Schwertgesang - Bernard Cornwell - E-Book
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Schwertgesang E-Book

Bernard Cornwell

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Beschreibung

Bernard Cornwell, geboren 1944, machte nach dem Studium Karriere bei der BBC, doch nach Übersiedlung in die USA – seine Frau ist Amerikanerin – war ihm die Arbeit im Journalismus mangels Green Card verwehrt. Und so entschloss er sich, einem langgehegten Wunsch nachzugehen, dem Schreiben. Im englischen Sprachraum gilt er seit langem als unangefochtener König des historischen Romans. Seine Werke wurden in über 20 Sprachen übersetzt – Gesamtauflage: mehr als 20 Millionen. Auch sein neuer Zyklus historischer Romane aus der Zeit Alfreds des Großen eroberte in Großbritannien und den USA die Bestsellerlisten im Sturm. Weitere Veröffentlichungen: Die Uhtred-Saga: 1. Das letzte Königreich 2. Der weiße Reiter 3. Die Herren des Nordens 4. Schwertgesang Die Artus-Chroniken: 1. Der Winterkönig 2. Der Schattenfürst 3. Arthurs letzter Schwur Weitere: Das Zeichen des Sieges

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Bernard Cornwell

Schwertgesang

Historischer Roman

Deutsch von Karolina Fell

Informationen zum Buch

Ich war ein Kriegsherr in all seiner Pracht, und ich war gekommen, um zu töten.

Im Jahre 855 herrscht ein brüchiger Friede in England. Den größten Teil des Landes halten die Dänen besetzt, nur Wessex im Süden ist noch frei. Dessen König Alfred beauftragt Uhtred, den Kämpfer, die große Stadt Lundene zurückzuerobern. Wer sie hält, kontrolliert die Themse, Englands Lebensader. Aber herrschen soll nicht Uhtred, sondern sein unfähiger Vetter Æthelred. Uhtred fühlt sich an seinen Eid gebunden, er nimmt die Stadt für Æthelred ein. Der aber begeht prompt eine furchtbare Dummheit, und seine schwangere Frau gerät in die Hände der Nordmänner. Nur einer wagt sich ins feindliche Lager: Uhtred. Dort wartet indessen eine Überraschung auf ihn…

«Es muss sehr kalt gewesen sein in dieser langen Nacht. Eis überzog die Senken der Felder, die der Fluss überschwemmt hatte, doch ich erinnere mich nicht an die Kälte. Ich erinnere mich nur an die gespannte Erwartung. Ich berührte Schlangenhauch, und es schien mir, als bebe mein Schwert. So manches Mal schien es mir, als würde die Klinge singen. Es war ein feiner, halblauter Gesang, eine Totenklage, das Lied einer nach Blut dürstenden Klinge. Es war der Schwertgesang.»

«Die Meisterschaft, mit der Cornwell historische Fakten und die Machtkämpfe der Epoche mit einer packenden Erzählung verbindet, ist einzigartig.». (Guardian)

Informationen zum Autor

Bernard Cornwell, geboren 1944, machte nach dem Studium Karriere bei der BBC, doch nach Übersiedlung in die USA – seine Frau ist Amerikanerin – war ihm die Arbeit im Journalismus mangels Green Card verwehrt. Und so entschloss er sich, einem langgehegten Wunsch nachzugehen, dem Schreiben. Im englischen Sprachraum gilt er seit langem als unangefochtener König des historischen Romans. Seine Werke wurden in über 20Sprachen übersetzt – Gesamtauflage: mehr als 20Millionen. Auch sein neuer Zyklus historischer Romane aus der Zeit Alfreds des Großen eroberte in Großbritannien und den USA die Bestsellerlisten im Sturm.

Weitere Veröffentlichungen:

Die Uhtred-Saga:

1.Das letzte Königreich

2.Der weiße Reiter

3.Die Herren des Nordens

4.Schwertgesang

Die Artus-Chroniken:

1.Der Winterkönig

2.Der Schattenfürst

3.Arthurs letzter Schwur

Weitere:

Das Zeichen des Sieges

Schwertgesang is voor Aukje,

met liefde:

Er was eens…

ORTSNAMEN

Die Schreibung der Ortsnamen im angelsächsischen England war eine unsichere und regellose Angelegenheit, in der nicht einmal über die Namen selbst Übereinstimmung herrschte. London etwa wurde abwechselnd als Lundonia, Lundenberg, Lundenne, Lundene, Lundenwic, Lundenceaster und Lundres bezeichnet. Zweifellos hätten manche Leser andere Varianten der Namen, die unten aufgelistet sind, vorgezogen, doch ich habe mich in den meisten Fällen nach den Schreibungen gerichtet, die entweder im Oxford Dictionary of English Place-Names oder im Cambridge Dictionary of English Place-Names für die Jahre um die Herrschaft Alfreds von 871 bis 899 zu finden sind. Aber selbst diese Lösung ist nicht narrensicher. So wird die Insel Hayling dort für das Jahr 956 sowohl Heilincigae als auch Hæglingaiggæ geschrieben. Auch bin ich selbst nicht immer konsequent geblieben; ich habe die moderne Bezeichnung England dem älteren Englaland vorgezogen und, statt Norðhymbraland, Northumbrien geschrieben, weil ich den Eindruck vermeiden wollte, dass die Grenzen des alten Königreiches mit denjenigen des modernen Staates identisch sind. Aus all diesen Gründen folgt die untenstehende Liste ebenso unberechenbaren Regeln wie die Schreibung der Ortsnamen selbst.

ÆscengumEashing, SurreyArwanFluss Orwell, SuffolkBeamfleotBenfleet, EssexBebbanburgBamburgh Castle, NorthumberlandBerrocscireBerkshireCair LigualidCarlisle, CumbrienCaningaInsel Canvey, EssexCentKentCippanhammChippenham, WiltshireCirrenceastreCirencester, GloucestershireCisseceastreChichester, SussexCocchamCookham, BerkshireColaunFluss Colne, EssexContwaraburgCanterbury, KentCornwalumCornwallCracgeladCricklade, WiltshireDunastopolDunstable (von den Römern als Durocobrivis bezeichnet), BedfordshireDunholmDurham, Grafschaft DurhamEoferwicYork, YorkshireEthandunEdington, WiltshireExanceasterExeter, DevonFleotFluss Fleet, LondonFrankiaFrankenreichFughelnessInsel Foulness, EssexGrantaceasterCambridge, CambridgeshireGyruumJarrow, Grafschaft DurhamHastengasHastings, SussexHorsegInsel Horsey, EssexHothlegeFluss Hadleigh, EssexHrofeceastreRochester, KentHwealfFluss Crouch, EssexLundeneLondonMæides StanaMaidstone, KentMedwægFluss Medway, KentOxnafordaOxford, OxfordshirePadintunePaddington, Groß-LondonPantFluss Blackwater, EssexScaepegeInsel Sheppey, KentSceaftes EyeInsel Sashes (bei Cookham)SceobyrigShoebury, EssexScerhnesseSheerness, KentStureFluss Stour, EssexSuthergeSurreySuthriganaweorcSouthwark, Groß-LondonSwealweFluss Swale, KentTemesFluss ThamesThunresleamThundersley, EssexWæcedWatchet, SomersetWæclingastrætWatling StreetWelengafordWallingford, OxfordshireWerhamWareham, DorsetWiltunscirWiltshireWintanceasterWinchester, HampshireWocca’s DunSouth Ockenden, EssexWodenes EyeInsel Odney (bei Cookham)

PROLOG

Dunkelheit. Winter. Eine frostige, mondlose Nacht.

Unser Schiff lag auf der Temes, und über seinen hohen Bug hinweg sah ich auf dem schimmernden Wasser das Spiegelbild der Sterne. Der Fluss führte Hochwasser, denn geschmolzener Schnee von zahllosen Hügeln hatte ihn anschwellen lassen. Die Schmelzbäche kamen aus den hochgelegenen Kalkebenen von Wessex. Im Sommer würden sie austrocknen, doch jetzt stürzten sie sich schäumend die langgestreckten grünen Hügel hinab und nährten den Fluss und flossen bis weit ins Meer.

Unser Schiff, das keinen Namen trug, lag am südlichen Ufer, hinter dem Wessex begann. Nördlich des Flusses lag Mercien. Unser Bug war stromaufwärts gerichtet. Wir verbargen uns unter den tief herabhängenden, winterkahlen Zweigen dreier Weidenbäume, gegen das Abtreiben mit der Strömung durch ein ledernes Tau gesichert, das wir um einen Ast geschlungen hatten.

Wir waren achtunddreißig in diesem namenlosen Gefährt, einem Handelsschiff, das den Oberlauf der Temes befuhr. Der Schiffsführer hieß Ralla, und er stand mit einer Hand auf dem Steuerruder neben mir. Ich konnte ihn in der Finsternis kaum sehen, doch ich wusste, dass er ein Lederwams trug und sich mit einem Schwert gegürtet hatte. Wir anderen waren mit Lederharnischen, Kettenhemden, Helmen, Schilden, Äxten, Schwertern oder Speeren gerüstet. Heute Nacht würden wir töten.

Sihtric, mein Diener, kauerte neben mir und fuhr mit einem Wetzstein über die Klinge seines Kurzschwertes. «Sie sagt, sie liebt mich», erklärte er mir.

«Natürlich sagt sie das», sagte ich.

Er hielt inne, und als er weitersprach, klang seine Stimme lebhafter, als hätten ihn meine Worte ermutigt. «Und ich muss jetzt schon neunzehn Jahre alt sein, Herr! Vielleicht sogar zwanzig?»

«Achtzehn?», schlug ich vor.

«Ich könnte schon seit vier Jahren verheiratet sein, Herr!»

Wir sprachen beinahe flüsternd. Die Nacht war voller Geräusche. Das Wasser murmelte, die kahlen Zweige schlugen im Wind gegeneinander, ein Nachttier sprang klatschend in den Fluss, eine Füchsin heulte wie eine tote Seele, und irgendwo rief eine Eule. Das Schiff knarrte. Sihtrics Wetzstein zischte und kratzte über den Stahl. Ein Schild schlug dumpf gegen eine Ruderbank. Trotz all dieser nächtlichen Geräusche wagte ich es nicht, lauter zu sprechen, denn das feindliche Schiff lag stromaufwärts vor uns, und die Männer, die von diesem Schiff aus an Land gegangen waren, hatten bestimmt Wachen an Bord zurückgelassen. Diese Wachen mochten uns gesehen haben, als wir auf der mercischen Uferseite stromabwärts gefahren waren, doch mittlerweile würden sie bestimmt annehmen, dass wir uns weit Richtung Lundene entfernt hatten.

«Aber wer will eine Hure heiraten?», fragte ich Sihtric.

«Sie ist…», setzte Sihtric an.

«Sie ist alt», knurrte ich, «vielleicht schon dreißig. Und verdorben ist sie obendrein. Ealswith muss einen Mann nur sehen, und schon macht sie die Beine breit! Wenn du jeden Mann aufstellen würdest, der diese Hure besprungen hat, dann hättest du eine Armee vor dir, mit der du ganz Britannien erobern könntest.» Neben mir kicherte Ralla. «Und wärst du auch in dieser Armee, Ralla?», fragte ich.

«Mit mehr als zwanzigfacher Sicherheit, Herr», sagte der Schiffsführer.

«Sie liebt mich.» Sihtric klang trotzig.

«Sie liebt dein Silber», sagte ich, «und außerdem, warum sollte man ein neues Schwert in eine alte Scheide stecken?»

Es ist merkwürdig, über was Männer vor dem Kampf so reden. Über alles, außer über das, was sie vor sich haben. Ich habe in einem Schildwall gestanden, vor mir den Feind mit hell blitzenden Klingen und finster drohenden Mienen, und da hörte ich zwei meiner Männer wild darüber streiten, welche Schänke das beste Bier braut. Angst umhüllt uns wie eine Wolke und wir reden über Nichtigkeiten, weil wir so tun wollen, als gäbe es diese Wolke nicht.

«Such dir was hübsches Junges», riet ich Sihtric. «Die Tochter dieses Töpfers ist alt genug zum Heiraten. Sie muss jetzt dreizehn sein.»

«Die ist dumm», wandte Sihtric ein.

«Und was bist du?», wollte ich von ihm wissen. «Ich gebe dir Silber, und du wirfst es in das nächstbeste Loch! Als ich sie das letzte Mal gesehen habe, trug sie einen Armring, den ich dir gegeben hatte.»

Er schniefte und sagte nichts mehr. Sein Vater war Kjartan der Grausame gewesen, ein Däne, und seine Mutter eine der sächsischen Sklavinnen, die Kjartan besprungen hatte. Doch Sihtric war ein guter Junge, obwohl er in Wahrheit kein Junge mehr war. Er war ein Mann, der im Schildwall gestanden hatte. Ein Mann, der getötet hatte. Ein Mann, der heute Nacht wieder töten würde. «Ich suche dir eine Frau», versprach ich ihm.

Und da hörten wir die Schreie. Sie waren nur schwach zu vernehmen, denn sie kamen von weit weg, waren kaum mehr als kratzende Geräusche in der Dunkelheit und zeugten von Schmerz und Tod in südlicher Richtung. Schreie und Rufe. Frauen schrien, und zweifellos starben Männer.

«Verflucht sollen sie sein», sagte Ralla bitter.

«Das ist unsere Arbeit», sagte ich knapp.

«Wir hätten…», fing Ralla an, doch dann überlegte er es sich anders und schwieg. Ich wusste, was er hatte sagen wollen, dass wir nämlich das Dorf hätten beschützen sollen, doch er wusste auch, was ich geantwortet hätte.

Ich hätte ihm erklärt, dass wir nicht wussten, welches Dorf die Dänen angreifen würden, und selbst wenn, hätte ich es nicht geschützt. Wir hätten das Dorf decken können, wenn wir gewusst hätten, wo die Angreifer ihren Vorstoß machen würden. Ich hätte meine gesamte Haustruppe auf die kleinen Hütten verteilen und, in dem Moment, in dem die Feinde kamen, mit Schwertern, Äxten und Speeren ausbrechen können, und wir hätten einige von ihnen getötet, aber in der Dunkelheit wären noch viel mehr von ihnen entkommen, und ich wollte nicht, dass auch nur einer von ihnen entkam. Ich wollte jeden Dänen, jeden Nordmann, ich wollte jeden Angreifer tot sehen. Alle, bis auf einen, und diesen einen würde ich nach Osten schicken, damit er in den Lagern der Wikinger die Nachricht verbreitete, dass an den Ufern der Temes Uhtred von Bebbanburg auf sie wartete.

«Arme Seelen», murmelte Ralla. Durch das Gewirr der Weidenzweige sah ich im Süden den rötlichen Schimmer brennender Strohdächer. Der Schimmer wurde zusehends leuchtender und breitete sich aus, bis er den winterlichen Himmel über einem Niederwald erhellte. Der Schimmer spiegelte sich in den Helmen meiner Männer, tauchte das Metall in einen roten Widerschein, und ich rief ihnen zu, sie sollten die Helme abnehmen, um zu vermeiden, dass die Wachen in dem großen Schiff vor uns die rotglühende Spiegelung entdeckten. Auch ich nahm meinen Helm mit dem silbernen Wolfskamm ab.

Ich bin Uhtred, Herr von Bebbanburg, und damals war ich ein Kriegsherr. Ich stand dort in Lederrüstung und Kettenhemd, mit Umhang und Waffen, jung und stark. Die Hälfte meiner Haustruppe war bei mir in Rallas Schiff, die andere Hälfte befand sich unter Finans Kommando weiter westlich zu Pferde.

Jedenfalls hoffte ich, dass sie dort im nachtumhüllten Westen auf uns warteten. Mit dem Schiff hatten wir es leichter gehabt, denn wir konnten uns den dunklen Fluss hinabtreiben lassen, um auf den Feind zu treffen, während Finan seine Männer über das nachtschwarze Land hatte führen müssen. Doch ich vertraute auf Finan. Er würde dort sein, ruhelos und grimmig, und nur darauf warten, endlich sein Schwert ziehen zu können.

Dies war nicht unser erster Versuch in diesem langen, feuchten Winter, dem Feind an der Temes aufzulauern, doch es war der erste, der Erfolg versprach. Zweimal schon war mir berichtet worden, dass die Nordmänner die eingebrochene Brücke von Lundene hatten überwinden können, und die schwach gesicherten, wehrlosen Dörfer von Wessex überfallen hatten, und beide Male waren wir den Fluss heruntergefahren und hatten sie nicht gefunden. Doch dieses Mal hatten wir die Wölfe eingekreist. Ich berührte das Heft von Schlangenhauch, meinem Schwert, und dann berührte ich das Amulett, das um meinen Hals hing, den Hammer Thors.

Töte sie alle, betete ich zu Thor, töte sie alle bis auf einen.

Es muss sehr kalt gewesen sein in dieser langen Nacht. Eis überzog die Senken der Felder, die der Fluss überschwemmt hatte, doch ich erinnere mich nicht an die Kälte. Ich erinnere mich nur an die gespannte Erwartung. Ich berührte Schlangenhauch erneut, und es schien mir, als bebe mein Schwert. So manches Mal schien es mir, als würde die Klinge singen. Es war ein feiner, halblauter Gesang, eine Totenklage, das Lied einer nach Blut dürstenden Klinge. Es war der Schwertgesang.

Wir warteten, und danach, als alles vorüber war, sagte Ralla mir, dass ich die ganze Zeit nicht aufgehört hatte zu lächeln.

Ich dachte nicht, dass unser Hinterhalt sicher wäre, denn die Plünderer kehrten erst zu ihrem Schiff zurück, als das Morgenrot den östlichen Himmel erglühen ließ. Ihre Wächter, dachte ich, müssten uns entdecken, doch sie taten es nicht. Die schwankenden Zweige der Weiden hingen wie ein tarnendes Netz vor uns, vielleicht aber wurden die Feinde auch von der aufsteigenden Wintersonne geblendet, denn niemand sah uns.

Doch wir sahen sie. Wir sahen die Männer in ihren Kettenhemden eine Gruppe von Frauen und Kindern über ein regendurchtränktes Feld treiben. Ich schätzte, dass es etwa fünfzig Plünderer waren und ebenso viele Gefangene. Die Frauen waren vermutlich die jungen Mädchen aus dem niedergebrannten Dorf, und sie sollten dem Vergnügen der Plünderer dienen. Die Kinder würden auf dem Sklavenmarkt von Lundene verkauft werden und von dort aus übers Meer ins Frankenreich oder noch weiter weg geschickt werden. Auch die Frauen würden, nachdem sich die Plünderer zur Genüge an ihnen befriedigt hatten, verkauft werden. Wir waren nicht nahe genug, um das Schluchzen der Gefangenen zu hören, doch ich konnte es mir gut genug vorstellen. Südwärts, wo sanfte grüne Hügel die Flussniederung umrahmten, beschmutzten langgestreckte Rauchschwaden den klaren Winterhimmel und zeigten an, wo die Angreifer das Dorf niedergebrannt hatten.

Ralla bewegte sich. «Warte», murmelte ich, und Ralla rührte sich nicht mehr. Er war grauhaarig, zehn Jahre älter als ich, und seine Augen waren nach seinen vielen langen Fahrten über spiegelnde Meere nur noch Schlitze. Er war ein Schiffsführer, ein Krieger und Freund. «Noch nicht», sagte ich leise, und ich berührte Schlangenhauch und fühlte, wie der Stahl bebte.

Männerstimmen wurden laut, sorgloses Gelächter drang bis zu uns. Mit lebhaften Rufen drängten sie ihre Gefangenen aufs Schiff. Die Männer zwangen sie, in den Kielraum zu kriechen, in dem das kalte Wasser schwappte, damit das überladene Schiff ohne Schlagseite über die Untiefen flussabwärts kam, wo die Temes durch ein felsiges Bett rauschte und nur die besten und kaltblütigsten Schiffsführer die Durchfahrt meistern konnten. Dann stiegen die Krieger mit ihrer Beute an Bord. Mit den Spießen und Kesseln und den metallenen Scharen der Pflüge und Messern und was sich sonst noch verkaufen, einschmelzen oder gebrauchen ließ. Sie lachten grölend. Diese Männer hatten Menschen abgeschlachtet, und sie würden durch ihre Gefangenen reich werden, und sie waren in fröhlicher, unbesorgter Stimmung.

Und Schlangenhauch sang leise in seiner Scheide.

Ich hörte das dumpfe Poltern von dem anderen Schiff, mit dem die Ruder in ihre Halterungen geschoben wurden. Eine Stimme rief: «Abstoßen!»

Der große Schnabel des feindlichen Schiffes, den der bemalte Kopf eines Untiers krönte, drehte sich in den Fluss. Männer drückten Ruderblätter gegen das Ufer, um das Schiff weiter hinauszuschieben. Es bewegte sich, wurde von der Hochwasserströmung in unsere Richtung getragen. Ralla sah mich an.

«Jetzt», sagte ich. «Das Seil kappen!», rief ich, und Cerdic hieb von unserem Bug aus das Ledertau durch, das uns an der Weide gehalten hatte. Wir benutzten nur zwölf Ruder, und sie tauchten nun in den Fluss, während ich zwischen den Ruderbänken hindurch nach vorne ging. «Wir töten sie alle!», rief ich. «Wir töten sie alle!»

«Rudert!», brüllte Ralla, und die zwölf Männer legten sich gegen die Strömung des Flusses in die Ruder.

«Wir töten noch den Letzten dieser Bastarde!», rief ich und stieg auf das kleine Bugpodest, auf dem mein Schild stand. «Tötet sie alle! Tötet sie alle!» Ich setzte meinen Helm auf, schob meinen linken Unterarm durch die ledernen Schlaufen des Schildes, hob das schwere Holz an und zog Schlangenhauch aus seiner mit Wollvlies gefütterten Scheide. Mein Schwert sang nicht mehr. Es schrie.

«Töten!», rief ich. «Töten, töten, töten!», und die Ruder tauchten im Takt meiner Rufe ins Wasser. Vor uns schwenkte das feindliche Schiff in die Strömung, weil die überraschten Männer mit dem Ruderschlag ausgesetzt hatten. Sie riefen durcheinander, suchten nach ihren Schilden und kletterten über die Ruderbänke, auf denen ein paar von ihnen immer noch versuchten weiterzurudern. Frauen schrien und Männer stolperten übereinander.

«Rudert!», rief Ralla. Unser namenloses Schiff schoss in die Strömung, während der Feind auf uns zu getrieben wurde. Der Kopf des Untiers hatte eine leuchtend rot bemalte Zunge, weiße Augen und Zähne wie Dolchklingen.

«Jetzt!», rief ich Cerdic zu, und er schleuderte den Haken an der Kette über die Bugwand des feindlichen Schiffes und zog an der Kette, damit sich der Haken tief in die Schiffsplanke fraß und er das Schiff zu uns heranziehen konnte.

«Jetzt tötet sie!», rief ich und sprang über die Lücke auf das andere Schiff.

Oh, die Freude, jung zu sein. Achtundzwanzig Jahre alt zu sein, stark zu sein, ein Kriegsherr zu sein. All das ist jetzt vorbei, nur noch die Erinnerung ist übrig, und Erinnerungen verblassen. Aber die Freude ist in meinem Gedächtnis noch lebendig.

Schlangenhauchs erster Schlag war ein Hieb rückwärts. Ich tat ihn, als ich auf das Bugpodest des feindlichen Schiffes sprang, wo ein Mann versuchte, den Haken aus dem Holz zu zerren, und Schlangenhauch fuhr unter seine Kehle und traf ihn so schnell und kraftvoll, dass der Kopf des Mannes halb abgetrennt wurde. Sein Schädel schnappte zurück, und Blut spritzte hell in den Wintermorgen. Blut spritzte auf mein Gesicht. Ich war der Tod, herabgekommen aus der Dämmerung, der blutüberströmte Tod in Kettenrüstung und schwarzem Umhang und wolfsgekröntem Helm.

Jetzt bin ich alt. So alt. Meine Augen werden schlecht, meine Muskeln sind schwach, meine Pisse tröpfelt, meine Knochen schmerzen und ich sitze in der Sonne und schlafe ein, um müde wieder aufzuwachen. Aber ich erinnere mich an diese Kämpfe, diese alten Kämpfe. Meine neueste Frau, das frömmlerischste Stück Weib, das die Menschheit je mit ihrem Gegreine belästigt hat, zuckt zusammen, wenn ich diese Geschichten erzähle, aber was haben die Alten sonst, außer ihren Geschichten? Einmal hat sie aufbegehrt, gesagt, sie wolle nichts wissen von Köpfen, die zurückschnellen und helles Blut verspritzen, aber wie sollen wir unsere jungen Männer anders auf die Kämpfe vorbereiten, die sie bestehen müssen? Ich habe mein ganzes Leben lang gekämpft. Das war mein Schicksal, unser aller Schicksal. Alfred wollte den Frieden, doch der Frieden floh ihn und die Dänen kamen und die Nordmänner kamen, und er hatte keine andere Wahl, als zu kämpfen. Und nachdem Alfred tot war und sein Königreich mächtig, kamen noch mehr Dänen und noch mehr Nordmänner, und die Britonen kamen aus Wales und die Schotten aus dem Norden stimmten ihr Drohgeheul an, und was kann ein Mann anderes tun, als für seine Heimat zu kämpfen, für seine Familie, sein Haus und sein Land? Ich betrachte meine Kinder und ihre Kinder und die Kinder meiner Kindeskinder, und ich weiß, dass sie kämpfen müssen, und solange es eine Familie mit Namen Uhtred gibt und solange es ein Königreich auf dieser windgepeitschten Insel gibt, wird es auch Krieg geben. Also können wir vor dem Krieg nicht zurückschrecken. Wir können uns vor seiner Grausamkeit, seinem Blut, seinem Gestank, seiner Widerwärtigkeit oder seinem Hochgefühl nicht verstecken, denn der Krieg wird kommen, ob wir es wollen oder nicht. Krieg ist Schicksal und wyrd biδ ful āræd. Das Schicksal ist unausweichlich.

Also erzähle ich diese Geschichten, damit meine Kindeskinder ihr Schicksal kennen. Meine Frau jammert, aber sie muss zuhören. Ich erzähle ihr, wie unser Schiff in die Seite des feindlichen Schiffes gefahren ist und wie der Aufprall den Bug des Feindes gegen das südliche Ufer getrieben hat. Das hatte ich gewollt, und genau das war Ralla gelungen. Nun lenkte er sein Schiff am Rumpf des feindlichen Schiffes entlang, und unser Schwung ließ die ausgelegten Ruder der Dänen zersplittern, während meine Männer Schwerter und Äxte schwingend hinübersprangen. Ich war nach meinem ersten Hieb gestrauchelt, doch der tote Mann war von dem Podest gestürzt und hatte zwei andere umgerissen, die mich angreifen wollten, und ich brüllte herausfordernd, als ich ihnen nachsetzte, um sie zu stellen. Schlangenhauch war tödlich. Mein Schwert hatte und hat eine großartige Klinge. Sie wurde von einem Sachsen im Norden geschmiedet, der sein Handwerk verstand. Er hatte sieben Stangen benutzt, vier aus Eisen und drei aus Stahl, und er hatte sie erhitzt und zu einer einzigen langen, zweischneidigen Klinge mit einer blattförmigen Spitze gehämmert. Die vier weicheren Eisenstangen waren im Feuer umeinander gedreht worden, und diese Drehungen bildeten sich in der Klinge als geisterhaftes Muster ab, das aussah wie der wirbelnde Atem eines Drachen, und so war Schlangenhauch zu seinem Namen gekommen.

Ein Mann mit struppigem Bart schwang seine Axt gegen mich, und ich fing sie mit meinem Schild ab. In derselben Bewegung ließ ich den Atem des Drachen in seinen Bauch fahren. Ich drehte dabei meine rechte Hand, damit sein sterbendes Fleisch und seine Gedärme nicht an der Klinge hängen blieben, dann zerrte ich sie heraus, noch mehr Blut floss, und ich zog den Schild, in dem noch seine Axt steckte, an meinen Körper, um mich vor einem Schwerthieb zu schützen. Sihtric stand neben mir und trieb meinem neuesten Angreifer sein Schwert in die Leiste. Der Mann kreischte. Ich werde wohl geschrien haben. Mehr und mehr meiner Männer waren an Bord gekommen, überall blitzten Schwerter und Äxte. Kinder weinten, Frauen jammerten, Plünderer starben.

Der Bug des feindlichen Schiffes lief in den Uferschlamm, während sich das Heck langsam in die starke Strömung des Flusses drehte. Einige der Plünderer ahnten, dass sie nichts als den Tod zu erwarten hatten, wenn sie an Bord blieben, sprangen über Bord und lösten damit Angst und Schrecken unter ihren Kampfgefährten aus. Immer mehr von ihnen sprangen ans Ufer, und in diesem Moment kam Finan von Westen heran.

Über der Flussaue hing leichter Bodennebel, gerade nur ein perlmutterner Schein, der über die vereisten Wassertümpel zog, und mitten hindurch brachen Finans strahlende Reiter. Sie kamen in zwei Reihen, die Schwerter wie Speere erhoben, und Finan, mein todbringender Ire, wusste, was er tat, und galoppierte mit der ersten Reihe hinter die fliehenden Männer, um ihnen den Rückweg abzuschneiden, und ließ den Feind von seiner zweiten Reihe angreifen, bevor er seine eigenen Männer umdrehen ließ und in den Kampf führte.

«Tötet sie alle!», rief ich ihm zu. «Tötet jeden Einzelnen!»

Zur Antwort winkte er mit seinem blutbesudelten Schwert. Ich sah Clapa, meinen bärenhaften Dänen, einen Feind im seichten Wasser am Ufer durchbohren. Rypere hackte mit seinem Schwert auf einen am Boden kauernden Mann ein. Sihtrics Schwerthand war rot. Cerdic schwang eine Axt und brüllte unverständliche Laute, als er die Schneide niederfahren ließ und den Helm des Dänen zerschmetterte, sodass Blut und Hirn auf die entsetzten Gefangenen spritzten. Ich glaube, ich habe danach noch zwei Männer getötet, aber ich erinnere mich nicht genau. Ich weiß, dass ich einen Mann auf dem Deck zu Fall gebracht und ihm, als er sich zu mir umdrehte, Schlangenhauch in den Schlund gestoßen und gesehen habe, wie sich sein Gesicht verzerrte und seine Zunge unter all dem Blut hervortrat, das zwischen seinen schwärzlichen Zähnen emporwallte. Ich lehnte mich auf die Klinge, als der Mann starb, und beobachtete, wie Finans Männer ihre Pferde wendeten, um sich über den eingekreisten Feind herzumachen. Die Reiter hieben und stachen, Wikinger schrien, und mancher wollte sich ergeben. Ein junger Mann kniete auf einer Ruderbank, Axt und Schild hatte er weggeworfen, und streckte mir flehend seine Hände entgegen. «Nimm die Axt», sagte ich auf Dänisch zu ihm.

«Herr…», setzte er an.

«Nimm sie!», unterbrach ich ihn, «und in der Totenhalle sehen wir uns wieder.» Ich wartete, bis er bewaffnet war, und dann ließ ich Schlangenhauch sein Leben beenden. Ich tat es schnell und zeigte mich gnädig, indem ich ihm mit einem einzigen schabenden Hieb die Kehle durchschnitt. Ich sah ihm in die Augen, während ich ihn tötete, sah seine Seele entschwinden, und dann trat ich mit einem Schritt über seinen zuckenden Körper hinweg, der von der Ruderbank rutschte und blutüberströmt einer jungen Frau in den Schoß fiel, die vor lauter Grauen anfing, gellend zu schreien. «Ruhig!», brüllte ich sie an. Darauf ließ ich meine finsteren Blicke einschüchternd auch noch über alle anderen schreienden oder heulenden Frauen und Kinder wandern, die im Kielraum hockten. Dann packte ich den sterbenden Mann am Ausschnitt seines Kettenhemdes und zerrte ihn zurück auf die Bank.

Ein Kind weinte nicht. Es war ein Junge, vielleicht neun oder zehn Jahre alt. Er starrte mich einfach nur mit offenem Mund an, und da erinnerte ich mich an mich selbst in diesem Alter. Was hat dieser Junge gesehen? Er sah einen Mann aus Metall, denn ich hatte zum Kampf die Wangenstücke meines Helms geschlossen. So sieht man zwar weniger, doch bietet man eine furchterregendere Erscheinung. Dieser Junge sah einen hochgewachsenen Mann im Kettenpanzer, mit blutigem Schwert und stählernem Gesicht über ein Schiff voller Toter stolzieren. Ich nahm meinen Helm ab und schüttelte mein Haar, dann warf ich ihm das Stück mit dem Wolfskamm zu. «Pass drauf auf, Junge», hieß ich ihn, und dann gab ich Schlangenhauch der jungen Frau, die geschrien hatte. «Wasche die Klinge im Flusswasser ab», befahl ich ihr, «und dann trocknest du sie am Umhang eines Toten.» Meinen Schild reichte ich Sihtric. Und dann streckte ich meine Arme weit aus und hob mein Gesicht der Morgensonne entgegen.

Es waren vierundfünfzig Plünderer gewesen, und sechzehn lebten noch. Sie waren Gefangene. Keiner von ihnen war Finans Reitern entkommen. Ich zog Wespenstachel, mein Kurzschwert, das beim Kampf im Schildwall, in dem sich die Männer so dicht zusammendrängen wie Liebende, so todbringend ist. «Jede von euch», ich richtete meinen Blick auf die Frauen, «die den Mann töten will, der sie geschändet hat, kann das jetzt tun!»

Zwei Frauen wollten Rache nehmen, und ich überließ ihnen dafür Wespenstachel. Alle beide schlachteten ihre Opfer blutig ab. Die eine stach immer wieder zu, die andere hackte, und die zwei Männer starben langsam. Von den übrigen vierzehn Männern trug nur einer kein Kettenhemd. Er war der Schiffsführer der Feinde. Er war grauhaarig, hatte einen spärlichen Bart und sah mich aus braunen, angriffslustigen Augen an. «Von wo seid ihr gekommen?», fragte ich ihn.

Er dachte daran, mir keine Antwort zu geben, doch dann überlegte er es sich besser. «Beamfleot», sagte er.

«Und Lundene?», fragte ich. «Ist die alte Stadt immer noch in dänischer Hand?»

«Ja.»

«Ja, Herr», verbesserte ich ihn.

«Ja, Herr», gab er nach.

«Dann wirst du nach Lundene gehen», erklärte ich ihm. «Und dann nach Beamfleot, und dann wohin du willst, und du wirst den Nordmännern berichten, dass Uhtred von Bebbanburg über die Temes wacht. Und du wirst ihnen berichten, dass sie hier jederzeit willkommen sind.»

Dieser eine Mann blieb am Leben. Ich schlug ihm die rechte Hand ab, bevor ich ihn gehen ließ. Ich tat das, damit er nie mehr ein Schwert erheben konnte. Wir hatten ein Feuer entzündet, und ich drückte seinen blutenden Armstumpf in die rotglühenden Scheite, um die Wunde zu verschließen. Er war tapfer. Er zuckte zusammen, als wir seinen Stumpf ausbrannten, doch er schrie nicht einmal, als sein Blut in Blasen kochte und sein Fleisch zischte. Ich wickelte seinen verkürzten Arm in ein Stück Tuch, das ich aus dem Hemd eines toten Mannes gerissen hatte. «Geh», befahl ich ihm und deutete flussabwärts. «Geh einfach.» Und er ging in östlicher Richtung. Wenn er Glück hatte, würde er den Weg überleben und die Nachricht von meiner Grausamkeit verbreiten können.

Die anderen töteten wir. Alle.

«Warum hast du sie getötet?», hat mich meine neue Frau einmal gefragt, und aus ihrer Stimme klang der Abscheu vor meiner Gründlichkeit.

«Damit sie das Fürchten lernen natürlich», antwortete ich.

«Tote Männer können sich nicht fürchten», sagte sie.

Ich mühte mich, Geduld für sie aufzubringen. «Ein Schiff war aus Beamfleot ausgelaufen», erklärte ich ihr, «doch es ist niemals zurückgekehrt. Und andere Männer, die in Wessex plündern wollten, haben vom Schicksal dieses Schiffes erfahren. Und diese Männer beschlossen, es mit ihren Schwertern anderswo zu versuchen. Ich habe diese Schiffsbesatzung getötet, um nicht noch Hunderte weiterer Dänen töten zu müssen.»

«Der liebe Herr Jesus hätte sich gewünscht, dass du Gnade walten lässt», sagte sie mit aufgerissenen Augen.

Sie ist eben eine Närrin.

Finan brachte ein paar der Gefangenen zurück in das niedergebrannte Dorf, wo sie Gräber für ihre Toten aushoben, während meine Männer die Leichen unserer Feinde an Bäumen entlang des Flusses aufhängten. Die Stricke dazu machten wir aus Streifen, in die wir ihre Kleidung gerissen hatten. Wir nahmen ihnen ihre Kettenhemden, ihre Waffen und ihre Armringe. Wir schnitten ihnen das lange Haar ab, denn ich dichtete meine Schiffsplanken gern mit den Haaren meiner erschlagenen Feinde ab, und dann hängten wir sie auf, und ihre bleichen nackten Körper drehten sich im leichten Wind, als die Raben kamen, um sich ihre toten Augen zu holen.

Dreiundfünfzig Leichen hingen am Fluss. Denjenigen zur Warnung, die als Nächste kommen wollten. Dreiundfünfzig Zeichen, dass andere Plünderer ihr Leben aufs Spiel setzten, wenn sie die Temes heraufruderten.

Dann kehrten wir nach Hause zurück. Das feindliche Schiff nahmen wir mit.

Und Schlangenhauch schlief in seiner Schwertscheide.

ERSTER TEIL

Die Braut

EINS

«Die Toten reden», erklärte mir Æthelwold. Ausnahmsweise einmal war er nüchtern. Nüchtern und furchtsam und ernsthaft. Der Nachtwind strich ums Haus, und die Binsenkerzen flackerten rötlich in dem frostigen Luftzug, der durch das Abzugsloch im Dach und durch die Ritzen der Türen und Läden hereinfuhr.

«Die Toten reden?», fragte ich.

«Ein Leichnam», sagte Æthelwold, «er steht aus seinem Grab auf, und er redet.» Er starrte mich aus weit aufgerissenen Augen an und nickte, wie um zu bestätigen, dass er die Wahrheit sprach. Dann beugte er sich zu mir vor, die Hände zwischen den Knien ineinander verschlungen. «Ich habe es selbst gesehen», fügte er hinzu.

«Eine sprechende Leiche?», fragte ich.

«Er steht auf!» Æthelwold hob die Hand, um seine Worte zu bekräftigen.

«Er?»

«Der tote Mann. Er steht auf, und er redet.» Immer noch starrte er mich an, er war aufgebracht. «Es ist wahr», setzte er in einem Ton hinzu, der klarmachte, dass er wusste, wie wenig ich ihm glaubte.

Ich zog meine Bank ein Stück näher zur Feuerstelle. Es waren zehn Tage vergangen, seit ich die Plünderer getötet und ihre Körper am Fluss aufgehängt hatte, und jetzt prasselte Eisregen auf das Strohdach und hämmerte gegen die geschlossenen Fensterläden. Zwei meiner Hunde lagen vor dem Feuer, und einer von ihnen warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu, als ich die Bank quietschend über den Boden zog, und legte dann seinen Kopf wieder auf die Pfoten. Das Haus war von den Römern erbaut worden, und das bedeutete, dass es einen Ziegelboden und Wände aus Stein besaß, wenn ich das Dach auch selbst mit Stroh gedeckt hatte. Regentropfen spritzten durch den Rauchabzug in der Decke herein. «Und was sagt der tote Mann?», fragte Gisela. Sie war meine Frau und die Mutter meiner beiden Kinder.

Æthelwold antwortete nicht sofort, vielleicht weil er fand, eine Frau solle keinen Anteil an einem ernsthaften Gespräch haben, doch mein Schweigen sagte ihm deutlich genug, dass Gisela sehr wohl in ihrem eigenen Haus sprechen durfte, und er war zu aufgeregt, um darauf zu bestehen, dass ich sie wegschickte. «Er sagt, ich sollte König sein», gab er kaum vernehmbar preis, dann sah er mich an und wartete furchtsam auf meine Reaktion.

«König von was?», fragte ich rundheraus.

«Wessex», sagte er, «natürlich.»

«Oh, Wessex», sagte ich, als hätte ich niemals von dieser Gegend gehört.

«Und ich sollte wirklich König sein!», begehrte Æthelwold auf. «Mein Vater war der König!»

«Und jetzt ist der Bruder deines Vaters König», sagte ich, «und die Leute finden, dass er ein guter König ist.»

«Und was findest du?», forderte er mich heraus.

Ich antwortete nicht. Es war ausreichend bekannt, dass ich Alfred nicht mochte und dass Alfred mich nicht mochte, aber das bedeutete nicht, dass Alfreds Neffe, Æthelwold, einen besseren König abgäbe. Æthelwold war ebenso wie ich Ende zwanzig, und er hatte sich vor allem als Säufer und lüsterner Tor einen Namen gemacht. Und dennoch hatte er Anspruch auf den Thron von Wessex. Sein Vater war in der Tat hier König gewesen, und wenn Alfred auch nur einen Fingerhut voll Verstand besessen hätte, dann hätte er seinem Neffen die Kehle durchschneiden lassen. Stattdessen verließ sich Alfred darauf, dass Æthelwolds Lust am Biertrinken ihn davon abhielt, ihm Schwierigkeiten zu machen. «Und wo hast du diese lebende Leiche gesehen?», fragte ich ihn, ohne auf seine Frage zu antworten.

Er wedelte in Richtung der Nordmauer des Hauses. «Auf der anderen Seite der Straße», sagte er. «Gerade auf der anderen Seite.»

«Wæclingastræt?», fragte ich ihn, und er nickte.

Also redete er mit den Dänen genauso wie mit den Toten. Wæclingastræt ist eine Straße, die Lundene in nordwestlicher Richtung verlässt. Sie führt durch ganz Britannien und endet an der Irischen See etwas nördlich von Wales, und mehr oder weniger alles, was südlich dieser Straße lag, war sächsisches Gebiet, und alles im Norden hatten die Dänen gewonnen. Das war der Friede, den wir in diesem Jahr 885 hatten, doch es war ein Friede voller kleiner Übergriffe und voller Hass. «Ist es eine dänische Leiche?», fragte ich.

Æthelwold nickte. «Er heißt Bjorn», sagte er, «und er war ein Skalde an Guthrums Hof, der sich geweigert hat, Christ zu werden, also hat Guthrum ihn umgebracht. Er kann aus seinem Grab heraufgerufen werden. Ich habe es gesehen.»

Ich sah Gisela an. Sie war Dänin, und die Art Zauberei, die Æthelwold beschrieb, kannte ich von meinen Sachsen nicht. Gisela zuckte mit den Schultern. Auch ihr war diese Magie fremd. «Und wer ruft den toten Mann?», fragte sie.

«Ein frischer Leichnam», sagte Æthelwold.

«Ein frischer Leichnam?», fragte ich.

«Jemand muss ins Reich der Toten geschickt werden», erklärte er, als sei das allzu einleuchtend, «um Bjorn zu suchen und ihn zurückzubringen.»

«Also töten sie jemanden?», fragte Gisela.

«Wie sollten sie sonst einen Boten ins Totenreich schicken können?», fragte Æthelwold streitlustig.

«Und dieser Bjorn», fragte ich, «spricht er Englisch?» Ich stellte diese Frage, weil ich wusste, dass Æthelwold kaum Dänisch verstand.

«Er spricht Englisch», sagte Æthelwold trotzig. Es gefiel ihm nicht, so ausgefragt zu werden.

«Wer hat dich zu ihm gebracht?», fragte ich.

«Ein paar Dänen», antwortete er ausweichend.

Ich grinste höhnisch. «Also sind ein paar Dänen gekommen», sagte ich, «und haben dir erzählt, ein toter Dichter wolle mit dir sprechen, und du bist lammfromm in Guthrums Gebiet gereist?»

«Sie haben mir Gold dafür gegeben», verteidigte er sich. Æthelwold hatte ständig Schulden.

«Und warum kommst du jetzt zu uns?», fragte ich. Æthelwold antwortete nicht. Er rutschte unruhig herum und beobachtete Gisela, die an ihrem Spinnrocken einen Strang Wolle auszog. «Du gehst in Guthrums Land», beharrte ich, «du sprichst mit einem toten Mann, und dann kommst du zu mir. Warum?»

«Weil Bjorn gesagt hat, dass auch du König werden wirst», sagte Æthelwold. Er hatte nicht laut gesprochen, doch auch so hob ich eine Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen, und sah angespannt zur Tür, als erwartete ich, in der Dunkelheit des anschließenden Zimmers einen Lauscher zu entdecken. Ich zweifelte nicht daran, dass Alfred seine Spitzel in meinem Hausstand untergebracht hatte, und ich glaubte zu wissen, wer sie waren, dennoch war ich nicht ganz sicher, ob ich alle von ihnen erkannt hatte. Deshalb hatte ich dafür gesorgt, dass sich alle Diener weit von dem Raum entfernt aufhielten, in dem Æthelwold und ich miteinander redeten. Dennoch war es nicht klug, solche Dinge zu laut auszusprechen.

Gisela hatte mit dem Spinnen der Wolle innegehalten und starrte Æthelwold an. Und auch ich starrte ihn an. «Er hat was gesagt?», fragte ich.

«Er sagte, dass du, Uhtred», fuhr Æthelwold jetzt leiser fort, «zum König von Mercien gekrönt werden wirst.»

«Hast du getrunken?», fragte ich.

«Nein», sagte er, «nur Bier.» Er beugte sich zu mir vor. «Bjorn der Tote wünscht auch mit dir zu sprechen, um dir dein Schicksal vorauszusagen. Du und ich, Uhtred, wir werden Könige und Nachbarn. Die Götter wollen es so, und sie haben einen toten Mann geschickt, damit er mir davon berichtet.» Æthelwold zitterte leicht und er schwitzte, aber betrunken war er nicht. Irgendetwas hatte ihn vor Schreck nüchtern werden lassen, und das überzeugte mich davon, dass er die Wahrheit sagte. «Sie möchten wissen, ob du willens bist, den Toten zu treffen», sagte er, «und wenn du es bist, dann werden sie nach dir schicken.»

Ich sah Gisela an, die meinen Blick mit ausdrucksloser Miene erwiderte. Ich ließ meine Augen auf ihr ruhen, nicht, weil ich auf eine Bemerkung von ihr wartete, sondern weil sie schön war, so schön. Meine dunkle Dänin, meine anmutige Gisela, meine Braut, meine Liebe. Sie musste meine Gedanken gelesen haben, denn ein kleines Lächeln ließ ihr schmales, ernstes Gesicht aufleuchten. «Uhtred soll König werden?», brach sie das Schweigen und blickte zu Æthelwold hinüber.

«So hat der Tote gesagt», bemerkte Æthelwold herausfordernd. «Und Bjorn hat es von den drei Schwestern gehört.» Er meinte die Parzen, die Nornen, die drei Schwestern, die unsere Schicksalsfäden verweben.

«Uhtred soll König von Mercien werden?», fragte Gisela zweifelnd.

«Und Ihr werdet die Königin», sagte Æthelwold.

Gisela richtete ihren Blick wieder auf mich. Sie hatte einen fragenden Ausdruck im Gesicht, und ich wusste, was in ihrem Kopf vorging. Doch ich machte keine Bemerkung dazu. Stattdessen dachte ich darüber nach, dass es in Mercien keinen König gab. Der alte König, ein sächsischer Köter an der dänischen Leine, war gestorben und hatte keinen Nachfolger hinterlassen, und so war das Königreich zwischen den Dänen und den Sachsen aufgeteilt worden. Der Bruder meiner Mutter war in Mercien Aldermann gewesen, bis ihn die Waliser umgebracht hatten, also floss in meinen Adern mercisches Blut. Und es gab keinen König in Mercien.

«Ich denke, du hörst dir besser an, was der tote Mann zu sagen hat.» Gisela klang ernst.

«Wenn sie nach mir schicken», versprach ich, «dann werde ich das auch tun.» Und das würde ich auch, denn ein toter Mann redete, und er wollte, dass ich König wurde.

Alfred kam eine Woche später. Es war ein schöner Tag mit zartblauem Himmel, und die Mittagssonne stand niedrig über dem winterlichen Land. Wo die Temes träge um die Inseln Sceaftes Eye und Wodenes Eye herumfloss, hatten sich Eiskrusten an den Rändern des Flussbettes gebildet. Blesshühner, Teichrallen und Zwergtaucher paddelten an den Eisrändern entlang, während auf dem tauenden Uferschlamm von Sceaftes Eye ein Schwarm Drosseln und Amseln nach Würmern und Schnecken suchte.

Das war Zuhause. Das war nun seit zwei Jahren mein Zuhause. Und Zuhause bedeutete Coccham, an der Grenze von Wessex, wo die Temes in Richtung Lundene und Meer fließt. Ich, Uhtred, ein Herr aus Northumbrien, ein Vertriebener und ein Krieger, war zu einem Baumeister, einem Händler und einem Vater geworden. Ich diente Alfred, dem König von Wessex, nicht weil ich es wollte, sondern weil ich ihm meinen Schwur geleistet hatte.

Und Alfred hatte mir eine Aufgabe gestellt: Ich sollte in Coccham seine neue Wehrburg errichten. Eine Burg war eine Stadt, die in eine Festung umgewandelt wurde, und Alfred übersäte sein Königreich Wessex mit solchen Anlagen. Überall an den Grenzen von Wessex, an der See, an den Ufern der Flüsse und am Rand des Ödlandes, hinter dem Cornwall mit seinen unberechenbaren Wilden lag, wurden Wallanlagen gebaut. Ein dänisches Heer konnte zwar zwischen diesen Festungen nach Wessex einbrechen, doch es würde auch in Alfreds Kernland überall auf Bollwerke stoßen, und jedes davon war mit Kriegern besetzt. Alfred hatte mir die Burgen in einem seiner seltenen Momente verwerflichen Hochgefühls als Wespennester beschrieben, von denen aus seine Männer ausschwärmen konnten, um den angreifenden Dänen tödliche Stiche zu versetzen. Wehrburgen wurden in Exanceaster und Werham, in Cisseceastre und Hastengas, in Æscengum und Oxnaforda, in Cracgelad und einem weiteren Dutzend Orten dazwischen errichtet. Die Bemannung der Wälle und Palisaden war mit Speeren und Schilden ausgerüstet. Wessex wurde zu einem Land der Festungen, und meine Aufgabe war es, die kleine Stadt Coccham in eine Burg zu verwandeln.

An der Arbeit beteiligten sich alle westsächsischen Männer, die älter als zwölf Jahre waren. Während die eine Hälfte an dem Bau beschäftigt war, kümmerte sich die andere Hälfte um die Felder. In Coccham sollte ich immer fünfhundert Männer zur Verfügung haben, doch gewöhnlich waren es weniger als dreihundert. Sie gruben, sie schütteten auf, sie fällten Bäume für die Wälle, und auf diese Weise hatten wir an den Ufern der Temes ein Bollwerk aufgebaut. In Wahrheit waren es zwei Bollwerke, eines lag am südlichen Flussufer und das andere auf Sceaftes Eye, der Insel, die den Fluss hier in zwei Wasserläufe teilte, und in diesem Januar des Jahres 885 war die Arbeit fast getan, und nun konnte kein dänisches Schiff mehr flussaufwärts rudern, um die Bauernhöfe und Dörfer an den Ufern der Temes zu überfallen. Sie konnten es versuchen, aber sie mussten zuerst an meinen neuen Befestigungswällen vorbeikommen, und sie wussten, dass sie von meinen Männern verfolgt, am Ufer eingekreist und getötet werden würden.

Ein dänischer Händler namens Ulf war an diesem Morgen angekommen und hatte sein Schiff am Landeplatz von Sceaftes Eye festgemacht, wo einer meiner Dienstleute die Ladung begutachtete, um die Gebühren festzulegen. Ulf selbst stieg mit einem zahnlosen Grinsen von Bord, um mich zu begrüßen. Er gab mir ein Stück Bernstein, das in Ziegenhaut gewickelt war. «Für Frau Gisela, Herr», sagte er. «Geht es ihr gut?»

«Es geht ihr gut», sagte ich und berührte das Hammeramulett, das um meinen Hals hing.

«Und Ihr habt ein zweites Kind, wie ich gehört habe?»

«Ein Mädchen», sagte ich, «und wo habt Ihr von ihm gehört?»

«Beamfleot», sagte er, und das ergab Sinn. Ulf kam aus dem Norden, aber jetzt im tiefsten Winter fuhren keine Schiffe von Northumbrien nach Wessex. Er musste im südlicher gelegenen Ostanglien überwintert haben, in dem langgezogenen Wattgebiet mit seinen verschlungenen Wasserläufen, das den Mündungstrichter der Temes bildet. «Viel ist es nicht», sagte er und deutete auf seine Ladung. «Ich habe in Grantaceaster ein paar Felle und Klingen gekauft und dachte, ich fahre flussaufwärts, um festzustellen, ob die Sachsen noch ein bisschen Geld übrig haben.»

«Ihr seid flussaufwärts gefahren», erklärte ich ihm, «weil Ihr sehen wolltet, ob wir mit der Wallanlage fertig sind. Ihr seid ein Späher, Ulf, und ich glaube, ich hänge Euch am besten an einem Baum auf.»

«Nein, das werdet Ihr nicht tun.» Meine Worte ließen ihn unbeeindruckt.

«Ich langweile mich», sagte ich und steckte den Bernstein in meinen Beutel, «und einem Dänen dabei zuzusehen, wie er am Strick zappelt, wäre vermutlich recht unterhaltsam, meint Ihr nicht auch?»

«Dann müsst Ihr ja sehr gelacht haben, als Ihr Jarrels Mannschaft aufgeknüpft habt», sagte er.

«Hieß er so?», fragte ich. «Jarrel? Ich habe mich nicht nach seinem Namen erkundigt.»

«Ich habe dreißig Leichen gesehen», sagte Ulf und deutete mit dem Kinn flussabwärts. «Vielleicht waren’s auch mehr. Sie hingen an den Bäumen, und da dachte ich bei mir, das sieht ganz nach einem Werk des Herrn Uhtred aus.»

«Nur dreißig?», sagte ich. «Es waren dreiundfünfzig. Ich sollte Eure jämmerliche Gestalt dazuhängen, Ulf, damit ich wieder auf die richtige Zahl komme.»

«Ihr wollt mich nicht», sagte Ulf gut gelaunt. «Ihr wollt einen Jungen, weil die Jungen mehr zappeln als wir alten Knochen.» Er spähte zu seinem Schiff hinüber und spuckte in Richtung eines rothaarigen Jungen, der geistesabwesend auf den Fluss starrte. «Ihr könnt ja den kleinen Bastard dort aufhängen. Er ist der Älteste meiner Schwester und genauso viel wert wie ein Stück Krötenknorpel. Der zappelt bestimmt schön.»

«Wer ist denn dieser Tage in Lundene?», fragte ich.

«Graf Haesten kommt und geht», sagte Ulf, «aber er ist mehr da als weg.»

Das überraschte mich. Ich kannte Haesten. Er war ein junger Däne, der früher mein Schwurmann gewesen war. Aber dann hatte er seinen Treueid gebrochen, und jetzt strebte er danach, selbst ein Kriegsherr zu werden. Er nannte sich einen Grafen, und das belustigte mich, aber ich war dennoch überrascht, dass er nach Lundene gegangen war. Ich wusste, dass er an der Küste Ostangliens ein befestigtes Lager errichtet hatte, aber jetzt war er viel näher an Wessex herangekommen, und das bedeutete wohl, dass er auf Streit aus war. «Und was tut er dort?», fragte ich höhnisch. «Stiehlt er seinen Nachbarn die Hühner?»

Ulf atmete hörbar ein und schüttelte den Kopf. «Er hat Verbündete, Herr.»

Irgendetwas an seinem Ton ließ mich aufhorchen. «Verbündete?»

«Die Brüder Thurgilson», sagte Ulf und berührte sein Hammeramulett.

Der Name sagte mir zu dieser Zeit noch nichts. «Thurgilson?»

«Sigefrid und Erik», sagte Ulf, immer noch die Hand an dem Hammer. «Norwegische Grafen, Herr.»

Das war neu. Die Norweger kamen gewöhnlich nicht nach Ostanglien oder Wessex. Oft hörten wir Berichte von ihren Überfällen auf schottisches Gebiet und Irland, aber nach Wessex führten die norwegischen Heerführer ihre Krieger selten. «Was haben Norweger in Lundene zu tun?», fragte ich.

«Sie sind vor zwei Tagen angekommen, Herr», sagte Ulf. «Mit zweiundzwanzig Kielen. Haesten hat sich ihnen angeschlossen, mit noch einmal neun Schiffen.»

Ich stieß einen leisen Pfiff aus. Einunddreißig Schiffe waren eine Flotte, und das bedeutete, dass die Brüder und Haesten zusammen eine Streitkraft von wenigstens eintausend Männern befehligten. Und diese Männer waren in Lundene, und Lundene lag an der Grenze zu Wessex.

Lundene war damals eine merkwürdige Stadt. Dem Recht nach gehörte es zu Mercien, doch Mercien hatte keinen König, und so besaß auch Lundene kein Oberhaupt. Es war weder sächsisch noch dänisch, sondern eine Mischung aus beidem, und ein Ort, an dem ein Mann Reichtum, den Tod oder beides finden konnte. Es lag an der Stelle, an der Mercien, Ostanglien und Wessex zusammentreffen, eine Stadt der Händler, Handwerker und Seefahrer. Und jetzt, wenn Ulf recht hatte, beherbergte es ein ganzes Wikingerheer innerhalb seiner Befestigungswälle.

Ulf lachte leise. «Sie haben Euch festgesetzt wie eine Ratte im Sack, Herr.»

Ich fragte mich, wie sich eine Flotte hatte sammeln und von der Flut stromauf bis nach Lundene bringen lassen können, ohne dass mir dieser Plan schon lange vorher zugetragen worden war. Coccham war von Lundene aus die nächstgelegene Burg, und ich erfuhr gewöhnlich innerhalb eines Tages, was dort vor sich ging, doch jetzt hatte ein Feind die Stadt besetzt, und ich hatte nichts davon gewusst. «Haben Euch die Brüder geschickt, um mir davon zu berichten?», fragte ich Ulf. Ich vermutete, dass die Brüder Thurgilson und Haesten Lundene nur eingenommen hatten, damit sie irgendwer – vermutlich Alfred – dafür bezahlte, wieder abzuziehen. In diesem Fall diente es ihrem Vorteil, uns von ihrer Ankunft Mitteilung zu machen.

Ulf schüttelte den Kopf. «Ich bin abgesegelt, als sie ankamen, Herr. Schlimm genug, dass ich Euch Abgaben zahlen muss, auch ohne dass sie mir noch die Hälfte meiner Waren abnehmen.» Er schauderte. «Graf Sigefrid ist ein schlechter Mann, Herr. Keiner, mit dem man Geschäfte machen will.»

«Warum wusste ich nichts davon, dass sie mit Haesten verbündet waren?», fragte ich.

«Weil sie es nicht waren. Sie waren im Frankenreich. Sind einfach übers Meer und den Fluss herauf gesegelt.»

«Mit zweiundzwanzig Schiffen voller Norweger», sagte ich beißend.

«Sie haben alles, Herr», sagte Ulf. «Dänen, Friesen, Sachsen, Norweger, alles. Sigefrid findet Männer, wo auch immer die Götter ihren Scheißekübel ausleeren. Es sind gierige Männer, Herr. Männer ohne Dienstherren. Gewissenlose. Sie kommen von überall her.»

Ein Mann ohne Dienstherr war am schlimmsten von allen. Er schuldete niemandem Gefolgschaft. Er besaß nichts als sein Schwert, seinen Hunger und seinen Ehrgeiz. Ich war auch einmal solch ein Mann gewesen. «Dann werden Sigefrid und Erik also Ärger machen?», fragte ich mit sanfter Stimme.

«Sigefrid schon», sagte Ulf. «Und Erik? Er ist der Jüngere. Die Leute reden gut von ihm, aber Sigefrid kann gar nicht schnell genug Streit suchen.»

«Will er sich mit Geld auslösen lassen?»

«Vielleicht», sagte Ulf zweiflerisch. «Er muss all diese Männer bezahlen, und im Frankenreich hat er kaum mehr gefunden als Mäusedreck. Aber wer sollte ihm ein Lösegeld zahlen? Lundene gehört zu Mercien, oder tut es das nicht?»

«Tut es», sagte ich.

«Und in Mercien gibt es keinen König», sagte Ulf. «Das ist unnatürlich, oder? Ein Königreich ohne König.»

Ich dachte an Æthelwolds Besuch und berührte mein Amulett mit dem Thorshammer. «Habt Ihr jemals von einer Wiedererweckung der Toten gehört?», fragte ich Ulf.

«Einer Wiedererweckung der Toten?» Er starrte mich beunruhigt an und fasste nach seinem eigenen Hammeramulett. «Den Toten in Niflheim lässt man besser ihre Ruhe, Herr.»

«Ein altes Magierritual vielleicht?», deutete ich an. «Die Auferstehung der Toten?»

«Man hört so seine Geschichten», sagte Ulf und packte sein Amulett noch fester.

«Was für Geschichten?»

«Aus dem hohen Norden, Herr. Aus dem Land von Eis und Birken. Dort gehen seltsame Dinge vor sich. Sie sagen, dass Männer im Dunkeln fliegen können, und ich habe gehört, dass die Toten auf zugefrorenen Seen wandeln, aber ich habe nichts davon mit eigenen Augen gesehen.» Er hob das Amulett an die Lippen und küsste es. «Vermutlich sind das nur Geschichten, um kleine Kinder an langen Winterabenden zu erschrecken, Herr.»

«Kann sein», sagte ich und drehte mich um, denn ein Junge rannte am Fuß des neu errichteten Walls auf uns zu. Er sprang über die Baumstämme, die später zu den Plattformen des Wehrumgangs werden würden, schlidderte über eine matschige Stelle, erklomm den Wall und blieb so heftig nach Luft ringend bei uns stehen, dass er zuerst nicht sprechen konnte. Ich wartete, bis er wieder zu Atem gekommen war. «Haligast, Herr», sagte er dann. «Haligast!»

Ulf sah mich fragend an. Wie alle Händler sprach er etwas Englisch, aber Haligast verwirrte ihn. «Der Heilige Geist», übersetzte ich.

«Er kommt zu uns, Herr», keuchte der Junge aufgeregt und deutete stromaufwärts. «Da kommt er!»

«Der Heilige Geist kommt zu uns?», fragte Ulf angstvoll. Vermutlich hatte er nicht die geringste Vorstellung davon, was der Heilige Geist sein mochte, aber sein Wissen reichte, um sämtliche Erscheinungen aus der Geisterwelt zu fürchten, und meine Frage nach den lebenden Toten hatte ihn erschreckt.

«Alfreds Schiff», erklärte ich und wandte mich darauf wieder an den Jungen. «Ist der König an Bord?»

«Seine Flagge ist gesetzt, Herr.»

«Dann ist er auf dem Schiff», sagte ich.

Ulf zog seinen Kittel zurecht. «Alfred? Was will er hier?»

«Er will meine Ergebenheit prüfen», sagte ich trocken.

Ulf grinste. «Also seid Ihr es vielleicht, der schließlich an einem Strick zappelt, was, Herr?»

«Ich brauche Axtköpfe», erklärte ich ihm. «Bringt die besten, die Ihr habt, ins Haus, und wir einigen uns später auf den Preis.»

Alfreds Erscheinen überraschte mich nicht. In diesen Jahren verbrachte er viel Zeit damit, zwischen den Wehrburgen herumzureisen, die er errichten ließ, um die Fortschritte der Arbeit zu begutachten. Er war innerhalb von zwölf Monaten ein Dutzend Mal in Coccham gewesen, aber bei diesem Besuch, so vermutete ich, ging es ihm nicht darum, die Wälle in Augenschein zu nehmen, sondern darum, herauszufinden, warum Æthelwold bei mir gewesen war. Die Späher des Königs hatten ihre Arbeit getan, und deshalb war der König gekommen, um mich zu befragen.

Sein Schiff näherte sich rasch auf der Schmelzwasserströmung der Temes. In den kalten Monaten kam man auf einem Schiff schneller von Ort zu Ort, und Alfred mochte die Haligast, weil er an Bord arbeiten konnte, während er an der Nordgrenze von Wessex entlangreiste. Die Haligast verfügte über zwanzig Ruder und bot sowohl Alfreds Leibgarde als auch der unvermeidlichen Priesterschar, die ihn ständig begleitete, ausreichend Platz. Das königliche Banner, das einen grünen Drachen zeigte, flatterte an der Mastspitze, und zwei Flaggen hingen am Querholz, das ein Segel getragen hätte, wenn das Schiff auf See gewesen wäre. Eine der Flaggen zeigte einen Heiligen, während die andere ein grünes Tuch war, auf das man ein weißes Kreuz gestickt hatte. Im Heck des Schiffes befand sich ein kleiner Verschlag, der den Steuermann beengte, Alfred aber einen Platz für seinen Tisch bot. Auf einem zweiten Schiff, der Heofonhlaf, fuhren die übrige Leibgarde und noch mehr Geistliche. Heofonhlaf bedeutete Himmelsbrot. Es war Alfred noch nicht einmal gelungen, einem Schiff einen guten Namen zu geben.

Heofonhlaf legte zuerst an, und etwa zwanzig Männer in Kettenrüstung, mit Schilden und Speeren, kletterten von Bord, um beiderseits des hölzernen Landungsstegs Aufstellung zu nehmen. Die Haligast folgte dicht darauf, und ihr Steuermann rammte einen Pfahl der Landestelle so hart mit dem Bug, dass Alfred, der mitten im Schiff stand, kurz taumelte. Es gab Könige, die einem Steuermann für diese Beschädigung ihrer Würde die Eingeweide aus dem Leib geschnitten hätten, doch Alfred schien es nicht einmal wahrzunehmen. Er war in ein ernsthaftes Gespräch mit einem hageren, bartlosen, blassen Mönch vertieft. Das war Asser von Wales. Ich hatte schon gehört, dass Asser zum neuen Liebling des Königs aufgestiegen war, und ich wusste, dass er mich hasste, was nur richtig so war, denn ich hasste ihn auch. Trotzdem lächelte ich ihn an, und er zuckte zurück, als hätte ich mich gerade auf seine Kutte erbrochen. Darauf beugte er sich noch näher zu Alfred hin, der sein Zwilling hätte sein können, denn Alfred von Wessex ähnelte eher einem Priester als einem König. Er trug einen langen, schwarzen Umhang, und mit seiner beginnenden Kahlköpfigkeit erinnerte er an einen tonsurierten Mönch. Seine Hände waren wie die eines Schreibers immerzu mit Tinte befleckt, und sein knochiges Gesicht war schmal und nachdenklich und ernst und bleich. Sein Barthaar war dünn. Oft schabte er sich die Wangen glatt, doch jetzt hatte er sich den Bart wachsen lassen, und viele weiße Haare zeigten sich darin.

Die Schiffsbesatzung machte die Haligast fest, dann nahm Alfred den Ellbogen Assers und ging mit ihm von Bord. Der Waliser trug ein riesiges Kreuz vor der Brust, und Alfred berührte es kurz, bevor er sich mir zuwandte. «Mein Herr Uhtred», sagte er voll Begeisterung. Er zeigte sich in ungewöhnlich guter Laune, nicht etwa, weil er froh war, mich zu sehen, sondern weil er dachte, ich plante Verrat. Es gab schließlich kaum eine andere Erklärung dafür, dass ich mit seinem Neffen Æthelwold zu Abend gegessen hatte.

«Mein Herr König», sagte ich und verbeugte mich vor ihm. Bruder Asser beachtete ich nicht. Der Waliser hatte mich einst der Seeräuberei, des Mordes und eines Dutzends anderer Vergehen bezichtigt, doch ich war immer noch am Leben. Er warf mir einen verachtungsvollen Blick zu und eilte dann über die schlammige Erde davon. Zweifellos wollte er sich versichern, dass die Nonnen im Kloster von Coccham nicht betrunken, schwanger oder gar glücklich waren.

Alfred schritt, gefolgt von Egwine, der jetzt seine Haustruppe befehligte, und sechs Männern aus dieser Truppe, meine neuen Befestigungsanlagen ab. Er warf einen kurzen Blick auf Ulfs Schiff, sagte aber nichts. Ich wusste, dass ich ihm von der Besetzung Lundenes berichten musste, aber ich beschloss, mit dieser Nachricht zu warten, bis er mir seine Fragen gestellt hatte. Im Moment gab er sich damit zufrieden, die Arbeit zu begutachten, die wir geleistet hatten, und er fand nichts zu beanstanden, und das hatte er auch nicht erwartet. Die Burg von Coccham war viel weiter gediehen als irgendeine der anderen. Die nächste Wehranlage im Westen Lundenes, bei Welengaford, war kaum angefangen, ganz zu schweigen von der Errichtung der Palisaden, während die Wälle von Oxnaforda nach einer Woche starken Regens kurz vor dem Julfest in ihren Graben gesackt waren. Die Burg von Coccham dagegen war nahezu fertiggestellt. «Mir wurde berichtet», sagte Alfred, «dass der Fyrd nur sehr unwillig arbeitet. War das bei dir nicht so?»

Der Fyrd war das Heer, das aus der Grafschaft ausgehoben wurde, und der Fyrd baute nicht nur die Burganlagen, sondern stellte auch die Bemannung. «Der Fyrd arbeitet nur sehr unwillig, Herr», sagte ich.

«Und doch bist du fast fertig?»

Ich lächelte. «Ich habe zehn Männer aufgehängt», sagte ich, «und das hat den Arbeitseifer der übrigen erheblich angestachelt.»

Er verharrte an einer Stelle, von der aus er flussabwärts schauen konnte. Schwäne sorgten für einen lieblichen Anblick. Ich beobachtete ihn. Die Furchen auf seinem Gesicht waren tiefer geworden und seine Haut blasser. Er wirkte krank, andererseits war Alfred von Wessex schon immer ein kranker Mann. Sein Magen schmerzte und seine Eingeweide schmerzten, und ich sah seine Grimasse, als sich ein Krampf wie ein Messer in sein Inneres bohrte. «Ich habe gehört», sagte er in kühlem Ton, «dass du sie ohne Gerichtsverhandlung aufgehängt hast.»

«So war es, Herr.»

«Es gibt Gesetze in Wessex», sagte er grimmig.

«Und wenn die Burg nicht gebaut wird», sagte ich, «dann gibt es bald kein Wessex mehr.»

«Dir gefällt es, dich mir zu widersetzen», erwiderte er mit leiser Stimme.

«Nein, Herr, ich habe Euch meinen Schwur geleistet. Ich erfülle Eure Aufgabe.»

«Dann hänge keine Männer mehr ohne ordentliche Gerichtsverhandlung», sagte er scharf. Darauf wandte er sich um und starrte über den Fluss auf das mercische Ufer. «Ein König muss Gerechtigkeit bringen, Herr Uhtred. Das ist die Aufgabe des Königs. Aber wenn ein Land keinen König hat, wie kann es dann ein Recht geben?» Noch immer sprach er leise, doch er forderte mich heraus, und einen Augenblick lang war ich beunruhigt. Ich hatte angenommen, er sei gekommen, um herauszufinden, was Æthelwold zu mir gesagt hatte, doch als er Mercien erwähnte, und dass es dort keinen König gab, glaubte ich, er wisse, worüber in dieser kalten, stürmischen Regennacht gesprochen worden war. «Es gibt Männer», fuhr er fort und sah weiter nach Mercien hinüber, «die gerne König von Mercien wären.» Er hielt inne, und ich war sicher, dass er alles wusste, was Æthelwold zu mir gesagt hatte. Doch dann verriet er seine Unkenntnis. «Vielleicht mein Neffe Æthelwold», sagte er.

Ich lachte auf, und meine Erleichterung ließ mein Lachen zu laut klingen. «Æthelwold!», sagte ich. «Er will nicht König von Mercien werden! Er will Euren Thron, Herr.»

«Das hat er dir gesagt?», fragte er spitz.

«Natürlich hat er mir das gesagt. Das erzählt er jedem!»

«Ist er deshalb zu dir gekommen?», erkundigte sich Alfred, der seine Neugier nicht länger bezähmen konnte.

«Er ist gekommen, um ein Pferd zu kaufen, Herr», log ich. «Er will meinen Hengst Smoca, und ich habe nein gesagt.» Smocas Zeichnung bestand aus einer ungewöhnlichen Mischung von Grau und Schwarz, und daher kam auch sein Name, der Rauch bedeutete, und er hatte jedes Rennen seines Lebens gewonnen, und noch besser, er fürchtete sich nicht vor Männern, Schilden, Waffen und Lärm. Ich hätte Smoca jedem Krieger in ganz Britannien verkaufen können.

«Und er hat darüber gesprochen, dass er König werden will?», fragte Alfred misstrauisch.

«Natürlich hat er das.»

«Davon hast du mir früher nichts erzählt», sagte er vorwurfsvoll.

«Wenn ich Euch jedes Mal etwas davon sagen würde, wenn Æthelwold von Verrat spricht», erklärte ich, «würdet Ihr niemals mehr Eure Ruhe vor mir haben. Aber jetzt sage ich Euch, dass Ihr ihm besser die Kehle durchschneiden solltet.»

«Er ist mein Neffe», gab Alfred steif zurück, «und hat königliches Blut.»

«Das heißt nicht, dass man ihm nicht die Kehle durchschneiden kann», beharrte ich.

Er winkte gereizt ab, als sei mein Vorschlag lächerlich.

«Ich hatte daran gedacht, ihn zum König von Mercien zu machen», sagte er, «aber er würde den Thron verlieren.»

«Das würde er», stimmte ich zu.

«Er ist schwach», sagte Alfred voller Verachtung, «und Mercien braucht einen starken Herrscher. Einen, der die Dänen vertreibt.» Ich bekenne, dass ich in diesem Moment glaubte, er denke an mich, und ich war bereit, ihm zu danken, sogar auf die Knie zu fallen und seine Hand zu ergreifen, doch dann klärte er mich auf. «Dein Cousin wäre der Richtige, glaube ich.»

«Æthelred!», sagte ich, unfähig, meinen Hohn zu verbergen. Mein Cousin war ein armseliger, aufgeblasener Tropf, völlig erfüllt von seiner eigenen Wichtigkeit, aber er stand Alfred nahe. So nahe, dass er Alfreds älteste Tochter heiraten würde.