Operation Simipath: Letzte Option - Dirk van den Boom - E-Book

Operation Simipath: Letzte Option E-Book

Dirk van den Boom

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Beschreibung

Simipath Inc. versorgte die Reichen, Mächtigen und Kriminellen der Galaxis mit den Dienstleistungen von Gestaltwandlern. Doch nun werden diese sogenannten Simipathen einer nach dem anderen entführt - und viele ehemalige Auftraggeber werden nervös: CEO Minarel Tarkin und ihre Mitarbeiter kennen zu viele Geheimnisse.

Der Notfallplan: Minarel muss mehr über die Herkunft der Simipathen erfahren, um herauszufinden, woher die Angriffe kommen. Gejagt durch die gesamte Galaxis, sucht sie fieberhaft nach Informationen. Doch die muss sie teuer bezahlen. Und auch die Gegenspieler von Simipath Inc. machen sich auf den Weg, um ihren Plan zu vollenden.

"Letzte Option" ist der zweite Band von Operation Simipath - die neue Science-Fiction-Trilogie von Dirk van den Boom.

Band 1: Verborgene Jagd

Band 3: Geheimes Manöver

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Inhalt

CoverGrußwort des VerlagsÜber dieses BuchTitelKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Über den AutorWeitere Titel des AutorsImpressum

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Über dieses Buch

Simipath Inc. versorgte die Reichen, Mächtigen und Kriminellen der Galaxis mit den Dienstleistungen von Gestaltwandlern. Doch nun werden diese sogenannten Simipathen einer nach dem anderen entführt – und viele ehemalige Auftraggeber werden nervös: CEO Minarel Tarkin und ihre Mitarbeiter kennen zu viele Geheimnisse.

Der Notfallplan: Minarel muss mehr über die Herkunft der Simipathen erfahren, um herauszufinden, woher die Angriffe kommen. Gejagt durch die gesamte Galaxis, sucht sie fieberhaft nach Informationen. Doch die muss sie teuer bezahlen. Und auch die Gegenspieler von Simipath Inc. machen sich auf den Weg, um ihren Plan zu vollenden.

Kapitel 1

Wenn man die Treppe emporgeschritten war, befand man sich plötzlich in der großen Rezeptionshalle der Admiral Pohl. Schwer beeindruckt blieb man erst einmal stehen, zumindest falls einen nicht ein Fluchtreflex überkam. Denn der große Passagierliner konnte Bewunderung genauso hervorrufen wie Einschüchterung. Alina war zwischen beiden Gefühlen hin- und hergerissen in diesem Schmuckstück der Reederei.

Deshalb verharrte sie einen Moment, um diese unterschiedlichen Eindrücke in sich aufzunehmen. Sie schwankte zwischen dem Wunsch, ihren Aufenthalt hier möglichst schnell hinter sich zu bringen, und blankem Erstaunen über die Frechheit des Designs. Der Innenarchitekt hatte zweifellos Anweisung bekommen, dem Passagier bei seinem Eintritt den Atem zu verschlagen. Wer je einen Fuß hierherauf gesetzt hatte, würde diesen Anblick nie wieder vergessen.

Alina musste einräumen, dass das zweifellos gelungen war. Aber in ihren Augen sah es so aus, als wäre der hochdotierte Architekt eines schönen Tages sturzbetrunken auf die Bedienelemente seiner Konsole gefallen und hätte dadurch die Software für die Baupläne in Gang gesetzt. Mit einem bösen Kater erwacht, hatte der Architekt das Ergebnis betrachtet und mit Blick auf den unmittelbar bevorstehenden Abgabetermin achselzuckend gemeint: »Nachher beschweren können sie sich immer noch!« So war der aberwitzige Entwurf eingereicht worden, und da der zuständige Mitarbeiter in der Reederei sich gerade mit seinem Chef überworfen hatte, war er so kurz vor der Kündigung dankbar für diese Chance, dem ungeliebten Unternehmen zum Abschied eins reinzuwürgen. Das Ergebnis hatte keiner mehr kontrolliert, und das Schiff wurde nach allen Regeln der Geschmacklosigkeit gebaut und schließlich in den Dienst der Flotte gestellt. Und da jeder fürchtete, er würde sich als Kunstbanause outen, wurde dieser Irrsinn entsprechend belobhudelt.

Solche Dinge passierten, das wusste Alina, und sogar öfter, als man es sich vorstellen wollte. Es erschien ihr als überaus realistische Erklärung für diese kolossale Geschmacksverirrung.

Was den staunenden Passagieren hier präsentiert wurde, konnte man nur als eine Orgie aus Plüsch, glitzerndem Gold und kunterbuntem Flausch bezeichnen. Die Augen des Betrachters wurden mit Farben und Formen förmlich erdrückt, wobei Alina Assoziationen mit einem Bordell, das in einer Kirche Einzug gehalten hatte, nicht unterdrücken konnte.

Nachdem sie sich endlich aus ihrer Erstarrung gelöst hatte, eilte Alina schnell die weiche – weiche! – Treppe empor, um in ihre Kabine zu gelangen. Sie war schon über Steine und Sümpfe gegangen, doch nie war ihr ein Untergrund unangenehmer gewesen.

Die historische Gestalt, die dem stolzen und großen Passagierliner Admiral Pohl ihren Namen gegeben hatte, war einer der legendären militärischen Helden des Athir-Krieges gewesen. Viel zu früh war er bei der Verteidigung jener Welt gestorben, auf der die Reederei nun ihren Hauptsitz hatte. Er war, so hoffte Alina, ein toleranter Mensch gewesen, am besten mit einem Faible für Flausch.

Die Admiral Pohl war voll bis obenhin – diesen Eindruck hatte Alina schon beim Betreten des Liners gewonnen. Auf dem Schiff wurden drei Passagierklassen angeboten, Komfort boten sie alle. Obgleich Alina »nur« zweite Klasse flog, hatte sie eine eigene Kabine mit allen Annehmlichkeiten. Die Betreiber waren dafür bekannt, für jeden Geldbeutel ein lauschiges Plätzchen zu bieten, an dem es sich angenehm reisen ließ. Entsprechend beliebt war dieser Weltraumriese.

Der Liner flog eine dreijährige Route über alle wichtigen Welten des Status. Es gab nicht wenige reiche Leute, die in der ersten Klasse dauerhaft eingezogen waren und die gesamte Reise über auf diesem Schiff lebten.

Alinas Ziel war weniger ehrgeizig, auf ihrem Ticket stand als Endstation Yankar, eine Welt, die sie in exakt siebzehn Tagen erreichen würde. Denn Pünktlichkeit war ein weiterer Vorzug dieses Prachtstücks.

Kabine 5A stand da in goldenen Lettern – sie war schon angekommen. Die Tür öffnete sich allein durch ihr Erscheinen und gab den Blick frei auf durchaus geschmackvoll eingerichtete vierzehn Quadratmeter. Das Bett hätte auch Platz für zwei geboten, in der Nasszelle lief man Gefahr, sich zu verlaufen, und ein moderner Nahrungsautomat, dem nichts Ungesundes fremd war, vervollständigte das Ensemble. Sie hätte hier die gesamte Reise verbringen können, ohne dass es ihr an etwas fehlte.

Über den Holoprojektor konnte sie zudem auf eine schier endlose Datenbank an Unterhaltungsprogrammen zugreifen, auf speziellen Wunsch, laut Broschüre, auch »ohne alle Tabus«, was Alina als schmierige Anmache empfand. Aber vermutlich tat sie den Betreibern damit unrecht. Immerhin waren die Tickets deshalb so erschwinglich, weil man hier sein Geld mit den Casinos an Bord verdiente, die für jeden Geldbeutel die passende Art der Zerstreuung boten, wobei auf jedes individuelle Risikobewusstsein eingegangen wurde.

Wie überall galt auch an Bord, dass es eigentlich nur einen Gewinner gab – nämlich die Bank!

Damit das auch bestens funktionierte, hatte die Reederei dafür gesorgt, dass die Passagiere dazu animiert wurden, sämtliche Annehmlichkeiten des Schiffes zu nutzen. Nicht umsonst befanden sich alle wirklich guten Restaurants der Admiral Pohl in unmittelbarer Nähe der einladend gestalteten Spielstätten – und das Essen war selbstverständlich genauso günstig wie die Tickets.

Die Kalkulation ging auf, wie Alina wusste. Die Admiral Pohl brachte bei jeder Tour so fette Profite ein, dass sie bereits drei Schwesterschiffe erhalten hatte. Selbst in den Zeiten schwerster Wirtschaftskrisen gab es immer noch genug, die es sich leisten konnten, Geld am Spieltisch zu verbrennen – nur weil sie sich langweilten. Oder sich übertölpeln ließen. Alina dagegen wusste, dass niemand in einem solchen Geldgrab zu Reichtum kommen würde. Sie musste ihr Guthaben beisammenhalten und würde nicht die kleinste Summe aufs Spiel setzen.

Auf ihrer Reise hatte sie nur leichtes Gepäck bei sich, nämlich eine Reisetasche, die sie achtlos auf das Bett legte. Die großen Koffer befanden sich im klimatisierten Laderaum des Liners. Sie bedurften nicht ihrer persönlichen Aufmerksamkeit. Das große Panoramafenster an einer Wand erlaubte ihr den Ausblick auf den Weltraum und zeigte die Zubringer, die letzte Waren an Bord des Liners brachten. Der Abflug stand unmittelbar bevor.

Die Darstellung selbst war natürlich nur eine Projektion von Bildern aus den Außenkameras, lediglich in der ersten Klasse gab es richtige Fenster. Die Aussicht war aber meistens schlechter als hier. Der Blick ins Weltall konnte einen schnell aller Illusionen berauben.

Alina musterte den Automaten. Ein Kaffee vielleicht, wenn auch nur, damit sie etwas in der Hand hielt und ihr Mund eine Beschäftigung hatte. Ohnehin aß und trank sie in der letzten Zeit vor allem aus Langeweile. Vielleicht wäre jetzt eine gute Gelegenheit, mit dieser Angewohnheit wieder aufzuhören.

Ein Gongton erklang.

»Hier spricht die Schiffsleitung. Ich darf Sie im Namen von Captain Dorod darüber informieren, dass wir unsere Abflugzeit exakt einhalten werden. Ungeachtet des baldigen Beginns unserer Reise stehen Ihnen ab sofort alle Annehmlichkeiten des Schiffes zur Verfügung. Die Casinos öffnen in zehn Minuten, das große Bällebad für die Kleinen etwa eine halbe Stunde später. Wir würden Sie gerne bei unserem gastronomischen Service willkommen heißen. In unseren Restaurants erwartet Sie unser freundliches Personal mit einer erweiterten Menükarte. Wir möchten Ihnen nun noch ans Herz legen, die Sicherheitshinweise in unserem Instruktionsholo genau zu beachten. Sollten Sie irgendwelche Fragen haben, steht Ihnen unser Personal jederzeit zur Verfügung.«

Alina kicherte. Diese Sprüche hatten sich wirklich seit Jahrhunderten nicht geändert. Niemand schaute sich Sicherheitsholos an. Wenn etwas passierte, würden sie alle wie aufgeschreckte Hühner herumrennen, und die Schiffsführung musste Sibon-Gas in die Gänge einleiten, um aus ihnen wieder gefügige Schäfchen zu machen, die exakt das taten, was das (gegen Sibon geimpfte) Schiffspersonal verlangte. Alle wussten das. Also kümmerte sich niemand um das, was man selbst zur eigenen Sicherheit beitragen konnte. Sollten doch die anderen sich in Acht nehmen. Man selbst wollte schließlich die Reise genießen, die man sich gegönnt hatte.

Alina probierte den Nahrungsautomaten aus. Sie entschied sich allerdings gegen Kaffee. Der Fruchtsaft schmeckte frisch und tat ihr gut. Anfahrt und Anreise zum im Orbit schwebenden Liner waren nervenaufreibend gewesen. Sie war es nicht gewohnt, im Alltag ständig auf der Hut zu sein, stets über die eigene Schulter zu schauen und hinter jeder ungewohnten Bewegung, jeder plötzlichen Begegnung und jeder zweideutigen Bemerkung gleich eine Gefahr zu wittern. Sie hatte so etwas wie eine leichte Paranoia, einen unterschwelligen Verfolgungswahn entwickelt, wobei in ihrem Falle leider die alte Weisheit galt, dass die bloße Tatsache, dass man einem Verfolgungswahn unterlag, nicht bedeuten musste, dass man nicht verfolgt würde.

Der große Bildschirm an der Wand erhellte sich, und das computergenerierte Abbild eines Stewards begrüßte die Gäste und pries die Serviceleistungen auf dem Flug an, bevor es noch einmal Sicherheitshinweise gab. Hartnäckig waren sie ja. Alina hörte nur mit einem halben Ohr zu.

Sie musste die schwierige Aufgabe bewältigen, hier nicht allzu sehr aufzufallen. Wenn sie sich doch irgendwo blicken ließ, musste sie innerhalb der Parameter ihrer wohlkonstruierten Tarnung bleiben. Ob das gelingen würde, stand in den Sternen, sozusagen in denen, die als Reiseziele zur Tour der Admiral Pohl gehörten.

Das Interkom piepste. Alina schaute auf die Uhr, nickte. Sie hatte den Anruf erwartet. Mit einer wischenden Handbewegung nahm sie Kontakt auf. Das Gesicht eines bärtigen Mannes, Ende fünfzig, erschien, dessen Gesicht eine durch Edelsteine aufgewertete Narbe zierte. Jemand, der so tat, als wäre er ein harter Bursche, zugleich aber seine modischen Irrungen und Wirrungen nicht im Griff hatte. Normalerweise würde Alina sich mit solch einer Person gar nicht erst abgeben – daher war das genau die Art von Mann, mit der sie sich sehen lassen sollte, zumindest wenn es unumgänglich war.

Sie lächelte herzlich.

»Alina, mein Schatz!«, juchzte der Bärtige fröhlich. »Wie schön, dass du eingetroffen bist!«

»Onkel Duhr, du bist also auch an Bord!«

»Schon seit gestern. Die Kabine ist ein Traum – und der Swimmingpool auf Deck 3 erst. Den musst du unbedingt besuchen. Der reine Wahnsinn. Wellenmaschine de luxe. Das hebt nicht nur die Stimmung.« Er zwinkerte, ganz der unerträglich-aufdringliche Onkel.

»Du weißt, dass ich nicht so gerne schwimme.«

»Hier solltest du eine Ausnahme machen! Es ist auch gar nicht tief! Und die Wellen, so was Schönes aber auch!«

Onkel Duhr setzte seine enthusiastische Schilderung der Annehmlichkeiten des Schiffes fort, während Alina beharrlich die meisten Vorschläge ablehnte, manchmal unter Zuhilfenahme von Ausreden, die eindeutig als solche zu erkennen waren. Beide waren aber ganz bei der Sache und gestikulierten heftig. Der zufällige Beobachter würde daran nichts Außergewöhnliches finden, doch ihre Hände sprachen tatsächlich ihre eigene Sprache.

»Wurdest du verfolgt?«, fragten die Hände des Onkels.

»Nein, und ich habe hervorragend aufgepasst«, antworteten die Hände Alinas. »Wie sieht es mit den anderen aus? Hast du von ihnen gehört?«

»Lania hat es nicht geschafft.«

Das waren wirklich schlechte Nachrichten. Alinas Hände verharrten für einen Moment, dann sagte sie, dass sie sich erst einen neuen Badeanzug kaufen müsse, ehe ihre Gliedmaßen weiterzusprechen begannen:

»Was ist passiert?«

»Sie hatte sich als Hilfstechnikerin beworben, und jemand hat ihr die Stelle vor der Nase weggeschnappt. Dann war keine Zeit mehr, eine andere Identität aufzubauen. Wir müssen ohne sie weitermachen. Sie lässt ausrichten, dass es ihr gut geht und wie wir sie kontaktieren können. Ich habe ihr gesagt, dass wir das zu ihrer eigenen Sicherheit nicht tun werden.«

»Absolut richtig.«

»Onkel« Duhr war wirklich begeistert von der Auswahl der Cocktails in der Bar »Chez Axel« vorne auf Deck 10. Er schilderte die verführerischen Rezepturen mit großer Detailfreude. Alina aber mochte nicht trinken, nicht seit »dem Vorfall, du weißt schon«, über den sie nicht gerne sprechen wollte.

»Die Simis?«, fragten ihre Hände.

»Ra und Horus sind wie geplant unsere großen Reisekoffer. Ich weiß nicht, wie lange sie das aushalten, auch im klimatisierten Lager, aber sie haben mir beide noch mal zugesichert, dass sie keine Probleme damit haben, solange unsere Unterhosen sauber sind. Beide können jederzeit zu uns stoßen, die Schlösser des Lagers stellen keinerlei Hindernis dar – vor allem nicht, wenn jemand hinauswill, anstatt einzubrechen.«

»Ra soll mit der Erkundung beginnen.«

»Ich teile es ihm mit.«

Alina warnte den Onkel. Sie erinnerte ihn an seinen Ausfall auf Tante Hinas Party. So etwas sollte sich besser nicht wiederholen.

»Anubis?«

»Der Steward für deine Sektion. Es gab mehrere offene Stellen, und er hatte alle Qualifikationen, dafür haben wir natürlich gesorgt. Die Konkurrenz war wohl nicht so stark wie bei Lania. Sonst wäre er jetzt auch ein Koffer.«

Alina alias Minarel war in den Tagen vor ihrem Abflug sehr beschäftigt gewesen. Das HQ verkaufen, inklusive der gesamten Ausstattung, alles zu Geld machen, was möglich war, alle Verträge kündigen, alle Schulden begleichen – das war ihre Aufgabe gewesen. Dann kam der schwierige Teil: unsichtbar werden, neue Identitäten erschaffen, das eigene Verschwinden vorbereiten. Keine Spuren hinterlassen, weder für einen offiziellen Forensiker des Amtes noch für einen neugierigen Schnüffler irgendeines Syndikats. Das hatte noch einmal viel Geld gekostet. Ihre Kriegskasse ging bedrohlich zur Neige.

Ohne die schon vorbereiteten Pläne wäre es nicht umsetzbar gewesen. Ihr Vater hatte sich als sehr weitsichtig erwiesen, als er vor Jahrzehnten die erste Fassung von »Operation Laurin« konzipiert hatte. Minarel vermisste ihn in diesem Moment wirklich sehr, auch seine zum Schluss schon sehr abwesende Variante. Sie hätte manchmal schon gewünscht, dass jemand sie bei großen Problemen zur Seite nahm, ihr einen warmen Kakao zubereitete und die Sache für sie erledigte. Generell kam sie mehr und mehr zu dem Schluss, dass dieses »Erwachsensein« deutlich überbewertet wurde.

»Gut«, signalisierte sie und fühlte ein wenig Anspannung von sich abfallen. Mit einem Mal entwickelte sie ganz sanftes Interesse für die Annehmlichkeiten des Liners. Es gab, das hatte sie sich gemerkt, neben der gerade angepriesenen Schwimmhalle ein ganzes Wellnesscenter. Die eine oder andere Behandlung dort würde ihr möglicherweise doch guttun. »Dann machen wir weiter. Wenn etwas ist, tätige einfach einen weiteren aufdringlichen Anruf.«

»Wir sehen uns an der Bar!«, sagte Duhr alias McKinnon zum Abschied und winkte enthusiastisch.

»Ich trinke nicht!«

»Dann schau mir dabei zu! Bis später!«

Alina seufzte, als das Bild des älteren Mannes verschwand. Das würden lange siebzehn Tage werden, für manche noch länger als für andere.

Kapitel 2

»Sir, dann doch diese hier.«

Die junge Frau in der absolut perfekt sitzenden Uniform einer Mitarbeiterin der Autorität legte ihm das Pad mit den Dokumenten vor. Es war ein altmodisches Ritual, das sich der Vorsitzende der Tor-Autorität gönnte. Es erinnerte an bessere Zeiten, damals, als Männer wie er noch Flotten kommandiert hatten und nicht im steten Sumpf entnervender Bürokratie zu versinken drohten. Er machte seine Kürzel und ID-Abdrücke, registrierte dabei immer die Aktenzeichen, die sich sofort in seinem Kopf mit den richtigen Vorgängen verbanden.

Sein Gedächtnis war hervorragend. Er benutzte es mit großer Intensität, trainierte es ständig darauf, zu bemerken, wenn Admiral a. D. Gregor Hattka in Gefahr geriet, etwas zu unterschreiben, was er sich besser noch einmal genau durchlas. Es geschah nicht häufig, sein Stab machte seine Arbeit gut, und auch diesmal gab es kein Warnzeichen, das ihn hätte zögern lassen, und so nickte er der Bediensteten zum Abschied noch einmal zu.

Dass er sich gerne mit jungen, gut aussehenden Offizierinnen umgab, hing gleichermaßen mit seinem Uniformfetisch wie seiner Wehmut zusammen, und es hatte natürlich damit zu tun, dass er dabei ein subtiles Gefühl von Macht empfand. Das war es, was Gregor Hattka motivierte, daran gab es keinerlei Zweifel – und er war der Letzte, der das nicht sofort zugeben würde, zumindest vor jenen, die ihm daraus keinen Strick drehen wollten.

Das waren nicht viele. So musste es wohl sein, wenn man diese Machtfülle innehatte.

Dann saß er alleine in seinem großen Büro, ganz oben auf der Spitze von Status Eins, dem Hauptquartier der Tor-Autorität, dem größten, jemals von Menschenhand gebauten Objekt, einer Raumstation, die einfach alles in den Schatten stellte – zumindest seitdem die Flotte das Archäum über Athir hatte abstürzen lassen.

Der Mann dachte oft an diesen Moment des Triumphs zurück, es war der Zeitpunkt gewesen, an dem Gregor Hattka das höchste Ansehen genossen hatte. Seinen Zenit erreicht hatte, dadurch, dass er das mobile Hauptquartier des Feindes zerbombt hatte. Die Tatsache, dass er jetzt als Herr der Autorität über ungleich mehr Macht verfügte als der Admiral damals, wurde durch die ermüdende Routine eines Superverwaltungschefs überdeckt, der keinen Ruhm mehr anzuhäufen in der Lage war. Stattdessen würde er heute mit der Regierung von Elan darüber verhandeln, ob und wie die staatliche Handelsflotte eine höhere Quote an Tortransfers bekommen könnte, und wenn ja, zu welchem Preis. Kein Ruhm, kein Triumph, sondern am Ende wohl das, was immer dabei herauskam: ein Kompromiss.

Gott, wie er Kompromisse hasste. Hattka verzog schon bei dem Gedanken angewidert den Mund. Kompromisse waren für Schwächlinge, für Politiker und Bürokraten. Er hasste sie so sehr, weil er selber über die Jahre zu einem solchen Schreibtischtäter geworden war. Und er würde sie so lange hassen, bis er mit beiden Beinen in sein Grab stieg. Dennoch, ganz würde er dem Ruhm nicht abschwören müssen, das war ihm ein Trost.

Später. Das dauerte noch. Er war bester Gesundheit, und es gab alle Voraussetzungen, dass dieser Zustand auch noch sehr lange anhielt. Für den Direktor der Tor-Autorität war nichts zu teuer oder unerreichbar. Gregor Hattka war der Spross einer sehr reichen Familie, und obgleich er seine Karriere allein auf seine persönlichen Fähigkeiten zurückführte, war ihm schon klar, dass er dereinst mit einem silbernen Löffel im Mund geboren worden war – und er schämte sich nicht, diese Vorteile auch weiterhin auszunutzen.

Ein sanfter Gongton ertönte, und das Gesicht seines persönlichen Sekretärs erschien über seinem Schreibtisch. »Sir, Direktorin Davani ist angekommen.«

»Bitten Sie sie herein. Und dann keine Störung mehr, außer bei interstellaren Katastrophen.«

Der Sekretär lächelte pflichtschuldig. Hattka machte immer den gleichen lahmen Witz. Er wog damit alle in Sicherheit, sodass sie aus dem Gleichgewicht gerieten, wenn er die eingetretenen Pfade verließ. Alles Taktik.

»Natürlich.«

Das Gesicht verschwand, die Tür öffnete sich, und Dima Davani trat ein. Die schmale Frau mit dem bemerkenswert jugendlichen Aussehen, Produkt regelmäßiger kosmetischer Eingriffe und einiger ganz ausgezeichneter Hautcremes, war die Direktorin des Amts für Achtsamkeit und damit die zweitmächtigste Person der Tor-Autorität. Manche sagten, sie sei die mächtigste. Hattka wusste es besser.

Und die zahllosen Spione seiner persönlichen Abteilung, die Davani ständig im Blick hatten, berichteten nichts, was irgendwelche anderen Ambitionen auf ihrer Seite vermuten ließ. Sie war loyal, und da es über ihr nur noch Hattka und die Götter gab, war das wahrscheinlich selbst mit einem großen Ego noch gut zu vereinbaren. Abgesehen davon tat sie ihre Arbeit im Regelfalle zur Zufriedenheit ihres Chefs, auch wenn sich jetzt noch zeigen musste, wie sie mit der aktuellen Krise umging.

Es war ein Tanz. Hattka musste vorsichtig sein. Davani war zu schlau, um alles vor ihr zu verbergen, zumindest auf Dauer, zumindest wenn die Krise dem Höhepunkt zustrebte.

»Gregor«, sagte Davani und nickte ihm zur Begrüßung zu. »Hast du von dieser Sache auf Sancto gehört? Ich bin mir nicht sicher, ob wir das übersehen dürfen.« Sie kam gleich zur Sache, wenngleich nicht zu jener, die Hattka im Sinn hatte.

»Sancto wird von einer Clique völlig durchgeknallter Irrer regiert«, erwiderte er abfällig und zeigte auf den Sessel vor seinem Schreibtisch.

»Das gilt für viele Welten des Status.« Davani setzte sich mit einer eleganten Bewegung, die große Körperkontrolle bezeugte. Hattka selbst hatte sich angewöhnt, seine wahre Fitness hinter zunehmend schwerfälligen Bewegungen zu verbergen, hin und wieder leise über sein fortschreitendes Alter stöhnend. Noch eine Marotte, um jene, die ihn im Blick hatten, etwas einzulullen. Tatsächlich stand er natürlich in vollem Saft.

»Sancto ist ein spezieller Fall«, meinte die Direktorin des Amts und schlug die Beine übereinander. »Diese Irren haben Geld und eine noch nicht abgerüstete Flottengarnison, die sie sich leisten können. Ich denke nicht, dass wir über diese Tatsachen einfach so hinwegsehen können. Die Gefahr ist, dass sie in ihrem religiösen Wahn in der Lage wären, außerhalb ihres Systems zu operieren. Dann betrifft es uns als Tor-Autorität möglicherweise sehr unmittelbar.«

»Uns sind die Hände gebunden«, sagte Hattka.

Davani lächelte und schüttelte den Kopf. »Gregor, uns sind niemals die Hände gebunden. Und wer sagt, dass wir Hände brauchen? Einen Tritt in die Weichteile kann man auch mit dem rechten Fuß durchziehen, und er wirkt nicht weniger gut.«

Davani konnte sehr distinguiert auftreten, sie war eine Frau von exquisiten Manieren und höchster Bildung. In ihren Gesprächen mit Hattka aber zeigte sie manchmal ihre direktere Seite, eine Angewohnheit, die ihr Vorgesetzter sehr an ihr schätzte. So kamen sie gemeinhin schneller zum Punkt.

»Wie ist die Lage?«, fragte er.

»Sie haben den offiziellen Vertreter der Autorität verhaften lassen. Er wurde auf offener Straße aufgegriffen, verschleppt, verprügelt und dann über irgendeiner Gasse aus einem Gleiter geworfen«, zählte Davani auf.

Es bestand stille Übereinkunft zwischen ihnen beiden, dass das individuelle Schicksal des Betroffenen, obschon bedauerlich, letztlich aber irrelevant war. Es ging hier jedoch ums Prinzip, und da musste Hattka zuhören, denn er repräsentierte dieses letztendlich.

»Er liegt im Krankenhaus. Sie waren sehr sorgfältig. Er war nie in Lebensgefahr, aber es hat wehgetan, und man sieht es ihm an. Er beklagt sich laut. Es hat sich schnell herumgesprochen.«

Hattka verstand. Der Esprit de Corps war gefährdet. Das konnte man natürlich nicht zulassen.

»Wir geben ihm einen Orden.«

»Verdienstmedaille 1. Klasse, schon unterwegs. Und nach Genesung vier Wochen Urlaub. Er wird dann auch versetzt, auf Sancto kann er nicht bleiben. Er ist aber nicht das Problem.«

»Ja, ich weiß.« Hattka seufzte. »Ich überlasse das dem Amt und deinen fähigen Händen. Es gibt doch bestimmt einen Rädelsführer.«

»Die Immune Kollektivität von Sancto rühmt sich, dass alle ihre Mitglieder gleich seien und alle Entscheidungen im Konsens gefällt werden.«

Hattka sah Davani eindringlich an, ohne ein Wort zu sagen. Sie lächelte.

»Ihr Name ist Adia Orkar, sie ist unter all den Gleichen zweifelsohne die Gleicheste. Darf ich alle Mittel einsetzen? Es könnte notwendig sein, sie ganz aus dem Spiel zu nehmen und möglichst durch jemanden zu ersetzen, der … leichter formbar ist.«

»Du hast in dieser Sache freie Hand, wenn du nur diskret genug vorgehst.«

»Selbstverständlich.«

»Nun, sie wird nicht mehr zu ›Allgemeine Dienstleistungen‹ rennen können, um den Kopf aus der Schlinge zu ziehen«, bemerkte Hattka. Davani verzog das Gesicht. Damit war der Themenwechsel eingeleitet und jetzt ging es um das, was den obersten Chef aller Sternentore wirklich interessierte.

»Wie ist der Sachstand? Wir haben Dakker völlig ausradiert?«

»Für die Öffentlichkeit? Ja. Seine Frau hat unser Angebot angenommen, und seine Mitarbeiter sind auch unsere Mitarbeiter. Freunde hatte er keine, was in seiner Position auch wenig verwunderlich war.« Davani sprach den letzten Satz mit einer ganz leisen Wehmut in der Stimme aus. Sie fiel ja ebenfalls unter diese Kategorie. Ihre Stellung hatte viele Vorteile: echte Macht, viel Respekt, ein großes Spielfeld, auf dem sie die Regeln mitbestimmte – und auf dem das ganz große Spiel stattfand, das größte von allen. Beziehungen aber, die nicht nur von Neid, Abhängigkeit oder Geld geprägt waren, gehörten zu den Dingen, die sie alle dafür zu opfern hatten. Hattka hatte allerdings keine Probleme damit, dass ihn keiner mochte. Er hatte seinen ganz eigenen, speziellen Freundeskreis, eine Gruppe von Vertrauten, die ihm vollends genügte.

Außerhalb dessen mochte er auch fast niemanden. Und es war auch keine Voraussetzung für seine Arbeit.

»Was sagt die lokale Polizei?«, fragte er.

»Was wir ihr sagen, das sie sagen soll.« Davani klang jetzt sehr selbstzufrieden. Das war es, wofür sie Kuscheln geopfert hatte, und sie fand ganz sicher, dass es das wert war. »Da erwarte ich keine Probleme. Es gab da eine Ermittlerin, aber ich glaube, es wurde ihr sehr eindeutig signalisiert, dass sie sich zurückhalten soll. Die Nachricht dürfte angekommen sein.«

»Wir haben schnell gehandelt«, stellte Hattka fest. »Es war gut, dass wir alle höheren Mitarbeiter des Amtes stets unter Beobachtung gehalten haben. Wer hätte gedacht, dass sie sich ausgerechnet bei Dakker melden würde? Und wer hätte erst gedacht, dass er sich bereit erklären würde, Grundsätze unserer Organisation zu missachten und mit Leuten von außerhalb geheime Treffen zu arrangieren?«

»Du hast mir immer noch nicht gesagt, was genau das Problem ist. Die Tatsache der Kontaktaufnahme allein …«

Dakker war kontaktiert worden. Und er hatte sich, der eigenen Hierarchie misstrauend, direkt an Hattka gewandt. Das war richtig gewesen. Danach mit Minarel Tarkin reden zu wollen, war der Fehler, der ihn das Leben gekostet hatte.

Hattka hob eine Hand. »Du musst nicht alles wissen, so schwer das auch einzusehen ist. Ich versichere dir, es ging um eine Sache von höchster Wichtigkeit. Sehr brisant. Auch für mich. Ich halte lieber den Deckel drauf. Aber ein guter Anlass, sich dieses Simipathen-Problems endlich zu entledigen.«

Davani nickte. Da war sie ganz auf seiner Seite. Die Existenz von »Allgemeine Dienstleistungen« war ihr schon lange ein Dorn im Auge. Jedes Machtmittel, das nicht in ihren Händen lag, war für sie eine Bedrohung.

»Und Tarkin und ihre Truppe? Was ist mit denen?«, fragte Hattka.

Davani zögerte mit der Antwort, und das bedeutete meistens Probleme. Hattka drängte sie nicht. Er würde erfahren, was es Neues gab, daran bestand absolut kein Zweifel. Außerdem hatte er noch seine eigenen Quellen und konnte sich stets ein unabhängiges Bild machen.

»Wir … haben sie … etwas aus den Augen verloren.«

»Was soll ich mir unter ›etwas‹ vorstellen?«

Es waren diese Momente, in denen auch für eine mächtige Frau wie die Direktorin deutlich wurde, wer hier der Wirt und wer die Kellnerin war. Hattka konnte sie binnen eines Wimpernzuckens von ihrem Posten entbinden, und niemand würde einen Finger zu ihrer Rettung rühren. Er hatte natürlich nicht die Absicht, aber hin und wieder war es notwendig, etwa durch einen Unterton oder eine wohlplatzierte Mikroaggression, deutlich zu machen, wie die Machtverhältnisse lagen. Davani musste nicht allzu oft daran erinnert werden, sie war hochintelligent und in diesem System groß geworden. Die kritische Betonung auf »etwas« zu legen war völlig ausreichend gewesen. Jede legere Entspanntheit war aus ihrer Haltung und ihrer Stimme geschwunden.

»Sie sind verschwunden, alle. Das Gebäude, der Firmensitz, ist völlig leer geräumt. Alle Vermögenswerte wurden aufgelöst. Alle Mitarbeiter wurden entlassen. Die Wohnungen sind ebenfalls geräumt worden, in einer stand sogar noch eine Tasse Kaffee auf dem Wohnzimmertisch. Eine gut geplante und vorbereitete Aktion, exakt durchgeführt und sehr darauf bedacht, keine Spuren zu hinterlassen. Wir haben Aufzeichnungen öffentlicher Kameras ausgewertet, wir haben jede zugängliche Quelle genutzt, aber dies ist ein Werk von Meisterhand. Ich muss das neidlos zugeben.« Davani zögerte, dann fügte sie hinzu: »Nein, das ist gelogen. Ich bin neidisch. Das hat höchste Qualität, da kommt das Amt selbst nur mit Mühe dran. Es war vorbereitet. Die haben irgendwann mit so was gerechnet und viel Geld und Arbeit investiert, um so eine Operation zügig starten zu können, sobald es sich als notwendig erweist.«

»Das sind unangenehme Nachrichten.«

»Ich weiß nicht. Sind sie alle untergetaucht und bleiben im Verborgenen, bis das vorbei ist, was auch immer ihnen gerade zustößt? Dann sind sie für lange Zeit vom Radar verschwunden, und wir müssen uns möglicherweise keine großen Sorgen machen. Benutzen sie das Verschwinden, um ihre eigenen Bemühungen zu intensivieren, dem auf den Grund zu kommen, was ihnen zugestoßen ist? Das wird zweifellos Staub aufwirbeln. Wir suchen ja selbst noch nach dem Grund für die Entführung.«

Halbherzig, weil Hattka es ein wenig torpedierte. Ziellos, weil Hattka falsche Fährten vorschlug, die schlüssig klangen, es aber nicht waren. Es war besser, wenn Davani niemals davon erfuhr. Dann wäre sie nicht mehr nützlich.

»Wodurch wir sie aber wiederfinden könnten. Aufgewirbelter Staub macht sie sichtbar.«

»Wodurch sich aber auch der Ärger potenzieren könnte. Dakker wäre dann nur die Spitze des Eisbergs, und damit hatten wir schon genug zu tun. Ich möchte das kein zweites Mal durchmachen müssen.«

»Und wir wissen immer noch nicht, was hinter alledem steckt – den Entführungen und Anschlägen?«

Davani hob die Achseln und ließ sie sehr fatalistisch wieder fallen. »Wir haben keine Anhaltspunkte. Wenn selbst wir im Dunkeln tappen, macht mir das große Angst.«

»Dakker wusste etwas. Sogar mehr, als ich erfahren habe.«

Davani sah ihn zweifelnd an. Ihr war offenbar unwohl, dass ihr Chef sie nicht einweihte. Würde er das aber tun, wäre die Konsequenz mehr als nur Beunruhigung. Er würde mit ihr das Gleiche tun müssen wie mit Dakker, und das wollte er zu diesem Zeitpunkt nicht.

»Davon gehen wir aus. Wir haben jeden verhört, der mit ihm zusammengearbeitet hat, zurück bis zu der Zeit, als Tarkin und wir ein Arrangement hatten. Entweder verschweigt uns jemand aus den eigenen Reihen etwas …«

»… wie Dakker offensichtlich …«

Davani nickte betrübt. »Ja, wie er. Entweder jemand verschweigt etwas, oder Dakker war der Einzige, der etwas erfahren hatte, was ihn zum Bruch der Verschwiegenheitsklausel trieb. Wir haben darauf reagiert, aber es fehlen mir weiterhin die Details. Ich bleibe am Ball, und wir halten jetzt im gesamten Status die Augen offen, ob Minarels Truppe irgendwann wieder auftaucht oder andere seltsame Dinge passieren, die auf Simi-Aktivität schließen lassen. Aber mehr kann ich dir heute und hier nicht berichten. Es tut mir leid.«

Es tat ihr leid. Davani war ehrgeizig und empfand in Bezug auf die Qualität ihrer Arbeit große Eitelkeit. Hattka wusste, dass sie ihm keine schlechten Nachrichten überbringen wollte, ganz bestimmt nicht, aber vor allem nicht sich selbst. Deswegen war sie stets motiviert. Manchmal vielleicht ein wenig zu sehr.

»Wir müssen der Sache weiterhin unsere Aufmerksamkeit schenken, daran besteht kein Zweifel«, sagte er. »Aber wir müssen auch die Gewichtung beachten. Du hast selbst Sancto erwähnt, und das ist ja nicht das einzige Problem derzeit. Die allgemeine Wirtschaftskrise hat ihren politischen Fallout, und den müssen wir als Tor-Autorität managen. Das legt eine besondere Verantwortung auf deine Schultern, das muss ich doch eigentlich nicht extra erwähnen.«

»Natürlich nicht.«

»Gut. Wir müssen unsere Prioritäten haben. Was mit Tarkins Leuten passiert, ist sehr interessant, nicht nur, weil einer unserer höchsten Beamten gestorben ist, sondern auch, weil die Simis ohne Aufsicht sind. Jetzt sind sie untergetaucht, einen besseren Hinweis dafür, dass sie richtig Dreck am Stecken haben, kann es gar nicht geben. Aber wir dürfen darüber die anderen Krisenherde nicht vernachlässigen. Also keine Ressourcen darauf konzentrieren, die anderswo besser genutzt werden könnten. Ich verlasse mich da auf dein ausgewogenes Urteil und deine Erfahrung.«

Das war kein Lob, obgleich es so klang, es war die höfliche Form einer direkten Anweisung und kam auch exakt so bei Davani an. Sie saß jetzt sehr aufrecht, den Rücken durchgedrückt, die Augen fest auf Hattka gerichtet. Ihre Art, einen eindeutigen Befehl entgegenzunehmen, ohne ihn wortreich bestätigen zu müssen.

»Das wäre dann wohl erst einmal alles. Danke für den Bericht und den guten Austausch. Wenn sich etwas Neues ergibt, melde dich jederzeit. Für deine Anliegen habe ich stets ein Ohr. Ah, noch etwas.«

Er erhob sich. »Ich gedenke eine Inspektionsreise zu allen Toren zu begleiten. Diese Vorfälle haben mir verdeutlicht, dass ich zu viel in diesem Büro sitze und mich zu wenig um die Welt da draußen kümmere. Ich brauche den direkten Blick und das Gespräch unter vier Augen.«

»Ich werde ein Team …«

Er hob eine Hand. »Kein Team. Ich fliege mit einem der großen Tender mit. Ich bin durchgehend erreichbar und gewiss in keinem der zwanzig Torsysteme in Gefahr. Das wäre ja auch noch schöner.«

Er lächelte sie an und sah, dass es ihr nicht gefiel. Daran war nichts zu ändern. Er winkte, und sie nickte nur noch.

Davani war entlassen, und sie machte deshalb kein Theater. Augenblicke später saß Hattka alleine in seinem Büro, nachdenklicher als vorher, vielleicht auch ein wenig besorgter. Er hatte gehofft, dass das Amt mit all seinen Ressourcen mehr herausgefunden hätte, weniger in Bezug auf Dakkers Tod – da wusste er alles, was er wissen musste –, sondern in Bezug auf den Verbleib von Tarkins Truppe. Das plötzliche Verschwinden der Simis und ihrer Dirigenten bereitete ihm aus vielerlei Gründen Sorgen, und nicht alle hatte er Davani gegenüber enthüllt. Sie musste nicht alles wissen. Dieser Grundsatz galt aber nicht für jeden.

Er zog ein flaches Gerät aus seiner Jackentasche und aktivierte es. Es war ein Kommunikator, der nur an höchste Stellen innerhalb der Autorität ausgegeben wurde, da die damit etablierte Verbindung nach allem, was man über die technischen Möglichkeiten wusste, abhörsicher war. Bisher hatte es keinen Anlass gegeben, daran zu zweifeln. Und er benutzte ihn nur für eine einzige Kontaktstelle, die über eine ähnlich hochwertige Absicherung verfügte.

»Ja?« Eine leicht verzerrt klingende Stimme erklang, als die Verbindung etabliert worden war.

»Ich habe eben mit ihr gesprochen. Offenbar nichts Neues. Wissen wir mehr?«

»Nein. Wir suchen und wir finden nicht. Wir sind aber in Kontakt mit interessierten Parteien, die uns möglicherweise helfen können. Es ist eine Frage des Geldes, denke ich.«

Hattka schnaubte. »Es ist keine Frage des Geldes. Jeder Betrag steht zur Verfügung. Jeder.«

»Ich verstehe. Wie lange werden wir Davani im Dunkeln lassen können?«

»Ich weiß es nicht. Sie ist klug und ehrgeizig. Ich versuche, sie so lange wie möglich auf Spur zu halten.«

Ein Rauschen antwortete, das mehr sagte als alle Worte. Die aktuelle Phase der Mission war wirklich ein Eiertanz.

»Ich beginne wie geplant die Rundreise«, sagte er dann. »Das verläuft nach Plan.«

»Gut, wir sind alle bereit.«

»Was ist mit unserer Schwester? Ist sie bereit zu kooperieren?«

»Nein, aber das ist nur eine Frage der Zeit. Spätestens wenn wir mit der Behandlung beginnen, sollte die inhaltliche und emotionale Annäherung möglich sein. Wir sind hier zuversichtlich. Da wir den Ruf aktiviert haben, ist der Weg bereitet. Ratio kann sich nicht ewig gegen Emotio durchsetzen.«

Hattka teilte diese Einschätzung nicht, behielt diese Meinung aber für sich.

»Was ist mit den anderen?«

»Wenn wir wissen, wo Tarkin mit den Ihren untergetaucht ist, ergreifen wir die geplanten Maßnahmen. Bereit sind wir.«

Hattka nickte, was sein Gesprächspartner nicht sehen konnte. Der Kommunikator übertrug kein Bild.

»Ich melde mich, sobald es etwas Neues gibt.«

»Damit rechnen wir fest.«

Ein Knacken, dann war die Leitung tot. Hattka steckte das Gerät weg, schaute auf die Uhr. An Feierabend war nicht zu denken, obgleich bereits später Nachmittag war. Es gab zu viel zu tun, und seine persönliche Bequemlichkeit war dem großen Ziel zu unterwerfen.

Also machte er sich ans Werk.

Kapitel 3

Und so begann Ras Reise durch die Admiral Pohl. Er bekam das Signal des Dispatchers und einige wichtige Informationen, die ihnen noch gefehlt hatten. McKinnon hatte sie sich beschafft, hoffentlich ohne irgendwelches Aufsehen zu erregen. Jetzt war es an Ra, das Seine für die Sicherheit des Teams zu tun.

Als breiter Koffer eingelagert, wartete er, bis nach dem Abflug endgültig im großen Gepäckraum des Liners die Lichter ausgingen. Es gab hier keine Sensoren, da die Zugänge zum Lager bestens gesichert waren und die Passagiere ihre echten Wertgegenstände gewöhnlich im Zimmersafe aufbewahrten – oder im großen Tresor des Zahlmeisters. Dieser enthielt eine ganze Wand mit Aufbewahrungsboxen und wurde ständig vom Sicherheitsdienst des Schiffes überwacht.

Deshalb beobachtete niemand Ra, als er sich, der Konfiguration des Schiffes entsprechend, langsam und mit großer Sorgfalt in einen Reinigungsautomaten transformierte: ein kompakter kleiner Roboter, der genau durch die schmalen Schächte passte, die ihm und seinen Roboterbrüdern erlaubten, nahezu jeden Bereich des Schiffes zu erreichen.

Nach seiner Umwandlung rüstete Ra sich mit allen für seine Mission unerlässlichen Gerätschaften aus. Sie waren in Minarels zweitem Koffer versteckt worden, lauter kleine Dinge, die sich im metallenen Leib einer vollautonomen Putzhilfe gut verbergen ließen.

Als Ra in den ersten Schacht einbog und die Strecke entlangglitt, musste er sich zwingen, nicht fröhlich vor sich hin zu summen, wozu der Roboter akustisch durchaus in der Lage gewesen wäre. Doch Ra konzentrierte sich darauf, auf seinem Weg alles mit seinen Bürsten zu reinigen, um seiner Verantwortung als Reinigungskraft gerecht zu werden.

Natürlich sandte er dabei auch das vorschriftsmäßige Positionssignal aus. Automaten wie er handelten halbautonom, daher stand ihm erst einmal jeder Weg an Bord des Schiffes offen. Ra hatte sich genau vorbereitet, genau wie jeder andere im Team. Jedes kleinste Detail war im Operationsplan von »Laurin« festgehalten worden.

Nach dem ersten Schrecken, als er am liebsten alles aufgegeben hätte und schnell untergetaucht wäre, hatte er eine Phase der mentalen Neuorientierung und gegenseitigen Bestärkung gebraucht. Mittlerweile machte das Ganze Ra sogar ein wenig Spaß. Immerhin war er noch nie Reinigungsroboter auf einem Liner gewesen. Diese Freude ließ freilich nach, als er bemerkte, welche unglaubliche Vielfalt an Abfall die Passagiere in nonchalanter Achtlosigkeit überall wegwarfen.