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„Ich habe eine Botschaft empfangen. Sie mir zu eigen gemacht. Sie neu geprägt. Einmalig, unverwechselbar, weil jeder Mensch etwas Einmaliges ist. Und ich gebe sie weiter. Hinterlasse in den Menschen um mich eine Spur, die vereint mit all den anderen Spuren erneut Botschaft wird, auch wenn mein Name längst vergessen ist." „Respektloser Umgang" erzählt von der fiktiven Begegnung zweier Frauen. Die eine - die Atomphysikerin Lise Meitner - wurde durch den Faschismus um die Früchte ihrer Lebensarbeit gebracht. Die andere - die Ich-Erzählerin - wird auf der Höhe des Lebens durch eine tückische Krankheit aus der wissenschaftlichen Arbeit gerissen und hat sich auf den zunehmenden Verfall der physischen und psychischen Kräfte einzurichten. Die Erfahrungen mit der Krankheit führen nicht in die Isolation, sondern wek-ken im Gegenteil den Wunsch nach Einordnung in die geschichtliche Dimension. Der Lebensanspruch des einzelnen wird zum Gleichnis für den Lebensanspruch der Menschheit
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Seitenzahl: 117
Veröffentlichungsjahr: 2016
»Ich habe eine Botschaft empfangen. Sie mir zu eigen gemacht. Sie neu geprägt. Einmalig, unverwechselbar, weil jeder Mensch etwas Einmaliges ist. Und ich gebe sie weiter. Hinterlasse in den Menschen um mich eine Spur, die vereint mit all den anderen Spuren erneut Botschaft wird, auch wenn mein Name längst vergessen ist.«
»Respektloser Umgang« erzählt von der fiktiven Begegnung zweier Frauen. Die eine – die Atomphysikerin Lise Meitner – wurde durch den Faschismus um die Früchte ihrer Lebensarbeit gebracht. Die andere – die Ich-Erzählerin – wird auf der Höhe des Lebens durch eine tückische Krankheit aus der wissenschaftlichen Arbeit gerissen und hat sich auf den zunehmenden Verfall der physischen und psychischen Kräfte einzurichten. Die Erfahrungen mit der Krankheit führen nicht in die Isolation, sondern wecken im Gegenteil den Wunsch nach Einordnung in die geschichtliche Dimension. Der Lebensanspruch des einzelnen wird zum Gleichnis für den Lebensanspruch der Menschheit.
Helga Königsdorf
Respektloser Umgang
Inhaltsübersicht
Informationen zum Buch
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Über Helga Königsdorf
Impressum
Wem dieses Buch gefallen hat, der liest auch gerne …
Die eine Kerze zur Rechten. Wie immer. Kaum wahrnehmbar das Atmen, mit dem sie sich verzehrt. Ihr Licht taugt zu nichts. Die Helligkeit, die meinen Augen nötig ist, kommt von der Lampe links. Und doch habe ich sie angezündet. Wieder und wieder. Ein Jahr. Zwei Jahre. Ehe ich mich versah, waren es zwanzig und mehr. Solange ich an diesem Schreibtisch sitze. Wie auch die Lichtverhältnisse waren – ich wollte sie unbedingt, diese eine Kerze. Natürlich handelte es sich nicht immer um denselben Tisch, dieselbe Kerze. Aber das tut nichts zur Sache. Für einen Moment will es mir sogar scheinen, als wäre ich niemals aufgestanden. Als wäre dieses Dasein, vornübergebeugt am Schreibtisch, mathematische Formeln auf ein Blatt Papier kritzelnd, das eigentliche Leben gewesen. O diese Lust! Diese Klarheit! Diese hochmütigen Konstruktionen! Aber dann die Zusammenbrüche. Der scharfe Schmerz in der Scheitelgegend, gegen den kein Haareraufen half. Der Zweifel an der eigenen Existenzberechtigung. Plötzlich, wenn schon alles verloren aussah: ein neuer Einfall. Also wieder von vorn. Verglichen mit diesem höllischen Pendeln zwischen Fegefeuer und Hosianna war das übrige Dasein fast eine Plattheit. Jedenfalls will es mir so scheinen. Für einen Moment.
In Wirklichkeit war alles ganz anders.
Der Flammenkegel biegt und windet sich, als sehne er sich nach Freiheit. Nach Unabhängigkeit von dem Docht, der ihn nährt. Ich kann nicht länger darüber hinwegsehen. Zu offen unterliegt er fremden Einflüssen. Luftströmen, die auf Bewegung hindeuten. Bewegung hinter mir im Raum. Ich weiß, daß da niemand ist und konzentriere mich auf meine Gleichungen. Versuche es jedenfalls. Doch es gelingt mir nicht. Deutlich spüre ich den Blick im Nacken.
Nur nicht umwenden. Sehe ich zurück – soviel steht fest –, irgend etwas wird passieren. Etwas, was nicht mehr ungeschehen gemacht werden kann. Ich schaue auf das Papier und lese, was ich eben geschrieben habe. Aber die Information bleibt schon in der Netzhaut stecken. Ein sinnloses Geäst von Zeichen.
Die Verlockung des verbotenen Zimmers. Habe ich das Verbot nicht immer als Zumutung empfunden. Soll ich mich jetzt von Schwäche und Angst leiten lassen? Nein. Ich will der Wahrheit ins Auge schauen. Ich drehe mich um.
Kein Anlaß zur Freude. Im Gegenteil. Aus vielen und sehr verschiedenen Gründen ärgerlich, ja bedrückend. Ein Krankheitszeichen. Ich presse die Lippen aufeinander und kneife die Augen zusammen. Es hilft nichts. Die Erscheinung bleibt.
Noch niemals bin ich in meiner Existenz so bedroht gewesen wie in diesem Herbst. Dabei muß ich zufrieden sein. Es hätte schlimmer kommen können. Immerhin habe ich meine mittlere Lebenserwartung überschritten. Eine bedingte Erwartung. Nach allem, was ich jetzt weiß. So gesehen ist es bereits Zugabe. Dieses Leben. Das immer mehr Fassade wird. Aufrechterhalten und ausgehöhlt mit Hilfe kleiner grüner Kapseln. Zweimal täglich. Unzerkaut. Ärztliche Kunst wird nach dem Außenzustand beurteilt. Und ich bin mit im Bunde. Auch wenn sie es nicht sagen, merke ich wohl: Das Hinauszögern des körperlichen Verfalls geht zu Lasten der Seele. Also treffe ich meine Wahl. Nein. Ich habe gar keine Wahl.
Ob ich an Verwirrtheitszuständen leide? Schon? Und wenn ich erschrecke, trösten sie. Es könne wieder in Ordnung kommen. Man brauche bloß die Kapseln zu reduzieren.
Bloß? Und was dann?
Ich habe mir eine Grenze gesetzt. Das hört sich ganz logisch an. Man kann es sogar offen sagen. Man findet Zustimmung. Es ist wie ein Versprechen. Je mehr es akzeptiert wird, um so niederdrückender wird der Gedanke. Der eigene Entschluß wandelt sich in fremdes Urteil. Man ist verurteilt.
Ich schlucke die grünen Kapseln und bin auf Halluzinationen eingestellt. Es überrascht mich also nicht. Ich muß gestehen, ich empfinde sogar eine gewisse Neugier. Ich habe mich entschlossen, die Kontrolle nicht zu verlieren. Realität und Scheinwelt zu scheiden. Wenigstens, soweit dies durch rationale Verfahrensweise möglich ist. Und hier liegt es auf der Hand. Die Dame vor mir in meinem Drehsessel ist seit fünfzehn Jahren tot.
Sie wehrt sich sofort dagegen, lediglich ein Produkt des gestörten Dopaminhaushaltes in meinem Zentralnervensystem zu sein. Mit schöner, klarer Altfrauenstimme und deutlich wienerischem Akzent erklärt sie unser Zusammentreffen durch eine unwahrscheinliche, doch mögliche Kollision zweier Traumwelten, die den Gesetzen von Raum und Zeit nicht unterworfen seien. Es ist ihr offenbar daran gelegen, zwischen uns eine Gleichwertigkeit herzustellen.
Hierzu entgegne ich: Wenn sie auf Traum bestehe, was man ihr nicht verübeln könne, da gewisse Erkenntnisse der Hirnforschung erst nach ihrem Ableben gefunden worden seien, wenn sie also darauf bestehe, könne es sich einzig und allein um meinen Traum handeln, weil man zwar in die Vergangenheit, aber nicht in die Zukunft träumen könne. Ich meine, in die reale Zukunft. Nicht zu verwechseln mit Zukunftsträumen. Ich verheddere mich in der Mehrdeutigkeit sprachlicher Logik.
Aber sie ist Physikerin. Naturwissenschaftlerin wie ich. Wir sind nicht angewiesen auf die Produktivität sprachlicher Mißverständnisse. Der Tod entbinde die Zeit von ihrem Gerichtetsein. Behauptet sie.
Diese Erfahrung hat sie mir voraus. Hierzu kann ich nichts sagen. Doch scheint es mir fragwürdig. Was ich zum Ausdruck bringe. Auch, daß sie bereits früher falsche Theorien verfochten hat. Dies sogar mit einigem Erfolg.
Sie ist verärgert. Kann jedoch nicht widersprechen, denn die Fakten sind allgemein bekannt. Sie will etwas sagen. Schweigt dann aber. Verblaßt. Und ist verschwunden.
Dieser erste Fall übersinnlicher Wahrnehmung beunruhigt mich doch. Vor allem die Eigenständigkeit der Erscheinung. Und warum muß es gerade die Lise Meitner sein. Diese Physikerin, die an der Entdeckung der Uranspaltung beteiligt war. Damit haben wir jetzt genug Schlamassel. Wahrlich.
Eigentlich könnte es mir gleichgültig sein. Für mich reicht sie gerade noch, die Beschaffenheit der Welt. Ich könnte mir sogar die Hände reiben und sagen: Was mir widerfährt, ist lediglich ein Gleichnis. Wartet nur! – Aber der Triumph bleibt mir im Halse stecken.
Lise Meitner ist neunzig Jahre alt geworden. Ich bin mit der Hälfte ziemlich am Ende. Aber das ist nicht wichtig. Es will mir scheinen, als hätte ich mir ein unmäßiges Stück Leben herausgeschnitten. Was kann ich bereits alles abhaken. Fast gibt es nichts mehr zu versäumen. Ich bereue beinahe, sie beleidigt zu haben. Es war nicht fair. Habe ich nicht meine eigenen Schreibtischqualen beklagt. Wie muß sie erst verletzlich gewesen sein. Sie: Nie Geliebte. Nie Mutter. Wie muß sie unter Leistungszwang gestanden haben. Wie ein Mann. Mehr als ein Mann.
Ach nein. Ich bin ein bißchen verwirrt. Bereuen hieße ja, ihre unabhängige Existenz anerkennen. Ich versuche den Spuk zu vergessen und verbünde mich mit der Realwelt. Stelle das Radio an und höre von morgens bis abends Berichte, Kommentare, Debatten, Beschlüsse. Sicherheit durch Abschreckung. Mehr Sprengköpfe. Mehr Raketen. Dabei geht es in Wirklichkeit längst um ganz neue Waffen.
Der Mensch ist gut. Der Mensch will das Böse nicht. Aber die Verhältnisse. Die ökonomischen. Diese verfluchten. Und die KZ-Ärzte? Und die Waffenhändler? Und die Strategen, die mit Megatoten rechnen?
Nachts erwache ich weinend. Ich kann mich an keinen Traum erinnern. Aber es ist, als läge ein Stein auf meiner Brust. Ich muß die Fenster schließen, weil sie im Heizwerk wieder die Filter abgeschaltet haben.
Ein grauer Herbsttag zieht herauf. Ich kämpfe mit der Morgenbenommenheit. Jeder Ehrgeiz ist wie weggeblasen. Alles, was mir noch gelingen kann, wird nicht von Bedeutung sein. Keine Aufgabe, die am Leben erhält.
Das sei ihr nicht unvertraut. In solchem Zustand habe sie sich befunden, nachdem sie 1938 Deutschland verlassen hatte. Sagt Lise Meitner. Sie ist also wieder da. Sitzt wieder in meinem Zimmer. Und dieses Mal bin ich schon weniger überrascht.
Das Siegbahnsche Institut in Stockholm sei unvorstellbar leer gewesen. Ein schöner Bau, in dem sich ein Cyclotron und viele andere große Röntgen- und spektroskopische Apparate im Aufbau befanden. Aber an experimentelle Arbeit nicht zu denken. Es gab keine Pumpe, keinen Widerstand, keinen Kondensator. In dem weiten Haus nur jüngere Physiker und eine bürokratische Arbeitsordnung. Siegbahn – uninteressiert an Kernphysik, selbstsicher und mit einer Vorliebe für große Apparate. Allmählich gewann sie den Eindruck, daß er sie nur widerwillig aufgenommen hatte. Sie war sehr einsam und verzweifelt. Sie hatte einen Arbeitsplatz, aber keine Stellung, die ihr ein Recht auf irgend etwas gab. Sechzig Jahre alt. Seit neun Monaten lebte sie in einem kleinen Hotelzimmer.
Mit sechzig wird auch von mir nichts mehr erwartet. Mit sechzig werde ich emeritiert. Was reden wir da. Wenn ich mit sechzig noch lebe, bin ich ein Pflegefall. Der Sprache nicht mehr mächtig. Schon geht die Zunge nicht so flugs wie einst. Die Lähmungen werden sich ausbreiten. Schon versagt die Hand ihren Dienst. Die Mimik starr, werde ich völlig in mich eingeschlossen sein.
Ja. Auch sie habe an Selbstmord gedacht. Leben sei keine Frage von Beweglichkeit.
Wir schauen uns an und sind uns sehr vertraut, was nicht erstaunen kann. Ist sie doch ein Teil von mir. Mein Geschöpf. Ich sehe sie in ihrem Hotelzimmer in Stockholm. Ein schmaler, hoher Raum. Ein schwarzer Schrank. Waschtisch mit Krug und Porzellanschüssel. Sie hockt klein und verlassen auf dem Bett. Den Kopf gesenkt. Die Hand klammert sich an den Nachttisch, an die Platte aus imitiertem Marmor. Das klägliche Licht der Lampe. Viel zu schwach, um zu lesen oder zu arbeiten. Sie hat auch gar keine Bücher da. Die Trennung von den Büchern ist fast so schmerzlich wie die von den Menschen.
O nein. Das ist nicht vergleichbar. Die Bücher sind unschuldig. Briefe verstreut über den kleinen Tisch an der Wand. Angefangene, wieder verworfene. Es ist unendlich schwer, gerecht zu bleiben.
Ich sehe das alles vor mir, als wäre ich dabei gewesen. Gerade habe ich vier Wochen London abgesagt. Was man in unseren Landen keinem erklären kann. Die Einsamkeit eines Hotelzimmers. Die Flucht hinaus. Die Depressionen in den frühen Abendstunden. Oberflächliche Gespräche. Immer die gleichen.
Provinzialismus, der nicht mehr ortsgebunden ist. Und natürlich auch Demütigungen. Mit schwindender Leistungsfähigkeit sinkt die eigene Sicherheit. Schon brauche ich das Korsett von Titel und Amt. Eine Stütze, die draußen nicht trägt. Schon brauche ich die Wohligkeit der Gewohnheit. Der Vertrautheit. Schon sind Neuanfänge schwer vorstellbar.
Die fremde Sprache. Sie konnte sich die fremde Sprache nicht mehr zu eigen machen. Ein nachlassendes Neugedächtnis? Das auch. Sicher. Aber es erklärt nicht die Abneigung. Regelrechter Widerwille.
Gewiß. Sie war gerettet. Sie lebte. Noch wußte sie nicht, wieviel das bedeutete. Unvorstellbar noch, was kommen würde. Obwohl alles offen ausgesprochen war. Ein klares Programm.
»… ich muß sagen, daß die Jahre bis 1933 sehr anregend waren. Wir brauchten und entwickelten in beiden Abteilungen komplizierte Geräte, und wir waren umgeben von einer Schar junger Leute, Doktoranden und Mitarbeiter, die nicht nur von uns lernten, sondern von denen auch wir sehr viel lernen konnten, was die menschlichen Beziehungen und manchmal auch unsere Arbeit betraf. Uns verband wirklich ein sehr starkes Gefühl der Gemeinschaft, das auf gegenseitigem Vertrauen beruhte und ermöglichte, die Arbeit auch nach 1933 fast ungestört fortzusetzen, obgleich man in politischen Ansichten nicht ganz einer Meinung war; denn alle waren sich in dem Wunsch einig, unsere persönliche und berufliche Gemeinschaft nicht zerstören zu lassen. Dies war ein besonderer Wesenszug unseres Kreises, den ich bis zu meinem Weggang aus Deutschland ohne Unterbrechung erleben konnte.«
»Nicht ganz einer Meinung war …!« Das ist falsch und erbärmlich. Vielleicht entspricht es den Tatsachen. Aber man darf es nicht so sagen. Nicht aus heutiger Sicht mit all dem nachträglichen Wissen. Ich springe auf und laufe in meinem Zimmer hin und her. Ich bin ja bereit zur Toleranz. Seit ich selbst Verantwortung trage, urteile ich weniger absolut. Denn schon gilt zu bedenken, was die nach uns sagen werden. Trotzdem. Glaubte sie wirklich, es genügte, österreichische Staatsbürgerin zu sein, um sich raushalten zu können.
Heute? Natürlich weiß sie heute, daß es nicht nur dumm, sondern ein Unrecht war, nicht sofort wegzugehen. Sagt Lise Meitner. Damals machte man sich etwas vor. Glaubte sogar, etwas bewirken zu können. Aber die Greuel überstiegen alles, wovor man sich gefürchtet hatte. »Als ich im englischen Radio einen sachlichen Bericht der Engländer und Amerikaner über Belsen und Buchenwald hörte, fing ich laut an zu heulen und konnte die ganze Nacht nicht schlafen.«
Meine Großmutter ist verrückt geworden. Jedenfalls wurde es so erzählt. Das Problem wurde in einer zuständigen Klinik gelöst. Ein Teil der größeren, ins Auge gefaßten Endlösung. Denn meine Großmutter war Jüdin.
Sie soll, wurde mir berichtet, eine rassenstolze Frau gewesen sein, die ihre Herkunft direkt auf den König David zurückführte. Geld oder Besitz waren in ihrer Familie nicht Ziel. Nur Mittel. Identifikation fand man in Bildung und Kultur. Man fühlte sich dem umgebenden Kulturkreis so verbunden, daß für alles, was dann geschah, außerhalb liegende Gründe gefunden werden mußten. Die Juden im Osten etwa, denen nachgesagt wurde, sie brächten die Rasse in Verruf.
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