Nur einmal lieben - Ute Dombrowski - E-Book

Nur einmal lieben E-Book

Ute Dombrowski

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Beschreibung

Im idyllischen Eltville tötet jemand dünne Frauen mit sehr kurzen Haaren. Susanne und ihre Kollegen suchen fieberhaft nach dem Täter, aber die Ermittlungen erweisen sich mehr als schwierig. Welche Rolle spielt der Unbekannte, der Susanne jeden Tag eine rote Rose vor die Tür legt? Die Gefahren lauern überall. Können sie weiterer Opfer verhindern? Und dann trägt auch noch Eric ein Geheimnis mit sich herum …

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Seitenzahl: 276

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Ute Dombrowski

Nur einmal lieben

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

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Impressum neobooks

1

Nur einmal lieben

Ute Dombrowski

Für Heidi

1. Auflage 2024

Copyright © 2024 Ute Dombrowski

Umschlag: Ute Dombrowski mit www.canva.com

Lektorat/Korrektorat: Julia Dillenberger-Ochs

Satz: Ute Dombrowski

Verlag: Ute Dombrowski Niedertiefenbach

Druck: epubli

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Autors und Selbstverlegers unzulässig.

Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

„Wie arm sind die, die nicht Geduld besitzen – wie heilen Wunden, als nur nach und nach.“

William Shakespeare

Othello, 2. Akt, 3. Szene / Jago

Es war kurz nach Mitternacht, als Susanne aus dem Krankenhausbett sprang und das Fenster aufriss. Der neue Müllbeutel stank wieder so sehr nach Chemie, dass Susanne es kaum aushielt. Sie zog sich an und öffnete leise die Tür. Der Flur war spärlich erleuchtet und es war niemand zu sehen. Sie zog den Ärmel der Fleecejacke vorsichtig über den Verband an ihrer Hand und machte sich auf den Weg durch das Krankenhaus. Nicht das erste Mal, seit sie hier war.

Als Susanne bei einem Einsatz vor einer Woche von einem Randalierer mit einer Glasscherbe verletzt worden war, hatte sie abgewinkt.

„Es ist nur eine Schramme“, hatte sie zu Robin gesagt und das Blut an der Hose abgewischt, „übertreibe es nicht. Ich brauche keinen Arzt.“

Zwei Tage später hatte sie dann doch einen Arzt benötigt, denn die Wunde, ein vier Zentimeter langer Schnitt am Handgelenk, hatte sich entzündet. Der Arzt schimpfte, denn Susanne hatte hohes Fieber bekommen und war unter wütendem Protest von Eric in der Notaufnahme des Krankenhauses abgeliefert worden, wo sie stundenlang auf eine Behandlung wartete. Eric hatte man weggeschickt und sie war zu einem mürrischen, ununterbrochen meckernden Mann ins Zimmer geschoben worden. Seitdem war sie, wie man so schön sagte, auf Krawall gebürstet.

So einen furchtbaren Krankenhausaufenthalt hatte sie noch nie erlebt. Das riesige Gebäude in Wiesbaden war eine Baustelle, es herrschte Chaos, und die Hektik machte Susanne fast verrückt. Die Wunde war medizinisch gut versorgt worden, gereinigt und genäht, aber das Umfeld mit maroden Zimmern, der stinkenden Dusche am Ende des Ganges und das ekelhafte Essen jagten ihr immer wieder einen Schauer über den Rücken.

Außerdem tauchte zweimal pro Tag ein anderer junger Assistenzarzt auf, dem sie dann immer und immer wieder einen Krankenbericht liefern musste. Meist wurde genickt, nach der Hand geschaut und dann waren der Arzt oder die Ärztin auf Nimmerwiedersehen verschwunden.

Sie hatte Krankenhäuser nie gemocht, aber diese „Fabrik“, die sie hier erlebte, hätte sie lieber sofort wieder verlassen. An Schlaf war kaum zu denken, es piepte aus allen Ecken, Menschen stöhnten und die Nachtschwester sah sie immer böse an, weil sie lieber durch das Haus lief, statt brav im Bett zu liegen.

„Ich habe was an der Hand, also kann ich laufen“, hatte sie zurückgekeift, als die Nachtschwester sie mit einem nachdrücklichen Fingerzeig ins Bett schicken wollte.

„Ich muss das dem Arzt melden!“

„Dann grüßen Sie ihn herzlich.“

Die Schwester hatte sie ohne ein weiteres Wort stehengelassen.

Heute war Samstag und die Ruhe des Wochenendes ließ sie aufatmen. Sie lenkte die Schritte in Richtung Fahrstuhl und drückte den Knopf für das Erdgeschoss. Leider fuhr der Fahrstuhl zuerst ganz nach oben. Susanne war neugierig, also stieg sie aus. Sie schlich über den Flur der Station und sah eine weiß gekleidete, sehr schlanke Frau mit raspelkurzen Haaren mit dem Handy am Ohr, die sich nach allen Richtungen umsah, bevor sie ein Zimmer in der Mitte des Flures betrat. Susanne hatte sich in einer Nische an die Wand gedrückt. Es würde sicher Ärger geben, wenn sie hier erwischt werden würde.

Die Tür, hinter der die Frau, die Susanne für eine Ärztin hielt, verschwunden war, war nur angelehnt. Sie hörte ein Flüstern und die Kommissarin in ihr war erwacht. Sie schlich näher und spähte durch den Türspalt. Dr. B. Mürecke stand auf einem Schild am Kittel der Frau, die sich jetzt dem Schrank mit den Medikamenten zuwendete.

„Ja, ich habe drei Packungen“, hörte sie die Frau leise sagen. „Nein, mehr geht nicht, das fällt auf.“

Susannes Herz klopfte laut. Was machte die Frau hier? Steckte sie tatsächlich gerade Medikamente in die Tasche ihres Kittels? Sollte sie einschreiten? Vielleicht musste sie nur in einer anderen Station mit Medikamenten aushelfen? Da wäre es peinlich, wenn Susanne jetzt hereinplatzen würde.

Sie beschloss abzuwarten und zog sich in die Nische zurück, um die Frau weiter zu beobachten. Die kam zwei Minuten später heraus und auf Susanne zu. Sie drückte sich weiter in die Nische hinein und hielt die Luft an. Die Frau lief an ihr vorbei und Susanne folgte ihr mit größerem Abstand. So normal und sicher, wie die Frau sich bewegte, war Susanne überzeugt, dass ihr die Fantasie einen Streich gespielt hatte.

Dr. B. Mürecke fuhr nicht mit dem Fahrstuhl, sondern lief durch das Treppenhaus ins Erdgeschoss. Dort hatte Susanne sie beinahe verloren. Als sie sie wiederentdeckte, war sie durch eine schmale Außentür geschlüpft. Susanne sah durch die Scheibe der Tür, dass draußen ein Mann in Schwarz hinter einem Baum hervortrat. Die Frau steuerte auf ihn zu und dann redeten die beiden. Plötzlich griff sie in die Tasche, übergab die Medikamente, der Mann tat es ihr gleich und reichte ihr einen Umschlag. Frau Doktor Mürecke sah hinein, nickte und da war Susanne überzeugt, dass hier gerade eine Straftat passierte. Sie wollte die Tür öffnen, aber die blieb verschlossen. Susanne sah, dass man eine Karte benötigte, und schlug mit der Faust gegen die Scheibe.

So musste sie zusehen, wie die Frau und der Mann in unterschiedliche Richtungen verschwanden. Sollte sie Alarm schlagen? Das war doch eben die heimliche Übergabe von Medikamenten aus dem Krankenhaus an einen Unbekannten gewesen! In dem Umschlag war mit Sicherheit Geld! Susanne überlegte, dann beschloss sie, gleich morgen früh Robin anzurufen und ihm alles zu erzählen. Sie war krankgeschrieben und Ferdinand würde sie nie und nimmer hier ermitteln lassen.

Sie stampfte mit dem Fuß auf und machte sich auf den Weg zu ihrem Zimmer, wo sie noch eine Stunde lang am Fenster saß, dann den Mülleimer hinaus auf den Flur schob und schlafen ging.

Am Morgen würgte sie das Frühstück hinunter, trank eine Tasse Kaffee und sah aus dem Fenster. Es war ruhig, denn sonntags ließ man es langsam angehen. Selbst das Frühstück hatte es später gegeben. Auf dem Tablett fand sie noch die Tablettenschachtel und spülte die kleinen weißen Pillen mit einem Schluck Wasser hinunter. Es waren wohl ein Antibiotikum und noch etwas anderes gegen die Entzündung. Morgen sollten nochmal alle Blutwerte überprüft werden. Der letzte Arzt wollte sie erst entlassen, wenn die Entzündungswerte wieder im grünen Bereich waren.

Sie setzte sich auf das Bett und zog das Ladekabel aus der Steckdose. Dann wählte sie Robins Nummer und musste es ziemlich lange klingeln lassen, ehe sich ihr Kollege mit müdem Brummen meldete.

„Hallo Robin, du musst sofort kommen. Hier läuft was nicht ganz sauber. Ich denke, hier handelt jemand mit Tabletten aus dem …“

„Wer ist denn da?“

„Ich bin es, Susanne.“

„Spinnst du? Es ist gerade mal halb acht und Sonntag!“

„Sorry, aber das ist wichtig. Ich habe in der Nacht etwas beobachtet, aber ich darf hier nicht ermitteln.“

„Und was habe ich mit einem Fall in einem Krankenhaus in Wiesbaden zu tun? Ruf doch die Polizei!“

„Nein, ehe ich mir nicht zu hundert Prozent sicher bin, will ich dir das erzählen. Du bist jetzt eh wach, also kannst du auch herkommen. Von mir aus bring Justine mit. Das gilt dann als lieber Besuch.“

Robin stöhnte. Susanne war manchmal eine Nervensäge, aber in einem hatte sie recht: Er war wach. Neben ihm lag Justine, die die Bettdecke über den Kopf gezogen hatte. Robin legte auf und zog seiner Freundin die Bettdecke weg.

„He, was soll das? Hast du nicht frei heute? Was will denn Susanne von dir?“

„Sie hat irgendwas beobachtet.“

„Und das kann nicht warten?“

Robin küsste Justine und kitzelte sie, bis sie laut schreiend aus dem Bett rollte. Dort lag sie dann auf dem Teppich und lachte. Robin schaute sie an. Er war sehr froh, dass er sich auf diese Beziehung eingelassen hatte, denn Justine machte ihn glücklich.

„Vorschlag“, sagte er. „Wir stehen auf, frühstücken gemütlich, besorgen in der Tankstelle eine Schachtel Pralinen und fahren zu Susanne. Das zählt als Besuch, hat sie gesagt. Und dann kann ich mir anhören, was sie beobachtet hat. Es wird Zeit, dass sie entlassen wird. Vor lauter Langeweile tigert sie durchs Krankenhaus und sieht überall Gespenster.“

Justine stand auf und streckte sich. Seit Robin an ihrer Seite war, fühlte sie sich geliebt und beschützt. Das wollte sie nie wieder missen. Sie ging ins Bad und als sie zwanzig Minuten später in die Küche kam, duftete es nach Kaffee und aufgebackenen Brötchen.

2

„Bist du dir sicher? Es könnte doch sein, dass da ein Patient ein verspätetes Medikament bekommen hat.“

Robin und Justine saßen mit Susanne an einem der Tische im Café im Eingangsbereich des Krankenhauses, das zwar noch nicht geöffnet hatte, aber hier gab es einen Automaten und der Kaffee schmeckte viel besser als auf der Station, darum holte sich Susanne noch eine Tasse.

„Nein, Robin, es sah eindeutig aus wie eine illegale Übergabe. Ich bin mir sicher, dass in dem Umschlag Geld war. Leider ist die Ärztin nicht wieder ins Haus gekommen. Ich habe mir die Tür nochmal angesehen. Man kann sie nur mit einer speziellen Schlüsselkarte öffnen.“

„Kennst du die Ärztin?“

„Nein, aber an ihrem Kittel stand Dr. B. Mürecke.“

„Ich hoffe, du hast sie nicht bereits zur Rede gestellt?“

„Natürlich nicht, ich habe was an der Hand und nicht am Kopf. Ich wollte das erst einmal mit dir besprechen, dann kann ich sie weiter im Auge behalten oder willst du lieber mit ihr reden?“

„Ich bin … wir sind hier nicht zuständig. Also reden wir beide nicht mit ihr. Ich könnte den Wiesbadener Kollegen von deiner Beobachtung berichten.“

„Nein, ich muss mir erst sicher sein. Also werde ich heute Nacht nochmal nach ihr schauen.“

„Ich weiß, dass ich es dir sowieso nicht ausreden kann, aber ich sage dir eines: Mach keinen Mist und pass bitte auf dich auf.“

„Genau“, sagte Justine, die interessiert zugehört hatte, „das ist sicher gefährlich, falls du recht hast. Dahinter steckt doch bestimmt ein Verbrecherring. Ist im Fernsehen jedenfalls immer so.“

Robin lachte.

„Oh ja, Schatz, im Fernsehen. Im richtigen Leben ist alles viel unspektakulärer. Ich höre mich mal um, ob jemand etwas gehört hat. Einverstanden? Am besten rufe ich mal bei Hannes an.“

Sie sprachen eine Weile über andere Dinge und die Zeit verging rasch, was Susanne sehr lieb war.

„Das mit Hannes ist eine gute Idee“, sagte sie, als sie wieder auf die nächtliche Aktion zurückgekommen waren. „Aber bitte sag Ferdinand und Eric nichts davon.“

„Wovon sollst du mir nichts sagen?“, kam eine Stimme von der Tür her.

Es war Eric mit einer einzelnen Rose. Er lächelte, trat an den Tisch und setzte sich auf den freien Stuhl.

„Nichts weiter, nur dass das Frühstück wieder furchtbar war. Aber ich will nicht meckern, so spare ich mir die Diät. Justine, wenn ich hier raus bin, müssen wir dringend joggen gehen. Mir fehlt die Bewegung.“

„Soll ich dir ein Stück Torte holen?“, fragte Eric und sah sich um.

Das Café hatte endlich geöffnet und war voll bis auf den letzten Platz. Auf jedem Tisch waren Teller mit Kuchen und Torte zu sehen, also schienen mehr Leute keine Freude am Krankenhausessen gehabt zu haben.

„Nein!“, rief Susanne. „Ich kann jetzt keine Torte essen. Aber vielleicht kann ich morgen nach Hause. Ich muss mal wieder schlafen.“

„Das ist ein Krankenhaus, es gibt doch wohl keinen Ort, an dem man so viel schlafen kann und darf.“

„Ach, Justine, du hast den Müllbeutel noch nicht gerochen. Der wird jeden Tag ausgetauscht, aber der stinkt zum Himmel. Ich schiebe den abends aus dem Zimmer, aber der Mann, der das Zimmer reinigt, schiebt ihn immer wieder rein.“

„Ich verstehe“, sagte Justine, die sofort den Plastikgeruch in der Nase hatte. „Dann drücke ich dir die Daumen, dass du morgen heim kannst. Tut es noch weh?“

„Eigentlich nicht. Der Verband wird täglich gewechselt und die Wunde sieht schon ziemlich gut aus. Es suppt nicht mehr und somit ist wieder alles gut.“

Robin stand auf und zog Justine mit hoch.

„Meine Lieben, wir fahren wieder los. Dann könnt ihr beide noch ein bisschen Zweisamkeit austauschen. Und sei brav! Nachts sollst du schlafen und nicht durch das Haus wandeln.“

Susanne warf ihm einen strengen Blick zu, doch Robin zwinkerte und küsste sie auf die Wange. Justine umarmte ihre Freundin und folgte Robin hinaus. Eric rückte näher und fuhr mit der Nasenspitze über Susannes Wange.

„Es wäre schön, wenn du morgen nach Hause darfst. Du fehlst mir sehr. Ich muss den ganzen Tag arbeiten, um mich abzulenken.“

Susanne küsste Eric auf die Nase und fuhr ihm mit der gesunden Hand durch das blonde Haar. Er hatte es wieder ein bisschen wachsen lassen.

„Ich bin dann bestimmt noch eine Weile krankgeschrieben. Das wird saulangweilig, wenn du den ganzen Tag weg bist.“

Eric versprach, sich ein paar Tage frei zu nehmen, wenn es ging, und die freie Zeit mit ihr zu verbringen. Sie könnten spazieren gehen, durch den Rheingau fahren, schön essen und lange schlafen.

„Wo wanderst du denn nachts herum?“

„Ach, nur so durch die Flure. Vielleicht kann ich heute Nacht mal besser schlafen.“

Eric begleitete sie durch das von Besuchern gefüllte Haus bis in ihr Zimmer. Dort stellte er die Rose in eine leere Wasserflasche, die er am Waschbecken halb mit Wasser gefüllt hatte. Dann stellte er die Tasche auf das Bett.

„Ich habe dir noch ein paar Unterhosen, zwei T-Shirts mitgebracht und die neue Tube Zahnpasta. Habe ich etwas vergessen?“

Susanne schüttelte den Kopf und legte sich ins Bett. Auf dem Nachttisch lagen zwei Zeitschriften, in denen sie schon alle Kreuzworträtsel gelöst hatte.

„Ich sterbe hier vor Langeweile. Wenn ich daran denke, dass manche Menschen wochenlang im Krankenhaus liegen.“

Sie redeten noch eine Weile über die Dinge, die gerade in Eltville passierten und die Susanne verpasst hatte. Sie war nur froh, dass das Wetter nicht strahlend schön war, denn sonst würde es sie noch mehr stören, dass sie nicht draußen sein konnte. Es war warm, aber oft trüb und regnerisch. Hoffentlich würde es in der kommenden Woche besser werden. Ein paar schöne Tage mit Eric zu verbringen, das klang sehr verlockend.

Bald darauf verabschiedete sich der Staatsanwalt, küsste Susanne lange und winkte ihr noch einmal von der Tür aus zu. Sie ließ sich zurück auf das Kissen sinken und grübelte wieder über das Erlebnis aus der letzten Nacht.

War es nur Einbildung als Ergebnis ihrer Langeweile gewesen? Nein, das konnte nicht sein. Sie sah noch vor sich, wie sich die Ärztin vorsichtig umgesehen hatte und hörte ihr Flüstern: „Ja, ich habe hier drei Packungen … Nein, mehr geht nicht, das fällt auf.“ So sprach niemand, wenn er etwas Legales tat. So redeten Leute, die etwas im Schilde führten.

Es klopfte und die Schwester brachte das Abendessen. Sie redeten kurz über das Wetter, dann verschwand die junge Frau wieder. Die Schwestern waren sehr nett und freundlich. Susanne tat es leid, dass sie unter so unmöglichen Bedingungen arbeiten mussten. Dann auch noch nett zu sein erforderte ein hohes Maß an Empathie.

Susanne sah das eiskalte Brot mit der trockenen Käsescheibe, die sich an den Ecken bereits nach oben bog. Es gab ein kleines Stück Butter dazu und eine Tasse Pfefferminztee. Mit Abscheu aß sie alles auf, denn sie musste noch die abendlichen Tabletten nehmen, da wollte sie lieber etwas im Magen haben.

Nachdem sie sich eine Stunde mit dem Handy abgelenkt hatte, legte sie sich wieder ins Bett. Die Schwester räumte das Tablett ab und verabschiedete sich.

„Ab morgen habe ich ein paar Tage frei.“

„Dann viel Spaß und drücken Sie mir die Daumen, dass ich hier morgen raus kann. Ich mag nämlich nicht mehr.“

Die Schwester nickte und verschwand. Die nächste Stunde verbrachte sie allein und versuchte zu schlafen, damit sie in der Nacht nochmal durch das Haus schlendern konnte. Plötzlich ging die Tür auf und zwei Pfleger rollten ein zweites Bett ins Zimmer. Darin lag eine junge Frau, die bitterlich weinte. Sie schluchzte und stöhnte, dass es Susanne beinahe das Herz zerriss.

Als die Pfleger weg waren, fragte Susanne die junge Frau, ob sie etwas brauchte.

„Nein, nein, ich brauche nichts“, schniefte sie.

„Ich bin Susanne.“

„Fiona. Was hast du?“

„Meine Wunde an der Hand hatte sich entzündet. Und du?“

„Sie wissen es nicht. Ich bekomme schlecht Luft, meine Blutwerte sind mies und ich soll morgen ins CT.“

„Willkommen im Klub, meine Werte sind wohl wieder besser und wenn alles gut ist, gehe ich morgen nach Hause.“

Wie auf Kommando begann Fiona wieder zu weinen. Eine Schwester kam und stellte eine Flasche Wasser auf Fionas Nachttisch.

„Kann ich ein Glas bekommen?“

Die Schwester nickte, aber als sie auch nach einer Stunde nicht wieder da war, holte Susanne ein Glas für Fiona, die bald erschöpft einschlief. Susanne konnte sich vorstellen, welche Odyssee sie seit der Ankunft in der Notaufnahme hinter sich hatte.

Sie sah Fiona eine Weile beim Schlafen zu, sprang dann aus dem Bett und schaute aus dem Fenster. Es war zehn Uhr und noch hell, aber die Nacht war in der Ferne bereits zu erahnen. Wenn es dunkler und ruhiger draußen war, würde sie sich auf den Weg in die obere Etage machen.

Ungeduldig beobachtete sie den Himmel, nach und nach zog die Stille in die Station ein. Kein Gerenne mehr auf dem Flur, keine Stimmen, nur das Piepen der Maschinen, die die Menschen in Not überwachten. Sie schlich zur Tür und sah hinaus. Es war niemand zu sehen, also schlüpfte sie in den Flur und eilte hinüber zum Fahrstuhl.

Sie fuhr in die obere Etage und sah sich um. Auch hier war niemand unterwegs, denn die Patienten lagen in den Betten und die Schwestern gönnten sich eine Atempause. Der Flur, in dem sie gestern Nacht die Ärztin gesehen hatte, lag im Halbdunkel. Der Raum mit den Medikamenten stand einen Spalt offen und Susanne hoffte schon, die Ärztin bei einer erneuten Aktion zu entdecken. Im gleichen Moment, als sie durch den Türspalt sah, ging die Tür auf und sie stand Auge in Auge mit einer älteren Krankenschwester.

Sie musterte Susanne streng und fauchte: „Was machen Sie hier? Schnüffeln Sie hier rum? Soll ich den Sicherheitsdienst rufen?“

„Nein, nein“, wehrte Susanne ab, „ich habe mich verlaufen und suche … suche … ich suche Dr. Mürecke.“

Die Schwester kniff die Augen zusammen.

„Die Frau Doktor hat heute keinen Dienst. Sie ist morgen wieder da. Und jetzt gehen Sie bitte. Es ist Nachtruhe!“

Susanne war knallrot geworden und froh, dass man es im dunklen Flur nicht sah. Da hatte sie nochmal Glück gehabt. Nicht auszudenken, wenn die Schwester den Sicherheitsdienst geholt hätte.

3

Am nächsten Morgen stand schon wieder ein neuer, unbekannter Arzt an Susannes Bett und betrachtete eingehend ihre Wunde, nachdem die Schwester den Verband gelöst hatte. Er hob ihre Hand, drehte und wendete sie in alle Richtungen und schaute dann schweigend in ihre Akte. Fiona war zu einer Untersuchung abgeholt worden.

„Machen Sie einen neuen Verband und entlassen Sie die Patientin, wenn der Brief fertig ist.“

Er hatte ausschließlich mit der Schwester gesprochen und das ärgerte Susanne maßlos. Sie fühlte sich ausgeschlossen, dabei ging es doch um ihre Gesundheit. Zumindest musste sie nicht ihre gesamte Krankengeschichte wiederholen.

„Sie dürfen gerne auch mit mir sprechen, Herr Doktor.“

Der junge Arzt sah sie irritiert an.

„Sie können heute nach Hause, die Wunde ist gut verheilt.“

„Das ist alles? Muss ich auf irgendwas achten? Was darf ich tun? Kann ich morgen wieder arbeiten?“

Susanne hätte ganz gern den Aufstand geprobt und sich damit Luft gemacht, doch dann atmete sie tief durch. Es würde niemandem helfen, wenn sie sich aufregte. Und der Arzt sah nicht so aus, als würde er es verstehen.

„Ähm …“, stotterte er, „Sie müssen mit dem Brief zum Hausarzt, der kann sie krankschreiben.“

„Ich will aber arbeiten gehen.“

Es kam trotziger über Susannes Lippen, als sie es geplant hatte.

„Da muss ich den Oberarzt fragen.“

Er stand wie verloren neben ihrem Bett. Mit einem Ruck drehte er sich um und verschwand. Die Schwester grinste verhalten und erneuerte den Verband.

„Sie dürfen heim, freuen Sie sich doch.“

„Ach, ich freue mich ja, aber das ist der achte Arzt, der sich meine Hand anschaut, da glaube ich nicht, dass er einen Plan hat, was hier los ist.“

„Er hat doch die Akte.“

„Hat er sie gelesen oder nur herumgetragen?“

„Das weiß ich nicht. Aber … ich gehe davon aus, dass er sie gelesen hat.“

Es tat Susanne leid, dass sie die arme Krankenschwester in Verlegenheit gebracht hatte. Sie konnte ja nichts für dieses Chaos überall und machte trotzdem Tag für Tag ihren Job, um den Patienten zu helfen.

Die Tür ging auf und der Arzt kam zurück an ihr Bett.

„Sie müssen zum Hausarzt und können Innendienst machen, sagt der Oberarzt.“

Er drehte sich um und ging ohne ein weiteres Wort, gefolgt von der Schwester. Sicher waren beide froh, dass sie die unbequeme Patientin heute loswurden. Susanne sah auf die Uhr und schnaufte. Es war jetzt kurz vor zehn und niemand wusste, wie lange es dauern würde, den Arztbrief zu schreiben. Trotzdem stand sie auf und packte ihre Tasche, die sie dann neben ihr Bett stellte.

Eine Stunde später wurde Fiona wieder ins Zimmer gerollt. Sie legte sich schnaufend ins Bett und putzte sich geräuschvoll die Nase.

„Wie geht es dir?“, fragte Susanne.

„Wenn ich das richtig verstanden habe, bin ich richtig schlimm krank. Eine Peri … Perikar … Perikarditis. Entzündung des Herzbeutels. Darum kriege ich auch so schlecht Luft.“

„Das tut mir leid. Was passiert denn jetzt? Wie kriegen die das wieder weg?“

„Die haben davon geredet, dass das punktiert wird, weil da Flüssigkeit drin ist. Ich habe das gar nicht so verstanden.“

Susanne lief ein kalter Schauer über den Rücken. Punktieren heißt, mit einer langen Nadel irgendwo reinstechen, das wusste sie. Ins Herz? Nein danke. Schon gar nicht in diesem Krankenhaus. Aber das sagte sie Fiona nicht, denn sie wollte ihr keine zusätzliche Angst machen. Sie durfte heute nach Hause und konnte drei Kreuze machen. Punkt und aus.

„Darfst du nach Hause?“

„Ja, ich warte auf den Arztbrief.“

„Du hast es gut.“

Die Schwester kam und schloss Fiona an die Geräte zur Überwachung an. Als sie weg war, hatte Fiona schon wieder Tränen in den Augen. Um sie abzulenken, wechselte Susanne das Thema.

„Was machts du denn beruflich?“

„Ich arbeite in einem Autohaus. Und was machst du?“

„Ich bin bei der Polizei.“

„Ach, wie spannend. Hast du eine Pistole?“

„Ja.“

„Fährst du Streife?“

„Nein, ich bin bei der Kripo.“

„Uh, hattest du schon mit Leichen zu tun? Mord und so?“

„Ja, mehr als mir lieb ist. Ich bin auch hier im Krankenhaus, weil mich ein Täter mit einer abgebrochenen Flasche geritzt hat. Das hat sich leider entzündet.“

„Das wäre nichts für mich.“

Sie seufzte. Susanne stand auf und trat ans Fenster. Ja, sie hatte schon viel erlebt: Sie hatte Tote gesehen, Phillips Tod, hatte Eric fast verloren und so manchen Verbrecher gejagt. Aber das war ihr Job und sie wollte nichts anderes machen.

Das Mittagessen kam, doch Susanne hob die Abdeckung nicht hoch. Sie wollte das Essen nicht mehr sehen und freute sich auf Nudeln mit Tomatensoße von Eric. Er hatte versprochen zu kochen, wenn sie zuhause war. Sie sah, wie Fiona geschockt auf das Essen starrte und die Abdeckung wieder drüber deckte.

„Ich habe gar keinen Hunger.“

Dann nahm sie den kleinen Schokopudding, der nur aus Fett und Zucker bestand und löffelte ihn aus. Sie trank ein Glas Wasser und legte sich ins Kissen.

Susanne wollte sie nicht stören, also trat sie hinaus auf den Flur und sah nach links und rechts. Es war Montag, morgens hatte das Getümmel wieder begonnen und es piepte aus allen Ecken. Sie wendete sich nach rechts und lief den Flur hinunter, um dort aus dem Fenster zu schauen. Es war nichts zu sehen, nur graue Mauern und eine Art Hinterhof. Sie lief zurück und verließ die Station, um nach unten ins Café zu gehen. Sie holte sich eine Tasse Kaffee und ein Stück Erdbeertorte und setzte sich so, dass sie die hin und her eilenden Menschen beobachten konnte. Eine Stunde später betrat sie ihr Zimmer und sah den Besuch an Fionas Bett. Sie grüßte freundlich und setzte sich auf ihr eigenes.

Eine weitere Stunde später kam endlich die Schwester mit dem Entlassungsbrief und Susanne wünschte Fiona alles Gute. Sie verabschiedete sich bei den Schwestern, eilte nach unten, setzte sich wieder ins Café und rief Eric an.

„Kannst du mich holen? Ich darf endlich heim, habe eben den Brief bekommen.“

„Ich beeile mich, Schatz. Allerdings wird es noch mindestens eine Stunde dauern.“

„Kein Problem, ich hole mir einen Eisbecher und eine Tasse Kaffee. Du findest mich im Café.“

Eric lachte und legte auf. Susanne setzte sich, bestellte und wartete. Als Eric kam, fiel sie ihm um den Hals und musste sich die Tränen verkneifen, so froh war sie, dieses Krankenhaus hinter sich lassen zu können.

„Eigentlich wollte ich dich nach Hause bringen und dann zum Kaffeetrinken einladen. Aber du bist sicher schon satt.“

„Bring mich heim, dann schauen wir mal, ob noch Platz in meinem Magen ist. Schließlich gab es nur gruseligen Fraß dort. Ich habe bestimmt abgenommen.“

Zuhause angekommen ging Susanne durch die Räume und schnupperte. Es schien ihr, als wäre sie wochenlang weg gewesen. Danach zog sie den Gummihandschuh an und duschte sich den Krankenhaus-Mief vom Körper. Mit einem Handtuch um den Kopf kam sie ins Wohnzimmer, wo Eric auf der Couch saß und durch die Kanäle des Fernsehers zappte.

Als Susanne sich zu ihm setzte, schaltete er ab und nahm sie in den Arm.

„Eigentlich können wir auch hierbleiben und ein bisschen kuscheln.“

Eric lachte und zog sie an sich.

„Ich dachte, du willst dich ein wenig bewegen, aber einverstanden. Bleiben wir hier.“

„Ein Spaziergang wäre in Ordnung, aber ich muss erst meine Haare trocknen.“

Sie eilte zurück ins Bad und eine Minute später hörte Eric den Föhn. Nach zwanzig Minuten war Susanne zurück und zog ihn von der Couch hoch. Sie verließen das Haus und wie zur Bestätigung ihrer Entscheidung war die Sonne herausgekommen und hatte die Wolken der letzten Tage in die Flucht geschlagen. Sie spazierten zum Rheinufer und setzten sich auf eine Bank in der Nähe des Anlegers.

Susanne sah zu dem Restaurant am Rhein hinüber und seufzte.

„Ich könnte jetzt eine leckere Currywurst vertragen. Dann brauche ich auch kein Abendessen mehr.“

Eric nickte nur. Sie gingen Hand in Hand zum Restaurant, fanden einen Platz direkt am Wasser und aßen jeder eine Currywurst mit Brot. Susanne seufzte, weil es ihr so guttat und ihre Geschmacksknospen wohl noch nicht abgetötet worden waren.

Als Eric zum Abschluss eine Tasse Kaffee bestellte, klingelte sein Handy und er lauschte aufmerksam.

„Schatz, ich muss weg“, sagte er, nachdem er aufgelegt hatte. „Es gibt eine Leiche.“

4

„Ich will mitkommen!“, rief Susanne, als Eric die Rechnung bezahlte.

„Kommt gar nicht in Frage, du bist eben erst aus dem Krankenhaus entlassen worden. Ich bringe dich nach Hause und schaue mir das an.“

„Ich will aber!“

„Du denkst doch nicht im Ernst, dass Ferdinand dich zum Tatort lässt.“

„Und wenn du ein gutes Wort für mich einlegst? Komm, ich habe mich schon die letzten Tage fast zu Tode gelangweilt. Ich verspreche auch nichts anzufassen. Nur gucken!“

Eric stand auf und lachte, Susanne folgte ihm. Er nahm ihre gesunde Hand und küsste sie, dann liefen sie heim. Dort lag eine einzelne rote Rose vor der Haustür.

„Ach du je, woher kommt die denn schon wieder?“

Susanne bekam ein mulmiges Gefühl im Bauch. Es war fast zwei Wochen her, dass sie dort die erste Rose gefunden hatte. Da die nicht von Eric gewesen war und auch keine Nachricht dabei gelegen hatte, musste sie von einem Unbekannten stammen. Aber der Gedanke daran, dass ihr jemand hinter ihrem Rücken ungewollt Rosen schickte, machte Susanne ein bisschen Angst. Sie nahm die Blume und warf sie in der Küche in den Mülleimer, obwohl sie noch frisch war.

Eric sah ihr dabei über die Schulter.

„Warum wirfst du sie weg? Die ist doch hübsch?“

„Wie bitte? Findest du das etwa in Ordnung, dass mir ein Fremder Blumen vor die Tür legt?“

„Keine Ahnung, was denkst du denn, wer das ist?“

„Ich weiß es nicht, aber ich will das nicht! Du bist der einzige Mann, der mir Rosen schenken darf. Lass es gut sein, fahren wir zum Tatort.“

Nun musste Eric wieder lachen. Er ahnte, dass er Susanne nicht hier zurücklassen konnte. Sie war einfach zu neugierig und er würde seine Entscheidung schon vor Ferdinand verteidigen.

„Na dann hopp, fahren wir.“

Susanne strahlte froh. Eric nahm den Autoschlüssel und lief mit ihr zum Auto. Er fuhr zu der angegebenen Adresse in Eltville-Ost und parkte hinter Ferdinands Dienstwagen.

„Hallo Kollege“, grüßte Susanne einen Polizisten, der das Absperrband überwachte.

„Hallo, bist du wieder fit?“

„Ja, aber heute schaue ich mir das nur an.“

Sie lief zum Eingang des Hauses, aber Eric hielt sie zurück.

„Lass mich vorgehen. Ich muss erst deinem Chef erklären, was du hier machst.“

Er überholte Susanne und als sie im Flur der Wohnung angekommen waren, sahen sie Ferdinand im Gespräch mit Norman Plaicher von der Spurensicherung. Der freute sich im Gegensatz zu Ferdinand über Susannes Anwesenheit.

Eric hob die Hand, ehe der Dienststellenleiter etwas sagen konnte.

„Du kennst Susanne, sie hat Leiche gehört und ich hätte sie schon im Keller einsperren müssen, um sie am Mitkommen zu hindern.“

Seine Worte nahmen die Anspannung aus der Situation und nun musste auch Ferdinand lächeln. Er ging auf Susanne zu und küsste sie auf die Wange.

„Schön, dass du wieder mitmischen kannst.“

„Was machst du hier? Wo ist Robin?“

„Er hat einen Arzttermin und kommt später dazu. Geht es dir gut?“

„Ja, ich freue mich, dass ich mich nicht mehr langweilen muss.“

„Was haben wir?“, fragte Eric.

„Schaut selbst! Sie liegt im Schlafzimmer.“

Eric und Susanne betraten das abgedunkelte Zimmer. Auf dem Bett lag eine Frau und es sah aus, als wäre sie aufgebahrt. Ihre Hände lagen gefaltet auf der Bettdecke. Es sah aus, als würde sie schlafen.

„Wer ist sie?“

„Bettina Mürecke. Wohnt hier allein, es ist wohl ihre Zweitwohnung. Sie hat noch eine …“

„Wie bitte?“, rief Susanne und erstarrte. „Bettina Mürecke?“

Sie dachte an das Namensschild der Ärztin: Dr. B. Mürecke. Susanne trat näher an das Bett heran. Sie hatte die Männer im Raum ausgeblendet und sah in das Gesicht der Leiche. Sehr kurze, von grauen Strähnen durchzogene Haare, schmales Gesicht, ein schon fast hagerer Körper. Ja, das war die Ärztin, die sie im Krankenhaus gesehen hatte. Sie drehte sich zu Ferdinand und Eric um.

„Ich kenne sie.“

„Wie bitte?“

Ferdinand trat neben sie.

„Sie ist Ärztin in dem Krankenhaus in Wiesbaden.“

„Ach ja. Hat sie dich behandelt?“

„Nein, ich habe …“

Sie kniff die Lippen zusammen.

„Rede!“, forderte Eric sie auf.

„Ich bin ja nachts manchmal durch das Haus geschlendert. Da habe ich sie dabei beobachtet, wie sie Tabletten aus dem Raum für die Medikamente genommen und dann hinter dem Haus an jemanden übergeben hat. Sie hat einen Umschlag dafür bekommen.“

„Wann war das?“

„Samstag. Ich konnte ihr nicht weiter folgen, weil die Tür nicht aufging, nur mit einer Karte.“

Susanne hatte ein merkwürdiges Gefühl im Bauch. Diese Art der Aufbahrung passte nicht zu der Geschichte mit den Medikamenten. Das sah hier eher nach einer Beziehungstat aus. Überall war Blut, Susanne hatte eine Ahnung, dass unter der Decke noch mehr davon war. Das Gesicht der Frau jedoch war unversehrt, entweder hatte sie sich selbst oder der Täter ihr Lidschatten und Lippenstift aufgelegt.

„Wie ist sie gestorben?“

„Sie hat zahlreiche Einstiche“, sagte Herrmann Pfriehl von der Gerichtsmedizin. „Wir haben sie nur nochmal zugedeckt. Ich kann die Stiche eh erst später zählen. Ich finde, das sieht hier fast aus wie ein Ritual.“

„Kannst du herausfinden, ob sie sich selbst oder der Täter sie geschminkt hat?“

„Ich versuche es. Können wir sie mitnehmen?“

Ferdinand nickte.

„Vor allem müssen jetzt alle mal hier raus.“

Susanne ging voraus, die Männer folgten ihr ins Wohnzimmer. Die Kommissarin sah sich um. Der Raum war spärlich, aber mit teuren Möbeln eingerichtet. Es gab eine große Couch, einen Glastisch, ein Bücherregal und eine Art Vitrine. Daneben war ein Glasschrank, gefüllt mit Gläsern und diversen Flaschen.

Sie ging zurück in den schmalen Flur. Am Garderobenhaken hingen eine Jeansjacke und ein leichter Sommermantel. Auf dem dicken Teppich standen ein paar Pumps und weiße Sportschuhe. Das Bad war ebenso unauffällig, zudem schien der Täter diese Räume nicht betreten zu haben.