Schattenverlies: Albtraumscherben - Kaiden Emerald - E-Book

Schattenverlies: Albtraumscherben E-Book

Kaiden Emerald

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Beschreibung

Seit dem Unfalltod seiner Eltern lebt Yukio bei seinem Onkel und setzt alles daran, der Sohn zu sein, auf den sie stolz gewesen wären. Durch seinen Fleiß und Ehrgeiz schafft er es, von der Fakultät angenommen und einer der Besten im Fachbereich Wirtschaft zu werden. Doch wie alles seinen Tribut fordert, sitzt er oft bis spät in die Nacht an seinen Arbeiten oder lernt. So auch in jener Nacht, als er vor lauter Erschöpfung am Rechner einschläft und im Traum einem merkwürdigen Mann mit schwarzen Federschwingen begegnet, der sein Leben fortan ins Verderben stürzt.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhaltsverzeichnis

Widmung

Prolog: Machtspiele

Kapitel 1: Zwölf Monate später

Kapitel 2: Erste Begegnung

Kapitel 3: Verwirrung

Kapitel 4: Zuversicht

Kapitel 5: Erschütterung

Kapitel 6: Ignoranz

Kapitel 7: Verflossene Zeit

Kapitel 8: Bittschrift

Kapitel 9: Erkenntnis

Kapitel 10: Schicksalhafte Fügungen

Kapitel 12: Spurenverfolgung

Kapitel 13: Übereinkunft

Kapitel 14: Einschüchterung

Kapitel 11: Veränderung

Kapitel 15: Illusion von Harmonie

Kapitel 16: Panik

Kapitel 17: Blutbad

Kapitel 18: Ungewissheit

Kapitel 19: Schreckensbotschaft

Kapitel 20: Ansichtssache

Kapitel 21: Anhaltspunkte

Kapitel 22: Versöhnung

Kapitel 23: Auf toten Pfaden

Kapitel 24: Vergeltung

Kapitel 25: Suche nach Antworten

Kapitel 26: Enthüllungen

Kapitel 27: Kontaktversuch

Kapitel 28: Ungeahnter Zuspruch

Kapitel 29: Linhs Albtraum

Kapitel 30: Plötzliches Vertrauen

Kapitel 31: Beistand

Kapitel 32: Aufbruch

Kapitel 33: Rebellion

Kapitel 34: Rückschlag

Kapitel 35: Die richtige Fährte

Kapitel 36: Erpressung

Kapitel 37: Ausbruch

Kapitel 38: Gefecht

Kapitel 39: Chaos

Kapitel 40: Fragmente

Kapitel 41: Unerwarteter Besuch

Kapitel 42: Begegnung in den Trümmern

Kapitel 43: Bündnis

Kapitel 44: Sackgasse

Kapitel 45: Windungen

Kapitel 46: Wiedervereint

Kapitel 47: Stille

Danksagung

Kaiden Emerald

Schattenverlies

Band 1: Albtraumscherben

Impressum

Copyright © Kaiden Emerald, 2023

[email protected]

Layout: Kaiden Emerald

Buchcover © M.Feitsch/ bookcoverdesign.art Layout designed by © Kaiden Emerald Lektorat: Die Korrifeen – Mel, Mims und Flash

Originalausgabe, erschienen 09/2023, Auflage 1

Kaiden Emerald

Maildrop 24

Holderäckerstr. 8

70499 Stuttgart

Deutschland

Alle Rechte vorbehalten.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Autors ist unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Alle Personen und Namen in diesem E-Book sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. 

Widmung

Ich finde es ist immer schade, wenn jemand das Schreiben völlig aufgibt, gerade wegen den herausragenden Geschichten, die nun nicht mehr erzählt und gelesen werden können. Daher danke ich meiner befreundeten Autorin, die mir diese Story zur freien Verwendung überlassen hat, nachdem ihr Verlag insolvent gegangen ist und sie von einer Wiederveröffentlich-ung absieht. Du weißt, ich würde dich gern nennen, doch ich respektiere deinen Wunsch, es nicht zu tun, damit du diesen endgültigen Schlussstrich für dich ziehen kannst!

Den Grundplot dieser Handlung habe ich beibehalten, die Handlung an vielen Stellen abgewandelt und noch erweitert. Die meisten Namen und auch einige Geschlechter sowie die sexuelle Orientierung von Charakteren wurden ebenso verändert. Ich hoffe, dass diese Reihe nun wieder neu aufleben kann, ich ihr gerecht werde und es mir zudem gelingt, am Ende den noch fehlenden 3. Band so zu verfassen, dass er diese Dark-Fantasy-Saga würdig abschließt.

Kaiden Emerald

Prolog: Machtspiele

Gharon

Da saß er nun, auf dem bequemsten Bürostuhl, den es im Diesseits und Jenseits wohl gab, und rieb sich über den dicken Bauch, während er darüber nachdachte, was ihn wohl mehr verwunderte: die Tatsache, dass er viel zu leicht hier eindringen konnte, oder die, dass er sich sein Opfer völlig anders vorgestellt hatte. Als Gharon in den Schicksalspalast hoch über den Wolken eindrang, hatte er bei dessen Herrscher eher an ein Lichtwesen gedacht und nicht an einen Shinigami, wie er einer war. Außer dessen Butler hatte es niemand je gesehen, aber letztendlich gelang es ihm, das Schicksal zur Strecke zu bringen, um dessen Platz einzunehmen.

Sein Verrat hatte dabei nicht mehr als einen Köder gebraucht. Einen Komplizen, der so machthungrig, aber gleichzeitig auch naiv genug war, dass er ihn ohne Weiteres für seine Pläne missbrauchen konnte. In Ayion hatte er so jemanden gefunden. Er galt längst als abtrünnig, wurde für seine Verfehlungen sogar weggesperrt. Zumindest so lange, bis es Gharon gelang, ihn aus dem Schattenverlies zu befreien. Dass Ayion sich inzwischen wieder dort befand, war schließlich nicht sein Verschulden, sondern die letzte Amtstat des Schicksals selbst, um den Eindringling loszuwerden. 

Wie sollte es auch damit rechnen, dass noch jemand anwesend war, sich in seinen ach so heiligen Hallen versteckte und nur darauf wartete, dass die Türen geschlossen und damit auch sein Butler Dante ferngehalten wurde, nur um ihm dann heimtückisch mit einem Brieföffner die zarte Kehle zu durchschneiden. 

Die weit aufgerissenen Augen des blutjungen Gesichtes brannten sich in Gharons Gedächtnis ein, ehe die Gestalt vor seinen Augen zu winzig kleinen Albtraumscherben zerfiel und sich augenblicklich in Luft auflöste.

Hätte er Courage, würde er nun Ayion aus seinem Verlies befreien, doch daran mangelte es ihm zweifelsohne. Stattdessen lehnte er sich auf dem Stuhl des Schicksals zurück, schaltete am Computer die gut verborgene Kamera des Schattenverlieses ein und überbrachte seinem Helfer die schlechte Botschaft, dass die Sicherheitsvorkehrungen wohl so hoch seien, dass der schwarze Käfig sich nicht öffnen ließ und er wohl im Metaraum verharren müsste, bis es ihm gelang, sich selbst zu befreien. 

Als dieser ihn beschimpfte und auf einen Ausweg pochte, kam Gharon eine Idee. Warum Ayion nicht eine unmögliche Aufgabe stellen und dabei zusehen, wie er versagte? Schließlich könnte das überaus unterhaltsam werden. „Es gibt doch eine Lösung, aber sie wird dir nicht gefallen. Ich habe gerade Aufzeichnungen gefunden, in denen alles beschrieben steht.“

„Wenn dieses Gefängnis eine Sicherheitslücke hat, dann schwafele nicht um den heißen Brei herum, sondern spuck es aus!“ Ayions Stimme hallte erbost von den Wänden wider.

Gharon lächelte zufrieden, was der andere jedoch nicht sehen konnte. Der Gefangene hatte angebissen und würde alles tun, was verlangt wurde, um freizukommen. Mit der Gewissheit, dass sich wohl niemand in einen Massenmörder verlieben würde und Ayion nicht der Typ war, der andere nett um einen Gefallen bat, sondern einfach alles an sich riss, was ihm nicht zustand, formulierte Gharon seine Bedingung: „Du musst einen Menschen dazu bringen, sich in dich zu verlieben und dich zu küssen.“

Kapitel 1: Zwölf Monate später

Gharon

Zu Gharons Glück tauchte Dante nie unangemeldet im Büro des Schicksals auf und es war ihm auch nicht erlaubt, dieses grundlos aufzusuchen. Dennoch schien der Butler besorgt und schob ab und an eine Botschaft unter der Tür hindurch. Gharon reagierte auf diese stets, indem er ein Blatt Papier in die altmodische Schreibmaschine einlegte, die sich auf einem Tisch etwas abseits neben einer großen schwarzen Ledercouch befand, und eine Antwort tippte. Anschließend schob er diese ebenfalls unter dem Türschlitz hindurch.

So musste er keine Handschrift offenbaren, die Dante fremd wäre, und lief nicht Gefahr, aufzufliegen. 

Über die sonstigen Aufgaben des Schicksals konnte er sich während der letzten 12 Monate einen Überblick verschaffen. Und das schneller und einfacher als gedacht. Denn der junge Shinigami, den er getötet hatte, musste ein Faible für Übersichten und Ordnung gehabt haben, das machte es leichter, die Abläufe zu durchschauen. 

Nachdem Dante das erste Mal nach Listen fragte, setzte Gharon sich an den Schreibtisch und belas sich dazu, bis er sicher war, keinen Fehler zu machen. Es gab lediglich zweierlei Prozesse, die normalerweise vom Schicksal in Auftrag gegeben wurden. Durchgeführt wurden sie zum einen von den Lichtwesen oder auch Engel genannt, die immer dann mit Aufträgen zu ‚guten Taten‘ versorgt werden mussten, wenn die Menschen aus eigenem Handeln heraus Katastrophen herbeiführten, die so viele Opfer mit sich brachten, dass es das empfindliche Gleichgewicht der Seelen durcheinanderbrachte, die ins Totenreich überführt werden mussten. Nicht zuletzt bezeichnete man sie im Erdenreich wohl deshalb als ‚Schutzengel‘, wenn sie sich den Menschen durch unbedachtes Verhalten hin und wieder offenbarten. 

Auf der anderen Seite standen die Shinigami, auch bekannt als Todesengel, die immer dann ins Spiel kamen, wenn die Seelen, die in die nächste Welt hinübergeleitet werden sollen, noch nicht von ihrer irdischen Hülle gelöst waren und die Menschen folglich lebten, obwohl sie längst tot sein sollten. Und da das Schicksal sich nicht um seine Seelen betrügen lässt, bestimmt es Unfälle vorher, bei denen diese Personen sterben werden. Gharon gefiel diese Aufgabe von allen am meisten und er genoss es sehr, sich die schrillsten Tode unter dem Decknamen der ‚Schicksalsschläge‘ auszudenken. Die strikten Anweisungen, die seine Brüder einhalten mussten, um in der Menschenwelt kein Aufsehen zu erregen, waren eher lästiges Beiwerk. Dennoch genoss er es, deren Ausführung zu beobachten. 

Viel mehr aber noch fand er Unterhaltung darin, Ayion bei seinen Bemühungen, endlich aus dem Schattenverlies zu treten, über die Schulter zu blicken. Dabei drang Ayion stets in das Unterbewusstsein seiner Opfer ein, wenn diese hilflos waren und schliefen. Inzwischen war bereits ein ganzes Jahr vergangen, seitdem Gharon beschlossen hatte, seinen ehemaligen Komplizen dort drinnen verrotten zu lassen und das auf die spannendste Weise, die es gab. 

Nachdem Gharon die heutigen Listen gedruckt und für Dante unter der Tür durchgeschoben hatte, entschied er sich, dem Todesengel einen Besuch abzustatten, wenn auch nur über die Kamera und Sprechanlage.

„Wie ich sehe, haben deine Bemühungen bislang noch keine Früchte getragen“, sprach er, um ihn zu provozieren.

„Du siehst?“ Ayion flog zur Decke hinauf und wandte sich, nach einer Kamera suchend, um. Für den Hauch einer Sekunde blickte er sogar direkt hinein, doch es war ihm unmöglich, sie zu finden. 

„Beruhig dich, mein Freund.“

Ayion stoppte seine Suche. Brachial landete er auf dem Metallboden, sodass die einzige Lichtquelle, eine Glühbirne, die an einem langen Kabel von der Decke herabhing, ins Pendeln geriet, wodurch sich der Lichtkegel wie ein Suchscheinwerfer bewegte. „Wärst du mein Freund, hättest du längst einen Weg gefunden, mich hier rauszuholen!“, keifte er weiter.

„Ich sagte doch, es gibt nur diesen einen. Ich habe schon alles in meiner Macht stehende versucht.“

Der Shinigami im Verlies schnaubte und schlug wütend mit der Faust gegen die Wand, wodurch ein dumpfer Widerhall ertönte. „Und wie soll ich das anstellen? Sag mir, wie!“

Gharon wippte mit dem Stuhl. „Nun, dein erstes Opfer hast du in den Tod getrieben und beim zweiten ging es nicht besser aus. Vielleicht versuchst du bei der nächsten Frau mal, sie mehr um den Finger zu wickeln und zu täuschen, statt durch Drohung und Zwang zur Mithilfe zu bewegen.“

Ayion spie aus. „Das wird so nichts. Keine Frauen mehr!“

„Du gibst auf?“ Gharon klang so überrascht wie er sich fühlte, während sein Artgenosse unruhig umhertigerte und nur ab und an vom Lichtkegel erfasst wurde.

„Sie widersetzen sich und wenn ich ihnen keine Wahl mehr lasse, sind sie zu schwach und wählen lieber den einfachen Weg, um mich loszuwerden.“

‚Sie töten sich, weil du sie in die Enge treibst‘, wäre es Gharon beinahe über die spröden Lippen gekommen, doch er beherrschte sich. Ayion wusste selbst, wo seine Fehler lagen, und es wäre weniger unterhaltsam, würde dieser seine Strategie gänzlich über den Haufen werfen. Es entsprach nicht seiner Art, ,nett' zu sein. Auf ihn trafen eher andere Beschreibungen zu: Sadist, Mörder, Psychopath und alles Sonstige, was weit entfernt von nett war. „Vielleicht versuchst du beim nächsten Mal etwas anderes“, riet Gharon dennoch. Eine Aussage, die vielseitig interpretiert werden konnte, so hoffte er.

„Du hast recht. Keine Weiber mehr. Ich suche mir einen Kerl!“ 

Ayions Antwort verblüffte Gharon. Sein Gefangener war absolut nicht der Typ, der einem Mann näherkommen würde, außer er beabsichtigte eben diesen umzubringen. Einen solchen jedoch davon zu überzeugen, Gutes in ihm zu erkennen oder ihn gar aus freien Stücken zu küssen, war undenkbar. Eher würde er sein Opfer zur Mithilfe zwingen, so wie er es bereits zuvor bei den beiden Frauen versucht hatte. Schließlich war Ayion weder charmant noch gab er sich irgendwelche Mühe, Sympathie zu erwecken. Dennoch war Gharon interessiert an den künftigen Entwicklungen und lehnte sich gespannt im Schicksalsstuhl zurück. Sein kurzer Besuch hatte sich jetzt schon gelohnt!

Kapitel 2: Erste Begegnung

Yukio

Yukio gehörte ohne Zweifel zu den wenigen Heranwachsenden in seiner Altersstufe, die ein Faible für Zahlen hatten. Logisch-analytische Fächer lagen ihm einfach viel mehr als künstlerisch-gestalterische. Er liebte es, mit Werten zu jonglieren und Berechnungen anzustellen. Letztlich hatte er sich genau deshalb für das Wirtschaftsstudium entschieden. Er brauchte etwas Greifbares. Dinge, die er sich vorstellen und in Diagrammen und Tabellen erfassen konnte. Dabei ahnte er noch nicht, wie sehr sein Leben eines Tages aus den Fugen geraten und wie undurchsichtig, verworren und irreal alles mit einem Mal werden würde. 

Der 19-jährige Student saß noch bis spät in die Nacht an der Fertigstellung seiner Hausarbeit. Ob er das heute noch schaffen würde, war fraglich, da er sich schon sehr matt fühlte und seine Lider allmählich immer wieder herabsanken. Nur der Schein der gedimmten Schreibtischleuchte erhellte das kleine, schlicht eingerichtete Zimmer, das sein Onkel Sanji ihm zur Verfügung gestellt hatte, seitdem er bei ihm lebte. Es war mit einem Kleiderschrank, einem Schreibtisch und einem richtigen Bett ausgestattet. Yukio hatte anfangs ein wenig Zeit gebraucht, um sich von seinem Futon umzugewöhnen, doch inzwischen liebte er die weiche Federung, die die Matratze ihm bot, und fragte sich, wie er die ganze Zeit nur auf einer Matte am Boden hatte schlafen können. 

Yukio kämpfte schon einige Stunden lang gegen die Müdigkeit an, als die Buchstaben auf seinem Bildschirm allmählich ineinander zu verschwimmen drohten. Er rieb sich die Augen, versuchte krampfhaft, sich zu konzentrieren, und starrte weiterhin auf den Monitor. Doch immer wieder wurden die Zeichen darauf unscharf und die schwarzen Linien schienen zu zerlaufen. 

Er gähnte erschöpft und sein Kopf fühlte sich mit einem Mal so unsagbar schwer an, dass er ihn auf seine verschränkten Arme legte und ein wenig vor sich hin döste. Nachdem seine Augen zugefallen waren, glitt er binnen Minuten in den Schlaf. Schon bald darauf begann er zu träumen und fand sich selbst inmitten eines schwachen Lichtkegels wieder. Er blickte an sich herab und bemerkte, dass er das weiße Shirt und die graue Trainingshose trug, die er tatsächlich gerade anhatte. Einen Wimpernschlag lang war er verblüfft über den Wahrheitsgehalt seines Traumes. Nur selten hatte er das Gefühl, von der Detailverliebtheit seiner Träume so sehr getäuscht zu werden, dass er dachte, sie könnten ebenso gut auch real sein. 

Neugierig sah er sich um und versuchte, irgendetwas in der Finsternis zu erkennen. Doch so sehr er seine Augen auch anstrengte, er konnte dort nichts als Schatten ausmachen. Yukio beschlich ein ungutes Gefühl und er beschloss, lieber im Licht zu bleiben. Nur Sekunden später nahm er ein Huschen wahr. Als hätte sich irgendetwas oder irgendjemand in dem Schwarz, das ihn umgab, bewegt. Zwar sah er niemanden, doch er spürte den kurzen Windhauch aus dem Nichts so deutlich, dass es ihm einen Schauer über den Rücken jagte. 

Für einen Moment war er wie erstarrt. Er konnte unmöglich allein sein und mit einem Mal schien ihm das Licht nicht mehr so sicher. Er fühlte sich wie auf einem Präsentierteller, doch in die Dunkelheit zu treten, war auch keine verlockende Aussicht. 

Im nächsten Augenblick wurde deutliches Stapfen hinter ihm hörbar. Yukio verharrte jedoch angsterfüllt, unfähig sich umzudrehen. Die Schritte bewegten sich weiterhin auf ihn zu und rüttelten Urinstinkte in ihm wach. ‚Lauf!‘, kam es ihm in den Sinn, doch seine Beine wollten nicht gehorchen. Sein ganzer Körper war starr vor Schreck und gehorchte seinen Kommandos nicht mehr. Mit einem Mal verstummten die Laute direkt hinter ihm und Yukio hielt entsetzt den Atem an. 

Danach begann sich auch das gedämpfte Licht zu verfinstern. Irgendetwas beachtlich Großes schien sich links und rechts von ihm auszubreiten. Diesmal spürte er den Windstoß, der dabei freigesetzt wurde, ganz deutlich. Sein Puls begann zu rasen und erneut glitt ihm ein eisiger Schauer über den Rücken. Seine Nackenhärchen stellten sich auf, als er schwarze Federschwingen um sich herum ausmachte. Zerschundene Flügel, die ihn plötzlich einhüllten und nur hier und dort ein wenig Helligkeit durchließen. Und wem auch immer sie gehörten, der musste nun direkt hinter ihm stehen. Yukios Herz raste noch schneller als er sich dessen bewusstwurde. Es beschleunigte sich sogar so stark, dass er beinahe schon fürchtete, es könnte sich überschlagen. Doch dieser Gedanke wich schnell und wurde durch Panik ersetzt, als er einen Atemhauch in seinem Nacken spürte. 

Plötzlich wurde seine linke Schulter grob umklammert. Der Griff war fest, die Hand stark und groß. Yukio war sich nun sicher, dass es ein Mann sein musste. Doch was wollte der von ihm und warum packte er ihn so barsch an? Er wollte schreien, brachte jedoch keinen einzigen Ton heraus. Und wer sollte ihn auch hören, in seinem Albtraum? Die Finger des Fremden bohrten sich inzwischen wie Krallen in seine Haut und kratzten seinen Oberarm entlang. Ein warmes, schmerzendes Pochen machte sich in ihm breit, als er überraschend seinen Namen irgendwoher vernahm. Erst war es nur ein Flüstern, dann wurde das Rufen immer lauter, bis schließlich alles in sich zusammenbrach und ihn in vollkommenes Schwarz hüllte. 

„Yukio“, hörte er nun eine ihm bekannte Stimme sagen, als er erwachte. Er hob den Kopf und wandte seinen Blick in Richtung Tür. Seine Augen brauchten einen Augenblick, um sich an das Dämmerlicht der Schreibtischlampe zu gewöhnen. Dennoch konnte er Umrisse ausmachen und Sekunden später erkannte er seinen Onkel im Türrahmen. Wer bitte sollte es auch sonst sein? Immerhin lebten hier nur sie beide. 

„Du solltest dich hinlegen, es ist schon spät“, sprach Sanji mit sanftmütiger Stimme und besorgtem Gesicht. 

Yukio versuchte, sich auf ihn zu konzentrieren, doch sein Arm brannte als wäre er mit Feuer in Berührung gekommen. Einen Augenblick lang dachte er darüber nach, ob es tatsächlich möglich wäre, den Schmerz des Traumes noch bis in die Realität hinein zu fühlen. Schließlich klang das Rasen seines Pulses auch nur gemächlich ab und noch immer fühlte er sich wie unter Strom. Das Unbehagen und die Furcht waren ebenso weiterhin gegenwärtig und Yukio lenkte sich einen Augenblick lang mit der Frage ab, ob es einfach bloß Adrenalin sein könnte.

Dann blickte er Sanji an. Er war bei Weitem nicht mehr der Jüngste, wirkte allmählich gebrechlich und sah ihn wieder mit diesem 'Blick' an. Diese beunruhigte Miene, die er immer machte, wenn er so spät abends noch das brennende Licht in Yukios Zimmer bemerkte. Den Ausdruck, bei dem sich seine Stirn in Falten legte und man ihm seine Besorgnis von den Augen ablesen konnte. 

„Es ist alles gut, Onkel“, versuchte er ihn zu beschwichtigen, rollte den Drehstuhl zurück und stand auf. „Ich werde jetzt schlafen gehen“, versprach er ihm und rang sich ein Lächeln ab. 

Sanji nickte stumm, wandte sich ab und ging den Flur entlang zu seinem eigenen Zimmer. 

Ein kurzer Gewissenskonflikt tobte in Yukio. Er hasste es, ihn anzulügen. Doch hätte er seinem Onkel von seinem Traum erzählen sollen? Yukio war überzeugt davon, dass die Wahrheit nur weitere Befürchtungen heraufbeschworen hätte, und er wollte ihm nicht noch mehr zur Last fallen als ohnehin schon.

Noch immer aufgewühlt betrat er das Badezimmer. Seine Arme fühlten sich schwer an und schienen noch leicht taub zu sein, da er mit dem Kopf auf ihnen gelegen hatte. Das machte das Zähneputzen zum ungewohnt mühseligen Akt und Yukios Lider wurden bereits beträchtlich schwer, als er noch mit der Zahnbürste in seinem Mund hantierte. Als er dabei einen roten Fleck auf seiner Schulter ausmachte, stoppte er abrupt und war plötzlich hellwach. 

Hastig spülte er aus, räumte seine Sachen weg und trat dann näher an den Spiegel heran. Ungläubig rieb er sich die Augen. Das weiße Shirt hatte unter dem Ärmel tatsächlich eine tiefrote Färbung an der schmerzenden Stelle angenommen. Kurz entschlossen zog er sich das blutbefleckte T-Shirt über den Kopf und betrachtete die tiefen Kratzspuren auf seinem Oberarm. 

Yukio schluckte hart und kniff sich selbst. Nein, das war kein Traum! Er klammerte sich am Rand des Waschbeckens fest und versuchte, klar zu denken. Er war sich hundertprozentig sicher, auf seinen Armen gelegen zu haben und auch so aufgewacht zu sein. Demnach hätte er sich die Verletzung schlecht selbst zufügen können. Allerdings waren dort unleugbar diese Striemen auf seinem Oberarm. Und da dies die einzig logische Schlussfolgerung war, redete er sich wider besseren Wissens weiterhin ein, dass die Kratzer von ihm stammen mussten. Schließlich war das die einzige logische Schlussfolgerung.

Unkontrolliert zitternd strich Yukio mit seinen Fingern darüber. Es brannte noch immer höllisch. Könnte es tatsächlich sein, dass dieser Typ aus dem Traum damit zu tun hat? Schnell schüttelte er den Gedanken ab. Träume waren nun mal bloße Einbildung und nicht die Realität! Oder könnten sie es etwa doch werden? 

Yukio spülte die Wunde behutsam mit klarem Wasser aus und machte sich bettfertig. Als er jedoch darin lag, fiel es ihm unermesslich schwer, auch nur ein Auge zu schließen. Zwar wusste er, dass sein Körper die Erholung dringend benötigte und zweifellos war er auch todmüde, aber die Furcht, sich erneut in diesen Traum wiederzufinden, war einfach zu groß. So lag er noch lange wach und grübelte darüber nach, wie das eben Erlebte möglich sein konnte. 

Von diesem Augenblick an sah er sich einem Problem gegenüber, das er nicht in Formeln packen, greifen oder erfassen konnte. Etwas, das er nicht verstand und ihm Angst einjagte. Nach einigen Stunden trieb die Erschöpfung ihn dennoch in den Schlaf, doch eine zweite Begegnung mit dem mysteriösen Fremden blieb in jener Nacht aus.

Yukios Tagebuch

Beklemmende Dunkelheit 

hüllt mich ein, 

schnürt mir die Kehle zu. 

Schritte nähern sich, deine.

Fragen dröhnen durch 

meine Gedankenströme. 

Wer bist du?

Was willst du von mir?

Warum jagst du mir 

solche Angst ein?

Ich erstarre vor Schreck,

bleibe im Licht.

Deine Hand greift nach mir,

packt mich grob.

Du tust mir weh,

warum hörst du nicht auf?

Ich möchte schreien, 

doch ich kann nicht.

Diese schwarzen Flügel…

Bist du etwa ein Engel?

Müsstest du dann nicht 

gut zu mir sein?

Kapitel 3: Verwirrung

Yukio

Die nachfolgenden Tage verliefen zwar ohne besondere Vorkommnisse, dennoch wollte Yukio dieser lebhafte Traum einfach nicht aus dem Sinn gehen.

---ENDE DER LESEPROBE---