Schön war's im Internat Ulrike - Marie Louise Fischer - E-Book

Schön war's im Internat Ulrike E-Book

Marie Louise Fischer

4,7

Beschreibung

Das letzte Jahr in Schloss Hartenstein beginnt mit einer Überraschung. Die zum Schloss gehörende Reitbahn ist wieder in Schuss gebracht und eine Reitschule eröffnet worden. Und auch sonst ist in der Folgezeit einiges los. Ulrike hat ein Theaterstück geschrieben. Mit wem aber sollen die Rollen besetzt werden? Eine Schwärmerei für einen Lehrer droht die Mädchen ein wenig aus der Bahn zu werfen. Und dann freundet sich Ulrike immer mehr mit Gabi an, die so anders ist als sie selbst. Als sich das Jahr und die Zeit im Internat dem Ende zuneigt, wird diese Freundschaft auf eine große Bewährungsprobe gestellt und es muss ich jetzt zeigen, was die Internatszeit aus Ulrike gemacht hat.-

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Marie Louise Fischer

Schön war s im Internat Ulrike

SAGA Egmont

Schön war’s im Internat Ulrike

Genehmigte eBook Ausgabe für Lindhardt og Ringhof Forlag A/S

Copyright © 2017 by Erbengemeinschaft Fischer-Kernmayr, (www.marielouisefischer.de)

represented by AVA international GmbH, Germany (www.ava-international.de)

Originally published 1967 by F. Schneider, Germany

All rights reserved

ISBN: 9788711719381

1. Ebook-Auflage, 2017

Format: EPUB 3.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt og Ringhof und Autors nicht gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk – a part of Egmont www.egmont.com

Alte Bekannte und neue Freuden

Als die Schülerinnen von Burg Hartenstein nach den großen Ferien in ihr Internat zurückkehrten, erwartete sie eine tolle Überraschung:

Zur Burg gehörte seit dem späten Mittelalter eine Reitbahn. Sie war in den letzten Jahren vernachlässigt und nicht mehr benutzt worden. Jetzt war das Tor zu dieser Reitbahn weit geöffnet. Die Pferdeställe waren frisch gekalkt und hergerichtet und in den Boxen standen. Nase an Nase, fünf prächtige Pferde. Über dem Eingang prangte ein frisch gemaltes Schild mit der Aufschrift „Reitschule“.

Ulrike Möller und Gabriele Reitmann entdeckten es im gleichen Augenblick, als sie aus dem Autobus stiegen. Die sportliche, unternehmungslustige Gaby war sofort Feuer und Flamme. Sie ließ ihren Koffer mitten auf dem Burghof stehen und stürmte mit einer Horde anderer Mädchen zu den Ställen hinüber.

„Kinder“, schrie sie, „das muß ich mir ansehen!“

Ulrike Möller wollte ihr schon folgen. Aber nach ein paar zögernden Schritten entschloß sie sich anders.

Sie war nicht mehr Reporterin des „Hartensteiner Boten“. Dieses Amt hatte sie kurz vor den Ferien freiwillig niedergelegt. Es bestand also für sie kein Grund mehr, jeder Neuigkeit gleich auf die Spur zu kommen. Die Reitbahn würde morgen noch genauso interessant sein wie heute. Sie fand die ungezügelte Neugier der anderen reichlich kindisch.

Ulrike hatte, gerade was Kameradschaft und Verständnis für ihre Altersgenossinnen betraf, auf Burg Hartenstein viel hinzugelernt. Doch das tief eingewurzelte Gefühl innerer Überlegenheit besaß sie immer noch, wenn sie sich auch mittlerweile selber mit kritischen Augen betrachtete.

Jetzt wollte sie erst einmal so schnell wie möglich auf ihr Zimmer, um ihren Koffer loszuwerden. So eins, zwei, drei, wie sie sich das gedacht hatte, ging das freilich nicht. Es wimmelte an diesem Ankunftstag auf dem Burghof und im Treppenhaus geradezu von Mädchen. Ulrike war durch ein Ereignis im vorigen Jahr zu einer kleinen Berühmtheit geworden: Nach einer heftigen Kritik, die sie über eine Aufführung geschrieben hatte, wurde sie von Mitgliedern des Theaterclubs entführt und erst von Freundinnen wieder befreit.

Von allen Seiten wurde sie nun begrüßt, und sie grüßte zurück. Scherzworte wurden ihr zugerufen, die sie schlagfertig zurückgab. Sie traf Eva Klostermann und die blonde Christel, mit denen sie zusammen im Skikurs gewesen war, Traudel Simson, die Chefredakteurin des „Hartensteiner Boten“, Hertha Kaiser und viele andere mehr. Alle erkundigten sich, wie es ihr in den Ferien ergangen war, und sie selber stellte jeder einzelnen die gleichen Fragen.

Sie lachten, riefen und liefen durcheinander; jede war froh, die anderen wiederzusehen. So sehr man im Sommer die Tage bis zu den großen Ferien gezählt hatte, so begeistert genoß man es jetzt, wieder auf Burg Hartenstein zu sein. Es war eine richtige Heimkehr; auch Ulrike empfand es so. Nie hätte sie geglaubt, daß sie jemals gern in das Internat zurückkehren würde, in das ihre Eltern sie vor einem Jahr ganz gegen ihren Willen gesteckt hatten.

Katja Kramer, die Zimmerverantwortliche, kurz Z. V. genannt, war schon dabei, ihre Kleider in den schmalen Schrank zu hängen, als Ulrike endlich den hellen, einfach möblierten Raum betrat.

„Hei, Katja!“ rief Ulrike, stellte ihren Koffer ab und strich sich eine Welle ihres hellblonden Haares aus der erhitzten Stirn. „Wie geht’s?“

„Danke, bestens.“ Katja wandte sich lächelnd Ulrike zu. „Und dir?“

„Blendend. Wo hast du die Ferien verbracht?“

Katja warf mit einer schwungvollen Kopfbewegung ihr leuchtend rotes Haar in den Nacken. „Wo schon? Natürlich im Internat.“

Ulrike kam sich plötzlich taktlos vor.

Sie wußte wie alle anderen, daß Katjas Eltern berühmte und vielbeschäftigte Schauspieler waren, die sehr wenig Zeit hatten, sich um ihre Tochter zu kümmern. „Wir hätten damals doch deinen Besuch bei uns zu Hause fest verabreden sollen“, sagte sie verlegen. „Im Abschiedstrubel haben wir es vergessen. Warst du die ganze Zeit über hier?“

„Hier? Nein, das nun doch nicht“, erklärte Katja, „in der Schweiz. Am Genfer See.“ Sie zog mit einer komischen Grimasse ihre hübsche kleine Nase kraus. „Sehr vornehmes Institut“, sagte sie mit gespielter Geziertheit. „Madame Larousse nimmt nur junge Damen aus allerersten Kreisen.“ Sie lachte, und ihre schrägen grünen Augen wurden wieder hell. „Hier gefällt’s mir, ehrlich gestanden, hundertmal besser.“

„Kann ich verstehen“, sagte Ulrike und öffnete ihren Koffer. „Ich war in den Ferien bei meinen Tanten. Es war ziemlich geruhsam, sonst aber auch nichts. Jedenfalls hatte ich Zeit zum Arbeiten.“

Katja trat interessiert näher. „Hast du das Theaterstück fertig?“

„Na klar. Was hast du dir denn gedacht? Ist doch Ehrensache.“ Ulrike holte das Manuskript aus dem Koffer.

„Gib her!“ sagte Katja.

Im vergangenen Jahr noch waren die beiden Mädchen erbitterte Feindinnen gewesen, weil Katja der Reporterin Ulrike ihre Einmischung in die Angelegenheit des Theaterclubs verübelt hatte. Direktor Heilmann, Eisenbart genannt, hatte einen klugen Weg gefunden, die beiden zu versöhnen. Er hatte ihnen den Auftrag gegeben, ein Theaterstück für die nächste Schulaufführung zu verfassen. Und die gemeinsame Arbeit hatte die beiden zusammengeschweißt.

Katja wog das Manuskript, das in einen Schnellhefter geordnet war, abschätzend mit der flachen Hand. „Ganz schön dick“, sagte sie. „Alle Achtung!“

„Meine Tante Emmy hat es abgetippt, sonst wäre es noch dicker!“

„Gratuliere!“ sagte Katja.

„Wieso das?“ wehrte Ulrike ab. „Wir haben es doch zusammen ausgedacht, ich habe es ja nur ins reine gebracht.“

„Mir scheint, du verstehst mich miß“, sagte Katja und lachte, „ich wollte dir nur zu der fleißigen, hilfsbereiten Tante gratulieren!“

Ulrike wurde rot. „Ach so“, sagte sie.

Sie hatte eigentlich vor, Katja zu bitten, es so schnell wie möglich zu lesen und dann ihr endgültiges Urteil abzugeben – denn Katja sollte natürlich auch in diesem Jahr die Regie führen. Doch dazu kam es nicht mehr, denn in diesem Augenblick betrat Gerti Moll das Zimmer, und Katja wandte ihre ganze Aufmerksamkeit der Kleinen zu.

Ulrike schmollte innerlich ein bißchen, denn schließlich fand sie sich und ihr Anliegen viel wichtiger. Aber sie hatte aus Erfahrung gelernt, daß es zwar bei ihren Tanten, nicht aber auf Burg Hartenstein einen Sinn hatte, die Beleidigte zu spielen. So begrüßte sie ebenfalls Gerti Moll, und zwar mit soviel Herzlichkeit, wie sie aufbringen konnte.

„Na, wie war’s zu Haus?“ fragte sie. „Was hast du in den Ferien erlebt?“

Gerti sah nicht gerade erholt aus. Mit ihrem kurzgeschnittenen dunkelblonden Haar, dem herzförmigen Gesichtchen und den weit auseinanderstehenden dunklen Augen wirkte sie mehr denn je wie eine verschreckte kleine Spitzmaus.

„Mein Vater hat ein Kind bekommen“, platzte sie heraus.

Die beiden großen Mädchen lachten.

„Dein Vater?“ sagte Ulrike. „Du machst wohl Spaß! Wahrscheinlich war es wohl deine Mutter?“

„Meine Mutter ist tot“, erklärte Gerti mit unerwarteter Bitterkeit.

„Das wissen wir alle“, sagte Katja rasch und warf Ulrike einen mahnenden Blick zu. „Ulrike meinte …deine neue Mutter.“

„Was ist es denn?“ fragte Ulrike. „Junge oder Mädchen?“

„Ein Junge …“

„Ist er nett?“ fragte Katja.

Gerti Moll zuckte die schmalen Schultern. „Na, eben ein Baby.“

„Immerhin“, sagte Ulrike, „soviel ich weiß, gibt es da auch Unterschiede …“

„So genau habe ich es mir nicht angeschaut“, behauptete Gerti.

Katja wurde stutzig. „Nun sag mal, was ist eigentlich los mit dir? Bist du eifersüchtig auf dein Brüderchen? Das wäre wirklich albern.“

„Ach, laßt mich in Ruhe!“ sagte Gerti patzig.

Das waren ganz neue Töne. Katja und Ulrike wechselten einen Blick. Was war bloß in die Kleine gefahren? Von dieser Seite her kannten sie sie ja gar nicht. Sonst war doch jedes Wort der bewunderten Katja für sie Gesetz gewesen.

Ulrike hob ihre hellen Augenbrauen. „Jetzt ist sie völlig überkandidelt;“ sagte sie geringschätzig.

Katja war nicht so schnell bereit, die Kleine zu verurteilen. „Verträgst du dich etwa mit deiner neuen Mutter nicht, Gerti?“ fragte sie. „Ist sie nicht gut zu dir?“

„Quatsch“, widersprach Ulrike. „Sie ist doch eine ganz fabelhafte Frau. Erinnerst du dich nicht, Katja? Sie war mal hier …mit Gertis Vater.“

„Sie meint es bestimmt nur gut mit dir“, sagte Katja, „aber wenn du gegen sie bockst, kannst du nicht erwarten …“

„Ich erwarte gar nichts! Ich brauche keine neue Mutter, und ich pfeife auch auf euch! Ihr redet bloß und redet und steckt eure Nasen in Dinge, die euch gar nichts angehen!“

„Na, entschuldige schon“, sagte Katja, jetzt doch verletzt, und wandte sich wieder ihrem Koffer zu.

„Mach dir nichts draus, Katja“, erklärte Ulrike, „du weißt ja: Eine spinnt immer!“ Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. „Meine Güte, nur sieben Minuten bis zum Läuten! Wir müssen uns beeilen, wenn wir bis dahin mit Auspacken fertig sein wollen!“

„Wo steckt Gaby eigentlich?“ fragte Katja und hängte ihr Sonntagskleid fein säuberlich über den Bügel. „Ist sie etwa noch nicht eingetroffen?“

„Doch“, sagte Ulrike, die sich darangemacht hatte, ihre Pullover in den Schrank zu stapeln. „Mit mir zusammen. Aber sie ist gleich zur Reitschule hinübergelaufen.“

„Das sieht ihr ähnlich. Bestimmt kommt sie zu spät.“

Diesmal hatte die kluge Katja sich geirrt. Gaby Reitmann stürmte genau fünfzehn Sekunden vor dem Läuten in das gemeinsame Zimmer und setzte ihren Koffer mit so viel Schwung ab, daß er ein gutes Stück über den blankgewachsten Boden rutschte.

„Da bist du ja endlich!“ rief Katja.

Gaby schlug die Hacken zusammen und legte die Hand grüßend an ihr krauses braunes Haar. „Melde mich gehorsamst zur Stelle, Herr Oberfeldwebel!“ schnarrte sie.

„Laß die Faxen!“ sagte Katja. „Du hättest dich nicht so lange herumtreiben sollen. Jetzt bleibt dir nicht einmal Zeit zum Auspacken.“

In diesem Augenblick begann die Glocke vom Burgturm ihr helles Gebimmel.

„Mach’ ich später“, sagte Gaby unbekümmert. „Menschenskinder, ihr wißt gar nicht, was ihr versäumt habt! Die Reithalle ist eine Wucht! Und erst einmal die Pferde!“ Sie begann an den Fingern aufzuzählen. „Ein Apfelschimmel, ein Brauner, ein Fuchs …“

Ulrike und Katja strebten schon der Türe zu und wollten eilig das Zimmer verlassen, um rechtzeitig drüben im Speisesaal des Hauptgebäudes zu sein.

„Lauft doch nicht weg!“ schrie Gaby. „Ich muß euch doch erzählen …“

„Merkst du nicht, daß niemand sich für Pferde interessiert?“ entgegnete Ulrike.

„Wie kannst du das sagen! Die halbe Schule war in den Ställen!“

„Na, wenn schon“, rief Ulrike, die inzwischen die Treppe erreicht hatte, über die Schulter zurück. „Mich jedenfalls lassen diese Tiere kalt!“

„Das verstehe ein anderer“, sagte Gaby, schwang sich aufs Treppengeländer und sauste wie der Blitz hinunter – was eigentlich streng verboten war. Aber heute, am ersten Tag, nahm es niemand so genau.

Auch bei der ersten gemeinsamen Mahlzeit war die neueröffnete Reitschule Thema Nummer eins. Nicht nur die Pferde waren es, die das Interesse der Mädchen erweckten, sondern auch der junge Reitlehrer und Stallmeister, ein Herr namens Georg Philipp.

Eine Schülerin hatte einen Spitznamen für ihn erfunden: „Prinz Philipp“. Er war so treffend, daß ihn sofort jeder übernahm. Der schlaksige, blonde junge Mann erinnerte tatsächlich entfernt an den Prinzgemahl der Königin von England. Außerdem war der Reitsport in den Augen der Mädchen etwas unerhört Elegantes und Außergewöhnliches.

„Prinz Philipp sagt“, berichtete Gaby, die wie immer das große Wort führte, mit vollem Munde, „alle dürfen Reitstunden nehmen, die genügend Zeit dazu haben. Sie kosten nichts extra. Die Reitstunden sind genau dasselbe, als wenn man an irgendeinem anderen Club oder einer Arbeitsgemeinschaft teilnimmt …“ Sie stopfte einen neuen Bissen Brot in den Mund. „Ich habe ihn natürlich gefragt, warum sich das Ganze dann nicht Reitclub nennt, klingt doch viel schicker …und er sagte, das wäre geplant, sobald er erstmal ein paar von uns zu richtigen Reiterinnen ausgebildet hätte.“

„Machst du mit?“ fragte Katja Kramer.

„Na klar!“ erklärte Gaby mit Energie. „Ich wäre ja verrückt, wenn ich mir die Gelegenheit entgehen ließe!“

„Braucht man keine Sondererlaubnis vom Eisenbart?“ fragte Irene Sievers.

„I wo! Jeder, der nicht gerade Extrastunden aufgebrummt bekommen hat, kann mitmachen.“

„Unter einer Bedingung“, ließ sich Fräulein Faust, die Hausvorsteherin und Sportlehrerin, vom oberen Ende des langen Tisches her vernehmen.

Alle Gesichter wandten sich erwartungsvoll „Gretchen“ zu, wie die Schülerinnen sie nannten. Gaby vergaß vor lauter Spannung sogar ihren Mund zu schließen. Sie zuckte zusammen, als Ulrike, die ihr gegenübersaß, sie unter dem Tisch anstieß. Es dauerte einige Zeit, bis sie merkte, was die andere wollte, und den Mund endlich wieder zuklappte.

„Wer Reitstunden nimmt, muß sich auch verpflichten, die Stallarbeiten zu erledigen“, erklärte Fräulein Faust in die plötzlich entstandene Stille hinein. „Das heißt: morgens eine halbe Stunde früher aufstehen, ausmisten, füttern und tränken, die Pferde striegeln, Geschirr putzen …“

„Wieso Geschirr?“ fragte eines der jüngeren Mädchen. „Ich dachte, Pferde tränken aus Eimern und fräßen aus Trögen!“

Alle lachten, und die Kleine selber lachte mit – es wurde nicht klar, ob ihre Bemerkung wirklich dumm gewesen war oder nur ein Witz sein sollte.

„Unter Pferdegeschirr“, erklärte Fräulein Faust, „versteht man Sattel, Zaumzeug, Bügel und Zügel …Das alles muß immer in genauso gutem Zustand sein wie die Pferde selber.“

„Na, dann viel Spaß“, murmelte Ulrike, „das kann ja heiter werden!“

„Und ob!“ rief Gaby begeistert. „Wann kann ich anfangen, Fräulein Faust? Morgen schon?“

„Eile mit Weile. Die Stallarbeit wird Herr Philipp einteilen, wenn es an der Zeit ist“, sagte Fräulein Faust. „Wenn du dich weiter so aufführst, liebe Gaby, wirst du bestimmt nicht dabeisein. Dann werde ich dafür sorgen, daß du Extrastunden bekommst …“

„Mein Zeugnis war doch ganz in Ordnung!“ protestierte Gaby. „Meine Eltern waren geradezu platt über die guten Noten!“

„Ich dachte nicht an ein Schulfach“, sagte Fräulein Faust ruhig, „sondern an Tischmanieren. Ein so großes Mädchen wie du sollte sich besser benehmen. Nimm die Ellbogen an den Körper heran, und vor allem sprich nicht dauernd mit vollem Munde. Ich würde dir raten, dich überhaupt ein wenig mehr zurückzuhalten. Du bist hier nicht als Alleinunterhalter angestellt.“

Ulrike wäre vermutlich vor Scham und Wut halb geplatzt, hätte man sie selber so vor allen anderen Mädchen zurechtgewiesen. Aber Gaby machte sich überhaupt nichts daraus. Sie grinste unbekümmert von einem Ohr bis zum anderen. Ulrike wußte wirklich nicht, ob sie sie wegen ihrer Dickfelligkeit beneiden oder verachten sollte.

Jedenfalls hatte Fräulein Fausts Tadel zur Folge, daß Gaby sich bis zum Schluß der Mahlzeit verhältnismäßig ruhig hielt.

Auch Ulrike beteiligte sich nicht weiter an der allgemeinen Unterhaltung, die sich immer noch um die Reitschule drehte. Ihr waren die Pferde, Prinz Philipp, das Reiten und die Stallarbeit vollkommen gleichgültig. Sie hatte nicht die Absicht, sich je auf ein Pferd zu setzen, noch weniger, mit der Mistgabel in der Hand zu arbeiten. Sie war überzeugt, daß sie das alles gar nichts anging.

Sie ahnte noch nicht, wie sehr sie sich damit getäuscht hatte und wie alles anders kommen sollte.

Was wird aus Ulrikes Theaterstück?

Fünf Tage später waren Ulrike und Katja fast gleichzeitig mit ihren Aufgaben fertig. Sie verließen nebeneinander den großen Arbeitssaal, in dem die anderen Mädchen der jüngeren Jahrgänge noch unter Aufsicht von Dr. Schütz rechneten, schrieben, lasen und auswendig lernten.

„Hast du was Besonderes vor?“ fragte Katja.

„Nö. Warum?“ gab Ulrike zurück.

„Ich hätte gern mal mit dir über das Theaterstück gesprochen.“

„Na, endlich!“

„Ich hatte es schon vor zwei Tagen ausgelesen“, erklärte Katja, „aber ich wollte noch warten …“

„Auf was?“

„Wirst du alles noch erfahren. Gehen wir in den Park hinüber. Dort sind wir ungestört.“

Es war ein sonniger, klarer Herbsttag, und die Büsche und Bäume des weitläufigen Parks standen in flammender Pracht. In den Beeten blühten Astern, Dahlien und vereinzelt sogar noch sommerliche Rosen.

Ulrike war Katja gefolgt, ohne viel zu überlegen.

Plötzlich blieb sie stehen. „Wir haben das Manuskript ja gar nicht dabei“, sagte sie, „soll ich es holen?“

„Nicht nötig“, wehrte Katja ab.

„Aber …“

Katja hatte sich auf einer Bank niedergelassen. „Komm, setz dich“, sagte sie freundlich, „wir wollen doch alles in Ruhe und Freundshaft besprehen …oder?“

Ulrike runzelte die Stirn. „Soll das heißen, daß es dir jetzt nicht mehr gefällt? Ich habe doch alles genau so geschrieben, wie wir es besprohen hatten. Du warst ganz einverstanden damit, sonst hätte ich mir die blödsinnige Arbeit ja gar nicht gemacht!“

„Setz dich“, wiederholte Katja statt jeder Erklärung und zog Ulrike an der Hand neben sich auf die Bank.

„Sage mir jetzt bitte endlich …“

„Ich bin ja dabei. Merkst du das denn nicht? Nur hast du mich bisher nicht zu Wort kommen lassen.“

Ulrike schlug die Beine übereinander, lehnte sich zurüde und setzte ihr hochnäsigstes Gesicht auf. „Na bitte“, sagte sie, „ich kann auch schweigen.“

„Ausgezeichnet“, sagte Katja. „Also paß mal auf …“

Sie machte eine kleine Pause, weil es ihr schwerfiel, die richtigen Worte zu finden. Doch diesmal dachte Ulrike nicht daran, sie zu unterbrechen.

„Dein Stück ist prima“, fuhr Katja fort. „Es ist alles drin, was man sich nur wünschen kann …Spannung. Rührung, Humor …, jede einzelne Rolle ist gut durchgearbeitet …“

„Aber?“ fragte Ulrike, die es doch nicht mehr aushielt. „Nun red shon. Mach’s nicht so spannend.“

„Glaub mir, die Enttäuschung ist für mich genauso groß wie für dich. Aber wir können das Stüch nicht auf die Beine stellen.“

Ulrike fuhr hoch. „Wieso denn nicht? Wir brauchen keine Kostüme, die Dekorationen sind denkbar einfach …“

„Darum geht es nicht, Ulrike. Wir haben nicht genug Personen für die Rollen.“

„Das ist ja lachhaft!“ Ulrike schnaubte durch die Nase. „Ich habe jedem Mitglied des Theaterclubs seine Rolle geradezu auf den Leib geschrieben, mehr konnte ich wirklich nicht tun, und jetzt behauptest du …“

„Ich behaupte gar nichts, Ulrike. Ich bemühe mich nur, dir Tatsachen klarzumachen, und zwar so schonend wie möglich, weil ich von Anfang an mit deiner Überempfindlichkeit und mangelnden Einsicht gerechnet habe.“

Ulrike hob verachtungsvoll die hellen Augenbrauen. „Wird’s dir leichter, wenn du mich beschimpfst?“

„Entschuldige schon“, sagte Katja, „das lag nicht in meiner Absicht.“

„O bitte!“

„Tatsache ist, und damit müssen wir uns wohl oder übel abfinden …, es haben sich nach den großen Ferien nicht mehr als zehn Mädchen für den Theaterclub gemeldet.“

Ulrike starrte die andere an. „Was!?“

„Genau das, was ich sage. In den vergangenen Jahren waren wir nie weniger als fünfzig. Ich habe absichtlich dieses Gespräch hinausgeschoben, weil ich immer noch hoffte, daß sich die eine oder andere Nachzüglerin bei mir melden würde. Aber nichts von alledem. Ich bin genauso bestürzt wie du, Ulrike.“

„Das verstehe ich nicht“, sagte Ulrike, „wie ist denn so etwas möglich?“

Katja zeigte sich entschieden gelassener. „Dafür gibt es verschiedene Gründe. Erstens hat Eisenbart den Theaterclub im Sommer aufgelöst …du erinnerst dich wohl, daß du selber daran nicht ganz unschuldig warst. Auf diese Weise sind die Mitglieder auseinandergelaufen und haben sich anderen Arbeitsgemeinschsften angeschlossen. Zweitens hast du bestimmt einige durch deinen scharfen Verriß der letzten Schulaufführung im ,Boten’ verprellt …“

„Aha“, sagte Ulrike, „das hätte ich mir ja denken können! Schuld an allem bin wieder mal ich! Du machst es dir wirklich sehr einfach, meine liebe Katja! Warum erwähnst du nicht zur Abwechslung, daß deine Schäfchen dich schon abgesetzt hatten, noch bevor Eisenbart den Club auflöste? Vielleicht gibt es auch einige, die keinen Spaß mehr haben, sich unter deine Fittiche zu begeben …die fürchten, daß alles wieder so werden wird wie in dem alten lahmen Verein!“

Katja errötete bis in die Haarwurzeln hinein. „Du hast recht, Ulrike“, bekannte sie, „meine Vorwürfe waren nicht fair.“