Quellen, Ströme, Eisberge - Hans Blumenberg - E-Book

Quellen, Ströme, Eisberge E-Book

Hans Blumenberg

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Beschreibung

Um der übermächtigen Wirklichkeit zu entkommen, erfinden Menschen Bilder und Mythen, metaphysische und kulturelle Systeme, denn sie bieten Orientierung, auch wenn sich ihre »Wahrheit« kaum beweisen läßt. Von dieser Überlegung geleitet, interessierte sich der Philosoph Hans Blumenberg lebenslang für bestimmte Metaphern, die als »regulative Ideen« dem Denken einen Rahmen geben, ohne es ganz festzulegen. Metaphern, so war seine Überzeugung, bilden den Untergrund der Ideengeschichte. Seit 1978 schwebte ihm ein eigenes Buch zu den drei »Wassermetaphern« Quellen, Ströme und Eisberge vor, denen er zentrale Bedeutung zumaß. Er sammelte umfangreiche Materialien und Belege in seinen Zettelkästen, und in seinem Nachlaß fand sich ein nahezu druckfertig ausgearbeiteter Text, der hier zum ersten Mal veröffentlicht wird. Anhand zahlreicher Beispiele – von den Vorsokratikern bis hin zu Werbetexten der Gegenwart – zeigt er anschaulich: Wasser ist, auch als Metapher, buchstäblich lebensnotwendig.

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Seitenzahl: 382

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Hans Blumenberg

Quellen, Ströme, Eisberge

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2012

© Suhrkamp Verlag Berlin 2012

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Quellen

Auch wenn man ›Kritik‹ nicht als die erhabenste Fähigkeit des Menschen gegenüber sich selbst und anderen ausgezeichnet wissen möchte, wird man doch dem geschichtlichen Phänomen der großen ›Ordnungsrufe‹ Beachtung und Achtung zuwenden müssen. In ihnen demonstriert sich die Fähigkeit zur Selbstberichtigung der Geschichte, auch wenn von ihr die Voraussetzung noch nicht angenommen worden ist, sie werde durchgängig selbst gemacht. Zwei Grundformen solcher Ordnungsrufe lassen sich, als die Wurzeln aller anderen, aufs präziseste herauspräparieren: der Ruf ›Zu den Sachen!‹ (ad res) und der andere ›Zu den Quellen!‹ (ad fontes). Der erste Ordnungsruf bindet sich an die Disjunktion von Sachen und Worten, Wirklichkeit und bloßer Rede, Realismus und Rhetorik; der andere Ordnungsruf ist verbunden mit der Disjunktion von Ursprung und Verfall, Authentizität und Scholastik, Genie und Epigonentum, Reinheit und Verderbnis.

Wenn die beiden Ordnungsrufe niemals gleichzeitig ertönt sind, so nicht deshalb, weil man den Eindruck des späten historischen Betrachters immer gehabt hätte, sie schlössen einander aus. Viel eher glaubte man, jeweils durch die eine Wendung oder Korrektur auch die andere schon gefordert oder bewirkt zu haben. Die Rückwendung des spätmittelalterlichen Humanismus zu den antiken Quellen, die für uns das nachhaltigste Beispiel des einen Ordnungsrufes darstellt, war immer von dem Bewußtsein getragen, in der damit vollzogenen Ablehnung aller Scholastik und ihrer Realitätsferne über die Unmittelbarkeit zu deren antiken Autoritäten auch das Wirklichkeitsverhältnis wiederhergestellt zu haben oder wiederherstellen zu können. Die Grunderfahrung ihrer Verderblichkeit, also des durch unverständige Abschreiber verschuldeten Zustands der antiken Texte, vermittelt durch die aus Byzanz hereinströmenden unverdorbenen oder weniger verdorbenen Handschriften, führt zum Pathos des Verlangens nach unverderbten oder wiederherzustellenden Textgrundlagen für das Verhältnis zur Antike.

Der Ordnungsruf ›Zu den Sachen!‹ lebt noch darin von seiner Verachtung der bloßen Worte und der rhetorischen Steigerungsmittel, daß er für sein eigenes Pathos auf die Metapher verzichtet. Der Rückruf ›Zu den Quellen!‹ ist eine Metapher und ist der Inbegriff einer nur rhetorisch möglichen Zumutung. Die Quellen sind immer verloren, liegen immer im Rücken der Geschichte. Allenfalls holt man sie, statt zu ihnen zurückzukehren, wieder hervor, liest die Palimpseste, riskiert Konjekturen. Worin Narziß sich spiegelt, soll nach alter Überlieferung eine Quelle sein, weil das die mythische Suggestion verstärkt, die Schönheit seines Spiegelbildes habe mit der Reinheit des Wassers zu tun, das es ihm zurückwirft; aber einem reinen Quell würde der mythische Hirt nur auf den Grund sehen. Doch der Grund ist gerade das Feste, aus dem die Quelle entspringt, das sie verläßt. Zwischen Quellen und Gründen gibt es ein Widerspiel. Der ›Seelengrund‹ der Mystiker wird, entgegen der Annahme der transzendentalen Religionsphilosophie von Rudolf Otto, kein ›Quellengrund‹ oder ›Wurzelgrund‹ sein. Die Metaphorik der Quelle, bis hin zu ihrer Vergessenheit in der Fachsprache des Historikers und des Philologen, wird ganz im Gegensatz zur Quelle des Narziß nur dadurch den Gedanken anleiten, daß sie fließt. Die Redeweise, daß zu einer Fragestellung die Quellen nur spärlich fließen, bewahrt noch im austerminologisierten Fachmilieu das Aroma der Herkunft, während der Vorwurf, davon steht nichts in den Quellen, es schlichtweg eingebüßt hat.

Wasser ist nicht gleich Wasser. Eine der simpelsten und doch erst langer Erfahrung zugänglichen Lebenseinsichten. Nicht zufällig reizt die Doppelung ›Quellwasser‹ zur Imagination einer unvergleichlichen Erfrischung. Und die Brauindustrie hat sich noch einer Steigerung versichern zu können gemeint, indem sie sich auf das ›Felsquell

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