Richard Wadani. Eine politische Biografie - Lisa Rettl - E-Book

Richard Wadani. Eine politische Biografie E-Book

Lisa Rettl

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Beschreibung

Richard Wadani - Leben und politische Arbeit eines Wehrmachtsdeserteurs. Kritik und Widerstand als Lebensprinzip, bei dem es immer wieder um eines ging: die Frage der Solidarität. 2007 wurde Richard Wadani als erstem österreichischen Wehrmachtsdeserteur das Ehrenzeichen für Verdienste um die Befreiung Österreichs verliehen. Ein mühsam erkämpfter Schritt, dem noch andere wichtige Etappen folgen sollten: 2009 das sogenannte Anerkennungs- und Rehabilitierungsgesetz für die Verfolgten der NS-Militärjustiz, 2014 schließlich die Enthüllung eines Deserteursdenkmals am Wiener Ballhausplatz. Immer mittendrin im politischen Geschehen: Der mittlerweile über 90jährige Richard Wadani, dessen scharfsinniger Humor ebenso besticht wie seine zeitlebens konsequente politische Haltung. Aufgewachsen als Sohn österreichischer Eltern im revolutionären Prag der 1920er und 30er Jahre, führt sein Weg 1938 unfreiwillig nach Wien, ebenso widerwillig in die Wehrmacht. Im Oktober 1944 läuft er an der Westfront zu den Alliierten über. In der Uniform der Briten kehrt er 1945 nach Wien zurück. Anfeindungen, Neubeginn im Nichts, mit nichts. Pionier beim Aufbau des österreichischen Volleyballs als Profisport; Engagement und Arbeit in der KPÖ. Schmerzhafte Zäsur, Parteiaustritt nach dem Prager Frühling 1968. Als Konstante über die Jahrzehnte hinweg: Die politische Auseinandersetzung.

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Lisa Rettl und Magnus Koch

»Da habe ich gesprochen als Deserteur.«

RICHARD WADANI

EINE POLITISCHE BIOGRAFIE

INHALT

Vorwort

Teil I: Kindheit und Jugend 1922–1938

»Goldenes, hunderttürmiges Mütterchen Prag«

Familiärer Hintergrund

»Wirklich ein gutes Kollektiv«

Von böhmischen Buchteln und familiärer Solidarität

»Ich habe mich nie sehr deutsch gefühlt«

Schule, Zweisprachigkeit, Freundschaften

»Ich möchte fast sagen, ein Erziehungsprogramm«

Rote Falken, ATUS und die Schwarzenberginsel

»Das war mein revolutionärer Ritterschlag«

Vom Kampf auf der Straße zum Jahr 1934

»Ich wurde bestimmt, bei den Schutzbündlern zu sein«

Von der Empörung zu neuen Betrachtungsweisen

»Reingewachsen in eine Jugend«

Weichenstellungen

»Da war nichts zu machen«

Abschied von Prag

Teil II: Krieg und Desertion 1938–1945

»Mit viel Bauchschmerzen«

Ankunft und das erste Jahr in Wien

»Weil ich körperlich sehr gut beieinander war«

Ausbildung und Dienst in der Wehrmacht

»Dass man auch im Kleinen etwas bewirken kann«

In der Sowjetunion

»Was war ich? Ein Volksschädling!«

Rückzug aus dem Kaukasus im Winter 1942/1943 und erstes kriegsgerichtliches Verfahren

»Und dann bin ich rüber«

Fahnenflucht und freiwillige Meldung zum Zweiten Tschechischen Korps

»Da wurde scharf geschossen«

Ausbildung und Einsatz in England

Teil III: Wien 1945–1984

»Und was ist zu Hause?«

Die ersten Monate in Wien

»Nicht ganz nach meinem Geschmack«

Erste Arbeitsjahre in Wien

»Nach drei Wochen Mitglied der Bezirksleitung«

Politisch Fuß fassen in Wien

»Da bin ich wenigstens in der Familie«

Mit dem Globus-Verlag in Wien heimisch werden

»Mehr Betriebsrat als Personalchef«

Betriebsarbeit im Dienste der Partei

»Sie können hundert Jahre Wedenig heißen, jetzt heißen Sie Wadani«

Von der Liebe, dem Heiraten und einem neuen Namen

»Da rührt sich was, da geht was weiter«

Kommunistische Sportpolitik und Volleyball vor 1968

»Wie wenn du die Cholera hättest«

Von Wehrmachtssoldaten und Deserteuren

»Für mich eine politisch gute Tätigkeit«

Richards Kampf gegen rechts im Rahmen der Zentr. Sportkommission

»Wo man angefangen hat anzuecken«

Von Familienstreitigkeiten und Nadelstichen

»Wie wenn du einen Schlag bekommst«

»Prager Frühling« und Parteiaustritt

»Richard, wir haben da niemanden, mach das!«

Von der BAFL zum sozialdemokratischen Pensionistenverband

Teil IV: Rehabilitierung und Denkmal 1984–2014

»Wenn du deine Meinung unterdrückst, kommst du nicht weiter«

Engagement gegen »alte Kameraden«, Kriegshelden und Pflichterfüller

»Dass die überfällige Rehabilitierung von uns Deserteuren ausgesprochen wird«

Erstes Auftreten als Deserteur

»Mit dem Wabl habe ich gesprochen, und der war sofort einverstanden«

Wissenschaftliche Erforschung und die Anfänge der Rehabilitierungsdebatte

»Da habe ich gesprochen als Deserteur«

Die ersten parlamentarischen Initiativen

»Die Waffen-SS ist eine verbrecherische Organisation, da kann man machen, was man will«

Entschließungsantrag und Forschungsprojekt zur NS-Militärjustiz

»Ich muss sagen, das war eine sehr gute Idee«

Gründung und erste Aktionen des Personenkomitees »Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz«

»Als Kommunist bist du in der Minderheit, als Deserteur auch«

Stillstand und Fortschritt: Die Jahre 2003 bis 2007

»Jetzt können wir weitermachen«

Durchsetzung der Rehabilitierung

»Nicht nur Freude, sondern auch eine gewisse Genugtuung«

Richards Lebenswerk: das Denkmal am Wiener Ballhausplatz

Nachwort von Richard Wadani

Fußnoten

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Bildnachweis

Dank

Die Autoren

Vorwort

»Also, eines Tages musste ich mich bei der Wehrmacht bei einem Kommandanten melden, einem Oberstleutnant namens Berlin. Der war nicht besonders sportlich, wollte aber unbedingt das Reichssportabzeichen machen! Ich habe dann den Befehl bekommen, ihn zu trainieren. Das habe ich natürlich gemacht – aber eben so, wie ich es wollte. Ich hab’ mir zum Beispiel ein Rad genommen, und er musste neben mir herlaufen. Natürlich sind wir nicht dort gelaufen, wo uns keiner gesehen hat – im Gegenteil! Ich hab’ geschaut, dass wir genau dort laufen, wo uns möglichst viele Leute gut sehen! Und auf dem Kasernenhof bin ich neben ihm gefahren und habe gesagt links, zwo, drei, vier – links, zwo, drei, atmen und atmen!«

Man kann die Bilder dieser Szene fast greifen, an die sich Richard Wadani im Wohnzimmer seiner Simmeringer Wohnung erinnert. Sie spielt in der Zeit seiner Ausbildung im mährischen Wischau 1940. Es ist charakteristisch für die Erzählung, dass sich Richard hier in humorvoller Weise an Ereignisse erinnert, in denen er jemanden ausbildet, und zwar einen höheren Offizier der Wehrmacht. Jener Wehrmacht, die einen verbrecherischen Angriffskrieg führte, in dessen Rahmen es Richard auch in die Sowjetunion verschlug, einen der blutigsten Schauplätze des nationalsozialistischen Vernichtungsfeldzuges. Jener Wehrmacht, der Richard im Herbst 1944 durch Desertion an der Westfront den Rücken kehrte.

Die von ihm anekdotisch erzählte Episode: eine Schwejkiade der besonderen Art, aber eben nicht nur. Denn Richard war über weite Strecken mehr als ein »braver Soldat« im Hašek’schen Sinne: Auf vielfältige Weise leistete er innerhalb der Wehrmacht Widerstand, entzog sich Befehlen, handelte sich Strafen ein und bewahrte sich Handlungsspielräume, auch wenn er sich dafür stellenweise mit den Verhältnissen des militärischen Alltags arrangieren musste.

Tatsächlich zieht sich das in bester Manier Eigensinnige, Widerständige und Unbequeme wie ein roter Faden durch Richards Biografie. Wir begegnen seiner unerschrockenen Widerborstigkeit an den unterschiedlichsten Punkten und Wegkreuzungen seines Lebens: im Prozess der jugendlichen Politisierung, in seiner Begeisterung für die Ziele der Arbeiterbewegung und die politische Linke, in seiner überzeugten wie überzeugenden Arbeit für die KPÖ, in seiner Aufbauarbeit für den österreichischen Volleyball und den Seniorensport und in seiner Karriere als Trainer und Sportlehrer. Aus solcherlei Verhaltensmustern resultiert nicht zuletzt seine zentrale Rolle bei der Durchsetzung der gesetzlichen Rehabilitierung von Deserteuren und anderen Verfolgten der NS-Militärjustiz: ein jahrzehntelanger Kampf, der mit der Errichtung des Deserteursdenkmals am Wiener Ballhausplatz für Richard einen vorläufigen politischen, aber auch persönlichen Höhepunkt bedeutete.

Neben der Auswertung von Medienmaterial und Recherchen in verschiedenen in- und ausländischen Archiven (mit allerdings eher bescheidenen Aktenfunden) haben wir zwischen April 2014 und Juli 2015 neun mehrstündige Interviews mit Richard geführt, die digital aufgezeichnet und transkribiert wurden. Sie bilden die Basis für diese Biografie. Diese Gespräche, die im Buch durch Kursivsetzung als Richards Originalton kenntlich gemacht wurden, sind in unseren Text ausgiebig eingeflossen. Richards Erinnerungen als Zeitzeugen Raum zu geben, war wesentliches Anliegen dieser Arbeit.

Unserem von Anfang an vertretenen, großen Wunsch, eine politische Doppelbiografie über das Ehepaar Wadani zu schreiben, konnte Linde Wadani auch nach vehement geführten Diskussionen nichts abgewinnen. So blieb es dabei, dass wir unzählige Stücke feinsten Kuchen verzehrten und bekocht wurden, Lindes kritische Stimme und ihr politisches Gewicht in diesem Buch jedoch nur aus dem Off wahrzunehmen ist.

Bereits vor dieser Biografie haben wir in wissenschaftlichen und politischen Projekten zu den Verfolgten der NS-Militärjustiz gearbeitet. Richard und Linde kennen wir in diesem Zusammenhang schon seit vielen Jahren. Ob daraus eine zu große Nähe zu dem von uns Porträtierten entstanden ist, mögen die Leserinnen und Leser entscheiden.

Lisa Rettl, Magnus Koch25. September 2015

Teil I

Kindheit und Jugend1922–1938

»Goldenes, hunderttürmiges Mütterchen Prag«

Familiärer Hintergrund

Richard (links) und sein Bruder Alois Wedenig im Vrchlického sady, einem Park nahe dem Hauptbahnhof, Prag, um 1926.

Es gibt Fotografien, die das Gefühl vermitteln, als würden sie alles über einen Menschen offenbaren – als wäre das Wesen, die Seele, der Charakter in dem einen, winzigen Bruchteil einer Sekunde eingefangen worden. Eine solche Aufnahme gibt es auch von Richard Wadani und seinem Bruder – eine der wenigen Fotografien aus Kindheitstagen, die den Krieg überdauert haben. Die Aufnahme entstand im Vrchlického sady, einem Park nahe dem heutigen Prager Hauptbahnhof. Sie zeigt den etwa vierjährigen Richard und seinen um zwei Jahre älteren Bruder Alois während eines sonntäglichen Spaziergangs im Jahr 1926. Die Szenerie auf den ersten Blick: bürgerlich, geordnete Verhältnisse. Fein gekämmte Buben in gebügelten Matrosenanzügen, wie sie damals in ganz Europa in Mode waren.

Alois, der Ältere, lächelt in die Kamera. Kokett, ein bisschen verschämt vielleicht, doch freundlich. Richard hingegen – Riša, wie er von Mutter und Bruder gerufen wird – in einer leicht abgewandten, seitlichen Pose: Skeptisch, die Situation kritisch taxierend, schaut er in die Kamera. Ein bisschen aufmüpfig, kämpferisch. Ich brauche das alles nicht, scheint sein Blick zu sagen. Das Naturell der beiden Buben im Schnappschuss erfasst: Alois, der Weichere und Strebsame, der später einmal in einem Büro arbeitet, politisch in der Angestelltengewerkschaft organisiert ist, Krawatten und Anzüge trägt, gerne mit den Mädchen tanzen und ins Kaffeehaus geht. Der sein Soldatendasein in der Kriegsmarine der Wehrmacht nicht überleben wird. Richard, der Robuste. Der sich nichts gefallen lässt, der früh beginnt, sich politisch zu interessieren, der Demonstrationen liebt und illegale Plakate klebt. Dessen Schule die Straße ist. Der alle Kämpfe austrägt, die Obrigkeit austrickst und schneller laufen kann als die Polizei. Der sich auf Sportplätzen und in Werkstätten zu Hause fühlt und mit den Mädchen lieber am Lagerfeuer als im Kaffeehaus sitzt. Der der Wehrmacht mit Schwejk’scher Schlauheit Paroli bietet und im Oktober 1944 zu den Alliierten desertiert.

Die charakterliche Unterschiedlichkeit der Brüder wird in Richards Erinnerungen immer wieder deutlich. Dabei beschreiben diese Erzählungen und Geschichten freilich nicht nur den Bruder, sondern auch sich selbst:

»Mein Bruder war ein sehr anständiger Mensch. Er war erst bei der Sozialistischen Jugend, dann bei der Gewerkschaftsjugend und Angestelltengewerkschaft. Selbstverständlich immer noch links. Aber wie sie mich von der Universitätsklinik verletzt nach Hause gebracht haben, weil mein Auge eingeschlagen war – weil wir uns mit den Faschisten geprügelt haben –, da hat er gesagt: Ich würde an deiner Stelle da nicht mitmachen. Das war halt der Unterschied! Er hat mich unterstützt, aber selbst mitgegangen ist er nicht. Er hat wohl plakatiert für die Gewerkschaftsjugend, aber so wie wir, wo wir uns gegenseitig mit den gegnerischen Gruppen aufgelauert haben – also das nicht.«

Als Richard sich diese Verletzung zuzieht, ist er ungefähr sechzehn Jahre alt. Die Straßen Prags kennt er wie seine Westentasche. Hier, in der pulsierenden Hauptstadt der jungen Tschechoslowakei, ist er groß geworden: »Reingewachsen in eine Jugend«, die, wie er selbst sagt, geprägt war »von der damaligen revolutionären Entwicklung«, in der sich die zeitgenössische politische Lage auf allen Ebenen – auch der familiären – widerspiegelt.

Vrchlického sady, wo die eingangs beschriebene Aufnahme der beiden Buben entstand, lag in unmittelbarer Nachbarschaft zur Wohnadresse der Wedenigs. Eine kleine, beengte Wohnung in der Rubešova: »Fünf Minuten zum Zentrum. Drei Minuten vom Deutschen Theater und sieben Minuten vom Bahnhof, nicht weit von den königlichen Weinbergen, Hausnummer 5, das war unsere erste Adresse.«

Tatsächlich lag die Wohnung speziell für Richards Vater günstig, in direkter Nähe zu dessen Arbeitsplatz. Paul Wedenig, von Beruf Mechaniker, hatte zu einem nicht näher geklärten Zeitpunkt als Arbeiter beim Bühnenpersonal des Neuen Deutschen Theaters in Prag angeheuert, wo er es nach dem Ersten Weltkrieg im Laufe der Zeit bis zum Bühnenmeister brachte. Seine Aufgabe war im Wesentlichen die Überwachung des Bühnenaufbaus der laufenden Theaterproduktionen, in denen während der 1920er und 1930er Jahre nicht nur Publikumslieblinge wie Gisela Werbezirk, Adrienne Gessner, Paula Wessely, Paul Hörbiger, Hans Moser oder Max Reinhardt gastierten,1 sondern in denen sich vor allem die politischen Gegensätze zwischen Deutschen und Tschechen kristallisieren sollten.

Aus welchen Gründen und über welche Wege es den aus Kärnten stammenden Paul Wedenig – geboren am 1. Jänner 1892 in St. Jakob an der Straße bei Grafenstein – nach Prag verschlug, ist unklar. Ohne Zweifel bot Prag, das ab Mitte des 19. Jahrhunderts einen kulturellen und wirtschaftlichen Aufschwung erlebt hatte, für den Sohn einer mittellosen Magd mehr berufliche Chancen und Möglichkeiten als das agrarisch geprägte Kärnten. Eventuell lernte Paul Wedenig dort auch Richards Mutter Wilma Janoschek kennen – wo und wann die beiden einander allerdings tatsächlich zum ersten Mal begegnet sind, bleibt ebenso im Dunklen wie die Motive für Pauls Umzug von einer kleinen gemischtsprachigen Kärntner Landgemeinde ins multikulturelle, urbane Prag.

Aus den Akten des Österreichischen Kriegsarchivs geht jedenfalls hervor, dass Richards Vater bereits an der Adresse Rubešova 5 gemeldet war, als er am 13. Oktober 1914 in den königlichen Weinbergen durch das k. k. Landwehr-Bezirkskommando gemustert wurde. Knapp zwei Wochen später, am 26. Oktober, wurde er zum Landsturm-Infanterieregiment Nr. 7 eingezogen, von wo aus er am 11. November 1916 zum Telegraphenregiment transferiert wurde. Wenige Tage später, am 25. November 1916, findet sich schließlich der letzte Eintrag zu Paul Wedenigs Soldatengeschichte: die Beförderung zum Landsturm-Gefreiten, was de facto bedeutet, dass er zeit seines Militärdienstes eine sehr niedrige Charge blieb und sich in keiner Weise hervortat.2 Die weitere Spur von Richards Vater lässt sich erst wieder mit seiner Eheschließung aufnehmen. Europa befand sich noch im Krieg, als Paul am 15. Juni 1918 in der Prager Ludmillakirche die gebürtige Wienerin Wilhelmine (Wilma) Janoschek heiratete – auch die Kirche im Grätzl der damaligen Wedenig-Wohnung gelegen, direkt am Friedensplatz, dem heutigen Námestí Míru.

Es sollte keine glückliche Ehe werden. Was das Paar jedoch teilte, war die Erfahrung einer schwierigen und armutsgeprägten Kindheit. Wie Paul, der als unehelicher Sohn der Magd Aloisia Wedenig recte Wadani – ohne festen Wohnsitz, Vater unbekannt – in Kärnten geboren wurde,3 begann auch Wilma ihr Leben am 9. Februar 1890 im achten Wiener Gemeindebezirk unter schwierigen sozialen und ökonomischen Vorzeichen.4 Ihre Geburt wurde in einem Wiener Findelhaus angezeigt, was de facto bedeutet, dass sich über ihre Herkunftsfamilie noch weniger in Erfahrung bringen ließ als über jene von Paul. Gesichert erscheint lediglich, dass der Name von Wilmas Mutter Johanna lautete und dass diese zum Zeitpunkt der Geburt einunddreißig Jahre alt war. Es war allerdings nicht die Mutter selbst, die das Baby dem Findelhaus übergab, sondern eine gewisse Anna Pisek, geborene Janoschek. Sie fungierte auch als Namensgeberin, wobei unklar bleibt, ob es sich bei Anna Pisek um die leibliche Großmutter handelte. Die Heimatzuständigkeit dieser Frau lag jedenfalls in Böhmen, und eben dorthin wurde das Findelkind Wilma am 20. Februar 1890 – elf Tage nach seiner Geburt – auch abgeschoben, und zwar laut Findelhausprotokoll an die Schneiderin Marie Balek, wohnhaft im böhmischen Janowitz 59 bei Wottitz (heute Janovice u Votic).5 Von dort wurde Wilma zu einem unbekannten Zeitpunkt an ein Kloster im Prager Stadtbezirk Karlín weitergereicht, wo sie offenbar längere Zeit in katholischer Obhut verblieb. Im Alter von sechzehn Jahren landete sie schließlich – quasi als letzte Station ihrer bewegten Kindheit – als Pflegekind bei einer Familie in der Prager Innenstadt: »Als gute Bedienerin, wie ich später festgestellt habe«, kommentiert Richard diesen Lebensabschnitt der Mutter und spricht damit die ökonomischen Ausbeutungsverhältnisse an, denen Waisen- und Pflegekinder bis tief ins 20. Jahrhundert ausgesetzt waren.

Die großelterlichen Herkunftsfamilien waren bei den Wedenigs aus naheliegenden Gründen kein Thema. Über die Kärntner Großmutter Aloisia Wedenig, die Richard gerne kennengelernt hätte und deren Grab er Jahrzehnte später in Kärnten vergeblich suchte, hatte der Vater wenig erzählt, zumal er sich weigerte, mit seinen Söhnen dort einen Besuch zu unternehmen. »Was soll ich dort?«, soll er Richards Erinnerungen zufolge diesbezüglich geäußerte Wünsche abgelehnt haben. Tatsächlich dürften Paul Wedenigs Beziehungen zu seiner Familie, die er seinen Söhnen als Großfamilie mit vielen Geschwistern beschrieben hatte, eher lose gewesen sein – sicherlich eine Folge der schwierigen sozialen und ökonomischen Verhältnisse, in die er hineingeboren worden war: Richards Großmutter Aloisia (geb. am 1. Juni 1861) war selbst ein unehelich geborenes Kind – ohne Hinweise auf die Identität eines Vaters. Dasselbe gilt für Aloisias Mutter Magdalena Wedenig, ihre Großmutter Anna Wedenigg und ihre Urgroßmutter Maria Wadany. Das heißt, Richards Vater Paul entstammte mütterlicherseits einer Linie von Frauen, die über mehrere Generationen hinweg unverheiratet geblieben und durchwegs als landwirtschaftliche Hilfskräfte ohne feste Wohnsitze – lediglich als Inwohnerinnen an ihren jeweiligen Arbeitsplätzen gemeldet – von Arbeitsstelle zu Arbeitsstelle gezogen waren: mitsamt ihren Kindern, die, wie damals üblich, wohl als Pflegekinder in Kost gegeben wurden, um zu schwersten Arbeitsleistungen herangezogen zu werden. Ein Familienleben nach heutigen Vorstellungen dürfte Paul Wedenig, dessen Schulbildung sich als Ausdruck der spezifischen sozialen Situation auf fünf Jahre Volksschule beschränkte, gänzlich unbekannt gewesen sein. Dies war möglicherweise auch ein Grund, warum er selbst wenig emotionale Beziehung zu seinen Söhnen aufbauen konnte: »Er ist nicht der Vater, er ist der Gatte unserer Mutter, haben wir immer gesagt«, beschreibt Richard – seine Namensänderung von Wedenig zu Wadani wird in einem späteren Kapitel noch Thema sein – das distanzierte Verhältnis. Eine nahe verwandtschaftliche Verbindung zum späteren Kärntner Landeshauptmann, dem sozialdemokratischen Politiker Ferdinand Wedenig (1896–1975), der Richards Onkel oder Großonkel gewesen sein soll, dürfte weniger der Realität, sondern eher den Wunschvorstellungen des ebenfalls sozialdemokratisch orientierten Vaters entsprochen haben. In den Geburtenbüchern des Kärntner Diözesanarchivs lassen sich diesbezüglich jedenfalls keine direkten familiären Beziehungen nachweisen.6

Paul und Wilma Wedenig – zum Zeitpunkt ihrer Eheschließung mit sechsundzwanzig beziehungsweise achtundzwanzig Jahren für damalige Verhältnisse nicht mehr ganz jung – erlebten in Prag, politisch gesehen, turbulente erste Ehejahre: das Kriegsende und den Zerfall der Habsburgermonarchie sowie die Gründung der Tschechoslowakischen Republik (ČSR). Am 26. Oktober 1918 wurde in Prag Tschechisch als Amtssprache ausgerufen. Zwei Tage später trafen sich Karel Kramár und der aus Paris angereiste Edvard Beneš in Genf, um die künftige Zusammenarbeit zwischen Jungtschechen und Sozialdemokraten als stärkste politische Kräfte auszuloten. Am selben Tag rief das Nationalkomitee am Wenzelsplatz die Erste Tschechoslowakische Republik mit Prag als neuer Hauptstadt aus. Am 11. November 1918 unterzeichneten schließlich die Mächte der Entente den ersten Waffenstillstand mit Deutschland und beendeten damit im nordfranzösischen Compiègne den Ersten Weltkrieg.

Prag, vor 1918 nach Wien und Budapest drittgrößte Stadt der Habsburgermonarchie, wurde nun also zur Hauptstadt des jungen Staates, der – anders als Österreich – bis zu seiner Zerschlagung im März 1939 eine zwar konfliktbeladene, aber dennoch funktionierende parlamentarische Demokratie bleiben sollte. Als »unser goldenes, hunderttürmiges Mütterchen Prag« bezeichnet Richard liebevoll seine Heimatstadt, deren pulsierende Urbanität in zeitgenössischen Beschreibungen eindrucksvoll zum Ausdruck kommt:

»Ein junger Staat schafft sich seine Hauptstadt, d. h. einen Ausdruck seiner selbst. Wenigstens ist das das Ziel, und erstaunlich intensiv, zielbewußt und schnell geht die Entwicklung darauf zu. An allen Ecken der Stadt wird abgebrochen, gegraben, aufgebaut. Öffentliche und private Bauten, Straßen und Anlagen entstanden und entstehen in rascher Folge. […] Ein Wille zum Leben, ein Wille zum Jetzt und Hier ist intensiv gespannt. Jetzt erst empfindet man das alte Prag wirklich als alt, und neben der historischen Stadt wächst die neue Stadt auf – moderne Großstadt mit noch unausgemessenem Geltungsstreben«, heißt es in einem Reiseführer aus dem Jahr 1934.7

Wenn Richard sich also an revolutionäre Zeiten erinnert, die den prägenden Rahmen seiner Kindheit bildeten, so begannen diese kurz vor seiner Geburt mit der Staatsgründung der ČSR. Insbesondere das Jahr 1920, das Geburtsjahr seines älteren Bruder Alois, der am 5. Juli dieses Jahres das Licht der Welt erblickte, bildete den Ausgangspunkt für die politischen Weichenstellungen der kommenden Jahrzehnte: Denkmalsstürme im Sudetenland, wo tschechische Legionäre in Eger ein Kaiser-Josefs-Denkmal zerstörten,8 bildeten den Auftakt zu nationalen Ausschreitungen im ganzen Land mit deutschen Vergeltungsanschlägen gegen tschechische Einrichtungen. Konflikte, die auch vor der Hauptstadt nicht haltmachten und im Prager Stadtzentrum zu antideutschen und massiven antisemitischen Ausschreitungen tschechischer Nationalisten führten – vor allem deshalb, weil die jüdische Bevölkerung sprachlich und politisch mit dem liberalen deutschen Bürgertum assoziiert wurde.

Auch das Neue Deutsche Theater, der Arbeitsplatz von Richards Vater, war von den gewalttätigen Ereignissen des Jahres 1920 betroffen: Es wurde besetzt und beschlagnahmt.9 Erst 1922 kam es zu einer Rückgabe, über die das Neue Wiener Journal am 11. Februar dieses Jahres berichtete, der Ministerrat habe auf Antrag von Edvard Beneš beschlossen, das Prager Deutsche Theater, »welches im November 1920 von aufgehetzten Schauspielern des tschechischen Nationaltheaters und von Legionären den Deutschen Prags genommen wurde, nunmehr seinen rechtmäßigen Eigentümern zurückzugeben«.10

Wie Richards Vater Paul, der sowohl sozialdemokratisch orientiert als auch deutschsprechend war, diese Phase überstand, ist ungewiss. Der Arbeitsplatz des Vaters, das Theater, wurde jedenfalls zu einem festen Bestandteil von Richards Kindheit:

»Von der Schule weg und dorthin. Und dann bin ich bei den Generalproben neben dem Feuerwehrmann gesessen – da, wo man von einem Schlitz aus direkt auf die Bühne sehen konnte. Und da habe ich die Jüdin von Toledo, Turandot und diese ganzen Opern schon als Kind gesehen!«

Richards Vater Paul Wedenig (Vierter von links) mit Arbeitskollegen im Deutschen Theater, Prag, 1930er Jahre.

Parallel zu den nationalen Konflikten des Jahres 1920, die sich im Lauf des Herbstes landesweit in manifesten Gewaltaktionen entluden, prägten vor allem soziale Fragen den politischen Alltag. Die sogenannten Hungerkrawalle führten im Dezember 1920 zu einem gewaltigen Streik in Prag – auch dieser in weiterem Sinn mit nachhaltigen Auswirkungen auf Richards Leben.

Seit der Staatsgründung im Jahr 1918 hatte sich in der ČSR wieder ein bürgerliches Lager konsolidieren können. Der Sozialdemokratie war es zwar zum Teil gelungen, die Situation der Arbeiterschaft etwas zu verbessern, sie lehnte aber die politische Richtung der Linken und deren Organisationsformen – die sogenannten Arbeiterräte – ab, die sich landesweit ausgebreitet hatten. Diese innenpolitische Gegensätze – die revolutionäre Stimmung auf der einen, die dagegen wirkende Sozialdemokratie und das Erstarken des bürgerlichen Lagers auf der anderen Seite – entluden sich im Dezemberstreik 1920 mit rund 160.000 demonstrierenden ArbeiterInnen.11 Der Generalstreik, in dessen Rahmen das Lidový dum, das Volkshaus der Sozialdemokraten, besetzt wurde, konnte zwar mit Waffengewalt niedergeschlagen werden, zog aber als längerfristige Folge knapp ein halbes Jahr später, im Mai 1921, die Gründung der Tschechischen Kommunistischen Partei, der KPČ, nach sich. Bereits bei den Parlamentswahlen 1925 avancierte diese nach der Agrarpartei des tschechoslowakischen Ministerpräsidenten Antonín Švehla zur zweitstärksten politischen Kraft im Lande.12 Mit der Gründung der KPČ war auch Richards lebenslange politische Liebe und Heimat – ein Jahr vor seiner eigenen Geburt am 11. Oktober 1922 – zur Welt gekommen.

»Wirklich ein gutes Kollektiv«

Von böhmischen Buchteln und familiärer Solidarität

Das Leben der Wedenigs, eines Arbeiterhaushalts, gestaltete sich in materieller Hinsicht ärmlich und entbehrungsreich, nicht zuletzt deswegen, weil Wilma Wedenig beim Erhalt der Familie schon vor ihrer Scheidung 1941 über weite Strecken auf sich alleine gestellt war und de facto als Alleinerzieherin zu wirtschaften hatte.13 Für die beiden Brüder bedeutete die Abwesenheit des Vaters in Kombination mit den damit verbundenen materiellen Entbehrungen, dass sie sich schon sehr früh an der Bewältigung des oft schwierigen Alltagslebens zu beteiligen hatten und Verantwortung trugen. In den Interviews sind das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Solidarität mit der Mutter – als deutlicher Gegenpol zum Vater – immer präsent: »Wir haben immer gesagt: Wir drei kommen durch.«

Richards in der Kindheit entstandener Fokus auf die Kernfamilie mit Bruder und Mutter und das damit verbundene Verantwortungsgefühl beeinflusste noch Jahre später wichtige Lebensentscheidungen – etwa jene im Jahr 1938, Prag nur gemeinsam und zu dritt in Richtung Wien zu verlassen, oder auch die Entscheidung nach dem Krieg, mit der Mutter in Wien zu bleiben und nicht nach Prag zurückzukehren, wo Richards eigene Aussichten deutlich besser gewesen wären.

Es ist die zwei Zimmer umfassende Bassenawohnung ohne fließendes Wasser, Bad und Toilette im dritten Stock in der Rubešova, an die sich Richard in unseren Interviews zuallererst erinnert. Die Wohnung diente gleichzeitig auch als Arbeitsplatz der Mutter, die sich als Näherin in Heimarbeit auf die Fertigung von Herrenhemden spezialisiert hatte:

»Wir haben zwei Räume gehabt. Der erste Raum war sehr klein, er grenzte mit einer Glastür direkt an den Gang. Darin war die Küche untergebracht. Und dann noch ein Zimmer. Das war für vier Personen! Sehr einfach, sehr dürftig. Wir haben auch keinen Platz gehabt für Betten. Das heißt, da waren nur zwei Betten und so eine Art Diwan; da waren meine Eltern und mein Bruder. Für mich hat man überhaupt eine eigene Schlafstätte konstruiert: einfach drei Sessel, alle mit der Lehne nach innen zur Wand, dann eine Decke drauf. Das war mein Bett. Ich hab’ mich dort eigentlich sehr wohl gefühlt. Der Vorteil dabei war, dass man mit den Jahren kein neues Bett kaufen musste. Es genügte, einfach einen neuen Sessel dazuzustellen – dann war das Bett schon wieder länger. Neben dem Bett stand die Nähmaschine der Mutter. Später, wie der Vater schon weg war, bin ich dann immer auf einer Liege neben der Nähmaschine gelegen. Die Mutter hat ja öfters bis ein Uhr nachts genäht … ratata ratata ratata … so bin ich eingeschlafen.«

Das Mithelfen im Haushalt und die Unterstützung der Mutter war für die heranwachsenden Buben eine Selbstverständlichkeit. So übernahmen sie etwa die Auslieferung der fertiggestellten Hemden, wenngleich auch hier das unterschiedliche Naturell der Brüder zum Ausdruck kam:

»Mein Bruder hat sich geniert zu sagen, dass die Rechnung drin ist. Ich nicht! Ich hab’ das Paket hingelegt, habe gesagt, bitte, die Rechnung ist da drin, ich warte! Die Mutter hat deshalb auch immer gesagt, es ist besser, wenn ich alleine gehe.«

Die Beiträge, die die beiden Söhne zur Verbesserung des Alltagslebens leisteten, waren vielfältig. Sie reichten vom Einkaufen bis hin zu verschiedenen Haushaltstätigkeiten. Im Zuge dieser Mitarbeit eignete sich Richard spezielle Fähigkeiten an, die sich mitunter in bezahlte Jobs umwandeln ließen, etwa nachdem die Familie in eine etwas größere Wohnung in der Vocelova – wenige Straßen von der alten Wohnung entfernt – übersiedelt war:

»Wendeltreppe. Ganz oben. Das war dann für uns wirklich eine schöne Wohnung. Sie war zwar teurer, aber der Bruder hat da schon verdient. Ein großes Zimmer, wo wir geschlafen haben. Dann eine schöne große Wohnküche und ein Speisekammerl. Bad und Klo mit unserer Nachbarin gemeinsam, außerdem eine verglaste Veranda, auch gemeinsam.

Dabei haben wir mit der Nachbarin großes Glück gehabt – eine ehemalige Tänzerin aus einer Bar, eine sehr attraktive Frau. Ihr Mann war Oberkellner in der Bar Romania, der teuersten und besten Bar in Prag. Der hat Geld gehabt – noch und noch! Und sie war wirklich eine herzensgute Frau! Nur eines konnte sie nicht: kochen. Aber das konnte dafür ich! Meine Mutter hat mich ja von klein auf zum Kochen eingespannt und ich hab’ faktisch alles gemacht. Und einmal redet die Nachbarin mit meiner Mutter und sagt: ›Mein Gott, ich möchte etwas machen, aber ich kann ja nichts!‹ ›Was möchten Sie denn machen?‹ ›Na ja, Naturschnitzel …‹

Langer Rede kurzer Sinn: Meine Mutter hat dann vorgeschlagen, dass ich das Kochen übernehmen könnte, und so bin ich eben einkaufen gegangen und hab’ Naturschnitzel gemacht. Danach habe ich bei ihr regelmäßig gekocht, und das war für mich immer ein kleiner Verdienst. Das war wunderbar! Da habe ich immer fünf Kronen bekommen! Fünf Kronen! Das waren damals ein paar Seidenstrümpfe – auch eine Rarität damals. Wie ich dann für sie gekocht habe, hab’ ich allerhand gemacht: Gulasch, Knödel, Semmelknödel, Serviettenknödel, Sauerkraut dazu, Schweinsbraten! Und ihr Mann war begeistert! Ich muss sagen, das hat auch zu meiner Kindheit gehört!«

Die Wedenigs selbst aßen bescheiden: Fleisch stand wegen des hohen Preises nur selten auf dem Speiseplan. Das Hauptnahrungsmittel war Brot, das Richard in Form von Fünf-Kilo-Laiben aus einer der zahlreichen Prager Arbeiterbäckereien holte. Zu Mittag beschränkte man sich auf Rohkost wie Karotten und Kohlrüben, abends, wenn Zeit zum Kochen blieb, gab es böhmische Küche: Knödel und Kraut oder Škubánky mit gerösteten Zwiebeln, eine Art Spätzle aus Kartoffelteig. In der Vocelova kam auf Richards Initiative – auch hier zeigte sich sein Talent zur Organisation – noch etwas Neues hinzu:

»Als wir dann in der zweiten Wohnung waren, haben wir auch von Suppen gelebt. Ein paar Minuten von uns weg war ein großer Platz mit einem Hotel und einem Restaurant, der Beranek. Dort haben sie in zwei Kesseln immer Leberwürste und Blutwürste ausgekocht, für die Arbeitslosen hauptsächlich. Und wie ich das gesehen hab’, bin ich mit einer großen Kanne hin, eineinhalb, zwei Liter mindestens, und habe gefragt, was das Anfüllen kostet. Eine Krone fünfzig. Da haben wir dann Suppe gehabt zu Mittag oder am Abend. Kuttelflecksuppe und ein Stück Brot dazu!«

Es stehen auch Erinnerungen, die für Richard mit Fragen gelebter Solidarität verknüpft sind, mit dem Essen in Verbindung. Etwa wenn die Mutter ihre Arbeit abgeliefert hatte und frisches Geld in die Haushaltskassa gespült worden war:

»Da hat sie zwischendurch auch einmal was Gutes gemacht – zum Beispiel böhmische Buchteln. Da war es ganz selbstverständlich, dass sie zwei zusätzliche Teller nahm und auf jeden zwei Buchteln gab. Und dann haben die anderen zwei Parteien auch Buchteln bekommen. Das war so was Selbstverständliches! Es war wirklich ein gutes Kollektiv im ganzen Haus.«

»Ich habe mich nie sehr deutsch gefühlt«

Schule, Zweisprachigkeit und Freundschaften

Die Wedenig-Buben wuchsen zweisprachig auf. Die Sprachenfrage, die Richard in den Interviews immer wieder nebenbei erwähnt, war generell ein Thema, das Gräben sichtbar werden ließ – im Großen wie im Kleinen.

Konflikte zwischen Tschechen und Deutschen hatten seit der Mitte des 19. Jahrhunderts das gesellschaftliche und politische Klima in Böhmen und Mähren geprägt und dauerten nach 1918 unvermindert an. Wie die Habsburgermonarchie stellte auch die Erste Tschechoslowakische Republik ethnisch, ein politisch und konfessionell äußerst heterogenes Gebilde dar, was sich in den Ergebnissen der ersten Volkszählung des neuen Staates 1921 entsprechend niederschlug: 51,5 Prozent der StaatsbürgerInnen bezeichneten sich als Tschechen, aber Deutsche stellten mit 23,4 Prozent die größte Minderheit in der ČSR dar, noch vor den Slowaken (14 Prozent).

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