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Ihre Schönheit und ihr überzeugendes Wesen sind legendär; ihre Kochkunst, ihr Wissen um die Heilkraft der Kräuter und ihr soziales Engagement ebenso; und ihre heimliche Heirat mit Ferdinand II. ist eine der außergewöhnlichsten Liebesgeschichten: Philippine Welser. Unzählige Mythen ranken sich um die Augsburger Kaufmannstochter, für die der Tiroler Landesfürst Schloss Ambras zu einem prächtigen Renaissanceschloss umbauen ließ. Detektivisch spannend und historisch fundiert entführt Gunter Bakay in die Zeit des 16. Jahrhunderts. Vor diesem Hintergrund zeichnet er das schillernde Porträt einer ungewöhnlichen Frau und spürt den kuriosen Pfaden nach, auf welchen die berühmte Liebesgeschichte zwischen der Bürgerlichen und dem Sohn eines Kaisers bis in die Gegenwart gelangt ist. Zugleich liefert er in seinem reich bebilderten Buch ein kulturhistorisch packendes Bild einer turbulenten Zeit.
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Seitenzahl: 536
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© 2013
HAYMON verlag
Innsbruck-Wien
www.haymonverlag.at
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ISBN 978-3-7099-7308-0
Umschlaggestaltung: hœretzeder grafische gestaltung, Scheffau/Tirol
Buchgestaltung und Satz: Karin Berner nach Entwürfen von Stefan Rasberger
Umschlagbild: Schloss Ambras, Quelle: Wikimedia Commons/Andrew BossiAutorenfoto: Maria PetersDa wir nicht für alle Bilder der Printausgabe eine Genehmigung zur Verwendung in der digitalen Ausgabe erhalten konnten, scheinen einige Bilder in diesem Ebook geschwärzt auf.
Dieses Buch erhalten Sie auch in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlung oder direkt unter www.haymonverlag.at
Auftakt
Augsburg im 16. Jahrhundert – Philippines Background
Fuggerstadt
Der Perlachplatz
Des Herrn Fuggers Palazzo
Das Esszimmer
Die Tischgesellschaft
Abstecher nach Westindien
Zurück zu Tisch
Erster Auftritt Philippines
Philippinae Geburt
Der erste Schluck
Genealogischer Einschub: Das Fräulein Adler
Franz
Zurück zur Wöchnerin
Jahre im Off
Küchenlatein
Der Münzfund – eine erste Begegnung?
Bella Philippina
Schöne Philippine?
Bummelchen hinterm Herd
Die verdächtigen Jungfrauen
Erzherzog Ferdinand II.
Wohnhaft in Innsbruck
Der Feldherr
Schlachten in der Silbernen Kapelle
Philippine und Ferdinand
Bresnitz, Březnice
Die alte Jungfer
Wasserballett
Die Konkubine
Heiratspläne
Die geheime Hochzeit
Hochzeitsnacht
Die ganz geheimen Früchte der Liebe
Versöhnung mit dem Vater
Von Bresnitz nach Pürglitz (Křivoklát)
Die Kräuterhexen
Jan Augusta
Langsamer Aufbruch nach Tirol
Ambras
Der Einzug
Das Schloss
Haus- und Hofhaltung
Grande Dame?
Von inneren und äußeren Werten
Anno Domini 1576
Von Leib und Seele
Geliebte Kräuterhexe
Dem Ende zu (1570–1580)
Ich sich etwas, das mich freut … Philippines Tod
Begräbnis
Leben nach dem Tod
Ermordung und Wiederauferstehung der Philippine Welser
Anmerkungen
Anhang
Das philippinisch-ferdinandeische Beziehungsgeflecht
Chronik
Literatur (Auswahl)
Personenregister
Im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck hängt ein großformatiges Ölbild, das wir ruhigen Gewissens als Schinken bezeichnen dürfen. Wer unvorbereitet darauf stößt, wird an der Hängung der Kuratoren zweifeln, wird sich jedenfalls fragen, was das ca. 166 x 215 cm große Unding zwischen den anderen durchaus qualitätsvollen Arbeiten zu suchen hat. Wer nicht weiß, dass er sich vor einem bedeutenden Mythos der Tiroler Geschichte befindet, der wird jedenfalls staunen.
Das überraschende Bild stammt von Giustiniano degli Avancini aus Belluno. Wie aus dem Jahrbuch des Museums von 1825 hervorgeht, hat der Maler damit einen Beweis sowohl seines Kunsttalents als auch seines vaterländischen Patriotismus’ gegeben. An Ersterem mag man zweifeln, an Zweiterem sicher nicht – dies umso weniger, als dass Avancini dem Bild auch noch eine eigens verfasste Novelle beigelegt hat, welche den Titel Ferdinando – Conte del Tirolo trägt.
Erzherzog Ferdinands II. sagenhafte erste Begegnung mit Philippine Welser während des Geharnischten Reichstages 1547/48 in Augsburg. Romantischer Ölschinken von Giustiniano degli Avancini, Ferdinand erblickt Philippine Welser, 1825 (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck; Foto: Frischauf-Bild)
Geschildert wird in Wort und Bild die erste Begegnung von Philippine und Ferdinand – sie Bürgerstochter, er Erzherzog aus dem Hause Habsburg. Folgt man der Novelle, dann geschah dies an einem Abend im Jahre 1548 während des Reichstages in der berühmten Stadt Augsburg: Ferdinand und zwei Begleiter erholen sich auf einem Ritt durch die Häuserzeilen und über die Marktplätze, als des Erzherzogs Auge unvermittelt auf ein Geschöpf fällt, das schwerlich von dieser Welt stammen dürfte. Abrupt reißt er am Zügel seines Pferdes und ruft erstaunt und ganz fassungslos: „Chi é dunque colei, ch’ha divine sembianze?“ Also ungefähr: „Wer ist denn jene, die so göttliche Züge trägt!“
Philippine ist’s, weiß ein Begleiter Bescheid. Und: Sie ist die Tochter des Franz Welser, an dessen palazzo man zu diesem jähen, unerwarteten Halt gekommen ist. Auf dem Ölbild sehen wir diesen Moment der berühmten und patriotischen Liebesgeschichte.
Der bärtige Begleiter Ferdinands hat seinen rechten Arm erhoben, wie um Philippine zu präsentieren und ein lautes Voilà zu rufen. Im Original sieht man, dass dieser Arm merkwürdig verkürzt und anatomisch nicht ganz korrekt ist (was wohl auf die noch mangelnde Übung des erst 18-jährigen Malers und Dichters zurückzuführen ist). Dem Erzherzog in seinem bunten Phantasiekostüm ist das aber völlig egal, weil er ohnehin nur Augen für die meravigliosa bellezza hat.
Und Philippine? Nun, Philippine hat ihre rechte Hand auf die Brust gelegt, als müsste auch sie an sich halten. Ihr Blick allerdings geht nicht hinunter zu Ferdinand, sondern hinaus in unbestimmte Ferne. Wovon sie wohl träumt? Wir wissen es nicht. Sicher aber ist, dass sie nicht von der großen weiten Welt träumen wird. Denn sie lebt ja in ihr.
Augsburg!
Augsburg war damals Weltmetropole. Nabel, Zentrum. Wirtschaftsmacht. Auf dem Bild ist dies alles aber nicht zu sehen und in der Novelle nicht zu lesen. Hier ist alles auf romantische Verklärung getrimmt und auf den bunten Anstrich einer Geschichte, deren Protagonisten einem Ritterfilm in Minnesängerausstattung zu entspringen scheinen (Ferdinands blondes Haar ist viel zu lang, seine roten Stulpstiefelchen zu feminin, Cape, Flaumfederbusch, Goldtressen … – so hat sich damals im 16. Jahrhundert keiner mehr auf die Straße getraut). Und wie um den Ruch purer Illusion, den Duft des poetischen Wurfs noch zu verstärken und vertiefen, ist selbst die Hausfassade als reine Scheinarchitektur wiedergegeben. Nur die Loggia, in der Philippine verweilt, zeigt perspektivischen Raum und präsentiert die Schöne wie in einem Schatzkästchen.
Als die Honoratioren des Ferdinandeums dieses Bild seinerzeit zugeschickt bekommen haben (vom Maler auf eigene Kosten! wie eigens vermerkt wird), müssen sie sehr zufrieden gewesen sein. Jedenfalls haben sie es unter der Inventarnummer Gem. 1099 in die Sammlungen auf genommen und (damals wie heute) prominent an die Wand gehängt. Wahrheitsgehalt und Realismus spielten dabei keine Rolle.
Oder doch?
Heute tun wir uns leicht damit, über den ausgestellten Schinken zu lästern. Damals aber, damals im Jahr 1825, als man das Bild zugeschickt bekam, befand man sich mitten in einer Philippinen-Seligkeit, die eine Sissy, eine Postmeisterstochter Anna Plochl und eine Mary Vetsera um Jahrzehnte vorweggenommen hat.
Das Bild zeigt Gefühl. Jede Menge davon. Es zeigt, dass Liebe stärker ist als jeder Standesunterschied: weil sie einschlägt wie ein Blitz. Vom Blitz getroffen wurde in diesem Falle eine Bürgerliche aus Augsburg (aus gutem Hause, aber bürgerlich) und einer vom Hochadel. Einer, der mit ein bisschen Glück glatt auch Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation hätte werden können. Kaiser!
Was aber dem Ganzen die buchstäbliche Krone aufsetzte, war, dass man es hier nicht mit einem Roman zu tun hatte, der einem empfindsamen Bürgerherzen entsprungen ist, sondern mit der Wirklichkeit. Mit einer Wirklichkeit, die auch ihre Artefakte hinterlassen hat: Schloss Ambras zum Beispiel als Liebesgabe. Oder Philippines Grabmal in der Silbernen Kapelle – im Schoß der habsburgischen Hofkirche gewissermaßen. Nichts erfunden also.
Nichts erfunden. Leider aber war man sich dennoch nicht mehr so ganz im Klaren, wie sich die Geschichte bis ins kleinste Detail abgespielt hat. Und wer sollte denn um Himmels willen über jedes Fitzelchen der Historie Bescheid wissen – waren doch schon gut 300 Jahre vergangen seit damals! So ein beschränktes Wissen ist allerdings der perfekte Nährboden für all die aufsprießenden Mythen, die Leben und Wirken der Handlungsträger zu einer plausiblen und spannenden story machen. Solche Mythen folgen dem Druck der Neugier. Und sie antworten darauf.
Etwa wie sich das Liebespaar kennengelernt hat. Was denn an der sogenannten Bürgerlichen dran war, dass sich der Hochadelige so schnurstracks in sie verschossen hat (War Philippine wirklich so schön? Wie hat sie ausgesehen? War sie reich? Hat sie ihn etwa eingekocht mit ihrer berühmten Küchenkunst?). Ja, der Mythos antwortet letztlich auch auf die Umstände ihres Todes und weiß, dass sie in ihrem berühmten Bad auf Schloss Ambras erdrosselt worden ist oder, alternativ, dass ihr die Pulsadern im Auftrag der Tiroler Landstände aufgeschnitten worden sind, damit es endlich einen standesgemäßen, erbberechtigten Nachfolger abgibt. Opium war bei diesem Attentat im Spiel.
Die Geschichte von Philippine und Ferdinand ist von solchen sagenhaften Erzählungen kaum zu trennen – und zwar deshalb nicht, weil ihre Biografie arm an verlässlichen Fakten ist und man sich deshalb entlang der Möglichkeits- und der Wahrscheinlichkeitsform bewegen muss. Ohne diese heikle Faktenlage aber hätte die Verehrung der schönen, guten, weisen, keuschen, heilkundigen, edlen, bürgerlichen, küchenfeenhaften … Tiroler Landesfürstin wohl kaum die Ausmaße angenommen, wie sie es eben getan hat.
Zwar mag der Zenit dieser Verehrung überschritten und es auch nicht mehr nötig sein, ihr marmornes Grabmal wie früher durch ein schmiedeeisernes Gitter vor allzu stürmischen Bekundungen zu schützen – die zurückgebliebenen Artefakte sind aber nach wie vor da und schreien nach einer Geschichte: eine Geschichte, die bis in die unmittelbare Gegenwart ein bisschen brach gelegen ist, und warum dies so ist, das mag man nach der Lektüre der folgenden Erzählung selbst ermessen.
Obwohl die Geschichte also nach einem Autor geschrien hat, bin auch ich selbst erst in mehreren Anläufen zu dem Philippinen-Thema gekommen: Trotz der permanenten Gegenwart von Schloss Ambras im Weichbild der Stadt Innsbruck ist es mir keineswegs naturwüchsig zugefallen. Erste Bekanntschaft mit der Augsburgerin machte ich wie seinerzeit üblich noch in der Volksschule im Heimatkundeunterricht, doch sehr rasch sind die phantastischen Erzählungen im profanen Geschichtsunterricht des Realgymnasiums untergegangen. Eine schon nachhaltigere Auferstehung feierte das Thema dann durch die Praktika bei meinem Oheim, dem bekannten Restaurator Frambert Wall-Beyerfels. Als Schüler und später als Student konnte ich mir gutes Geld verdienen, indem ich ihm bei seinen Aufträgen zur Hand ging und so nicht nur beim Goldenen Dachl, dem Riesenrundgemälde und so weiter, sondern vor allem auch bei den umfangreichen Arbeiten oben in Schloss Ambras im Spanischen Saal und im anschließenden Kaiserzimmer mitgeholfen habe. Ab Ende der 1970er Jahre kam ich also mit meinem späteren Thema erstmals und leibhaftig in Hautkontakt, und dies umso mehr, als dass das Bad der Philippine Welser nur ein paar Treppenstufen von unserem Arbeitsplatz entfernt gelegen war.
Doch auch hier verschwand der Stoff, und er tauchte erst viele Jahre später wieder auf, als ich als Internetredakteur den Bereich der Kulinarik für die Tirolwerbung betreute. Fast zwangsläufig stößt man dabei öfters auf das wiederum berühmte Kochbuch der Philippine Welser und auf den erstaunlichen Umstand, dass es – und bis zum jetzigen Zeitpunkt – noch keine Übertragung desselben ins Hochdeutsche gibt. Als ich meinen verdienten Verleger darauf aufmerksam machte, war er zunächst auch Feuer und Flamme von dem neuen gemeinsamen Projekt, aber letztendlich gab er diesem doch eine andere Richtung: Er träume, so sagte er versunken, er träume schon seit über zwanzig Jahren von einem Buch nicht von, sondern über Philippine Welser – der wunderschönen Schlossherrin aus Augsburg. Nun, sehr geehrter Herr Hatzer, lieber Markus, ich hoffe, ich habe dir mit dem vorliegenden Buch deinen Traum erfüllen können. Danke jedenfalls, dass ich’s auf so opulente Weise versuchen durfte …
Dank für Unterstützung aller Art auch an den Obmann des Innsbrucker Tourismusverbandes Herrn Dr. Karl Gostner, dem (rara avis in seiner Branche) Kulturprodukte und -leistungen stets freudig genossene Lebens-Mittel sind. Und Danke auch an das Team auf Schloss Ambras für die seit vielen Jahrzehnten geleistete Arbeit, die Ausstellungen und vor allem die prächtigen Kataloge, mit denen es auf seine eigene Weise das Andenken an das große Liebespaar und sein herrschaftliches Ambiente am Leben erhält.
Genug nun aber der Schmeichelreden: Jetzt geht’s los.
Kolorierter Kupferstich aus Georg Braun, Civitatis orbis terrarum, Köln 1572–1617, II.
Das ist so ziemlich das Erste, was einem zu Augsburg landläufig einfällt. Märchenhafter Reichtum. Prunk. Ausschweifende Geselligkeit und in jedem Fall Geld, Geld, Geld. Und mittendrin und obendrauf eben die Fugger.
Nun, diese Vorstellung ist ziemlich korrekt, sie schrammt aber dennoch knapp an der Wirklichkeit vorbei. Denn die Familie Fugger zählte nicht unbedingt zur alteingesessenen Oberklasse der Stadt, da gab es ganz andere Kaliber: die Rehlinger, Höwart, Langenmantel, die Vöhlin und selbstverständlich unter manch anderen noch die Familie Welser – regelmäßig stellte diese den Bürgermeister und andere hohe Ratspersonen. Die Fugger dagegen kamen von außen, von außerhalb der Stadt, wo die ländlichen Textilarbeiter ihren Platz hatten. Wo allerdings auch der Reichtum Augsburgs und anderer schwäbischer Städte seinen Ausgang nahm.
Der finanzielle Erfolg stammte zunächst und wesentlich von der Herstellung eines Gewebes, das als Barchent bekannt geworden ist. Dabei handelt es sich um eine Textilsorte, bei der die Kette aus Leinen und der Durchschuss aus Baumwolle besteht: ein Mischgewebe also. Dieser moderne Stoff war nicht so steif wie das übliche Leinen, fiel falten- und variantenreicher, war anschmiegsam, aber dennoch haltbar – und bedeutete in Summe eine regelrechte Revolution für die schwäbische Textilindustrie. Zwar war man schon seit langer Zeit in der Herstellung von Tuchen beschäftigt und exportierte sie auch recht erfolgreich – aber der Barchent begann sich binnen weniger Jahrzehnte europaweit durchzusetzen und war um 1400 fast schon ohne Konkurrenz. Und das nun bedeutete jede Menge Geld.
Aber natürlich: Wer sich damit begnügen muss, die benötigten Fasern landwirtschaftlich anzubauen, zu spinnen, oder wer auf geleasten Webstühlen die Schiffchen hin und her sausen lässt und die gegen Vorschuss erzeugten Stoffe billig abgibt – wer also auf der untersten Stufe der Produktion festgenagelt ist, der wird es zu nichts bringen. Reich wird dagegen der Verleger. Derjenige, der das Geld vorschießt oder in Vorlage tritt.
Solchermaßen werden also der Händler und der Kaufmann geboren. Und die reichen Augsburger Familien, die ihr Vermögen damit machten.
Dennoch waren freilich nicht alle und nicht ausschließlich in der Leinen- und Barchentbranche tätig, da wäre der Platz auf die Dauer doch zu eng geworden. Man investierte das gewonnene Kapital durchaus auch in andere Produkte und verlegte sich beispielsweise auf den Import und Handel von Gewürzen, Farbstoffen, Seiden, Teppichen; man beteiligte sich an Finanz- und Bergwerksgeschäften und bastelte so erfolgreich an Unternehmen, welche man heute als Mischkonzerne bezeichnen würde. Die Welser waren solch ein Mischkonzern. Und zwar ein so erfolgreicher, dass man eben schon lange zum Patriziat der Stadt Augsburg zählte – und eigentlich ein wenig herabschaute auf die Fugger, die erst vor vergleichsweise Kurzem ihren Aufstieg begonnen haben und so als Neureiche, als Parvenüs betrachtet wurden.1
Es war aber nun mal diese Familie, welche den Ruf der Stadt als goldenes Augsburg begründet hat. Sie war es, die am meisten Geld von allen scheffelte und sie war es, die vielleicht den größten Einfluss auf den politischen Weg des Abendlandes gehabt hat. Dabei ist ihr Ahnherr, Hans Fugger, noch als bescheidener Landweber in die Stadt gekommen. Damals, anno 1367, wurde ins Steuerbuch lapidar, aber doch irgendwie schon ahnungs- und bedeutungsvoll eingetragen: „Fucker advenit“. Fugger ist angekommen.
Doch Hans ist fleißig, heiratet geschickt zweimal in die Weberzunft hinein, bringt einen kleinen Textilhandel in Schwung und zeugt zwei Söhne, von denen der eine, Jakob, zu Jakob dem Älteren wird, welcher wiederum zum Vater jenes Jakobs wird, welcher mit dem Beinamen der Reiche endlich die Spitze des Geldberges, die Spitze der Phantastillionen erklimmt.
Die Silhouette der berühmten Fuggerstadt am Ende des 15. Jahrhunderts. Holzschnitt aus Hartmann Schedel, Liber chronicarum, Nürnberg 1493
Geschafft hat es die Dynastie vor allem dadurch, dass sie besser als andere das Wesen des Kapitals begriffen hat. Das heißt, dass zwar auch sie einen Mischkonzern auf die Beine stellte und in den traditionellen Warenhandel und den Betrieb von Bergwerken investierte, aber viel mehr noch auf das Geld an sich als reines, beinahe ätherisches Wesen setzte: Welches etwa als unverschämter Kredit so manch großen Traum oder manch blutigen Krieg finanzieren konnte.
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