Schattenrisse der Angst – 5 Horrorgeschichten für Jugendliche ab 16 Jahren
Horror für Jugendliche
Mirko Kukuk
Impressum © 2025 Mirko Kukuk
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[email protected] Unterstützung bei Text/Bild: GeminiDie in diesem Buch dargestellten Figuren und Ereignisse sind fiktiv. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder toten realen Personen ist zufällig und nicht vom Autor beabsichtigt.
Inhalt
Titelseite
Impressum
1. Das Echo im Wald
Kapitel 2: Das gestohlene Ich
Kapitel 3: Die unsichtbare Grenze
Kapitel 4: Der Morgengrauen-Schrecken
Kapitel 5: Die Jagd beginnt
2. Der letzte Post
Kapitel 2: Die erschreckende Benachrichtigung
Kapitel 3: Das leere Schweigen
Kapitel 4: Die eigene Reflexion
Kapitel 5: Der nächste Empfänger
3. Der blinde Passagier
Kapitel 2: Die Störungen
Kapitel 3: Das Klopfen
Kapitel 4: Der Schmutz
Kapitel 5: Die Verfolgung
4. Das Spielzimmer im Keller
Kapitel 2: Die Tür zum Wunder
Kapitel 3: Das bewegte Spiel
Kapitel 4: Die kalte Berührung
Kapitel 5: Das schlafende Ding
5. Die schweigende Stadt
Kapitel 2: Die leeren Häuser
Kapitel 3: Das Atmen
Kapitel 4: Die wandelnden Schatten
Kapitel 5: Teil des Ganzen
Nachwort:
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1. Das Echo im Wald
Kapitel 1: Das Flüstern in der Nacht
Die letzten Sonnenstrahlen kämpften sich nur noch zaghaft durch das dichte Blätterdach der uralten Buchen, als Sarah das trockene Holz ins knisternde Lagerfeuer schob. Ein leichter, kühler Wind zog durch den Schwarzwald, ließ die Bäume seufzen und die Schatten länger und gespenstischer werden. Mit ihr waren ihre drei besten Freunde: Tim, der immer ein Späßchen auf den Lippen hatte und gerade eine gruselige Geschichte über eine verlorene Wanderin erzählte; Lisa, die stets die praktischste war und schon die Isomatten in den Zelten ausgerollt hatte; und Ben, der ruhige Denker, der konzentriert eine Karte studierte, als würde er versuchen, jeden einzelnen Baum zu katalogisieren. Ihr kleines Camp, bestehend aus zwei Zelten und einer provisorischen Feuerstelle, lag tief im Herzen des Waldes, weitab von jeglicher Zivilisation. Die Idee war von Sarah gekommen: ein digitales Detox-Wochenende, raus aus der Stadt, rein in die Natur. Anfangs waren alle begeistert gewesen. Das Lachen hatte den Tag über die Lichtung erfüllt, die Luft war gefüllt gewesen mit dem Geruch von Kiefernnadeln und aufsteigendem Rauch. Doch mit jeder Minute, die die Dunkelheit dichter wurde, kroch eine leise, unbestimmte Unruhe in die Runde. Das Knistern des Feuers, das eben noch so gemütlich geklungen hatte, begann sich nun seltsam laut und beinahe bedrohlich anzuhören.
Tim beendete seine Geschichte mit einem dramatischen Raunen, woraufhin Lisa gespielt erschauerte. „Das ist ja mal eine tolle Gute-Nacht-Geschichte, Tim“, neckte sie ihn. „Ganz bestimmt schlafe ich jetzt tief und fest.“ Doch ihr Lächeln erreichte ihre Augen nicht ganz. Ben klappte die Karte zu und legte sie beiseite. „Wir sollten wirklich sicherstellen, dass das Feuer die ganze Nacht brennt. Und vielleicht abwechselnd Wache halten“, schlug er vor, seine Stimme ungewohnt ernst. Sarah spürte, wie sich ein Kloß in ihrem Hals bildete. Sie hatte versucht, die aufkommende Anspannung zu ignorieren, aber Bens Worte bestätigten ihre eigenen Ängste. Der Wald, der tagsüber so einladend gewirkt hatte, schien nun unendlich groß und unheimlich. Die Geräusche der Natur – das Rascheln der Blätter, das Knacken von Ästen, das ferne Heulen eines Käuzchens – nahmen eine neue, bedrohliche Qualität an. Es war, als würden unsichtbare Augen sie aus dem Dunkel beobachten.
Sie krochen in ihre Zelte, das Feuer als einzigen Schutz vor der undurchdringlichen Schwärze außerhalb ihres kleinen Kreises. Sarah teilte sich ein Zelt mit Lisa, Tim und Ben schliefen im anderen. Lange lagen sie wach, lauschten den Geräuschen des Waldes, bis die Müdigkeit schließlich über sie siegte und sie in einen unruhigen Schlaf fielen. Mitten in der Nacht jedoch wurden sie alle jäh aus ihren Träumen gerissen. Ein seltsames, flehendes Flüstern drang aus dem dichten Unterholz, das ihre Herzen schneller schlagen ließ. Es war leise, kaum hörbar, aber unverkennbar menschlich. Und es klang wie Sarahs eigene Stimme, die panisch um Hilfe rief. „Lasst mich rein! Bitte, lasst mich rein!“ Das Flüstern schien direkt vor ihrem Zelt zu sein, so nah, dass Sarah den kalten Hauch an den Zeltwänden spüren konnte. Sie riss die Augen auf, ihre Brust hob und senkte sich keuchend.
Neben ihr regte sich Lisa. „Hast du das gehört?“, flüsterte sie, ihre Stimme zitterte. Sarah konnte nur nicken, zu verängstigt, um ein Wort herauszubringen. Das Flüstern wiederholte sich, flehender, verzweifelter. „Es ist kalt hier draußen! Ich habe Angst!“ Die Stimmen von Tim und Ben drangen gedämpft aus dem Nachbarzelt. „Sarah? Bist du das? Was machst du da draußen?“, rief Tim besorgt. Sarah schüttelte den Kopf, Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie war hier, im Zelt, warm und sicher – so sicher man in diesem Augenblick sein konnte. Wer war dann draußen? Wer rief mit ihrer Stimme? Ein eisiger Schauer lief ihr über den Rücken. Die Tatsache, dass das Flüstern ihre eigene Stimme imitierte, war zutiefst verstörend. Es war nicht einfach ein Echo. Es war zu klar, zu nah, zu perfekt. Es klang, als würde jemand sie verspotten, jemand oder etwas, das ihre größte Angst kannte und sie gegen sie verwendete. Die Dunkelheit außerhalb des Zeltes schien sich zu verdichten, als würde sie die Quelle des Flüsterns in sich verschlucken. Sie presste sich an Lisa, die ebenfalls zitterte. Keiner von ihnen wagte es, sich zu bewegen, geschweige denn das Zelt zu öffnen. Die Nacht war noch lang, und die Stille danach war beinahe noch unheimlicher als das unheimliche Flüstern, das sie geweckt hatte.
Kapitel 2: Das gestohlene Ich
Die Sekunden dehnten sich zu einer Ewigkeit aus, das Flüstern von Sarahs Stimme drang immer wieder durch die Zeltwand. Es war ein flehendes, verzweifeltes Rufen nach Hilfe, das Sarahs Herz vor Angst zum Stillstand brachte. Sie spürte, wie sich jeder Muskel in ihrem Körper anspannte, bereit zur Flucht, doch wohin in dieser undurchdringlichen Dunkelheit? Aus dem Nachbarzelt rief Tim erneut, seine Stimme diesmal lauter und beinahe fordernd: „Wer ist da?! Zeig dich!“ Ein dumpfer Schlag gegen die Zeltwand ließ Sarah und Lisa zusammenzucken. Es war nicht heftig, eher ein leises Antippen, aber es war eindeutig dort, direkt vor ihrem Zelt. Dann, mit einer Klarheit, die ihnen das Blut in den Adern gefrieren ließ, antwortete das Flüstern – diesmal mit Tims eigener, panischer Stimme: „Ich bin es, ich bin hier draußen... hilf mir! Sie sind bei mir!“
Tim, der sich gerade im Zelt aufgerichtet hatte, sank wieder in sich zusammen. Sein Atem ging stoßweise. „Das… das bin nicht ich!“, stammelte er, seine Stimme dünn vor Schreck. Ben, der bis dahin still gewesen war, flüsterte: „Es imitiert uns. Es will uns rauslocken.“ Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag. Dieses „Echo“ war keine harmlose Reflexion ihres eigenen Rufs. Es war eine bösartige Parodie, ein gestohlenes Ich, das dazu benutzt wurde, sie in die Falle zu locken. Wer oder was auch immer da draußen war, es besaß eine unheimliche Fähigkeit, ihre Stimmen perfekt zu imitieren, ihre Ängste zu nutzen. Das war kein Tier, keine Illusion, sondern etwas weitaus Schlimmeres, etwas, das sie intellektuell manipulieren wollte. Die Luft im Zelt schien dünner zu werden, jeder Atemzug fiel schwer. Das Flüstern wiederholte Tims flehenden Ruf, diesmal mit einem unterdrückten Schluchzen, das die Täuschung noch perfekter machte.
Lisa, die sich an Sarah klammerte, brach in leises Weinen aus. „Was sollen wir tun? Wir können nicht einfach hier bleiben!“ Doch die Alternative, das Zelt zu verlassen und sich dem Unbekannten in der Dunkelheit zu stellen, war noch unerträglicher. Ben schien nachzudenken. „Wir bleiben im Zelt. Keiner von uns macht die Tür auf. Egal was passiert, egal was es sagt. Es will uns nur raus.“ Doch der Gedanke, dass etwas da draußen stand und ihre Stimmen stahl, um sie in den Wald zu locken, war beinahe unerträglich. Manchmal hörten sie auch andere, scheinbar fremde Stimmen, die ebenfalls um Hilfe flehten