Passagier auf einem Frachtschiff - Ingo Schulze - E-Book

Passagier auf einem Frachtschiff E-Book

Ingo Schulze

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Beschreibung

Der Autor, Jahrgang 1948, ist von 1966 bis 1969 als Bäcker und Kochsmaat, auf mehreren Schiffen der „Hamburg-Süd“ gefahren. Nach über vierzig Jahren zog es ihm noch einmal hinaus aufs Meer und sei es nur als Passagier. Er hatte als ehemaliger Seemann andere Erwartungen, als vielleicht ein Passagier, den man in der Seemannssprache gern als „Landratte“ bezeichnen würde. Er schrieb deshalb auch völlig anders als solcher. Es sind seine Eindrücke und er vergleicht ab und dann auch gern seine Zeit mit der Gegenwart. Es ist nicht nur ein Buch, dass über die Erlebnisse auf einem Containerschiff berichtet, sondern der Autor setzt sich auch zeitweise sehr Kritisch mit seinem Seefahrtabenteuer auseinander.

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Seitenzahl: 199

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Ingo Schulze

PASSAGIER AUF EINEM FRACHTSCHIFF

Hamburg, Antwerpen, Le Havre, Sepetiba, Santos, Paranagua, Buenos Aires, Montevideo, Rio Grande, Itapoa, Santos, Tanger, Rotterdam, Tilbury, Hamburg

08. April bis 27. Mai 2013

Engelsdorfer Verlag Leipzig 2013

Ingo Schulze 08. Februar 1948 in Tangermünde/Stendal geboren

Bäckerkochsmaat auf verschiedenen Frachtern in der Zeit vom 24. März 1966 bis 07. Juni 1969

Reedereien: „Midsutra Shipping Company“, London „Hamburg-Südamerikanische-Dampfschifffahrts-Gesellschaft” Kurz: Hamburg-Süd oder HSDG

Dieses Buch soll das Erlebnis und Tagesablauf, 7 Wochen auf einem Containerschiff, beschreiben. Was kann man auf einem Frachtschiff erwarten und was nicht? Vergleichbar mit einer Fahrt auf einem Passagierschiff?

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.dnb.de abrufbar.

Copyright (2013) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Unterstützung bei der Textbearbeitung, Korrektur: Peter Bartel, Berlin

Fotos © Ingo Schulze

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Über den Autor

Impressum

Vorwort

Hamburg

08. April (00.Tag) HH-Burchardkai und Abschied

09. April (01.Tag) HH-Burchardkai nach Antwerpen - B

10. April (02.Tag) Antwerpen - B

11. April (03.Tag) Antwerpen nach Le Havre - F

12. April (04.Tag) Le Havre - F

13. April (05.Tag) Englischen Kanal, Biskaya

14. April (06.Tag) Nordatlantik

15. April (07.Tag) An Gibraltar vorbei

16. April (08.Tag) Madeira und Kanarischen Inseln vorbei

17. April (09.Tag) In Höhe Mauretanien

18. April (10.Tag) An den Kapverdischen Inseln vorbei

19. April (11.Tag) Alarmübung

20. April (12.Tag) Wir sind auf der südlichen Halbkugel

21. April (13.Tag) Brasilianische Küste, höhe Recife

22. April (14.Tag) Seit zwei Wochen, fern der Heimat

23. April (15.Tag) Vorbereitung für Sepetiba - BR

24. April (16.Tag) Einlaufen in Sepetiba - BR

25. April (17.Tag) „Volle Pulle“ nach Santos - BR

26. April (18.Tag) Santos - BR

27. April (19.Tag) Paranagua - BR

28. April (20.Tag) Paranagua - BR nach Buenos Aires - RA

29. April (21.Tag) Kurz vor Buenos Aires - RA

30. April (22.Tag) Im „Rio de la Plata“ - RA

01. Mai (23.Tag) Buenos Aires - RA

02. Mai (24.Tag) Auf See nach Montevideo - ROU

03. Mai (25.Tag) Montevideo - ROU

04. Mai (26.Tag) Rio Grande - BR im „Marked Channel“

05. Mai (27.Tag) Ab nach Itapoa - BR

06. Mai (28.Tag) Itapoa - BR

07. Mai (29.Tag) Wieder: „Volle Pulle nach Santos“ - BR

08. Mai (30.Tag) Santos - BR, wir sind wieder da!

09. Mai (31.Tag) Abschied von Südamerika

10. Mai (32.Tag) Kurs, entlang der Brasilianischen Küste

11. Mai (33.Tag) Der 2. Ingenieur schmeißt ein Grillfest

12. Mai (34.Tag) Großer „Kammer-Check“

13. Mai (35.Tag) Wieder auf der nördlichen Halbkugel

14. Mai (36.Tag) Das Oberdeck wird auf Vordermann gebracht

15. Mai (37.Tag) Wieder an den Kapverdischen Inseln vorbei

16. Mai (38.Tag) Wale im Nordatlantik

17. Mai (39.Tag) An den Kanarischen Inseln vorbei

18. Mai (40.Tag) Die Afrikanische Küste

19. Mai (41.Tag) Pfingsten in Tanger - MA

20. Mai (42.Tag) Tschüss Tanger, ab nach Rotterdam - NL

21. Mai (43.Tag) Biskaya

22. Mai (44.Tag) Im „Englischen Kanal“

23. Mai (45.Tag) Rotterdam - NL

24. Mai (46.Tag) Tilbury - GB, letzter Landgang

25. Mai (47.Tag) Über die Nordsee in Richtung Heimat

26. Mai (48.Tag) Hamburg und wieder daheim!

Liegezeiten und meine Landgänge im Überblick

Bezeichnungen bei der Seefahrt und deren Bedeutungen

Schlusswort

Vorwort

Warum macht man eine Seereise auf einem Handelsschiff? Ein Kreuzfahrtschiff bietet doch viel mehr! Vor meiner Abreise wurden immer wieder folgende Fragen an mich gestellt: „Ist es auf so einem Schiff nicht langweilig? Was macht man den ganzen Tag? Container zählen? Was wird einem definitiv geboten?“ Es wird einem im Prinzip nichts, aber auch beinahe gar nichts geboten! Es gibt keine Animation oder sonstige Unterhaltung. Man muss sich darüber im Klaren sein, auf was man sich einlässt. Es ist eine Abenteuerreise für Individualisten.

Vom 24. Mai 1966 bis zum 6. Juni 1969 fuhr ich als Bäcker und Koch selbst zur See. Ich war auf der „Al Amin“ der Midsura Shipping Compagnie (London) eingesetzt. Diese fuhr unter der Flagge Libanons, der Heimathafen war Beirut. Das Schiff wurde, nachdem wir einige Zeit vor Hongkong auf Reede lagen, nach Vietnam verkauft. Die Mannschaft, bestehend aus Deutschen, Spaniern und Portugiesen, flog auf Reedereikosten in ihre Heimatländer zurück. Kurz darauf heuerte ich auf der „Cap Domingo“ der Hamburg-Süd an (Hamburg-Südamerikanische-Dampfschifffahrts-Gesellschaft) Kurz: HSDG. Bei dieser Reederei blieb ich bis zum Ende meiner Seefahrt. Es folgten dabei die „Cap Delgado“, die „Cap San Augustin“ und die „Damaskus“. Es war eine schöne Zeit und sie ließ mich beinahe 45 Jahre nicht los. Im Herzen war ich, obwohl nach über 12 Jahren als Soldat und vielen Jahren im Sicherheitsdienst bei Mercedes und nun in Rente, immer noch Seemann.

Im Herbst 2012 besuchte ich meine Schwägerin Maria und Schwager Volker in Hamburg und wie immer meldete ich mich für meine „Erkundungsmärsche“ durch Hamburg ab. Ein Bummel durch die Mönckebergstraße, über den Rödingsmarkt zum Baumwall und zu den Landungsbrücken stand auch diesmal auf meinem Programm. Noch einmal über die Reeperbahn und dann zurück zum Hauptbahnhof. Von dort aus ging es dann noch dorthin, wo ich gerade Lust und Zeit hatte.

An einem dieser wenigen Tage in Hamburg zog es mich nach Wedel zum „Willkommenshöft“. Nach einem oder zwei Brötchen mit Bismarckhering und vielen Zwiebeln ging ich zur Verabschiedungs- und Begrüßungsanlage, um dort ein- oder auslaufende Schiffe zu sehen. Just in diesem Moment fuhr ein italienischer Massengutfrachter aus und wurde mit „Muss i denn zum Städtele hinaus“ verabschiedet. Dann gab es durch einen Lautsprecher Einzelinformationen über das Schiff. Der Italiener antwortete mit einem Hupkonzert und die Besatzung winkte von der Reling aus. Das hat mich so ergriffen, dass ich feuchte Augen bekam.

Es wurde auch nach dem zweiten und dritten Schiff nicht viel besser. Es war für mich einfach ergreifend und ich erzählte es am Abend im Familienkreis.

Dass daraus die Planung für eine Seereise entstehen würde, hätte ich nicht für möglich gehalten. Nun denn, jetzt bin ich mit der „MV Santa Rosa“ (MV steht für Motor Vessel.) auf dem Weg nach Südamerika. Ich werde meinen lang gehegten Traum leben. Muss i denn,…!

Der „Willkommenshöft“ ist eine Einrichtung des „Schulauer Fährhauses“ im Wedeler Ortsteil Schulau an der Unterelbe. Begrüßt und verabschiedet werden Schiffe ab 1.000 BRT in der Zeit von 8 Uhr bis 20 Uhr. Beim Einlaufen eines Schiffes wird dieses mit der passenden Nationalhymne begrüßt. Es stehen 152 Hymnen von seefahrenden Nationen zur Verfügung und es existiert eine Datei mit über 17.000 Schiffen. Beim Auslaufen wird meistens „Muss i denn zum Städtele hinaus“ gespielt. Die Schiffe antworten in der Regel mit einem Hupton oder einem kurzen Herunterlassen und wieder Hochziehen der Flagge. Im seemännischen Sprachgebrauch nennt man es dippen. Der „Hupton“ erfolgt durch das Typhon.

Hamburg

Im Jahr 2012 wurden im Hamburger Hafen 140,4 Millionen Tonnen Seegüter umgeschlagen. Zwei Drittel davon in 9,7 Millionen Standardcontainern. Würde man die Container, die in Hamburg zuletzt umgeschlagen wurden, hintereinander aufgereiht stellen, so käme man auf eine Länge von 60.000 km. Hamburg ist der größte Seehafen Deutschlands und der zweitgrößte in Europa. Er bietet 143.000 Arbeitsplätze und ist somit der größte Arbeitgeber der Hansestadt. Der Hafen ist daher nicht nur für Deutschland von großer Bedeutung, sondern er ist die Logistikdrehscheibe für den gesamten Norden Europas.

Auch wenn ein großer Teil der Güter in Containern umgeschlagen wird, so muss doch noch weiterhin viel an Massen- und Stückgut bewegt werden. Etliches wird auch mehr und mehr durch Spezialfirmen übernommen. Dadurch, dass der Hamburger Hafen weit im Binnenland gelegen ist, ermöglicht er eine leistungsfähige Verkehrsanbindung und einen kostengünstigen schnellen Transport, insbesondere über das Straßen- und das Schienennetz in alle Richtungen.

Mit der Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe soll sichergestellt werden, dass auch zukünftig Schiffe mit einem Tiefgang von bis zu 14,50 m auch voll beladen den Hamburger Hafen erreichen und wieder verlassen können.

08. April (00.Tag) HH-Burchardkai und Abschied

Die „MV Santa Rosa“ sollte ursprünglich bereits am 7. April um 10 Uhr in Hamburg sein. Die Ankunft verzögerte sich allerdings, weil im „Englischen Kanal“ (oder auch „Ärmelkanal“) ein Unwetter tobte. Die weiteren Gründe der Verzögerung sind mir nicht bekannt. Laut meiner Information aus dem Internet legte das Schiff am 08. April um 1.15 Uhr am „Burchardkai“ an.

Von meiner Reederei, der „Hamburg-Süd“, will ich wissen, ob sich etwas am Zeitplan geändert hat. Wann kann ich an Bord gehen? Nein, es bleibt beim Zeitrahmen 14 bis16 Uhr am 08. April. Tags zuvor schickte ich noch eine Mail an die Reederei und fragte nach, ob auch meine Nichte, Anna Lina, noch an Bord darf. Schade – Absage. Ich musste dann meine Inge, meine Schwägerin Maria und ihren „Göttergatten“ Volker im Vorfeld mit vollständigen Namen, Geburtsdatum und Ausweisnummer anmelden. Diese Anmeldung ging an den Pförtner am „Burchardkai“. Ohne Anmeldung gibt es keinen Zugang zum Schiff! Das ist keine typische deutsche Bürokratie, wie ich in späteren Häfen feststellen konnte.

Zu meiner Seefahrtszeit war es noch einfacher. Da stand meine Familie bereits an der Pier und kam die Gangway hoch, sobald das Schiff festgemacht hat. Was sollen jetzt die ganzen Umstände? Wenn man aber später vor Ort ist, dann kommt schnell die Selbsterkenntnis, dass es keine „Umstände“ sind! Die Notwendigkeit von Sicherheitsmaßnahmen ist heute viel größer als vor über vierzig Jahren.

Volker machte auf dem Amt etwas früher Feierabend, um uns an Bord zu bringen. Wir fahren dann sofort los und haben alle Zeit der Welt. Es geht durch eine der vier Röhren des Elbtunnels und danach gleich die erste Abfahrt von der Autobahn herunter. Wir haben Glück, dass der Elbtunnel um diese Zeit noch relativ wenig befahren ist. Nach GPS sollen wir nach 11 Minuten am Ziel sein. Wie es aber so ist: Durch den Elbtunnel läuft es prima, was sollte jetzt noch passieren? Die Zufahrt zum „Burchardkai“ und sonstigen Terminals ist jedoch stark befahren. Die Trucks mit ihren mit Containern beladenen Trailern reihen sich hintereinander auf wie an einer Perlenkette. Aus den 11 Minuten wird locker nahezu eine halbe Stunde. Es ist aber nicht schlimm, denn wir haben ja Zeit und stellen fest, dass der Hafen eine eigene und besondere Welt ist. Selbst Volker und Maria, die in Hamburg geboren sind und hier leben, sind von dieser eigenen „Welt“ überwältigt. Es ist eben nicht die Ostdorfer Landstraße. (Kleiner Scherz!)

Am „Burchardkai“ angekommen, wird erst einmal überprüft, ob uns die „Hamburg-Süd“ angemeldet hat. Jawohl, hat sie. Dann füllt jeder ein Anmeldeformular aus. Ein „Shuttle-Bus“ bringt uns zur „MV Santa Rosa“. Das Schiff hätten wir in diesem Gewirr von Containern, Beladefahrzeugen und sonstigen Fahrzeugen niemals gefunden. Man könnte sich ja durchfragen? An wen aber will man sich wenden? Fußgänger gibt es nicht und da halte mal ein schnell vorbeihuschendes Fahrzeug an! Nach knapp fünf Minuten hält der Shuttle vor einer riesengroßen roten Wand an. Das muss die „Santa Rosa“ sein. Bingo – 100 Punkte.

Ich wuchte meinen 24 kg schweren Koffer sowie den Alu-Koffer aus dem Fahrzeug und sehe ein Problem auf mich zukommen. Ich fühle mich mit meinen 65 Jahren wohl noch stark und knackig. Aber meinen Koffer die Gangway hoch schleppen? Bevor ich mich dieser Kraftprobe unterziehe, gehe ich die Gangway erst einmal allein hoch und vielleicht habe ich Glück, dass es einen Kran gibt. Es sind ja immerhin 55 abgerundete steile Stufen. Und das mit einem Koffer? Oben erwartet mich der 1. Offizier oder „Chief Mate“ (Kurz: „Chief“), wie er auf dem Schiff angesprochen wird. Mit unschuldiger Miene sage ich ihm, dass ich noch einmal herunter muss, um meinen Koffer zu holen. Ein kräftiger Matrose hat sich inzwischen meinen Koffer auf die Schulter gepackt und marschiert die Gangway hoch, als trüge er Inges Handtasche.

Anschließend werde ich dem Kapitän (hier: „Master“) vorgestellt. Er ist Pole und fährt seit 12 Jahren zur See. Ich würde sagen, dass er die 30 Jahre mal gerade überschritten hat. Er entschuldigt sich, dass er als Kapitän nicht zu erkennen ist. Der Grund dafür ist, dass er selbst gerade erst an Bord gekommen ist und seine allererste Fahrt auf der „Santa Rosa“ macht. Er spricht nur Polnisch und Englisch, aber ich komme gut mit ihm klar. Nachdem er meinen Reisepass und meinen Impfpass entgegengenommen hat, mache ich mich wieder vom Acker, denn ich merke, dass er zu tun hat. Die Reederei hatte mir schon vor Tagen empfohlen, möglichst rechtzeitig an Bord zu kommen, denn man hat vor dem Auslaufen wenig Zeit für einen Passagier. Nun, ich habe auf einem Frachter angeheuert und auf keinem Kreuzfahrtschiff! Auf einem Frachter geht das Ladegut vor, auf einen Passagier kann man da nur bedingt Rücksicht nehmen.

Dann wird uns meine „Behausung“ für die nächsten sieben Wochen gezeigt. Es ist die Kammer des „Super Cargo“. Wir sind angenehm überrascht. Die Kammer (ohne Koje) misst 4,50 m x 4,50 m= 20,25 m2, der Nassbereich noch ein-mal 1,20 m x 2,00 m= 2,4 m2. Auf Frachtern spricht man von „Kammern“ statt von „Zimmern“ und diese hier verfügt über Fernseher, Radio, Videogerät, Sofa, Schreibtisch, Kühlschrank und viel Stauraum.

Im Hafen, so sagt der 1. Mate, sollte die Kammer stets verschlossen sein. Er zeigt uns die Brücke. Sie ist riesig und mit Technik vollgestopft. Danach ist der Maschinenraum interessant. Mann, Maschinenraum? Dieser geht über acht Stockwerke und ist von seiner Größe kaum zu beschreiben. Der 1. Mate will mit uns eine lange steile Treppe hinuntergehen. Inge und Maria streiken. Volker und ich folgen ihm. Er saust in einem Tempo herunter, dass wir kaum nachkommen. Er ist eben über 35 Jahre jünger als wir!

Wir gehen dann noch allein durch alle Decks. Angefangen vom „upper deck“ (Das sog. „Oberdeck“.), auf welchem wir das Schiff zuerst betreten haben, über die Decks von A bis G. Dann kommt noch das Navigationsdeck, das „Wheelhouse“ oder auch „Brücke“ oder „Kommandobrücke“, wie auch immer man diese Einrichtung nennen will. Meine Kammer befindet sich auf dem F-Deck. Wenn ich zum Essen gehe, dann muss ich vier Decks runter zum B-Deck. Es gibt auf den einzelnen Decks viel zu sehen. Das Schiff verfügt über zwei Fitnessräume und einen Innenswimmingpool. Er ist klein, aber fein! Außerdem gibt es eine Waschküche mit der Möglichkeit zum Bügeln, eine Sauna sowie einen Raum für Tischtennis und für Tischfußball.

Die Zeit des Abschieds ist gekommen. Wir gehen die Gangway hinunter, machen einige Fotos und dann, nun ja: „Gute Reise!“. Mit leichtem Bauchweh verabschiede ich mich von Schwager und Schwägerin. Der Abschied von Inge dauert etwas länger. Als sie sich mit dem Shuttle von mir entfernen, bekomme ich leicht schwitzige Augen. Sollte ich wirklich sieben Wochen für mich allein sein? Es ist nun zu spät und die Würfel sind gefallen. Ich muss nun an Bord und meine Zeit so genießen, wie Inge es von mir möchte. Soll ich mich jetzt schon auf das Wiedersehen freuen? Knallhart gesagt: Jetzt geht es nach Belgien, Frankreich, Brasilien, Argentinien, Uruguay, Brasilien, Marokko, Holland, England, auf der Elbe am „Willkommen-Höft“ vorbei und dann bin ich wieder bei meiner Inge, den Söhnen, den Enkelkindern und in meiner alten Umgebung.

Morgen früh legt das Schiff ab. Ja, mir ist flau im Magen und ich habe leichte Schuldgefühle, die mir meine Inge die letzten Tage ausreden wollte. Sie hat aber Recht: „Ingo, es ist ein Jahrzehnte währender Traum. Wenn nicht jetzt, wann dann? Mensch Ingo, in sieben Wochen bist du ja wieder da!“

Zwischen 17.30 und 18.30 Uhr ist „Dinner Time“. Mit dem Kapitän sitze ich allein in der Offiziersmesse. Nach einem kurzen Gespräch muss er an Deck. Die letzten Tage habe ich mich nur von Fischbrötchen ernährt, obwohl Schwägerin Maria stets etwas Leckeres in der Pfanne hatte. Es ist aber nun einmal so: Wenn ich in Hamburg bin, dann schaue ich mir die Innenstadt und den Hafen an. Dann trödele ich an den Landungsbrücken vorbei und schlappe noch einmal über „de RRReeperbahn“, die immer mehr zu einem Ort des Abgewöhnens wird. Dann geht es noch ein Mal über die Mönckebergstraße und zur Innen- und Außenalster. Zwischendurch werden einige Heringsfischbrötchen oder eine dicke Bockwurst, der sog. „Hamburger Lümmel“ konsumiert.

Bei meinen Hamburg-Touren bin ich in der Regel zwischen sechs und acht Stunden unterwegs. Es war auch schon mal länger, aber niemand kommt auf die Idee, deswegen eine Vermisstenanzeige aufzugeben. Maria und Volker können es wohl nicht immer nachvollziehen, dass man so lange freiwillig durch die Botanik schleicht. Aber auch sie kennen es inzwischen von mir nicht anders. Immerhin waren wir bereits drei Mal gemeinsam im Urlaub. Volker ist inzwischen infiziert. Auch er schlappt mit mir inzwischen zwei oder gar drei Stunden auf Mallorca durch die Gegend. Wenn ich erst wieder zurück in Hamburg bin, werde ich tief durchatmen und dann fliegen wir anschließend für 14 Tage auf diese „Putzfraueninsel“. Volker übernimmt inzwischen die Planung für diese Reise und sucht die Ziele aus, zu denen wir dann hinmarschieren werden.

Ich laufe auf der Pier von achtern zum Bug und mache einige Fotoaufnahmen. Von verschiedenen Decks aus beobachte ich später die Verladung. Danach schaue ich nochmals ins Internet und nasche dabei eine Tüte Süßigkeiten.

Nach zehn Minuten ist mir schlecht, worauf ich einen Rotwein trinke. Um 22 Uhr falle ich müde in die Koje. Morgen früh sollen wir um 5 Uhr auslaufen.

09. April (01.Tag) HH-Burchardkai nach Antwerpen - B

Die „Santa Rosa“ legt um 6.10 Uhr am Burchardkai ab. Langsam werden wir von den Schleppern in die Fahrrinne gezogen und geschoben. 45 Minuten später passieren wir die Begrüßungs- und Verabschiedungsanlage am „Willkommen-Höft“. Die sonst übliche Verabschiedung mit: „Muss i denn zum Städtele hinaus…“ wird uns leider nicht zuteil. Schade, aber es ist noch zu früh. Ob wir nach sieben Wochen begrüßt werden? Es kommt auf die Einlaufzeit an!

Mit einer Geschwindigkeit von 9 und 13 Knoten fährt das Schiff in Richtung offene See. Der Kurs bewegt sich zwischen 285° und 290°, also in westlicher Richtung. Es ist allerhand los auf der Elbe und der Hafenlotse macht zwischendurch Frühstück. Die „AIDAstella“ begegnet uns. Es ist ein AIDA-Kreuzfahrtschiff, das Träume wahr werden lässt. Das Schiff hat wirklich nach außen hin Balkone. Bisher überlegte ich bei Reiseausschreibungen immer, wo denn wohl Balkone sein sollen? Nach einigen Tagen lese ich in einer Bordzeitschrift der „Hamburg-Süd“, dass die „AIDAstella“ 253 m lang ist. Sie hat 71.304 BRT. Am 11. März 2013 übergab die „Meyer Werft“ den Passagierriesen offiziell an die „Kussmund Reederei“. Sie wird gern so genannt, weil auf dem Bug ein riesiger Kussmund gemalt ist.

Der Steward kommt gegen 10 Uhr, um für Ordnung und Reinigung in meiner Kammer zu sorgen und ist bei mir schnell fertig. Meinen Tagesbericht habe ich bereits geschrieben. Es ist der erste von am Ende 49 Tagen Seefahrt auf der „Santa Rosa“. Ich begebe mich zwei Decks höher auf die Brücke. Der Hafenlotse wurde inzwischen durch den Elblotsen abgelöst. Nun stelle ich dem Lotsen die dumme Frage, ob wir schon auf dem offenen Meer sind? „Nee, immer noch auf der Elbe!“ So dumm war meine Frage eigentlich gar nicht, denn die Elbe ist hier so breit, dass man wirklich davon ausgehen könnte, diese liege bereits hinter uns und wir befänden uns auf dem offenen Meer.

Ich werde auf der Brücke kaum wahrgenommen und betrete diese zunächst noch recht ehrfürchtig. Kontakt hatte ich bisher kaum mit der Mannschaft. Ich lasse es auch langsam angehen, denn die Besatzung hat hier etwas Besseres zu tun, als sich mit dem Passagier zu befassen. Unter uns aber: Ein kurzes Kopfnicken würde mir derzeit auch genügen. Das wird sich aber sicher alles noch ergeben. Zurzeit komme ich mir aber etwas hilflos vor!

Der Koch stammt aus der mikronesischen Republik Kiribati. Zum Mittag gibt es eine Pilzcremesuppe, danach Fischfilet mit Brechbohnen und Reis oder Kartoffelchips. Der Steward ist sehr nett und im Moment auch einer der wenigen Besatzungsmitglieder, zu dem ich etwas Kontakt habe. Der Kapitän nimmt seine Mahlzeit wortlos und sehr schnell ein. Er muss wieder auf die Brücke. Nach gut fünf Stunden ist die Nordsee erreicht.

In der Offiziersmesse hat jeder seinen eigenen Platz. Am Nebentisch sitzen der 2. und der 3. Offizier, der 2. und 3. Ingenieur sowie der Elektriker. An meinem Tisch sitzt mir gegenüber der Kapitän, rechts der 1. Offizier und links der polnische „Chief Engineer“.

Die Mahlzeiten werden zu folgenden Zeiten eingenommen: Frühstück von 7.30 bis 8.30 Uhr, Mittagessen von 11.30 bis 12.30 Uhr, Abendessen von 17.30 bis 18.30 Uhr. Zusätzlich gibt es um 10 Kaffee und um 15 Uhr Tee. Um mein Gewicht zu halten, werde ich, wenn ich die Decks wechsele, dieses stets zu Fuß machen. Es gibt wohl einen Fahrstuhl, der benutzt werden kann, wenn sich das Schiff nicht gerade über 10 Grad nach Backbord oder Steuerbord neigt. Aber ich werde von Deck zu Deck jeweils die 18 Stufen laufen. Vom Oberdeck bis zur Brücke kommen damit 144 Stufen zusammen. Komme ich von Land, so laufe ich erst einmal die 55 Stufen der Gangway hoch und dann die 6 Decks zu meiner Kammer mit 108 Stufen.

Die Wellen haben kaum Schaumkronen, aber dennoch schaukelt das Schiff merklich. In meiner Kammer ist ein kleiner Lautsprecher für Durchsagen und Alarmierungen angebracht. Aus dem Ding fängt es lang anhaltend zu tuten an. Ich kann damit nichts anfangen. Also: Abwarten! Ich begebe mich zum Oberdeck. Die Luft ist angenehm frisch. Ich mache meinen Decksspaziergang in Richtung Back. Dort angekommen werde ich vom 3rd Mate angehalten. Er hat drei Leute bei sich, die offenbar wie ich neu auf dem Schiff sind. Er führt eine Sicherheitseinweisung durch. Das Signal in meiner Kammer war also ein Probealarm!

Wir werden in den Gebrauch der Rettungswesten, der Sauerstoffmasken usw. eingewiesen und laufen das Schiff von der Back bis achtern durch und überall wird etwas erklärt. Der Maat schließt eine Tür auf und bittet darum, dass ich draußen bleibe. Es ist in dem Bereich sehr ölig und schmierig und er hat erkannt, dass mein Pullover noch neu ist. Ich stehe direkt über der Welle des Schiffspropellers. Müsste ich hier etwas schreiben, so sähe es aus, als stünde ich unter Strom. Am Ende der Sicherheitseinweisung werden wir noch fotografiert und müssen eine Unterschrift leisten. In meiner Kammer befinden sich auch Unterlagen, was die Sicherheit anbelangt. Ich werde sie wohl oder übel studieren müssen. Bei Alarmierungen muss ich mich auf dem B-Deck auf der Backbordseite einfinden.

Zum Abendessen soll es Chopsuey mit Pasta oder Reis geben. Nachdem ich den Speisenplan auch für die nächsten Tage studiert habe, gehe ich in die Kombüse. Der Koch schneidet gerade das Fleisch für das Abendessen. Die Brötchen waren heute Morgen warm, schmeckten und sahen auch gut aus. So gut habe ich sie früher nicht hingekriegt. Oder lag es auch an meinem Ofen? Ich frage den Koch, wie er die schönen Brötchen hinbekommen hat. Er muss lachen. Die Brötchen wurden in Hamburg gekauft und lagern im Gefrierraum. Ich studiere daraufhin die Mannschaftsliste: Es gibt gar keinen Bäcker!

Ich frage den Chief Mate, ob Extrawünsche bezüglich der Speisenzubereitung geäußert werden können. Als Veranstalter von Mehrtagesläufen kenne ich das Problem mit Vegetariern. Seit das Schiff am 10. Oktober 2011 in Dienst gestellt wurde, gab es bisher einen einzigen zu verköstigenden Vegetarier. Und das ist nun schon über 16 Monate her. Zu meiner Seefahrtszeit hatte man damit noch keine Probleme. Vegetarier waren eine absolute Randgruppe und kaum bekannt. Bei unserem Koch bestehen Zweifel, ob er ein rein vegetarisches Gericht überhaupt zubereiten kann. In seiner Heimat dürften Vegetarier absolute Exoten sein.

Die Außentemperatur ist angenehm und die Sonne lacht. Mein Fenster steht seit dem frühen Morgen offen. Die sogenannten „Bullaugen“ sieht man auf den modernen Schiffen kaum noch. Mein „Fenster“ kann mit vier Flügelschrauben fest verschlossen werden. Das Schiff wiegt sich leicht in den Wellen. Die Sicht zum Horizont ist neblig, um nicht zu sagen, dass der Horizont kaum als solcher auszumachen ist. Ich werde mal nach einem geeigneten Platz Ausschau halten, wo ich in Kürze einen Liegestuhl aufstellen kann.

10. April (02.Tag) Antwerpen - B