätte sie es sonst schaffen sollen, nachdem Jens kurz vor der Geburt ihres Kindes bei einem Unfall ums Leben gekommen war?

Sie war mitten im Medizinstudium gewesen, als sie schwanger geworden war. Ihr Vater, der sie mit strenger Hand erzogen hatte, war von Anfang an gegen ihre Beziehung mit einem mittellosen Studenten gewesen und hatte strikt die Abtreibung verlangt. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sich Leona entschieden gegen ihn aufgelehnt. Sie und Jens freuten sich auf ihr Baby, auch wenn ihr Vater gedroht hatte, den Geldhahn zuzudrehen.

Dann kam der schlimmste Tag in Leonas Leben: Kurz vor der Geburt ihres Kindes verunglückte ihr Freund tödlich. Noch heute krampfte sich ihr das Herz zusammen, wenn sie daran dachte. Damals hatte sie geglaubt, mit diesem Schmerz niemals weiterleben zu können.

Unterstützung und Mitgefühl hatte sie von ihrem Vater nicht erwarten können. Er hatte verlangt, dass sie das Kind nach der Geburt zur Adoption freigab, oder sie würde sich in Zukunft allein durchschlagen müssen. Leona, völlig am Boden zerstört und am Ende ihrer Kräfte, hatte schließlich zugestimmt.

Als das Baby dann geboren war, wollte Leona es wenigstens ein einziges Mal im Arm halten. Eine Säuglingsschwester hatte mit Leonas Handy ein Foto von ihr und ihrer kleinen Tochter gemacht. Leona hütete dieses Foto wie einen kostbaren Schatz.

Auch jetzt holte sie es wieder aus ihrer Tasche hervor. Mit feuchten Augen betrachtete sie sich und das Baby in ihrem Arm.

»Happy Birthday, Kleine, wo immer du gerade sein magst«, flüsterte sie bewegt und drückte einen Kuss auf das abgegriffene Foto, bevor sie es wieder in die Tasche steckte.

Niemand wusste etwas von diesem Foto, vor allem nicht ihr Vater.

»Braves Mädchen«, hatte er sie gelobt, als ihr Baby weggegeben war, und hatte ihr einen Scheck über zehntausend Euro auf den Nachttisch gelegt. Für Professor Dr. Herbert Harding, einen Universitätsprofessor, der einen Lehrstuhl für Geriatrie innehatte, war diese Summe eine Kleinigkeit gewesen.

Während Leonie ihr Frühstück aß, weilte sie mit ihren Gedanken weiterhin in der Vergangenheit. Das Leben war weitergegangen. Irgendwann hatte der Schmerz um Jens' Verlust nachgelassen, doch dass sie ihr gemeinsames Kind weggegeben hatte, belastete sie nach wie vor. Sie war damals nahe daran gewesen, ihr Studium hinzuwerfen. Doch das hätte ihr Vater nicht zugelassen.

Mit Strenge und Autorität hatte er dafür gesorgt, dass sie ihr Staatsexamen machte. Selbst von Ehrgeiz getrieben, hatte sie anschließend eine Facharztausbildung absolviert und sich auf kardiovaskuläre Chirurgie spezialisiert.

Heute war sie eine erfolgreiche Herzchirurgin und führte als Honorarfachärztin Herzoperationen an verschiedenen Kliniken durch. Zurzeit arbeitete sie am Elisabeth-Krankenhaus, wo sie sich besonders wohlfühlte und nette Freundschaften geschlossen hatte. Auch einen Partner gab es nach all den langen Jahren wieder in ihrem Leben. Leona war mit Hendrik Voss liiert, einem ambitionierten Vermögensberater und Golffreund ihres Vaters.

Leona hatte gar nicht gemerkt, dass ihr Teller bei all diesen Gedanken leer geworden war. Sie trank ihren restlichen Kaffee aus und stand auf. Wenn sie nicht zu spät zum Dienst kommen wollte, würde sie sich beeilen müssen.

Sie war gerade dabei, ihre Wohnung zu verlassen, als ihr Handy den Eingang einer Textnachricht meldete. Ein Lächeln glitt über ihr Gesicht, als sie sah, dass sie von Hendrik war.

Während sie im Fahrstuhl die Stockwerke nach unten fuhr, las sie seine Nachricht. Er wünschte ihr einen guten Morgen und viel Glück bei ihrer heutigen Herzoperation. Wenn seine Termine sich nicht in die Länge zogen, würde er gern mit ihr zum Mittagessen gehen.

Leona antwortete ihm, dass sie sich sehr darüber freuen würde, und wünschte auch ihm einen angenehmen Tag. Dann war der Fahrstuhl in der Tiefgarage angelangt, wo ihr Auto stand.

***

»Schlechte Nachrichten, Hildchen?« Besorgt blickte Andrea Bergen auf ihre Schwiegermutter, die ihr gegenüber am Frühstückstisch saß. Tiefe Sorgenfalten lagen auf Hildes Stirn, und sie hielt ihre Kaffeetasse mit beiden Händen umklammert, als wollte sie sich daran festhalten.

»Dein Telefon hat auch schon ganz früh geklingelt, Omi«, bemerkte Franzi, die zwölfjährige Tochter des Hauses. »Ist was passiert?«

»Nein, noch nicht.« Mutter Hilde holte tief Luft. »Aber wenn Hanne weiterhin so eigensinnig ist und sich mit Händen und Füßen gegen die Bypass-Operation sträubt, wird wohl bald was passieren.«

Außer Andrea, Franzi und Hilde saß noch Andreas Mann Werner mit am Tisch. Er war Kinderarzt und besaß in einem Anbau der Jugendstilvilla eine gut besuchte pädiatrische Praxis.

»Ich dachte, Hanne wäre zur Vernunft gekommen und hätte eingesehen, dass nur eine Bypass-Operation ihr das Leben retten kann«, meinte Andrea. »Hat sie denn wirklich so große Angst davor?«

Hilde seufzte. »Du weißt doch, was für ein Angsthase sie immer gewesen ist. Schon in der Schule hatten wir sie deswegen aufgezogen.«

»Arbeitet Dr. Harding in den nächsten Wochen nicht wieder bei uns?«, wandte Werner Bergen sich an seine Frau. Er war Belegarzt auf der Kinderstation des Elisabeth-Krankenhauses, wo Andrea als Notärztin arbeitete.

Andrea nickte. »Ja, sie ist seit letzter Woche wieder hier.« Ein Lächeln zog über ihr Gesicht, als sie sich noch ein Brötchen aufschnitt. Sie freute sich jedes Mal, wenn Leona, mit der sie sich wunderbar verstand, wieder für einige Zeit am Elisabeth-Krankenhaus arbeitete.

»Ist das die tüchtige Herzspezialistin, die immer wieder mal bei euch operiert?«, glaubte sich Hilde zu erinnern.

»Das ist sie«, bestätigte Andrea. »Ich könnte mal mit ihr reden. Vielleicht kannst du Hanne zu einem Termin mit ihr überreden.«

Hilde hob die Schultern. »Hanne hasst Arzttermine. Sie ist auch nicht mehr bei ihrem Hausarzt gewesen, seit dieser sie wegen einer Bypass-Operation zum Facharzt überweisen wollte.«

Ein kurzes Schweigen entstand. Jeder überlegte, wie man Hildes Freundin am besten doch noch dazu überreden konnte. Schließlich meinte Andrea, man solle versuchen, Hanne eventuell dazu zu bringen, mit Dr. Harding einen Termin zu vereinbaren. Leona verstand es wunderbar, ihren Patienten die Angst zu nehmen. Und damit wäre schon viel gewonnen.

Wenig später löste sich die Runde am Frühstückstisch auf. Für Werner war es an der Zeit, in seine Praxis hinüberzugehen, Franzi musste zur Schule und Andrea zum Dienst.

Zwanzig Minuten später bog die Notärztin in die Zufahrt zum Elisabeth-Krankenhaus ein und stellte den Wagen auf ihrem gewohnten Stellplatz ab. Im Rückspiegel sah sie einen gelben Kleinwagen folgen. War das nicht Leona, die gerade ebenfalls auf den Personalparkplatz fuhr?

Andrea stieg aus und winkte der Kollegin zu. Vielleicht konnten sie noch rasch einen Kaffee zusammen trinken und dabei über Hildes Freundin sprechen.

***

»Wie lange werde ich noch leben, Papa?«

Philipp schmerzte diese Frage. Warum musste Christin an ihrem vierzehnten Geburtstag daran denken? Sie sollte sich auf die Party freuen, die er für sie arrangiert hatte, und einen unbeschwerten Tag verbringen. Stattdessen saß sie mit dem traurigsten Gesicht der Welt am Tisch.

»Das kann niemand sagen«, erwiderte er und versuchte, seiner Stimme eine heitere Note zu verleihen. »Es hängt von so vielen Faktoren ab. Du bist ja nicht unheilbar krank, Kleine. Es gibt immer wieder neue Behandlungsmethoden für herzkranke Kinder.«

»Ja, aber sie wirken nie lange.« Christins Stimme klang mutlos.

Philipp betrachtete das hübsche rothaarige Mädchen mit liebevollen Blicken. War es wirklich schon zwölf Jahre her, dass Sabine und er ein herzkrankes kleines Mädchen adoptiert hatten? Christin war damals zwei Jahre alt gewesen. Wegen ihrer Aortenklappenstenose hatte sie niemand haben wollen, auch nicht die eigene Mutter. Sie war operiert worden und dann ins Heim gekommen.

Philipp unterdrückte einen Seufzer. Das Schicksal hatte ihm eine wunderbare Tochter geschenkt, doch es hatte ihm die Frau genommen. Sabines Kampf gegen den Krebs war nur kurz gewesen, dann war sie erlöst worden, und Philipp hatte mit der kleinen Christin allein dagestanden.

Manchmal hatte er geglaubt, vor Schmerz den Verstand zu verlieren. Doch er durfte sich nicht gehen lassen, musste funktionieren. Er hatte eine kranke Tochter, und er musste den Lebensunterhalt für sie beide verdienen. Zum Glück konnte er zu Hause arbeiten.

Philipp Kreutzer war Komponist. Unter anderem komponierte er Musikuntermalungen für Krimiserien, Werbung und Videospiele. Sein Traum waren Filmkompositionen, und er hoffte, dieses Ziel einmal zu erreichen.

»Jetzt bist du es, der ein trauriges Gesicht macht«, unterbrach Christin seine Gedanken. »Was ist los? Machst du dir wieder Sorgen um mich? Sorry, ich hätte nichts von meinem dummen Herzen sagen sollen.«

Philipp setzte wieder ein Lächeln auf. Über den Tisch hinweg tätschelte er ihre Hand. »Unsinn, mein Schatz. Dein Herz ist nicht dumm. Nichts ist an dir dumm. Es gibt nur dumme Zufälle. Oder eben Schicksalsschläge. Du bist eins von vielen Kindern, die mit einem Herzfehler zur Welt gekommen sind. Sie alle meistern ihr Schicksal, und du wirst es ebenso tun. Und jetzt Schluss mit traurigen Gesichtern. Heute wird dein Geburtstag gefeiert, und wir sind noch nicht fertig mit den Vorbereitungen.«

Philipp stand auf, und auch Christin rutschte von ihrem Stuhl. Gemeinsam räumten sie den Tisch ab und spülten das Geschirr vom Mittagessen.

Philipp klang wieder ihre Frage im Ohr. Die Angst, auch noch die Tochter zu verlieren, schnürte ihm erneut das Herz ab. Wenn er die Ärzte klipp und klar nach Christins Lebenserwartung fragte, bekam er immer nur ausweichende Antworten. Es konnte bei ihr zu Herzinsuffizienz und Herzversagen kommen, musste aber nicht. Weitere Operationen konnten hilfreich sein, doch sie waren auch mit teilweise hohen Risiken verbunden. Sollte er Christin diesen aussetzen, ohne dass es wirklich nötig war?

Unsicher rieb er sich den Bart. Ständig gab es neue Fragen, neue Sorgen, neue Ängste. Christin war sein Ein und Alles. Am liebsten würde er sie in Watte packen, aber natürlich wollte sie wie andere Kinder ihren Spaß haben. Sport zum Beispiel, denn auch für herzkranke Kinder war eine sportliche Betätigung wichtig. Christins große Leidenschaft war der Waldklettergarten. Philipp ging auch regelmäßig mit ihr dorthin.

Sein Blick fiel aus dem Fenster. So schade, dass es immer noch regnete. Christins Geburtstagsfeier hätte ursprünglich im Waldklettergarten stattfinden sollen. Wegen des schlechten Wetters mussten sie die Party nun zu Hause feiern.

Nach dem Abwasch inspizierten sie noch einmal die Dekoration. Sie bestand vorwiegend aus roten Herzen in allen möglichen Größen und Formen. Girlanden zogen sich durchs Wohnzimmer und bis auf die Terrasse hinaus, bunte Luftballons vervollständigten das Bild.

Da klingelte es auch schon. Christin lief zur Haustür und öffnete.

»Dad, komm her!«, rief sie aufgeregt, als sie eine ganze Gruppe von Geburtstagsgästen durch den Vorgarten kommen sah. Im Chor sangen sie Happy Birthday. Ein Mädchen spielte auf der Mundharmonika, ein Junge schlug mit einem Kochlöffel den Takt auf einen Topf.

Lachend blickte Philipp auf die kleine Prozession. Dann nahm er sein Handy und machte ein Video davon.

***

»Guten Morgen, Andrea!«, rief Leona Harding der Notärztin zu, nachdem sie aus dem Auto gestiegen war.

Andrea winkte ihr zu und erwiderte ihren Gruß.

»So schön, dass du wieder bei uns arbeitest«, sagte sie herzlich. »Ich freue mich immer sehr auf die Zeit mit dir.«

Leona hakte sich bei ihr unter. »Ich freue mich auch jedes Mal, Andrea«, sagte sie, während sie zum Personaleingang gingen. »Vielleicht ergibt es sich zeitmäßig, dass wir zusammen zu Mittag essen.«

»Das wäre nett. Ich würde nämlich gern etwas mit dir besprechen.« Andrea blickte auf die Uhr. »Hättest du vielleicht noch Zeit für eine Tasse Kaffee? Dann könnten wir gleich darüber reden für den Fall, dass es heute Mittag nicht klappt.«

»Gern«, stimmte Leona zu.

Die beiden Ärztinnen betraten die Notaufnahme. Clemens Stellmacher, Andrea Bergens Notarztkollege, wartete schon auf seine Ablösung und freute sich, dass Andrea heute früher da war.

»Zehn Minuten noch, Herr Stellmacher«, sagte Andrea zu seiner Enttäuschung. »Ich möchte mit Frau Harding kurz etwas besprechen.«

»Kein Problem, Frau Bergen«, erwiderte der Kollege mit einem resignierten Lächeln.

Andrea bat Leona ins Notarztbüro und füllte zwei Kaffeetassen. Dann kam sie auf Hildes Freundin zu sprechen.

»Seit dem Tod ihres Mannes achtet sie nicht mehr auf ihre Gesundheit, dabei hat sie seit Jahren Herzprobleme. Ihr Arzt möchte eine Bypass-Operation für sie arrangieren, doch das lehnt sie ab. Nun würde ich sie gern zu einem Gespräch mit dir überreden. Zu dir fassen die Patienten immer spontan Vertrauen, das weiß ich. Würdest du sie dir bitte einmal ansehen?«

»Kein Problem. Wie wollen wir das terminmäßig machen?«

»Ich werde erst mit ihr reden und ihr dann einen Termin zukommen lassen«, erwiderte Andrea. »Hanne Rieder ist ihr Name.« Sie gab Leona alle nötigen Informationen, die sie von Hilde hatte.

Leona machte sich auf ihrem Handy Notizen. »Gut, ich werde dir wegen des Termins Bescheid geben.«

»Und wie geht es sonst?«, wechselte Andrea das Thema. »Was macht die Liebe?«

Über Leonas Gesicht huschte ein Lächeln. »Oh, der geht es gut. Hendrik und ich sind nach wie vor zusammen. Mein Vater redet ständig davon, dass wir heiraten sollten. Aber danach steht uns beiden im Moment nicht der Sinn.«

»Er ist Vermögensberater, nicht wahr?«

»Richtig. Wohlhabend, charmant, gut aussehend. Und ein passionierter Golfspieler wie mein Vater.«

»Klingt doch wunderbar.« Andrea hatte Leonas Partner noch nicht kennengelernt, aber das konnte sich ändern, wenn Leona wieder länger bei ihnen arbeitete.

Sie plauderten noch kurz, dann waren die zehn Minuten um. Andrea stellte ihre leere Kaffeetasse zur Seite.

»Vielleicht können wir heute Mittag noch weiterreden«, meinte sie. »Jetzt werde ich besser Kollege Stellmacher ablösen, bevor er mir die Tür einrennt und fragt, wo ich bleibe.«

***

Wenig später betrat Leona die Innere Station. Nachdem sie die Kollegen begrüßt und sich kurz über die Neuzugänge informiert hatte, machte sie den üblichen Rundgang bei ihren Herzpatienten. Dem schwergewichtigen Mann mit der Perikarditis, bei der es zu einem Perikarderguss gekommen war, ging es heute wesentlich besser. Die starke Kompression des Herzens hatte zu großer Sorge Anlass gegeben. Doch nun war die Gefahr gebannt.

Auch die junge Frau mit ihren gravierenden Herzrhythmusstörungen war auf dem Weg der Besserung, nachdem sie erfolgreich mit einer Elektrotherapie behandelt worden war.

Bei der Operation, die für Leona an diesem Vormittag auf dem Plan stand, ging es um das Verschließen eines angeborenen Atriumseptumdefekts bei einem Kleinkind. Leona ging zur Kinderstation, um den kleinen Jungen noch einmal zu untersuchen. Wie sie wusste, waren die Eltern übermäßig besorgt. Leider war es nicht möglich gewesen, das Loch im Herzen im Zuge einer Herzkatheteruntersuchung zu verschließen. Nun konnte nur noch eine Operation helfen, bei der Gewebe aus dem Herzbeutel entnommen und damit das Loch verschlossen wurde.