Rupert Murdochs kleines Weißbuch - Paul R. La Monica - E-Book

Rupert Murdochs kleines Weißbuch E-Book

Paul R. La Monica

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Beschreibung

Der Australier Rupert Murdoch – umstrittener Vorstandsvorsitzenden der News Corp. – ist eine der widersprüchlichsten Persönlichkeiten im weltweiten Medienzirkus. Über ihn wurde endlos getratscht, spekuliert und kritisiert, aber was bewegt tatsächlich diesen wagemutigen, und meist erfolgreichen, Zeitgenossen? Basierend auf Stellungnahmen von Führungskräften und Konkurrenten der News Corp. sowie auf Interviews mit Wall-Street-Analysten, Investoren und anderen Medienexperten, beantwortet Paul La Monica in diesem Buch einige der faszinierendsten Fragen über Murdoch. Wie konnte er es schaffen, aus einer kleinen australischen Zeitungsgruppe ein weltweites Medienimperium aufzubauen? Dabei geht La Monica insbesondere auf Murdochs Führungsstil und dessen Managementprinzipien ein.

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Paul R. La Monica

Rupert Murdochs kleines Weißbuch

Für Beth. Für alles.

Original edition copyright © Paul R. La Monica, 2009. All rights reserved

Die Originalausgabe erschien 2009 unter dem Titel „Inside Rupert’s Brain“ bei Portfolio.

All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form.

This edition published by arrangement with Portfolio, a member of Penguin Group (USA) Inc.

Übersetzung: Almuth Braun

Layout und Satz: Jürgen Echter, Landsberg am Lech

Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

La Monica • Rupert Murdochs kleines Weißbuch

1. Auflage 2009

© 2009

FinanzBuch Verlag GmbH

Nymphenburger Straße 86

80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte vorbehalten, einschließlich derjenigen des auszugsweisen Abdrucks

sowie der fotomechanischen und elektronischen Wiedergabe. Dieses Buch will keine

spezifischen Anlageempfehlungen geben und enthält lediglich allgemeine Hinweise.

Autor, Herausgeber und die zitierten Quellen haften nicht für etwaige Verluste,

die aufgrund der Umsetzung ihrer Gedanken und Ideen entstehen.

Die Autoren erreichen Sie unter:

[email protected]

ISBN 978-3-89879-496-1

E-Book (PDF): 978-3-86248-622-9

E-Book (EPUB & Mobi): 978-3-86248-623-6

Inhaltsverzeichnis
EINLEITUNG
KAPITEL 1
Auf- und Ausbau des Zeitungsgeschäfts
KAPITEL 2
Gerissen wie ein Fuchs
KAPITEL 3
Besessen von Kabel-TV
KAPITEL 4
Der Himmel ist die Grenze
KAPITEL 5
Die umtriebigen Geschäfte eines unermüdlichen Medienmoguls
KAPITEL 6
Rupert 2.0
KAPITEL 7
Die Schlacht um Dow Jones
KAPITEL 8
Bleibt das Zepter in der Familie?
NACHWORT
Danksagung
Anmerkungen
Einleitung
Kapitel 1: Auf- und Ausbau des Zeitungsgeschäfts
Kapitel 2: Gerissen wie ein Fuchs
Kapitel 3: Besessen von Kabel-TV
Kapitel 4: Der Himmel ist die Grenze
Kapitel 5: Die umtriebigen Geschäfte eines unermüdlichen Medienmoguls
Kapitel 6: Rupert 2.0
Kapitel 7: Die Schlacht um Dow Jones
Kapitel 8: Bleibt das Zepter in der Familie?
Nachwort
Weitere Recherchequellen

EINLEITUNG

„Wir ventilieren die Idee, Dow Jones & Company zu kaufen. TheWall Street Journal ist auf alle Fälle eine großartige Marke. Aber ich glaube nicht, dass wir sie jemals bekommen, oder dass sie je verkauft werden wird.“1

Dies sind die Worte, die Rupert Murdoch, Chairman und CEO von News Corp., im Rahmen einer von dem New Yorker Verlagskonzern McGraw-Hill ausgerichteten Konferenz an ein Publikum aus Topmanagern aus der Medienwelt richtete, als er sich über die Möglichkeit äußerte, sein Medienkonzern könne das ehrwürdige Verlagshaus des Journal akquirieren. Das war am 8. Februar 2007.

Kaum drei Monate später lancierte Murdochs News Corp. eine ungebetene Übernahmeofferte für Dow Jones in Höhe von 5 Milliarden Dollar. Dieses Angebot bedeutete für das Verlagshaus, das aufgrund der massiven Abwanderung von Werbekunden und Lesern ins Web in der Krise steckte, ein atemberaubendes Preispremium von 65 Prozent über seinem Marktwert bei Börsenschluss vor Verkündung der Offerte.

News Corp. gab sein Übernahmeangebot am 1. Mai 2007 bekannt. Zwar dauerte es anschließend noch drei Monate, bis Murdoch der Familie Bancroft, Mehrheitseignerin des Verlagshauses, die Zustimmung zum Verkauf abgerungen hatte, aber letztlich herrschte kaum Zweifel daran, dass er am Ende Erfolg haben würde. Denn obwohl sich einige Medienexperten am Kopf kratzten und fragten, was Murdoch wohl dazu veranlasst haben konnte, eine derart exorbitante Summe für Dow Jones zu bieten, wussten viele andere Medienbeobachter, das diese Offerte ein perfekter Schachzug war.

Der Grund für das hohe Angebot war, dass Murdoch mögliche Mitbieter von Beginn an abschrecken wollte. Wie sich herausstellte, ging seine Rechnung auf.

Fünf Milliarden Dollar waren selbst für milliardenschwere Investoren wie Ron Burkle, der ein Vermögen mit dem Kauf und Verkauf von Supermarktketten gemacht hatte, und Brian Tierney, Eigentümer der Zeitungen Philadelphia Inquirer und Philadelphia Daily News, zu hoch. Und auch börsennotierte Konzerne mit prall gefüllter Kriegskasse, wie zum Beispiel General Electric, Pearson und Microsoft, winkten ab.

Murdochs Übernahmeangeobt, das so prompt auf seine öffentliche Äußerung folgte, dass ein Angebot eher unwahrscheinlich sei, ist ein perfektes Beispiel für seine Einzelkämpfernatur. Murdoch hatte News Corp. von einem regionalen Zeitungsverlag zu einem globalen Medienkonzern mit führender Präsenz im TV- und Filmgeschäft und inzwischen auch im Internet gemacht.

„Sehen Sie sich Murdoch und seine Geschichte an. News Corp. hat sich von einem australischen Zeitungsverlag in einen US-Medienkonzern und ein globales Satellitenunternehmen verwandelt. Wenn irgendjemand die DNA für Veränderung und Wandel besitzt, dann Murdoch“, sagte Alan Gould, ein Analyst, der News Corp. für die Wall-Street-Investmentbank Natixis Bleichroeder beobachtet.2

Doch hat Murdoch mit der Akquisition von Dow Jones am Ende eine Entscheidung getroffen, die ihn wie ein Fluch verfolgen wird? Es ist leicht nachvollziehbar, warum Kritiker den Kauf eines wachstumsschwachen Zeitungsverlags für einen Fehler halten. Immerhin gibt es viele Stimmen, die angesichts stetig sinkender Einnahmen aus Printwerbung sowie der massiven Abwanderung von Zeitungslesern zu Blogs und anderen Online-Nachrichtenquellen, den Tod der Verlagsbranche prognostizieren.

Einige glauben, Murdoch werde schnell das Interesse an Dow Jones verlieren, wenn es nicht die ambitionierten Wachstumszahlen erreicht, die Murdoch unzweifelhaft verlangen wird. Schließlich ist das Kennzeichen seiner Strategie eine schier unersättliche Kauf- und Verkaufslust. Und Murdoch ist dafür bekannt, dass er seiner Akquisitionen schnell überdrüssig wird. Während seiner Amtszeit als CEO von News Corp. hat er zum Beispiel so prestigeträchtige Publikationen wie TV Guide, New York Magazine und Village Voice übernommen und wieder versilbert.

1998 kaufte er das Baseballteam L.A. Dodgers, um es 2004 wieder zu verkaufen. Im Jahr 2003 erwarb er einen Anteil an dem US-Satelliten-TV-Geschäft von DirecTV, nur um ihn drei Jahre später wieder an Liberty Media loszuschlagen – den Konzern, dessen Eigentümer John Malone ein Medienrivale und gelegentlicher Dorn im Fleische Murdochs ist.

Einige sind der Meinung, Murdoch sei extrem clever, weil er Unternehmen stets zum richtigen Zeitpunkt kaufe und wieder veräußere und in der Zwischenzeit den maximalen Gewinn aus ihnen herauspresse. Andere halten dagegen, Murdochs Akquisitionswut sei ein Beispiel für einen Menschen, der aggressive Offerten für bestimmte Unternehmen abgebe, ohne sich genau zu überlegen, ob sie eine sinnvolle Ergänzung für sein vorhandenes Portfolio darstellen. Dieses Vorgehen weist zumindest auf seine Impulsivität hin.

Es ist zweifellos richtig, dass Murdoch eine Reihe kurioser Geschäftsentscheidungen getroffen hat – strategische Schritte, die nicht immer zu den Ergebnissen führten, die er beziehungsweise die Aktionäre von News Corp. sich erhofft hatten. Ein weiteres Markenzeichen seiner Karriere ist jedoch seine ausgeprägte Risikobereitschaft, die weitaus größer ist, als die der meisten anderen Unternehmensführer aus der Medienindustrie. Seine Entscheidungen wurden von Analysten, Investoren und Insidern der für ihre Skepsis berühmten Medienindustrie genauestens seziert und häufig auch kritisiert. Meistens war es jedoch Murdoch, der zuletzt lachte.

„In der Vergangenheit waren die Investoren mit der überwältigenden Mehrheit seiner Akquisitionen/Investments – beziehungsweise den Entscheidungen von News Corp. – zunächst alles andere als einverstanden“, schrieb Richard Greenfield, Analyst des Researchunternehmens Pali Research an der Wall Street, in einem Bericht, kurz nachdem News Corp. seine Absicht, Dow Jones zu übernehmen, bekannt gegeben hatte. „Allerdings hat die überwältigende Mehrheit seiner Deals für die Aktionäre von News Corp. erheblichen Wert generiert.“

Als News Corps TV-Sendernetz Fox Broadcast Company 1986 debütierte, glaubten nur wenige, dass ein vierter Primetime-Sender in einer Welt überlebensfähig sein würde, die seit Jahrzehnten von ABC, CBS und NBC dominiert wurde. Aber Fox Broadcast, das am Markt als FOX beziehungsweise Fox Network auftritt, überlebte nicht nur, sondern gedieh prächtig und ist für einige der herausragendsten Medienphänomene der Popkultur der letzten beiden Jahrzehnte verantwortlich gewesen, darunter der Comic-Dauerbrenner Die Simpsons, die Teenager-Seifenoper Beverly Hills 90210 und der Gesangswettbewerb American Idol.

Die letztgenannte Show ist seit ihrer Erstausstrahlung im Jahr 2002 ein derartiger Zuschauermagnet, dass die Topmanager anderer Sender offen über die Vergeblichkeit sprechen, mit Konkurrenzprogrammen dagegenzuhalten, und Idol beinahe ehrfürchtig als Todesstern der Hauptsendezeit bezeichnen.

Murdoch forderte auch das Schicksal heraus, als er gegen Ted Turner das Rennen um Kabelnachrichten aufnahm. Als News Corp. 1996 Fox News Channel startete, glaubten nur wenige daran, dass dieser Kanal genügend Zuschauer gewinnen würde, um die Existenz eines zweiten 24-Stunden-Nachrichtensenders zu rechtfertigen.

Aber auch dieses Mal zahlte sich Murdochs Risikofreude aus. Fox News, das kühn behauptet, der Sender lasse einfach seine Nachrichtenredakteure berichten und die Zuschauer entscheiden, erzielt inzwischen regelmäßig höhere Einschaltquoten als sein Erz­rivale CNN. Einige Medienexperten und demokratische Politiker werfen Fox News immer wieder vor, es fungiere als Sprachrohr der Republikanischen Partei. Auf jeden Fall hat dieser Sender das Bedürfnis konservativer Fernsehzuschauer nach einer konservativeren Berichterstattung erfüllt, so wie sich auch viele politisch konservative Radiotalkshows großer Beliebtheit erfreuen.

Murdoch hat zudem drastische Schritte unternommen, um sicherzustellen, dass News Corp. im digitalen Medienrennen nicht ins Hintertreffen gerät, zu deren bemerkenswertesten die Akquisition von MySpace zählt. Im Juli 2005 beschloss News Corp., für 580 Millionen Dollar Intermix Media, die Muttergesellschaft des populären sozialen Netzwerks, zu kaufen. Zu dem Zeitpunkt befürchteten einige Analysten, Murdoch bezahle eine viel zu hohe Summe für ein Unternehmen, das sich erst noch beweisen müsse. MySpace war nicht nur gerade erst zwei Jahre zuvor gegründet worden, es gab auch viele Diskussionen darüber, ob diese Networking-Site jemals in der Lage sein würde, Werbeumsätze in einer Höhe zu erzielen, die den Kaufpreis rechtfertigen würden.

Andere befürchteten, News Corp. würde genau das kaputt machen, was MySpace so große Popularität eingebracht hatte, nämlich das unkonventionelle Forum, das MySpace Jugendlichen und jungen Erwachsenen bot, um miteinander und mit Sängern und Bands in Kontakt zu treten, die ihre Musik über diese Site bewarben. Die Kritiker glaubten, die Nutzer von MySpace würden aus Protest gegen die Tatsache, dass ihr „Platz für Freunde“ nicht mehr länger ein mutiger Newcomer, sondern nurmehr ein Rädchen im Getriebe eines Massenmedienkonzerns war, zu denen auch Leute wie der berühmt-berüchtigte Moderator Bill O’Reilly und die New York Post als Konzerncousins zählten, in Scharen zu anderen Social-Networking-Sites überlaufen.

Die befürchtete Rebellion der Teenager gegen MySpace blieb jedoch aus. Tatsächlich wurde diese Site unter Murdochs Ägide noch erfolgreicher. Im Januar 2008 zählte MySpace fast 300 Millionen registrierte Nutzer, durchschnittlich 68,6 Millionen Einzelbesucher („Unique Visitors“) pro Monat und 43,3 Milliarden Seitenaufrufe. Das sind ganz erheblich mehr als die 34 Millionen registrierten weltweiten Nutzer, die MySpace hatte, als News Corp. die Networking-Site im November 2005 offiziell übernahm. Zu dem Zeitpunkt kam MySpace laut der Webtraffic-Researchfirma comScore nur auf durchschnittlich 12,5 Millionen Einzelbesucher pro Monat in den Vereinigten Staaten und 26,7 Milliarden Seitenaufrufe.

„Sie alle haben mich ausgelacht, als ich MySpace kaufte“, sprach Murdoch zu den Investoren während einer von Goldman Sachs ausgerichteten Medienkonferenz im September 2007. „Und was ist es heute wert? Mehr als 20 Mal so viel, wie wir damals für MySpace bezahlt haben.“3

Zu dem Zeitpunkt, an dem er diese Bemerkung machte, schien das nur ein weiteres Beispiel für seinen Stolz darüber zu sein, dass er wieder einmal bewiesen hatte, dass die Skeptiker Unrecht hatten. Mehrere Analysten hatten jedoch Zweifel an Murdochs Behauptung, der Wert von MySpace sei in nur zwei Jahren von 580 Millionen auf 11,6 Milliarden Dollar gestiegen.

Allerdings sah Murdochs Einschätzung nur zwei Monate später schon wesentlich realistischer aus, als Microsoft einen kleinen Anteil an Facebook kaufte, dem größten Konkurrenten von MySpace, und zwar zu einem Preis, der Facebooks Marktwert auf beachtliche 15 Milliarden Dollar hochschnellen ließ.

Vergleichbar mit MySpace könnte sich Dow Jones also durchaus als ein weiterer Erfolg erweisen – ein Vermögenswert, den Murdoch mit erheblicher Marketingpower ausstatten könnte, um dessen Umsatz- und Gewinnpotenzial zu steigern. Und selbst wenn sich der Kauf von Dow Jones für News Corp. nie zu einer Gewinnmaschine entwickelt, könnte der Besitz desWall Street JournalMurdoch etwas geben, das sich auf keiner Gewinn-und-Verlust-Rechnung findet; etwas, wonach Murdoch vielen Stimmen zufolge seit Jahrzehnten lechzt: journalistische Glaubwürdigkeit und Integrität.

Murdochs Regenbogenpresse, zum Beispiel TheNew York Post, das englische Skandalblatt Sun und die wöchentliche News of the World sind nicht gerade für seriöse, faktenbasierte Nachrichten bekannt. Das Journal gilt dagegen weithin als eine der besten Publikationen der Welt und mit Sicherheit als eine der angesehensten Quellen für Wirtschaftsnachrichten. Einige vermuten daher, bei der Akquisition von Dow Jones gehe es mehr um Murdochs Ego als um den finanziellen Wert und die Sinnhaftigkeit der Transaktion.

„Diesen Deal hatte er seit zwanzig Jahren im Blut. Das ist eine Frage der Leidenschaft und keine Frage von Zahlenkolonnen“, sagte Steven Rattner, Managing Principal der Private-Equity-Gesellschaft Quadrangle Group im Oktober 2007 auf einer Medienkonferenz in New York.4

Zuvor war Rattner in den 80er-Jahren als Investmentbanker bei Morgan Stanley tätig gewesen und hatte Murdoch beraten, als News Corp. sich bei dem britischen Medienkonzern Pearson einkaufte, dem die FinancialTimes gehört, eine Zeitung, die weithin als globaler Hauptkonkurrent des Journal gilt. Laut Rattner bestand der vorrangige Grund für Murdochs Interesse an Pearson in der Tatsache, dass der Konzern Eigentümer der FinancialTimes war.5

Murdochs Kaufangebot für Dow Jones kam jedoch zu einer Zeit, in der sich in der Zeitungsindustrie umwälzende Veränderungen vollzogen und noch immer vollziehen. Der Anzeigenverkauf und die Umsätze aus dem Zeitungsverkauf sind stetig gesunken, da immer weniger Leser Printpublikationen am Zeitungskiosk kaufen oder sie sich per Abonnement nach Hause oder ins Büro liefern lassen. Aus diesem Grund sind einige Analysten und Investoren, die News Corp. beobachten, der Auffassung, dass jetzt der Zeitpunkt ist, um Beteiligungen an Zeitungsverlagen zurückzufahren, anstatt aufzustocken.

Am 1. August 2007 stimmte Dow Jones & Company der Offerte von News Corp. schließlich zu. Zu diesem Zeitpunkt prognostizierten Analysten für 2008 lediglich einen Umsatzanstieg von 2,4 Prozent gegenüber 2007. News Corp. war also im Wesentlichen dabei, ein Unternehmen zu erwerben, das in der unmittelbaren Zukunft nur sehr geringe Wachstumschancen bot.

Natürlich hatte Murdoch einen Plan. Die Akquisition von Dow Jones, so sein Argument, habe nichts mit dem Verkauf von Zeitungen zu tun, sondern mit einer Steigerung der Umsätze aus Internetwerbung. Murdoch behauptete, Dow Jones sei nun, da es ein Rädchen in der News-Corp.-Maschinerie sei, wesentlich besser in der Lage, online zu expandieren, als zu der Zeit, da es noch ein kleines, familiengesteuertes, unabhängiges Unternehmen war.

Außerdem zielte die Akquisition eindeutig darauf ab, die Erfolgschancen von News Corps Neugründung Fox Business Network zu erhöhen, einem Kabelsender für Wirtschaftsnachrichten, der mit dem Sendernetz CNBC konkurriert, das zu General Electric gehört und das Nachrichtengeschäft im Kabelfernsehen beherrscht, sowie mit dem kleineren Sender Bloomberg Television.

TV-Insider hatten seit Jahren darüber spekuliert, dass Murdoch irgendwann beschließen könnte, seinen eigenen Sender für Wirtschaftsnachrichten zu gründen. Die Gerüchteküche verstärkte sich noch, nachdem CNN seinen Sender CNNfn im Jahr 2004 schloss. Im Februar 2007 gab Murdoch seine Entscheidung schließlich öffentlich bekannt. Tatsächlich ließ News Corp. den Beschluss, Fox Business Network zu gründen, an demselben Tag verlauten, an dem Murdoch auf der McGraw-Hill-Konferenz erwähnte, man „ventiliere“ die Idee, Dow Jones zu kaufen.

Im Rückblick lässt sich die Entscheidung, Dow Jones zu kaufen also gar nicht von der Entscheidung trennen, CNBC unmittelbar Konkurrenz zu machen. Obwohl CNBC einen Vertrag über die gemeinsame Nutzung von Nachrichtenquellen mit der Redaktion des Wall Street Journal hat, der noch bis 2011 läuft, haben Analysten die Vermutung geäußert, Murdoch hege die Hoffnung, die loyalen Leser des Wall Street Journal würden nun zu loyalen Zuschauern von Fox Business werden oder zumindest ihre Fernseher während der Börsenstunden sowohl auf CNBC als auch auf Fox Business programmieren.

An dem Tag, an dem Murdoch die Gründung des Wirtschaftsnachrichtensenders bekannt gab, prahlte er bereits damit, sein Sender Fox Business werde eines Tages CNBC als Wirtschaftssender mit den höchsten Einschaltquoten verdrängen. Er scherzte, er würde die Programmdetails für seinen neuen Sender streng geheim halten, aus Sorge, CNBC würde Fox Business „sofort nachahmen“.

Allerdings betonten Murdoch und andere Topmanager von News Corp. vor Sendestart im Oktober 2007 wiederholt, Fox Business würde sich deutlich von CNBC unterscheiden, das sich auf Day-Trader und spezielle Finanznachrichten für Börsenjunkies konzent­riere. Fox Business hingegen würde seine Inhalte stärker auf die Allgemeinheit ausrichten.

Im August 2007 teilte Murdoch Aktionären und Analysten im Rahmen eines Conference Calls zur Gewinnberichterstattung mit, er gehe davon aus, dass Fox Business Network „in kürzester Zeit“ rund 4 Milliarden Dollar Wert sei, eine Summe, die nach seiner Aussage ungefähr dem Wert entsprach, den CNBC für GE darstellte.

Diese Aussagen sind ein klares Signal, dass Murdoch keine Herausforderung scheut. Sie zeigen außerdem, dass er offensichtlich glaubt, jeder neue Vermögenswert der Medienindustrie, den News Corp. erwerbe oder gründe, sei nicht nur dazu bestimmt, in seiner jeweiligen Kategorie zum Marktführer zu werden, sondern in kurzer Zeit vom Wettbewerb hemmungslos kopiert zu werden. Das ist ein interessantes Paradox. Murdoch erinnert Brancheninsider oft daran, wie häufig seine Pläne bezweifelt wurden und wie oft man ihn für „verrückt“ gehalten hatte. Damit begibt er sich in eine gewisse Verteidigungshaltung – das Gefühl, er müsse sich in der Medienindustrie immer noch behaupten. Gleichzeitig demonstriert er ein unerschütterliches Ego. Obwohl er immer wieder meint, man nehme ihn nicht ernst, erwartet er ebenso ernsthaft, dass seine Rivalen ihn irgendwann nachahmen, um seinen Erfolg zu kopieren.

Mit der Zeit wird sich zeigen, ob jemals irgendjemand Fox Business kopieren wird. Der Start des Senders war holprig. Laut den vorläufigen Zahlen von Nielsen Media Research waren die Einschaltquoten in den ersten zwei Sendemonaten vom 15. Oktober bis 14. Dezember so niedrig, dass Nielsen die genauen Zahlen gar nicht bekannt gab.

Nielsen veröffentlicht keine offiziellen Zahlen, solange ein Sender die Mindestschwelle von 35.000 Zuschauern pro Tag an einem beliebigen Wochentag nicht überschreitet. Einem Bericht der New YorkTimes zufolge, der im Januar 2008 erschien und Quellen zitierte, die Einblick in die tatsächlichen Zahlen hatten, erreichte Fox Business durchschnittlich magere 6.300 Zuschauer am Tag, verglichen mit 283.000 Zuschauern von CNBC.6

Natürlich verfügt CNBC über den Vorteil eines etablierten Sendernetzes, das von mehr als 90 Millionen Haushalten empfangen werden kann, während Fox Business nur rund 30 Millionen Haushalte erreicht. Dennoch sind die niedrigen Einschaltquoten im Lichte des Erfolgs der Muttergesellschaft überraschend.

Sowohl Fox News Channel als auch Fox Broadcast hatten durch intensive Beiträge im September und Anfang Oktober 2007 tüchtig die Werbetrommel für den bevorstehenden Sendestart von Fox Business gerührt. Die Presse berichtete in ihrer unnachahmlichen Weise lang und breit über das Debüt des Nachrichtenkanals. Nichts lieben die Mainstream-Medien mehr als Nabelbeschau und Berichterstattung über andere Medienunternehmen ... selbst wenn der durchschnittliche Fernsehzuschauer überhaupt kein Interesse an solchen Insiderthemen hat.

Das Magazin Fortune brachte in seiner Ausgabe vom 29. Oktober 2007 eine lange Titelgeschichte über Fox Business, in der es hieß, Murdoch sehe „FBN als ersten Schritt in seiner Strategie zur Beherrschung des globalen Finanzjournalismus“.7

Es ist natürlich noch zu früh für die Behauptung, Fox Business sei gescheitert. Und während einer Telefonkonferenz zur Gewinnberichterstattung im Februar 2008 sagten sowohl Murdoch als auch der weithin sehr angesehene Präsident und COO von News Corp., Peter Chernin, sie seien mit den bisherigen Einschaltquoten zufrieden. Es sei ein gutes Zeichen, dass der Sender in den ersten Monaten weniger Verlust gemacht habe, als man kalkuliert habe.

Nichtsdestotrotz fragen sich einige Murdoch-Beobachter aufgrund der schwachen Zuschauerreaktion auf Fox Business und der wachsenden Skepsis über die Akquisition von Dow Jones (und vor allem den Kaufpreis), ob Murdoch Dow Jones nicht doch am Ende wieder abstoßen und sich auch von Fox Business trennen wird, wenn sich seine Erwartungen nicht erfüllen sollten.

Werden Dow Jones und Fox Business letztlich das gleiche Schicksal erleiden wie TV Guide und die L.A. Dodgers, oder werden sie wie Fox Broadcast und Fox News blühen und gedeihen und sich zu gewinnträchtigen Aushängeschildern für den ständig expandierenden Medientitan entwickeln?

„Dow Jones besitzt bestimmte Vermögenswerte, die Murdoch ausschöpfen möchte, um sein Imperium auszudehnen, vor allem auf den Gebieten TV, Kabel und Satellit, und nicht zuletzt im Internet“, so John K. Hartmann, Professor für Journalismus an der Central Michigan University. „In zwei oder drei Jahren könnte er allerdings zu der Entscheidung gelangen, dass er nicht mehr das gesamte Unternehmen braucht. So ist es bei ihm immer gewesen.“8

Der Aktienkurs von News Corp. ist zwischen dem Zeitpunkt der Bekanntgabe der Akquisition im Juli 2007 und Mai 2008 um 40 Prozent gesunken. Aufgrund der wachsenden Sorge über eine Abkühlung der US-Konjunktur, die zu einem Rückgang des Anzeigenverkaufs und sinkenden Konsumausgaben führten, mussten alle Medienunternehmen in dieser Zeit Federn lassen. Die Behauptung, News Corp. würde von der Wall Street für die Akquisition von Dow Jones abgestraft, wäre also nicht ganz fair.

Es lohnt sich aber, einen Blick auf den Aktienkurs eines der beiden größten Wettbewerber von News Corp. – Walt Disney – zu werfen. Disney hat sich mit einem Kursverlust von rund 10 Prozent im selben Zeitraum wesentlich besser gehalten als News Corp.

Sollte der Aktienkurs von News Corp. weiter sinken, wäre ein Eingreifen Murdochs keine große Überraschung. Es liegt in seiner Natur, Unternehmenskäufe und -verkäufe einzufädeln. Aber es ist gewiss noch zu früh für die abschließende Feststellung, der Dow-Jones-Deal sei ein Flop, oder von Murdoch ein Eingeständnis seiner Niederlage im Hinblick auf seine Ambitionen im Finanznachrichtengeschäft zu erwarten.

„Die Geschichte von Geschäftsleuten, die versuchen, sich mit Rupert anzulegen, deutet darauf hin, dass das keine gute Idee ist“, sagt Larry Haverty, Portfoliomanager und Analyst von GAMCO Investors, einem institutionellen Investor, der mehr als 14 Millionen Aktienanteile an News Corp. besitzt.9

Murdoch hat bisher noch keine Auseinandersetzung gescheut. Und seine Erfolgsbilanz spricht für sich. Er hat aus News Corp. als reiner Holdinggesellschaft für die australische ZeitungAdelaide News, die er nach dem Tod seines Vater Sir Keith Murdoch im Jahr 1952 geerbt hatte, ein globales Medienimperium mit einem Jahresumsatz von 28 Milliarden Dollar und einem Marktwert von 60 Milliarden Dollar gemacht. Dies und mehr zeigt, dass eine Wette gegen Murdoch keine weise Entscheidung ist.

KAPITEL 1

Auf- und Ausbau des Zeitungsgeschäfts

Um wirklich zu verstehen, warum Murdoch so versessen auf die Akquisition des Verlagshauses Dow Jones war, muss man zurück zu den Anfängen der Geschichte von News Corp. gehen. Heute ist das Unternehmen in erster Linie für Fox-TV, Kabelfernsehen und Filmstudios bekannt. Aber News Corp. ist immer ein Zeitungsverlag gewesen und Murdoch hat sich ungeachtet der Äußerungen seiner zahlreichen Kritiker selbst stets als Zeitungsverleger alter Schule gesehen.

Trotz der Tatsache, dass die Umsätze vieler Zeitungsverlage aus Anzeigenverkauf und Zeitungsauflage ständig weiter zurückgehen, weil immer mehr Leser und Marketingmanager auf das Web zurückgreifen, ist das Zeitungsgeschäft für News Corp. nach wie vor von zentraler Bedeutung.

In den ersten drei Quartalen des Fiskaljahres 2008, das im März 2008 endete, trug die Zeitungssparte von News Corp. mit beinahe 18 Prozent zum Konzernumsatz und mit rund 13 Prozent zum Betriebsgewinn bei. Die Bedeutung des Zeitungsgeschäfts für die finanzielle Gesamtsituation von News Corp. ist nun, da Dow Jones in die Konzernergebnisse einfließt, sogar noch gestiegen. Die Akquisition wurde Mitte Dezember 2007 abgeschlossen.

Rupert Murdoch hat nicht den geringsten Hinweis darauf gegeben, dass er sich jemals vom Zeitungsgeschäft trennen würde, obwohl er zugibt, dass die Zeitungsindustrie vor zahlreichen gewaltigen Herausforderungen steht. Oft hat er wehmütig von den alten Zeiten geschwärmt und freimütig eingestanden, dass die größte Herausforderung die Gewinnung junger US-Leser ist, die ihre Nachrichteninformationen zum großen Teil ausschließlich aus dem Internet oder aus Comedy-Nachrichtenshows wie der populären Daily Show with John Stewart und The Colbert Report beziehen.

Murdoch betrachtet sich eindeutig immer noch als Zeitungsmann. Das liegt ihm im Blut, nachdem er in diesem Geschäft aufgewachsen ist und das Zeitungsgeschäft von seinem verstorbenen Vater geerbt hat.

In seiner Rede auf der Medientagung von McGraw-Hill im Februar 2007 beklagte Murdoch die Tatsache, dass „der alte Lebensstil der Zeitungslektüre am Frühstückstisch Geschichte ist“ und er fügte hinzu, dass „Zeitungen immer größere Wirtschaftlichkeitsprobleme haben“. In einer Rede vor der American Society of Newspaper Editors (Amerikanische Gesellschaft der Zeitungsverleger) im April 2005, illustrierte Murdoch die größten demografischen Probleme, von denen Zeitungsverlage bedroht sind, und gestand ein, der einzige Weg, um als Zeitungsverlag zu überleben, sei die Anpassung an die neuen Gewohnheiten junger Leser.

„Ich bin ein digitaler Immigrant. Ich bin nicht im Web gesurft und habe nie stundenlang vor dem Computer verbracht. Vielmehr bin ich in einer stark zentralisierten Welt aufgewachsen, in der die Nachrichten und Informationen von einigen wenigen Verlegern kontrolliert wurden, die darüber entschieden, was wir wissen sollten und durften. Meine zwei jungen Töchter dagegen werden in der digitalen Welt zu Hause sein. Eine Welt ohne uneingeschränkten Zugang zu Breitbandinternet werden sie nie kennenlernen“, sagte er mit Hinweis auf seine beiden Töchter Grace und Chloe aus dritter Ehe, die zu dem Zeitpunkt noch im Kindergartenalter waren.

Die Nachrichtenindustrie hat sich in eine Industrie verwandelt, in der individuelle Blogger und Leser genauso großen, wenn nicht sogar noch größeren Einfluss auf die Nachrichtenberichterstattung haben als Redakteure, Verleger und große Medienkonzerne. Zwischen der heutigen Situation und der Funktionsweise der Medienindustrie Anfang der 50er-Jahre liegen Welten.

Im Jahr 1949 machte Rupert Murdoch eine Lehre beim Melbourne Herald, und während seines Studiums an der britischen Universität von Oxford arbeitete er in den Sommerferien bei verschiedenen Zeitungen in der Fleet Street im Londoner Zeitungsviertel.

Nach dem Tod seines Vaters Sir Keith Murdoch im Jahr 1952, wurde ein Großteil des Unternehmens verkauft, um Schulden zu begleichen. Rupert übernahm jedoch das Zepter bei Adelaide News, deren Leitung er 1954 übernahm, und baute in den folgenden Jahren ein Portfolio aus australischen Zeitungen und Fernsehstationen auf, mit dem er sein Unternehmen mit dem damaligen Namen News Limited in einen wichtigen Marktteilnehmer im Mediengeschäft seines Heimatlandes verwandelte. (News Limited firmierte 1980 in News Corporation um.)

Im Jahr 1960 hatte Murdoch sich bei der Sunday Times in Perth eingekauft, Anteile am TV-Sender Channel 9 in Adelaide, an der Frauenzeitschrift New Idea und vor allem am Daily Mirror in Sydney erworben. 1964 brachte Murdoch seine erste Publikation heraus, die nationale Zeitung Australian. Außerdem erwarb News Limited Anteile an Wellington Publishing, dem in jenem Jahr größten Medienunternehmen Neuseelands.

Doch das war ganz offensichtlich erst der Anfang, denn Murdoch warf bald begehrliche Blicke auf zwei Märkte mit einem wesentlich größeren Wachstumspotenzial als dem australischen Markt – England und USA.

1969 unternahm Murdoch einen ersten Schritt, um sich ein Standbein in Großbritannien zu verschaffen, indem er den Medientitan tschechischer Herkunft, Robert Maxwell, in einem Bietergefecht um News of the World ausstach. Diese Zeitung, eine mehr als 100 Jahre alte, beliebte englische Wochen-Boulevardzeitung, die für ihre frechen Artikel über Skandale und Verbrechen bekannt war, wurde von beiden Mogulen heiß begehrt.

Und mit diesem Kauf scheint Murdochs Akquisitionswut erwacht zu sein, die vor allem immer dann angestachelt wurde, wenn er mehr Geld auf den Tisch legen konnte als ein Konkurrent.

„Er wollte schon immer auf Einkaufstour gehen. Das ist sein Lebenszweck. Murdoch hat eine Reihe bemerkenswerter und überaus erfolgreicher Konkurrenten ausgetrickst und sogar Maxwell bei News of the World aus dem Feld geschlagen. Murdoch hat einen ausgeprägten Akquisitionsdrang und er ist ein Visionär“, sagt Richard Dorfman, Managing Director von Richard Alan Inc., einer auf die Medienindustrie fokussierten Investmentgesellschaft mit Sitz in New York.1

Zu einem späteren Zeitpunkt desselben Jahres erwarb Murdoch die britische Boulevardzeitung Sun. Unter Murdoch wurde das Blatt schnell zu einem äußerst umstrittenen Thema der britischen Medienszene. Im Jahr 1969 hatte die Sun damit begonnen, Fotos weiblicher Modelle auf der dritten Seite abzubilden, um mit seinem Erzkonkurrenten Daily Mirror mitzuhalten, der typischerweise Pinup-Fotos von Frauen in Bikinis oder Dessous abdruckte. Aber nach einigen Monaten toppte die Sun mit dem ersten Oben-ohne-Foto eines weiblichen Modells auf Seite drei – ein aufmerksamkeitsstarker Schachzug, der umgehend zu einem Anstieg der Absatzzahlen der Sun führte. Da war der Beginn eines Murdoch-Trends, der ihn zur Zielscheibe vieler in der Medienindustrie machte, die seinen journalistischen Stil ablehnten. Murdoch hatte jedoch nichts anderes getan, als einen Wettbewerber zu kopieren und anschließend noch einen Schritt weiter zu gehen. Das war ein ausgezeichnetes Beispiel für Murdochs Strategie, Sensationslust und Unterhaltung mit Nachrichten zu verknüpfen, um den Zeitungsabsatz anzukurbeln – eine Taktik, die er bis heute beibehalten hat. Das „Mädchen von Seite drei“ ist ein fester Bestandteil der Sun, die nach wie vor Oben-ohne-Fotos abdruckt.

Murdoch und die Sun wurden in England von vielen für diese Fotos kritisiert, die als sexistisch eingestuft wurden. Dennoch verteidigte die derzeitige Chefredakteurin der Sun, Rebekah Wade, das „Mädchen von Seite drei“ in ihrer Aussage vor dem Kommunikationsausschuss des britischen Oberhauses „Select Committee on Communications of the House of Lords“ im Januar 2008 als Teil der andauernden Parlamentsuntersuchung über die Eigentumsverhältnisse in der britischen Medienlandschaft. Wade, die seit 2003 Chefredakteurin der Sun ist und zuvor Chefredakteurin der News of the World war, sagte, ihrer Meinung nach seien die Fotos nicht sexistisch.

„Unsere Sun-Leser lieben sie, und zwar sowohl die männlichen als auch die weiblichen Leser“, erklärte sie im Rahmen ihrer Aussage und fügte später hinzu, es könne „nicht viele Menschen in diesem Land geben, die nicht wissen, dass die Mädchen von Seite drei täglich auf Seite drei der Sun erscheinen.“2

Auf die Frage, ob sie glaubte, der Absatz würde sinken, wenn die Zeitung keine Fotos von halbnackten Frauen mehr abdruckt, antwortete Wade: „Das ist eine interessante Frage. Ich habe keine Ahnung, was passieren würde. Ich liebe die Seite drei, also möchte ich nie auf diese Fotos verzichten, aber ich weiß nicht, was passieren würde.“3

Der Aufstieg derSunzu Prominenz in Großbritannien – dank der Attraktion nackter weiblicher Brüste – markierte einen Wendepunkt in der Nachrichtenindustrie, und alle Zeitungen unter Murdochs Ägide weltweit folgten diesem Trend. Alle warben mit Sex und dem Schmuddelfaktor, um die Auflage und die Verkaufszahlen zu erhöhen.

Mitte der 70er-Jahre versuchte Murdoch seinen Erfolg in England in den USA zu wiederholen. 1972 kaufte News Limited mit dem San Antonio Express und San Antonio News von dem US-Medienunternehmen Harte-Hanks seine ersten amerikanischen Zeitungen. Die Zeitung San Antonio News hatte einen ähnlichen Stil wie eine klassische Boulevardzeitung, bis beide Zeitungen 1984 zu einem Blatt mit dem Namen San Antonio Express-News verschmolzen wurden.

Die Schaffung eines Standbeins in der US-Printlandschaft war für Murdoch ein zentraler Schritt, der ihm dabei helfen sollte, in den USA weiter zu expandieren. 1974 brachte News Limited ein wöchentliches Supermarkttabloid mit dem Namen National Star heraus, das direkt mit dem Marktführer in dieser Nische, dem National Enquirer, konkurrieren sollte. Der National Star, der später einfach als Star bezeichnet wurde, wurde oft auf denselben Pressen gedruckt, wie die Zeitung San Antonio Express-News. Und es gelang dem Star, trotz des ungleichen Kampfes gegen den dominanten Marktführer, sich schnell auf gleicher Augenhöhe mit dem National Enquirer zu behaupten. Anfang der 80er-Jahre war die Auflage des Star laut einer Analyse der Organisation Project for Excellence in Journalism, die mit Pew Charitable Trusts verbunden ist, fast genauso hoch, wie die des National Enquirer.

Es war jedoch Murdochs Kauf derNew York Post, der ihm weit über die Grenzen Australiens und Großbritanniens hinaus zu breiter Bekanntheit verhalf. 1976 kaufte News Limited diePost, die auf ihrer Titelseite stolz die Prägung ihres Gründers Alexander Hamilton trug. Die Zeitung war für ihre extrem liberale Ausrichtung unter Führung der langjährigen Eigentümerin Dorothy Schiff berühmt. Nach ihrem Verkauf an Murdoch wurde die Berichterstattung derPost zur Konsternierung nicht weniger Demokraten wesentlich konservativer.

Außerdem entwickelte sie wie ihre britischen Geschwister einen Geschmack für Sensationslüsternheit. Ob zum Guten oder zum Schlechten – und viele Stimmen in der Medienindustrie würden vehement Letzteres behaupten – die New York Post und Murdochs britische Boulevardblätter haben das Zeitungsgeschäft unwiderruflich verändert. Die aufmerksamkeitsstarken Schlagzeilen und pikanten Storys in der Sun und der New York Post trugen dazu bei, das Feld für die unaufhörliche Klatschpresse über Promis in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts zu bereiten.

Die berühmte Schlagzeile der New York Post aus dem Jahr 1982, „Headless Body in Topless Bar“ (etwa: Oben-ohne-Körper in Oben-ohne-Bar, A.d.Ü.) wurde zu einem derart populären Bestandteil des kulturellen Zeitgeistes, dass sie in vielen Redaktionen heute noch mit einem gemischten Gefühl aus Abscheu und widerwilligem Respekt erwähnt wird. Diese Schlagzeile wurde 1995 sogar Futter für einen schmierigen Low-Budget-Film mit demselben Titel.

TV-Shows wie Inside Edition und Access Hollywood sowie Websites wie PerezHilton.com und TMZ.com verdanken Murdoch so einiges, da sich durchaus darüber streiten lässt, ob es ohne die allgegenwärtige Seite sechs der New York Post überhaupt so etwas wie eine Promi-Klatschpresse gäbe.

DieNew York Postist für News Corp. nie ein großer Gewinnbringer gewesen. Tatsächlich glauben die meisten Analysten, dass sie bis heute tiefrote Zahlen schreibt. 1988 musste Murdoch die Zeitung unter dem Druck der US-Regierung verkaufen. Einige Politiker beäugten ihn misstrauisch, weil er in demselben Markt eine Zeitung und einen Fernsehsender besaß. Murdoch gelang es jedoch, die unabhängige US-Regulierungsbehörde Federal Communications Commission (Die FCC wurde von US-Kongress eingerichtet und regelt u.a. die Kommunikationswege für Radio, TV, Kabel und Satellit. A.d.Ü.) dazu zu bewegen, News Corp. 1993 eine neue Genehmigung zu erteilen, die es dem Unternehmen erlaubte, sowohl dieNew York Postals auch einen lokalen New Yorker Fernsehsender und die Fox-Tochter WNYW zu betreiben. Auf diese Weise konnte Murdoch die Zeitung, die kurz vor ihrer Schließung stand, vor dem Untergang bewahren.

Das sollte jedoch nicht Murdochs letzte Initiative in den USA gewesen sein. 1977 kaufte er die für ihren alternativ-liberalen Stil berühmte Wochenzeitung Village Voice, das Boulevardblatt Boston Herald American, das 1982 in Boston Herald umbenannt wurde, und 1983 das Boulevardblatt Chicago Sun-Times.

Dank ihrer Präsenz in der Welthauptstadt New York war es jedoch dieNew York Post, die Murdoch selber zu Berühmtheit verhalf. Mit seinem wachsenden Ruhm stand er jedoch auch zunehmend unter Beobachtung. Murdochs Imperium wuchs, und so wuchs auch die Zahl seiner Kritiker. Es schien, als befinde sich Murdoch, der als eine Art Blitzableiter für jede Art von Kontroverse fungierte, aus dem einen oder anderen Grund ständig unter Beschuss, und die Medien ließen selten eine Gelegenheit aus, um sich auf ihn einzuschießen.

Zwar hatte der dreiste Ton der Klatschblätter von News Corp. für einiges Stirnrunzeln über deren zweifelhaften Geschmack gesorgt, das ritualisierte Hochjubeln und der anschließende Verriss von Prominenten in Publikationen wie der Sun oder der New York Post galt dagegen als relativ harmlos. Was jedoch einen Ruck durch die Reihen der Medienbeobachter, vor allem der liberal gesinnten, gehen ließ, war die Tatsache, dass Murdoch seine Nachrichtenmedien häufig zur Beeinflussung der Politik nutzte.

„Wenn Murdoch ein Unternehmen übernimmt und seine Leute dort einsetzt, vor allem im Verlagsgeschäft, dann hat er sofort einen schlechten Ruf als konservativ-voreingenommenes Monster. Dabei kauft er die Medien nicht nur, um seine konservative Botschaft in die Welt zu tragen“, erklärte Dorfman. „Ja, er hat eine konservative Ideologie. Viele Leute waren aufgebracht, als Murdoch dieNew York Postübernahm, und es stimmt, dass er aus dieser einigermaßen seriösen Zeitung ein Klatschblatt gemacht hat. Aber wahr ist auch, dass diese Zeitung heute finanziell besser dasteht. Wenn sich die Kritiker auf ihn stürzen und ihm vorwerfen, er missbrauche seine Medien zur Verbreitung seiner persönlichen Ideologie, und ihn als Ungeheuer bezeichnen, ist das meiner Meinung nach völlig unfair. Murdoch kauft die Zeitungen schließlich, um Geld damit zu verdienen.“4

Nichtsdestotrotz lässt sich kaum leugnen, dass sich in Murdochs Zeitungen nicht selten seine persönliche Ideologie widerspiegelt. Es ist zum Beispiel zwar richtig, dass die New York Post unter Murdoch finanziell besser dasteht als im Jahr 1976, als Murdoch die Zeitung zum ersten Mal erwarb, sie ist jedoch nie eine wichtige Gewinnquelle gewesen. Das wirft folgende Fragen auf: Was hat Murdochs Leidenschaft für Printpublikationen angesichts der Re­alitäten dieses Geschäftsmodells so lange aufrechterhalten? Warum kauft er seit Jahren eine Zeitung nach der anderen, obwohl die Leserzahlen beständig zurückgehen?

Diese Fragen wurden umso lauter, als Murdoch eine britische Zeitung mit einer wesentlich solideren redaktionellen Reputation alsNews of the World,SunundNew York Postkaufte. 1981 erwarb er dieTimesund die SonntagsausgabeSunday Timesvon Thomson Corp. Diese Publikationen galten als zwei der anspruchsvollsten Zeitungen Großbritanniens, die mit anderen „seriösen“ Zeitungen wie demObserverund demGuardiankonkurrierten. Die Berichterstattung über die englische Politik in Murdochs Zeitungen, vor allem die loyale Unterstützung für Margaret Thatcher und die Konservative Partei in den 80er-Jahren sowie die Kritik an der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion in den 90er-Jahren wurden routinemäßig von all denen angegriffen, die das Gefühl hatten, Murdochs Redakteure und Journalisten seien gezwungen, seine Überzeugungen nachzuplappern.

In einer Sitzung mit den Mitgliedern des Select Committee on Communications of the House of Lords im September 2007 in New York äußerte sich Murdoch zu diesen Vorwürfen. Dabei bot er eine ganz offene, um nicht zu sagen unverblümte Perspektive über seine Rolle in Bezug auf die Färbung der Berichterstattung in seinen Zeitungen. Laut Sitzungsprotokoll sagte Murdoch, nach seiner Auffassung bestehe die Hauptrolle der Medien darin „zu informieren“. Aus dem Protokoll geht aber auch hervor, dass Murdoch „die Tatsache nicht verschleierte, dass er sowohl wirtschaftlich als redaktionell Einfluss nimmt“. Murdoch ließ die Parlamentsabgeordneten wissen, „das Gesetz“ verbiete ihm, den Redakteuren der Times und Sunday Times redaktionelle Vorgaben zu machen, und er fügte hinzu, es gebe mit dem Editorial Board ein internes Aufsichtsgremium, um sicherzustellen, dass er die Berichterstattung nicht beeinflusse.5

Murdoch gab jedoch zu, dass er seinen Redakteuren zwar nie konkrete Anweisungen erteile, aber oft frage, „Was machen Sie da?“ Er ergänzte, er sehe einen Unterschied zwischen seiner Rolle bei der Times und Sunday Times und einer möglichen Beeinflussung der redaktionellen Inhalte der Boulevardblätter Sun und News of the World. Und er setzte hinzu, dieselben Unterschiede sehe er in seiner Rolle bei der bestehenden Führung der New York Post und der möglichen Führung des Wall Street Journal, sobald dieses zu News Corp. gehöre.6

Mit Bezug auf seine Boulevardblätter bezeichnet sich Murdoch selbst als „traditionellen Eigentümer“. Im Sitzungsprotokoll wurde festgehalten, Murdoch übe „eine redaktionelle Kontrolle über alle wichtigen Themen aus, wie zum Beispiel welche Partei bei Wahlen unterstützt werden soll, oder Fragen der europäischen Politik.“7

Aktuelle und ehemalige hochrangige Redakteure seiner britischen Zeitung bestätigten seinen starken Einfluss auf redaktionelle Entscheidungen sowohl bei den Boulevardzeitungen als auch den renommierteren Zeitungen Times und Sunday Times.

Im Rahmen ihrer Aussage vor dem britischen Oberhaus im Januar 2008 ging Wade nicht so weit, zu sagen, Murdoch habe ihr konkrete Anweisungen zur Berichterstattung in der Sun und News of the World