Schöne Momente - Joana Angelides - E-Book

Schöne Momente E-Book

Joana Angelides

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Beschreibung

IMPRESSIONEN Es gibt immer wieder Schöne Momente im Leben.Kleine Episoden, die sich in das Herz graben. Es braucht dann nur einen zarten Duft, ein lang nicht gehörtes Musikstück oder eine Situation, die alles wieder hervorholt. Man genießt schwerelose Ferientage, das Erlebnis mit einem Fischer oder nur eine Fahrt zwischen Olivenbäumen, das Rauschen des Meeres, oder leise Geigenmusik an einem heißen Nachmittag und alle diese Impressionen sind wieder da. Ob ältere Menschen nur deswegen als weise gelten, weil sie hin und wieder ein Lächeln im Gesicht haben, ohne dass wir wissen warum? Es sind die Erinnerungen die uns ein wenig glücklich machen

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Joana Angelides

Schöne Momente

Impressionen

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Das griechische Abendessen

 

Meine Einkaufsliste war lang!

Nun war ich schon im dritten Geschäft und habe noch immer nicht alles gefunden. Die Liste umfasst ungefähr hunderte Zutaten für das morgige Abendessen.

 

Robert hat seinen Chef mit Ehefrau zu einem griechischen Abendessen eingeladen. Eigentlich hat sich Herr Scherber selbst eingeladen und Robert blieb nichts anderes übrig, als scheinbar erfreut zuzustimmen. Warum hatte er denn auch so begeistert von unserem Urlaub gesprochen und geprahlt, was ich für tolle Rezepte mitgebracht habe?

 

Ich habe den Chef zwar bei der letzten Weihnachtsfeier kurz kennen gelernt, aber nicht seine Frau. Das kompliziert die Sache natürlich ungemein. Wahrscheinlich war sie so eine eingebildete Zicke, die sich sicher besser vorkam als die Angestellten ihres Mannes.

Also, hier waren die rosa Fischeier für den Tarama-Salat, da die Garnelen und die noch lebenden Krebse in einem Extrabehälter. Die Lammkottelet waren zart und sorgfältig vom Fleischer zugerichtet, bereit zum Grillen, eingelegt in Olivenöl, mit Origano und Pfefferkörnern mariniert.

 

Es fehlten noch Melanzani, einige Zucchini und Knoblauch. Robert meinte zwar, der Knoblauch wird vielleicht zu einem Problem werden, aber ich werde doch nicht meine Rezepte verändern! Außerdem weiß man nie, was anderen Menschen wirklich schmeckt.

 

Yoghurt, Gurken, Dill und Olivenöl für die Zubereitung des Tsatsiki hatte ich bereits im Kühlschrank. Zuletzt ließ ich noch die Miesmuscheln einpacken.

Noch am Vorabend begann ich mit der Vorbereitung und machte dann am nächsten Tag weiter. Meine Küche sah wie die Großküche eines Hotels aus. Anna, meine Perle, schimpfte dauernd auf Gäste, die wir nicht wirklich brauchen. Aber ohne sie hätte ich das gar nicht geschafft. Trotz dem griechischen Kochbuch aus der Buchhandlung.

 

Robert war unbeeindruckt! Er wusste ja nicht, dass unsere seltenen gemeinsamen Mahlzeiten sehr oft von „Francois“ kamen oder vom Meinl am Graben! Denn meist hatte ich Diät und aß nur Salat, oder wir aßen auswärts.

 

„Oh Schatz, kommst Du zurecht?“ Diesen Satz hörten wir bis zu zehn Mal, während wir in der Küche werkten. Ich glaube das nächste Mal werde ich das große Fleischmesser nach Robert werfen.

Ein letzter ordnender Handgriff noch am schön gedeckten Tisch, ein Zurechtrücken eines Glases und es war soweit

.

Unsere Gäste waren da!

 

Robert öffnete sofort nach dem Läuten die Türe und begrüßte Herrn Scherber und Frau. Ich stand mit einem strahlenden Lächeln daneben und nahm huldvoll seinen Handkuss entgegen. Seine Frau hatte ein kleines Lächeln im Gesicht. Sie sah schüchtern und nett aus, war sicher nur Tarnung!

Nach einem Aperitif im Wohnzimmer, wo der Chef meines Mannes das Wort hatte und sein schallendes Lachen bis in die Küche zu hören war, bat ich zu Tisch.

Mir fiel auf, dass seine Frau fast nichts sagte und wenn doch, dann wurde sie von ihrem Mann jedes Mal unterbrochen, oder er widersprach ihr. Und immer hatte sie ein kleines Lächeln im Gesicht.

Ich servierte den ersten Gang, meine Vorspeisen, die gekochten Krebse und marinierten Miesmuscheln in Ei-Zitronensauce, gebackene Melanzani und Zucchini mit Knoblauchcreme. Besonders stolz war ich auf die mit Tomaten und Schafkäse zubereiteten Garnelen.

 

Frau Scherber begann anfangs sehr zaghaft zuzugreifen, doch es schien ihr zu schmecken.

Sie stammelte eine Entschuldigung als ihr eine der Vorspeisen auf das Tischtuch fiel und sie einen bösen Blick ihres Ehemannes erhielt.

„Ach, kein Problem Frau Scherber, kann man alles waschen!“ Lachte ich gezwungen, um die Situation zu retten, langsam stieg Mitleid mit ihr in mir auf. Ein dankbarer Blick traf mich.

„Doris, ich heiße Doris!“, stammelte sie verlegen.

„Ich heiße Eva“ sagte ich und ergriff ihre Hand.

Herr Scherber unterbrach unsere kleine Unterhaltung mit der Frage:

 

„Sagen Sie, Knödel haben die Griechen wohl keine?“ Diesen Satz begleitete ein dröhnendes Lachen. In diesem Moment flutschte ihm eine der Garnelen quer über den Tisch. Scheinbar schien ihm dies nicht sonderlich zu stören, denn er angelte danach und legte sie wieder auf den Teller zurück.

Und mit vollem Munde stopfte er sich zwei verschiedene Vorspeisen rein und spülte mit Wein nach.

„Nein, und auch keine Blutwurst und kein Sauerkraut!“, ich war selbst erschrocken über meine laute Stimme. Neben mir registrierte ich ein leises Glucksen, das von Doris kam.

Ich stand auf.

 

„Darf ich jetzt den Hauptgang servieren?“

Auch Doris stand auf.

 

„Ich helfe Ihnen“, sagte sie und legte die Serviette auf den Tisch. Wir gingen in die Küche und als wir die Türe geschlossen hatten, brachen wir beide in ein übermütiges Lachen aus.

„So, jetzt trinken wir einmal einen Sherry, wir Beiden, dann gehen wir wieder rein“.

Ich schenkte ein und wir lächelten uns zu. Der Abend hat eine überraschende, angenehme Wendung genommen.

 

Wir ließen uns Zeit, arrangierten liebevoll die Lammkottelet auf die Platte, Anna, meine Perle, reichte mir die Schüssel mit dem Salat.

In diesem Moment steckte Robert den Kopf in die Küche.

 

„Wieso dauert das denn so lange?“ Er sah richtig besorgt und ein wenig verärgert aus.

 

„Ach, spielen Sie nicht Chef“, lachte Doris, nahm wie selbstverständlich die Platte mit dem Fleisch und wir gingen ins Speisezimmer.

 

Der Abend verlief dann etwas aufgelockert, woran der Wein nicht ganz unbeteiligt war; dem Chef schmeckte es offenbar, auch ohne Knödel. Es blieb nichts übrig.

Er merkte gar nicht, dass Doris einige Male einen Satz sprechen konnte, ohne von ihm unterbrochen zu werden.

 

Als sie denn endlich gegangen waren, das Esszimmer im Chaos versank, saßen Robert und ich im Wohnzimmer und tranken in aller Ruhe noch ein Glas Wein.

 

Robert meinte, sein Chef sei sicher beeindruckt von meiner Kochkunst und ich war überzeugt, eine neue Freundin gefunden zuhaben

 

Meine kleine Fischtaverne

 

In dieser kleinen griechischen Taverne, nicht weit weg vom Trubel der Touristenströme, aber doch noch unberührt vom Tourismus, treffen sich fast nur Stammgäste. Der Wirt kennt sie alle beim Namen und kennt auch ihre kleinen und größeren Probleme; denn manche seiner Gäste haben nicht nur ihr Herz bei ihm ausgeschüttet sondern auch ihre Familienfeste in seinem Lokal gefeiert, Freud und Leid liegt sozusagen eng beieinander.

 

Da sind zum Beispiel die drei Baumeister Kosta, Lefteri und Harry. Drei völlig verschiedene Charaktere und doch seit Jahren in Freundschaft verbunden, zusammengeschweißt durch ihre gemeinsame Arbeit, verschiedene Erlebnisse, Erfolge und auch Pleiten.

 

Sie sind immer auf der Suche nach Aufträgen. Das war früher leichter als heute, viele Grundstücke wurden in dem kleinen Ort schon verbaut, es stehen nun Appartementhäuser darauf. Nur hin und wieder hält sich trotzig eines der kleinen Sommerhäuser zwischen den großen Häusern. Das sind die Themen, die unsere drei Baumeister bewegen.

 

Nacheinander kommen sie in die Taverne und bestellen durch lautes Zurufen dreimal Ouzo beim Wirt. Dieser nimmt die Bestellung durch zustimmendes Nicken des Kopfes zur Kenntnis. Er bringt drei kleine Fläschchen gemeinsam mit einer Schale Eiswürfel und einen Teller mit pikanten Häppchen und stellt alles auf den Tisch. Sodann bringt er auch noch einen Korb mit frischem Brot und eine große Karaffe mit kaltem Wasser. Die drei Freunde gießen den Ouzo langsam und bedächtig in die Gläser und geben je nach Geschmack ein oder zwei Eiswürfel dazu. Sofort färbt sich der Ouzo durch die schmelzenden Eiswürfel milchig ein. Sie stoßen an prosten sich zu und sehen sich dabei an. Dann nehmen sie einen kleinen Schluck und wenden sich den Häppchen am Teller in der Mitte zu. Es ist eine Auswahl des reichhaltigen Angebotes an Vorspeisen. Es ist bemerkenswert mit welcher Liebe jedes kleine Tomatenstück, jeder in Olivenöl angebratene Paprika zerteilt wird und gemeinsam mit einem Stück Weißbrot im Mund verschwindet.

 

Es ist freitagnachmittags und sie unterhalten sich über die vergangene Woche, über die Hitze in der nahen Stadt der sie soeben entkommen sind und auch über den letzten Bestechungsskandal und über alle anderen kleinen Begebenheiten. Ihr dunkles, zufriedenes Lachen mischt sich mit den Rauschen der Wellen und den gedämpften Geräuschen aus der Küche zu einer Symphonie der Lebensfreude.

Am übermütigsten ist immer Harry. Wenn einer seiner Freunde etwas Passendes zum besten gibt oder einen Witz gut plaziert, schlägt er mit der rechten Hand über den Tisch in dessen Hand ein und ruft ihm ein Prost zu, um gleich anschließend auch sein Glas zum Mund zu führen. Ihre Unterhaltung wird immer lustiger und lauter. Eigentlich sollte Harry nach Hause gehen, da seine Frau mit dem Essen auf ihn wartet, doch er kann sich nicht von seinen Freunden trennen und erzählt immer wieder lustige Geschichten und Anekdoten über die alle lachen, obwohl sie schon alle kennen. Nun kommen auch noch andere Gäste in das Lokal, die Tische werden besetzt und das Spiel für den Wirt beginnt wieder von neuem.

Einer wird besonders laut und freudig begrüßt und am Tisch für ihn Platz gemacht. Es ist Vassili, einer der Zulieferer für die Projekte der drei Baumeister. Er hat schon eine Stunde zuvor telefonisch einen großen Fisch am Rost bestellt und setzt sich nun zu den Freunden; nicht ohne vorher eine große Geste der Begrüßung nach rückwärts in die Tiefe des Lokales zu senden und damit gleichzeitig zu signalisieren:

 

“Ich bin da, Ihr könnt servieren!”

 

Der Wirt ist schon unterwegs und bringt neuerlich einen Korb mit frischem Brot, vier Weingläser und einen zusätzlichen kleinen Teller. Den kleinen weißen Teller deshalb, da anzunehmen ist, dass auch Vassili von den kleinen Häppchen die noch am Tisch übrig geblieben sind, etwas nehmen wird. Dann eilt er wieder zurück und holt die bereits vorbereitete Fayence mit dem großen, am Rost durchgebratenen Fisch und stellt sie mit einer wahrlich königlichen Geste in die Mitte des Tisches. Einen leichten weißen Tischwein, die Lieblingsmarke der Freunde hat er unter dem Arm eingeklemmt und stellt ihn ebenfalls hin.

 

Der Fisch liegt nun in seiner ganzen Pracht hier mit leicht geöffnetem Maul und zwischen zwei Petersilienstämmchen lässt er die Zähne durchblitzen, das eine sichtbare Auge starrt ins Leere. Seine Außenhaut ist von der Holzkohle geschwärzt und in den Einschnitten ist das weiße Fleisch zu sehen. Heute Morgen hat er noch gelebt und sich in den Fluten des Mittelmeeres getummelt Die Vergänglichkeit des Lebens wird in diesem Moment dem Betrachter nicht wirklich bewusst, es gewinnt schon mehr die Vorfreude auf den bevorstehen Genus die Oberhand. Erst wenn ich diese Momente in meiner Erinnerung abrufe, drängt sich dieser Gedanke in mein Bewusstsein.

Ein großer Teller mit Salat, sowie eine kleine Schüssel mit einer Mischung aus Olivenöl und Zitrone folgen noch nach. Der Kopf wird nun von Vassili vom Körper des Fisches getrennt und zum Tellerrand geschoben. Mit der Gabel unter Zuhilfenahme der Finger wird nun die obere Hälfte des Fisches abgehoben und auf den vor ihm stehenden Teller gelegt. Das mit Zitrone vermischte Olivenöl wird mit einem Löffel sorgfältig über den Fisch gegossen. Mit einer einladenden Geste fordert er die Freunde auf, sich ebenfalls zu bedienen.

 

Der golden schimmernde Wein wird in die Gläser gefüllt, diese gehoben und alle prosten sich zu.

Kosta greift, wie immer wenn sich die Möglichkeit ergibt, zum Kopf des Fisches. Er liebt es, diesen sorgfältig zu zerteilen und jedes kleinste Stück genüsslich in den Mund zu schieben. Nur wirkliche Kenner und Genießer von Fischen können einen Fischkopf mit einer solchen Perfektion zerteilen und auslösen.

Harry winkt ab. Seine Frau wartet; was ihn jedoch nicht daran hindert nach einigen Minuten doch zuzugreifen und sich dem verlockenden Genus hinzugeben.

Der Vierte im Bunde, Lefteri hat selbst kleine Fische bestellt und bekommt diese soeben serviert. Es sind kleine Goldbarben, die ein wunderbar zartes Fleisch haben und zu den “Edelfischen” gehören. Auch er bittet die Freunde zuzugreifen.

 

Es ist immer wieder ein wunderbarer Anblick, wenn Menschen voller Lebensfreude mit sich und der Natur vereint, sich dem Augenblick so hingeben können wie unsere Freunde.

 

Dieses Mahl wird sich sicher bis in den späten Nachmittag hinziehen.

 

 

 

Impressionen

 

Anlässlich unseres jährlichen Griechenlandurlaubes fahren wir auch jedes Mal in ein kleines Fischerdorf, nur am Rande berührt vom Tourismus. In den kleinen Gassen, schmal, aber doch vom Licht durchflutet, grüßen uns die Blumen vor den Türen, eingepflanzt in leeren, alten bemalten Olivenöl-Dosen und Keramikschalen. Kleine Kätzchen verstecken sich vor den Geräuschen unserer Schritte und Stimmen, jedoch gierig nach Essbarem Ausschau haltend.

 

Unsere bevorzugte Taverne liegt am Ende der Hauptstraße, direkt am Meer. Einstöckig, im Schatten der Bäume, Weiß gekalkt die Wände und die Tische und Sessel befinden sich im Freien auf der Terrasse im ersten Stock.

Es ist wochentags und niemand zu sehen, außer dem Wirt und seiner Familie. Wie jedes Jahr begrüßen sie uns. Ohne Überschwang, mit stiller Herzlichkeit.. Wir fühlen uns wohl.

Das Auto stellen wir unter einen der Bäume weiter weg vom Haus ab und nehmen an jenem Tisch Platz, von dem wir schon wissen, dass er schattig bleibt. Der Sohn des Hauses, gleichzeitig der einzige Kellner, kommt mit einem neuen Tischtuch, einer Wasserkaraffe und Gläser. Wie immer probieren wir alle kleinen Vorspeisen die angeboten werden. Den Fisch vom Rost lassen wir auf der Zunge zergehen und der goldfarbene Retsina löscht unseren Durst.

Anschließend dösen wir im Schatten der zwei riesigen Platanen vor dem Haus im Liegestuhl vor uns hin, lauschen dem Zirpen der Grillen, dem leisen Klirren der Teller auf der Terrasse über uns und tauchen mit unseren Gedanken und Empfindungen in die weiche Stille des porzellan-weißen nachmittags.

 

Das Plätschern der Wellen und die heiseren Schreie der Möwen tragen uns weit weg.

Die Wolken wirken wie weiße Segel, die in die Unendlichkeit gleiten, den Horizont hinter sich lassend. Sie verändern ihre Gestalt und plötzlich sind es weiße Schleier die sich gegenseitig jagen und wenn sie sich erreichen, verschmelzen sie zu leicht schwingenden Umhängen, welche die Gestalten der Götter umschmeicheln. Sie tanzen im tiefen Blau der Unendlichkeit.

Die Rückfahrt in die andere reale Welt beginnt für uns jedes Mal mit Bedauern und ein wenig zögernd.

Erst einige Kilometer später geht es wieder zügig voran und eigentlich freuen wir uns schon wieder auf nächstes Jahr.

 

 

Kaffee

 

Mein Urlaubsdomizil, ein kleiner Ort, irgendwo in Griechenland ist, Gott sei es gedankt, vom Tourismus unentdeckt.

Es ist ein kleines Wunder, fast unglaublich, da dieser Ort nur Minuten vom Trubel eines Hotels, eines Campingplatzes und des Flughafens entfernt, direkt am Meer liegt. Es ist so, wie wenn gerade dieser Ort, wie bei Siegfried durch ein Blatt abgedeckt worden wäre.

Die Menschen hier sind einfach, jeder kennt jeden, kennt seine Schwächen, seine Stärken, die Probleme seiner Familie und alle nehmen Teil an der Freude und am Leid des Nachbarn. Der Ort ist bis 10 Uhr morgens verschlafen, fast alle Fensterläden sind noch zu, nur vereinzelt sitzt jemand am Balkon und schlürft seinen Kaffee, vor sich hin sinnend, noch halb vom Schlaf umfangen.

Dieser Kaffee wird nicht getrunken, sondern man schlürft ihn genüsslich noch ganz heiß, zwischen zwei Zügen einer Zigarette oder Pfeife. Es ist eine nicht ganz dunkle, eher mittel-braune Flüssigkeit aus hell gebranntem, puderfein gemahlenem Kaffee, und wird unter Zugabe von Zucker und Wasser gekocht, bzw. zelebriert.

Wenn Sie nun meinen, in Griechenland ist die Zubereitung von Kaffee immer gleich, so irren Sie.

Es ist eine eigene Wissenschaft! Man unterscheidet zwischen bitter, süß, mittel, sehr süß..........

Er wird nach dem Aufkochen aus dem Kännchen unmittelbar in die bereitstehende Kaffeetasse bis zur Hälfte eingegossen, dann lässt man den Rest nochmals aufwallen und gießt diesen dann ebenfalls in die Tasse nach.

 

Der Kaffee ist nur dann gelungen und gut, wenn sich obenauf etwas hellbrauner Schaum bildet. Nur mit Schaum ist der Kaffee gut, sagen alle Griechen!

In der Kaffeetasse verbleibt der Kaffeesud, mit dem mancher versucht die Zukunft vorauszusagen. als Prophet, Zukunftsvisionär oder Wahrsager.

Die Tasse mit dem Sud wird verkehrt auf die Untertasse gekippt und nun wird unter geheimnisvollen Blicken gewartet. Nach einer Weile wird das Geheimnis gelüftet, die Tasse mit einem Ruck aufgehoben und dann liegt die Zukunft, zumindest für den selbst ernannten Wahrsager, klar vor ihm. Alles wird so eintreffen wie er es sieht, oder vielleicht etwas nicht ganz, und vielleicht auch nicht sofort, aber bestimmt in absehbarer Zeit.

 

Aber vielleicht zeigt der Kaffeesud morgen alles anderes, oder aber auch doch nicht!

Der alte Fischer

Der Morgen ist langsam aufgestiegen aus dem Meer. Zuerst war es nur ein Silberstreif am Horizont. Dann wurden die Schatten schärfer und man konnte zwischen den einzelnen Häusern die Lichtstrahlen mit den Augen einfangen.

Vereinzelt krähte ein Hahn, es wurden einige Fenster, die Türen und Läden der Geschäfte geöffnet. Das Dorf erwachte.

 

Das Geräusch des herankommenden Fischkarrens war im ganzen Dorf zu hören. Der alte Manolis ging neben seinem Esel, den breitkrempeligen Hut tief ins Gesicht gezogen, über den Platz vom Gemeindeamt zur Kirche und pries mit lauter Stimme seine Fische an. Diese lagen fein säuberlich nebeneinander auf den Eisstücken und wurden außerdem immer wieder mit Wasser übergossen, um frisch zu bleiben. Die Waage hing an einem am Wagen befestigten Galgen in der Luft und schaukelte im Wind. Es war einer jene Waagen, die man in die eine Hand nahm und mit der anderen Hand wurde abgewogen. Niemals war sie genau, einmal schlug sie mehr nach links, einmal mehr nach rechts aus. Aber das störte niemand wirklich.

Nun blieb er stehen um auf Kundschaft zu warten. Die Erste war eine kleine rundlich wirkende Frau aus dem Haus des Bäckers. Sie kam, nur mit Pantoffel an den Füßen, die Kleiderschürze sorgfältig gebunden, mit der Geldbörse in der Hand über den Platz gefegt und begann, die Fische neugierig zu beäugen. Scheinbar gefiel ihr was sie sah. Sie suchte einige kleinere Fische aus, indem sie mit dem Zeigefinger darauf tippte und der alte Mann warf sie auf die Waage und steckte sie dann in eine durchsichtige Plastiktüte, die er zuband. Diese kam dann noch in ein weißes undurchsichtiges Plastiksäckchen. Sie wechselten noch ein paar Worte miteinander während er ihr das Kleingeld herausgab und dann ging die kleine rundliche Frau wieder zum Haus des Bäckers hinüber, das Plastiksäckchen vorsichtig vor sich her tragend.

Inzwischen hatten sich noch einige andere Frauen eingefunden, und auch der Gendarm musterte mit Kennerblick die angebotenen Fische und gab seine Kommentare ab. Alle tauschten mit dem alten Fischer Neuigkeiten aus, er erzählte ihnen vom nahen Nebendorf.

Heute Nacht wurde ein Kind geboren, die Fensterscheibe vom Friseurladen ging zu Bruch. Neuigkeiten verbreiten sich schnell.

Ein reges hin und her begann und nach und nach leerte sich der Behälter mit den Fischen. Auch eine Katze, die neben dem Karren hin und her schlich ergatterte eine kleine Sardine, die während dessen hinunterfiel.

Manoli hatte fast alle seine, an diesem Morgen gefangenen Fische verkauft. Er setzte sich auf den Randstein neben seinen Karren, nahm den Hut vom Kopf und wischte sich mit einem Tuch über die Stirne und noch etwas weiter hinauf, wo einst üppiger Haarwuchs war. Dann setzte er den Hut wieder auf. Neben dem Behälter mit Eis hatte er einen Tonkrug mit Wasser stehen und auch ein kleiner Imbiss, kleine Käsestrudel und Tomaten, waren dort eingepackt.

Langsam erhob er sich und nahm sich etwas von dem vorbereiteten Frühstück und setzte sich wieder.

Es war heute seine letzte Fahrt gewesen. Er schaute mit einem scheuen Blick hinüber auf die andere Seite des Platzes. Dort wird ab morgen ein Geschäft eröffnen, mit blitzender Auslage in Nirosta, einer großen elektronischen Waage die jedes Gramm genau zeigen wird und fließendem Wasser sowie gekacheltem Fußboden. Auch die Kasse ist elektronisch und wird jedes Mal im gleichen Tonfall klingeln, wenn sie den Rechnungszettel ausspuckt. Der Besitzer wird die Fische von einer Genossenschaft aus dem Nachbarort kaufen, in der sich die meisten Fischer zusammengeschlossen haben.

Wehmut ergriff ihn und er musste sich mit dem Tuch über die Augen wischen, scheinbar war im etwas ins Auge gekommen. Er wird sich in sein kleines Häuschen am anderen Ende der Bucht zurückziehen, nur mehr für den Eigenbedarf fischen gehen; oder wenn ihm danach zu Mute war. Denn die Stille, draußen auf den Wellen des Meeres, in Zwiesprache mit Gott, mochte er auf keinen Fall missen.

 

Er hatte sein bescheidenes Mahl verzehrt, machte noch einen großen Schluck aus seinem Wasserkrug und stand auf.

„Komm“, sagte er zu dem Esel, „es ist getan, wir gehen in den Stall.“

 

Und mit langsamen Schritten gingen die beiden die Straße hinauf, an den nun geöffneten Geschäften vorbei. Der Esel kannte den Weg, er hätte dabei schlafen können. Jeder Stein war ihm vertraut.

Da der alte Mann den Hut sehr tief ins Gesicht gedrückt hatte, sah er gar nicht, dass ihm einige zuwinkten und dass manch wehmütiger Blick zu ihm herüber flog.

 

Eine Augustliebe

 

Das einzige Geräusch war das Summen der Bienen.

 

Die innere Unruhe schien langsam einer müden Trägheit zu weichen. Er lag rücklings im Gras und blickte den langsam dahin wandernden weißen Wolken nach. Sie erschienen ihm wie Schiffe, die im tiefen Blau des Himmels ihren Weg suchen und dann in der Unendlichkeit verschwinden. Sie veränderten die Form ständig, um sich nach einer Weile ganz aufzulösen.

 

Man sollte hier liegen bleiben können, sich integrieren in die Natur, ganz mit ihr verschmelzen, sich ihren Gesetzen unterwerfen.

 

Wie war es denn vor vielen Jahren in den Sommerwochen hier hinter dem Haus, vor langer, langer Zeit?

Er erinnerte sich plötzlich an blondes Haar, blaue strahlende Augen, oder waren sie grün, mit braunen Punkten? An Lachen, an Laufen am Flussbett entlang. Atemloses Innehalten, Anlehnen an einen Baum, dem Geruch der Erde.

 

Wie lange war das her, es schien ihm, als wäre es in einem anderen Leben gewesen zu sein.

 

Sie versprachen sich, sich nie zu trennen, sie bastelte kleine Ringe aus Gras, die sie sich dann gegenseitig ansteckten. Sie wollten den Zauberwald finden, über den Regenbogen laufen. Sie versprachen sich ewige Liebe. Sie waren beide inzwischen dreizehn.

 

Wie lange war das her!

Die einprägsamsten Erlebnisse fanden im August jenes Jahres statt, in welchem sie sich zum letzten Mal sahen. Ihre Eltern kamen immer nur im August hierher und brachten die ganze Familie, von den Großeltern bis zu einer alten unverheirateten Tante und den Hund, mit. Sie waren so damit beschäftigt, das alte Sommerhaus bewohnbar zu machen, dass sie ganz vergaßen sich darum zu kümmern, was die Kinder eigentlich den ganzen Tag trieben. Hauptsache, sie waren zu den Mahlzeiten anwesend und das ohne irgendwelche Verletzungen.

So kam es, dass sie sich täglich schon am Morgen trafen und den ganzen Tag, nur von den Mahlzeiten unterbrochen, durch die Umgebung streifen konnten.

 

In der alten Scheune eines aufgelassenen Sommerhauses erforschten sie sich gegenseitig, entdeckten Gefühle und Reaktionen, die ihnen einzigartig erschienen, nur von ihnen beiden so empfunden.

 

Der Abschied vom Sommer war in jenem Jahr schwerer.

Sie wohnten nicht in derselben Stadt, sie wollten sich schreiben, doch irgendwie kam es nicht dazu. Er verlor die Adresse, der Alltag überrollte alles.

Im nächsten Sommer wartete er schon ungeduldig auf den August. Eines Tages kam ein Auto, ein hagerer Man stieg aus und befestigte eine Tafel im Vorgarten.

„Zu verkaufen“ stand darauf. Seine Enttäuschung war groß.

 

Er sah sie nie wieder. Er rechnete im Geiste nach. Wie viele Jahre waren seitdem vergangen?

Es musste fünfzig Jahre her sein!

 

Unglaublich erschien es ihm, die Erinnerung war so frisch, als wäre es gestern gewesen.

 

Vom nahen Kirchturm waren die Mittagsglocken zu hören und er richtete sich auf.

Er blinzelte gegen die Sonne, die ziemlich hoch stand. Stand dort nicht jemand, an den Baum gelehnt und blickte zu ihm herüber?

Er stand auf und beschattete seine Augen.

Ja, da stand eine kleine zierliche Gestalt, mit einem Strohhut in der Hand und blickte ihn an. Er konnte das Gesicht nicht genau sehen, es lag im Schatten.

Es drängte ihn, zu erfahren wer dort stand.

Er musste näher herangehen.

 

Dann stand er vor ihr.

„Du?“ Fragte er ungläubig.

 

„Ja, und Du bist...?“

 

Es war wieder August und sie hatten sich eine Menge, fast ein ganzes Leben, zu erzählen.

 

 

 

Der Engel mit der Geige

Also, eine Aufgabe war das wieder! Der Engel zweiter Klasse, mit der Nummer 046 sollte dafür Sorge tragen, dass der junge Mark Baumann in der Musikakademie Aufnahme fand. Er war sehr begabt, aber unsicher.

 

Der junge Mann stand mitten im Raum, hatte den Notenständer vor sich liegen und spielte selbstvergessen und wunderschön. So war das immer, wenn er alleine war, wenn es keinen Prüfungsstress gab.

 

Also, so wird das nichts, erkannte der Engel, sitzend auf der Fensterbank zum Garten und beschloss, endlich Taten zu setzen, erhob sich und flog davon.

 

Plötzlich hielt der junge Mann inne und horchte nach draußen.

 

Irgendjemand spielte Mozart. Es war eine Fuge, gespielt auf einer Geige. Unvermittelt brach die Musik jedoch immer wieder an derselben Stelle ab.

 

Wenn dieser Jemand dann nach einigen Sekunden wieder ansetzte, ertappte sich der junge Mann dabei, wie er innehielt und unwillig den Kopf wiegte.

 

Ja, was ist denn das, wieso kann denn dieser Spieler, die ohnehin leichte Passage noch immer nicht!

Es musste vom Nachbargrundstück kommen. Mark, genervt von den dauernden Störungen durch die Musik in sein eigenes Musizieren,

ging durch den Garten auf das, nur durch Thujen abgegrenzte Nachbargrundstück zu.

 

Er zwängte sich durch die Thujen durch und ging auf das kleine Gartenhäuschen zu und spähte durch das Seitenfenster hinein.

 

Da stand sie! Ein schlankes Mädchen, lichtumflutet wie ein Engel im Kirchenchor, die Geige gehalten zwischen Kinn und Schulter, das gelockte blonde Haar über den Rücken fallend. Er konnte die Hälfte ihres, der Geige zugewandten Gesichtes sehen. Sie hatte die Augen geschlossen und spielte mit Hingabe ihren Mozart.

 

Seine Blicke glitten über ihren Rücken, stockten an der leicht geknickten schlanken Hüfte und nahmen fasziniert die leicht nach außen führende Linie ihrer Beine wahr.

Sie trug ein langes dunkelgrünes Kleid mit einem Schlitz seitwärts und ihr rechtes Bein war halb sichtbar. Sie wippte mit dem Vorderfuß zum Takt. Sie erschien ihm so unglaublich zart, zerbrechlich wie eine Porzellanfigur aus Großmutters Vitrine. Und es ging ein Leuchten von ihr aus.

Durch den Stoff hindurch konnte man die Linie des sanft gebogenen Rückens sehen und den Verlauf ihres Rückgrates, der sanft in die weiche Linie des Po´s überging. Ihr Körper schien gespannt wie eine der Saiten ihres Instrumentes. Er verspürte plötzlich Lust, mit der Hand dieser sanft verlaufenden Linie zu folgen. Dieser Wunsch stieg in ihm hoch, ohne dass er sich dagegen wehren konnte und verwirrte ihm.

 

Zu ihren Füßen lag Pharao, sein eigener schwarzer Kater namens Pharao.

Er schien sich hier wohl zu fühlen. Hatte die Augen geschlossen, nur di Schwanzspitze ging im Takt hin und her.

Er musste auf einen kleinen Ast gestiegen sein.

 

„Ist jemand da?“ Sie legte die Geige über den Geigenkasten am Tisch und kam ebenfalls zur Türe.

„Geh einen Moment weg, Luzifer!“ Sie berührte Pharao leicht mit den Zehen und dieser rückte leise schnurrend ein wenig auf die Seite.

„Pharao!“ Sagte Mark laut und kam um das Haus herum.

 

„Oh, sie sind ein Pharao? So schauen sie aber gar nicht aus!“ Belustigt schaute sie ihn an.

„Nein, der Kater heißt so, er gehört mir!“ Er war leicht verlegen.

 

„Oh! Und wie heißen S i e und wie kommen Sie in meinen Garten?“

 

Er machte eine vage Handbewegung in Richtung des Nebengrundstückes

„Ich habe sie noch nie her gesehen, sind sie neu eingezogen?“

 

„Ich bin ganz neu hier und auch nur gelegentlich“, sagt sie wahrheitsgetreu. „Ich hörte sie auch Geige spielen, heute zum ersten Mal. Sie spielen wunderbar, ich möchte auch so spielen können!“

 

Er lächelte leicht verlegen.

 

Pharao bzw. Luzifer schmiegte sich an die langen Beine des schönen Mädchens und schnurrte leise.

 

„Wie kommen sie den auf Luzifer, als Namen für meinen Kater?“

„Weil er schwarz ist und grüne Augen hat“

 

Sie mussten beide lachen

„Ich werde nun wieder gehen, gute Nacht! Komm Pharao!“