Schwimmer in der Wüste - Ladislaus E. Almásy - E-Book

Schwimmer in der Wüste E-Book

Ladislaus E. Almásy

4,9

Beschreibung

Der österreichisch-ungarische Automobil- und Flugpionier, Abenteurer und Saharaforscher Ladislaus E. Almásy wurde zum Vorbild für den "englischen Patienten" in Buch und Verfilmung. Seine aufregenden Expeditionen in der Sahara beschrieb er in einem 1939 erschienenen Buch. Schwimmer in der Wüste ist die wahre und faszinierende Geschichte hinter Roman und Film. In seinen Aufzeichnungen erzählt Almásy von seinen Sahara-Expeditionen, seiner Spionagetätigkeit im Zweiten Weltkrieg, der Entdeckung der "verschollenen" Oase Zarzura und den Felszeichnungen im Gilf Kebir.

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Titel

Ladislaus E. Almásy

Schwimmer

in der Wüste

Auf der Suche nach der Oase Zarzura

Schwimmer in der Wüste

Die Geschichten gehören einem, glaubt man, zumindest wenn man mit ihnen groß wird; sie wachsen mit den Jahren mit, sie erzählen sich weiter, verändern sich und entfernen sich mehr und mehr von ihrem Erzähler. Zumindest ging es mir mit Almásys Unbekannter Sahara so, die ich als Bub in die Hände bekam und über die Jahre mehrmals las; das Buch prägte sich so sehr ein, daß ich mir die Wüste lange nur im Schwarz-Weiß von Almásys Photographien vorstellen konnte: sie bildeten Landstriche ab, die etwas Unwirkliches hatten, gleichzeitig aber – und daran war die Brennweite vielleicht ebenso schuld wie der matte Druck der Photos – nahe wirkten: als wären sie ein Widerspruch zu der Weite, von der bei der Lektüre immer wieder die Rede war. Wie um sie zu füllen, suchte ich mir nach und nach die Bücher, die Almásys Geschichte ergänzten, Hansjoachim von der Eschs Weenak, Ar­nold Höllriegels Zarzura, Hans Rhoterts Libysche Felsbilder und schließlich die Artikel im Journal der Royal Geographical Society. Nichts aber war mir so im Gedächtnis geblieben, wie die Geschichte von den Schwimmern in der Wüste und die gemalten Abbildungen der Felszeichnungen in dieser Höhle. Was sie unvergeßlich werden ließ, war der Umstand, daß sie reale Belege waren für eine Geschichte, die etwas Irreales, ja fast Mythisches an sich hatte: Schwimmer in der Wüste. Aber die Geschichten gehören einem, anders als man glaubt, doch nicht. Das merkte ich, als ich vor ein paar Jahren eine erste Reise in das Gilf Kebir plante und einem Freund ausführlich von diesem Gebiet und seiner Entdeckung erzählte: er hatte das alles schon so ähnlich einmal gehört, und auch der Name Almásys war ihm geläufig. Es wäre die Rede davon im Englischen Patienten, einem Roman von Michael Ondaatje.

Ein Meer ohne Wasser. Eine Höhle – nein, keine Höhle, eher ein Überhang, ein Schutz. Nur selten gelangen Menschen dorthin. Vier Meter breit, drei Meter tief, zwei Meter hoch. Und auf dem Felsen Zeichnungen von Menschen. Zeichnungen von schwimmenden Menschen in einem der trokkensten Gebiete der Welt. Auf Fels gemalte Schwimmer vor einem kleinen Becken, eingeschnitten in das kleine Tal unterhalb des Gilf Kebir, wo zwischen 8.800 und 3.300 v. Chr. tatsächlich temporäre Seen mit beträchtlichen Wassertiefen existierten.

Die erste Reise dahin war nicht zustande gekommen, die Genehmigungen, in das militärische Sperrgebiet im Südwesten Ägyptens zu fahren, waren nicht zu erhalten gewesen. In diesem Jahr hatten wir uns auf der Fähre entschlossen, von Kufra in Libyen aus einen Abstecher die paar Kilometer jenseits der Grenze zum Gilf Kebir zu machen, ins Wadi Abd el Melik, zum Aqaba-Pass und ins Wadi Sora, zu den Schwimmern. All die über die Jahre gesammelten Detailkarten und Beschreibungen lagen zuhause im Regal; dennoch aber fanden wir die Höhle gleich beim ersten Versuch, sosehr waren mir die Konturen der Topographie im Gedächtnis präsent geblieben. Drei Wochen später zurück in Tunis, hingen dann bereits die Plakate für die Verfilmung des Englischen Patienten. Und es war eine gestohlene Geschichte, zum zweiten Mal.

Eine andere Geschichte, dreitausend Kilometer weiter und achttausend oder noch mehr Jahre später: Im Kino. Ein Pinsel fährt über poröses Papier. Ein Bild entsteht vor den Augen. Ein Schwimmer auf einer Leinwand, zwanzig Jahrhunderte nach Christus. Und nichts, was an dieser Geschichte wiederzuerkennen ist. Die Höhle wurde zur Tropfsteingrotte. Aus der Reise, die wir gerade hinter uns hatten, ein Ausflug von Champagner trinkenden Helden, samt Föhnfrisur und Bügelfalte. Aus der Wüste eine pittoreske Kulisse in den Farben einer Packung Camel-­Zigaretten; Sandstürme, die sich nachts vor der Scheinwerferbeleuchtung ankündigen, ein aus Pappe gestochener Himmel, der Sand naß und feucht wie Erde. Beduinen als Wunder­heiler verkleidet und Kamele in einem Sonn­tags­staat. Und Almásy als Figur einer Romanze. Soviele Geschichten, immer von einem neuen Punkt aus weitererzählt. Aber auch die Wahrheit ist nichts als nur eine weitere Geschichte.

Es gab ihn wirklich – den Wüstenforscher Ladislaus Eduard (László Ede) Almásy. Auch wenn der echte Almásy nicht so aussah wie Ralph Fiennes und ihn die Frauen auch nicht sonderlich interessierten. Geboren wurde er als Sohn eines Ungarn und einer Steirerin am 22. August 1895 auf Schloß Bernstein im damaligen Westungarn der Habsburger­monarchie, dem heutigen österreichischen Burgen­land. Sein Vater Gyorgy (1864–1933) war ein anerkannter Asienforscher, und László eiferte ihm bald nach. Sechs Sprachen beherrschte er fließend, ungarisch, deutsch, englisch, französisch, italienisch und arabisch.

Nach der Schulzeit in Graz und in Harrow galt Automobilen und Flugzeugen schon früh sein Interesse. Zum Ärger seiner Lehrer konstruierte er schon mit vierzehn ein Segelflugzeug, das er zusammen mit seinen Rippen zu Bruch flug; den Pilotenschein erwarb er mit siebzehn Jahren. Als Kampf­flieger an der italienischen Front wurde er mit der Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet. Ein Kriegskamerad: „Er war draufgängerisch, ohne unvorsichtig zu sein, und überaus geschickt.“ Aber nie besonders diplomatisch. 1921 etwa führte er den abgetretenen Kaiser Karl I. mit dem Auto nach Budapest, als dieser den Versuch unternahm, sich dort die Königskrone wieder auf­setzen zu lassen. Dafür wurde er zwar von diesem in den Grafenstand erhoben, in der Horthy-Ära jedoch eher geächtet. Das ungarische Parlament hat jedenfalls die Rangerhöhung des aus niedrigem Landadel stammenden Almásy nicht bestätigt.

Monarchist soll Almásy Zeit seines Lebens geblieben sein. Wenn überhaupt irgendwelche politischen Ansichten belegbar sind, so dies und ein verschwommen-romantischer Konservativismus. Was ihn nicht hinderte, mit dem liberalen Linksintellektuellen Richard Bermann (Pseudonym Artur Höllriegel), einem Journalisten und Literaten aus jüdischen Kreisen Prags, befreundet zu sein.

Als zweitgeborener Sohn nahezu vermögenslos, verdingte sich Almásy zu Beginn der zwanziger Jahre als Werksfahrer für die Autofabrik Steyr in Graz. Mit Hinweis auf Ägypten als möglichen Absatzmarkt überzeugte er seinen Arbeitgeber, ihn dorthin zu entsenden und die Zu­stimmung zur Erprobung der Steyr-Fahrzeuge unter extremer Beanspruchung zu geben. Doch auch Banken, Zeitungen, Privatleute wußte er als Sponsoren seiner bald in die ab­gelegensten Gebiete Nordafrikas führenden Autofahrten zu gewinnen.

Die Burg Bernstein (heute ein Hotel im Besitz der Familie Berger-Almásy) im österreichischen Burgenland. Hier wurde Ladislaus Eduard (Lásló Ede) Almásy am 22. August 1895 geboren.

Die Brüder Janós und Lásló (auf beiden Aufnahmen rechts) mit ihrem Vater in k.k. Uniformen (um 1915) und nach dem Krieg mit Mutter und Schwester Georgine auf einer Terrasse der Burgmauer von Bernstein.

Almásy vor der markierten Landepiste eines improvisierten Wüstenflugplatzes.

Almásy im Sudan: Der Pionier moderner Motorfahrzeuge mit dem uralten Verkehrsmittel der Wüste.

1926 organisierte er für Fürst Antal Esterházy eine Jagdexpedition in den Sudan. Und 1929 unternahm er zusammen mit Prinz Ferdinand von Liechtenstein eine Reise mit dem Auto von Mombasa nach Alexandria. Dabei mußten sie den berüchtigten Sumpfgürtel im Süden des Sudan durchqueren und befuhren erstmals mit einem Auto die berüchtigte Karawanenstraße Darb El Arbe‘in (die Straße der 40 Tage), jene seit der Pharaonenzeit benützte Fernverbindung von Schwarzafrika zum Niltal, für das „zweibeinige Vieh“ – wie man die Skla­ven nannte – oft todbringende 2.000 Kilometer. Almásy und Prinz Liechtenstein wurden auf dieser Fahrt vom österreichischen Kameramann Rudi Mayer begleitet. Der Film wurde erst kürzlich uraufgeführt: die ganze Arroganz der Kolonialzeit offenbart sich in ihm. Nur Almásy wirkt seltsam kamerascheu, etwas verkniffen.

Auch Rückschläge ließen Almásy seine Abenteuerlust nicht aufgeben. Et­wa 1931, als er beim Versuch, mit einem kleinen Motorflugzeug von Ungarn nach Ägypten zu fliegen, in Syrien abstürzte. Und für ausgefallene Unternehmungen war er auch noch in späteren Jahren immer zu haben, so umkreiste er 1937 mit einem Segelflugzeug die Cheops­pyramide. Mit der Zeit aber wuchs auch sein Wissensdrang; aus dem Autodidakten und Amateur-Entdecker wurde ein ernstzunehmender Forscher.

Almásy konzentrierte sich auf die Wüstengebiete westlich des Nil. Dieser östliche Teil der Sahara war damals kaum erforscht, weil kaum passierbar. Große Entfernungen und schwere Zugänglichkeit aber ließen sich durch kombinierte Auto-Flugzeug-Expeditionen überwinden. Und genau darin lag seine Stärke. Ob zusammen mit den Engländern Sir Robert Clayton East Clayton, Robert Bagnold und Patrick Clayton, dem Deutschen Hansjoachim von der Esch oder mit seinem ägyptischen Förderer Prinz Kemal el Din (der in Wien zur Schule gegangen war) – die Wüste war immer noch eine offene Projektionsfläche für eigene Sehnsüchte, die kein Ziel als unerreichbar ansahen.

Und so machte er sich sogar auf die Suche nach Rohlfs Regenfeld oder der legendären, 520 v. Chr. verschollenen Armee des persischen Königs Kambyses. Herodot hat darüber berichtet. In pharaonischer Zeit sei sie von Oasis (Charga) aus durch das Große Sandmeer in Richtung Norden gezogen, um Ammon (die Oase Siwa) zu erobern. Auf der Mitte zwischen Oasis und Ammon habe sich, während sie gerade das Frühstück einnahmen, ein gewaltiger Sturm erhoben, der das ganze Heer (40.000 Soldaten) unter den aufgewühlten Sandmassen begrub.

Almásy war nur zum Teil erfolgreich. Er fand zwar vom Heer des Kambyses errichtete Alamate, riesige Wegmarkierungen aus Stein, das Heer aber oder wenigstens Überreste davon, fand er nicht. Dafür aber Zarzura.

Almásy war ein Getriebener, unstet, doch immer mit einem Ziel vor Augen. Manchmal war dieses Ziel nur eine Geschichte, selten nur Phantasterei. Der Graf, wie er sich gerne nennen ließ, verstand wie kaum einer dieses Land und seine Menschen. Er sprach deren Sprache und wurde von ihnen akzeptiert. Ein Karawanenführer sagte einmal zu ihm: „Die Leute, die hier leben, arbeiten in den Pflanzungen, verzehren den Erlös ihrer Arbeit und sterben. Ein Leben ohne Wechsel, ohne Abenteuer. Wir Karawanenleute aber … wir kennen die alten Geschichten … die Geschichten, die so alt sind wie die Tempel dort drüben und noch älter … Auch du kennst die Wüste, oh Herr, ich habe dich im vorigen Jahr hinausfahren sehen und nach vielen Wochen zurückkommen …“

Almásy muß die Geschichten wirklich geliebt haben, genug jedenfalls, um sich der Illusion hingeben zu können, ihre Orte gäbe es wirklich. Einer davon war die legendäre Oase Zarzura. Berichte darüber gab es genug, Hinweise, Beschreibungen, Märchen. In Tausendundeine Nacht beispielsweise ist von ihr als der „Messingstadt“ die Rede:

„Nun ritten sie bis zur Zeit des Mittagsgebets weiter, da kamen sie in ein ebenes Land, flach wie das Meer, wenn es still und ruhig ist. Und wie sie dort ihres Weges dahinzogen, erblickten sie plötzlich ein Etwas, groß und hoch, und aus seiner Mitte schien Rauch zu den Wolken des Himmels aufzusteigen. Sie ritten schnurstracks darauf zu, da zeigte es sich, daß es ein hoher Bau war, mit festgefügten Säulen, mächtig und schauerlich, der einem sich türmenden Berge glich. Er war aus Quadern erbaut und hatte dräuende Zinnen und ein Tor aus chinesischem Eisen, das da glänzte und die Augen blendete und aller Blicke auf sich wendete, und bei dem der Verstand endete.“

Die Messingstadt, für viele war das ein Hirngespinst. Almásy aber ließ sich nicht beirren. Er suchte nach weiteren Stellen, nach Belegen für die Existenz jener geheimnisumwobenen Oase, in den im Mittelalter gängigen „Handbüchern für Schatzgräber“. Die folgende „Beschreibung einer Stadt und des Weges zu ihr“ stammt aus dem Kitab al Durr al Makmuz, dem „Buch der vergrabenen Perlen“: „Sie liegt östlich der Zitadelle Es-Suri. In ihr wirst du Dattelpalmen und Weinpflanzungen und fließende Quellen finden. Folge dem Wadi und steige in ihm bergan, bis du auf ein anderes Wadi triffst, das zwischen einem Hügelpaar nach Westen zieht. In ihm wirst du einen Pfad finden, folge ihm, und du wirst zu der Stadt Zarzura gelangen. Du wirst ihre Tore geschlossen finden. Sie ist eine Stadt weiß wie die Taube. Über dem Tor wirst du einen aus Stein gehauenen Vogel finden. Strecke deine Hand zu seinem Schnabel aus und ergreife den Schlüssel und öffne und tritt ein in die Stadt. Du wirst große Schätze sehen und den König und die Königin, die im Schloß im Schlafe liegen. Nähere dich ihnen nicht, aber nimm von den Schätzen. Friede sei mit dir!“

Auch Berichte über Raubkarawanen wertete Almásy aus, die aus der Tiefe der Wüste kamen und die Oasen des Niltales überfielen, ohne daß sich deren Bewohner erklären konnten, wie sie die endlosen Strecken überbrücken konnten, ohne Wasser. Vielleicht wußten sie von verborgenen Wasserstellen. Ein Geheimwissen, über das nur jene schwarzen unheimlichen Männer verfügten, deren Sprache Herodot mit den schrillen Schreien der Fledermäuse verglich – die Tibbu, die aus dem Tibesti kamen.

Wüste ist immer extrem, die libysche Wüste aber ist es be­sonders. Sie erstreckt sich entlang der libysch­-ägyptischen Grenze, von Kufra im Süden bis nach Siwa im Norden, vom Niltal bis zum westlichen Ufer der Großen Sandsee und ist eines der trockensten und entlegensten Gebiete der Erde. Man sagt, das letzte Mal habe es dort 1935 geregnet, die Luftfeuchtigkeit beträgt nur wenige Prozent. Aufgrund seiner klimatischen Bedingungen und geographischen Gegebenheiten war diese Wüstengegend früher nur äußerst schwer zugänglich.

Das Gilf Kebir etwa, zu deutsch „Große Klippe“, „großer Abhang“, ein Gebiet größer als Belgien, wurde erst in diesem Jahrhundert erforscht und kartographisch erfaßt. Es handelt sich dabei um ein Plateau, das im Norden und Osten in das Sandmeer übergeht und am Westrand sechs- bis siebenhundert Meter steil aufragt. Von Tälern durchfurcht und zerklüftet wie der Grand Canyon ist es ein Labyrinth von Zeugenbergen, die nach den verschiedensten Seiten hin abfallen. Hier hoffte Almásy, Zarzura zu finden. Bereits 1835 hatte der englische Forscher Wilkinson von einem Wadi berichtet: „Dort sind Palmen in reicher Menge, Quellen und einige Ruinen unbestimmten Alters. Es wurde im Jahre 1826 von einem Beduinen bei der Suche nach einem verirrten Kamel entdeckt.“

1932 machte sich die Clayton/Penderel/Almásy-Expedition mit Autos und Flugzeug auf die Suche nach diesem Wadi. Man erkundete die steilen Ränder des Gilf Kebir, fand einen Zugang zu den Tälern des Plateaus, stieß auf den einstmals von den Raubkarawanen benutzten Weg. Auch die „Oase Zarzura“ wurde auf dieser Expedition aus der Luft gesichtet. Zum Leidwesen Almásys allerdings zuerst von seinen Expeditionskameraden Penderel, dem Piloten, und Sir Robert Clay­­ton (dem „Clifton“ im Englischen Patienten), während er in Kufra Wasser und Benzin holte. Aber schon zwei Tage später flog er selbst über das Tal.

Ein Jahr später, bei der genauen Erkundung, wird Almásy dort einen klei­nen Vogel schießen, Zarzur genannt, eine handtellergroße Schwalbenart mit schwarz-weißem Gefieder, die der Oase Zarzura den Namen gab. Er wird Schilfhütten finden und auch noch einen Palmenstrunk, aber keine Bauten oder Reste einer Zivilisation, nur Spuren einer einstmals bewohnten Wüstenstelle für ein paar Weidetiere – das Tal der kleinen Vögel.

Bei dieser einstigen Oase handelt es sich um eine ausgedehnte Senke innerhalb des Plateaus des Gilf Kebir, die zu Zeiten, als die Sahara noch grün war, einmal ein Fluß gewesen sein muß. Vor achttausend oder noch mehr Jahren, als in dieser Gegend noch Giraffen, Elefanten, Krokodile etc. lebten. Der Eingang ist von außen kaum erkennbar. Und wer sich heute dem Westrand des Gilf Kebir nähert, glaubt, eine weiße Stadt zu sehen, die glänzt. Zwischen Klippen aus Sandstein, Granit und Gneis leuchten Einschübe von kalk- und gipsartigen Gesteinsschichten so hell wie die Klippen von Dover.

Drei Täler finden sich dort, das Wadi Abd el Melik, das Almásy als „Zarzura“ identifiziert, das Wadi Hamra („rotes Tal“), und das Wadi Talh, wo es auch heute noch entlang des ehemaligen Flußlaufes zahllose vertrocknete Stämme von Talh-Akazien und etwas Vegetation zu sehen gibt. Und nicht weit davon, genauer im Wadi Sora – dem „Bildtal“, wie Almásy den Fundort taufte –, ist die Höhle der Schwimmer, das heißt das, was von ihr übrigblieb. Denn zwei Stunden stärkste Sonne jeden Tag lassen die Farben verblassen und die hauchdünne Gneisschicht abplatzen. Ein Wunder, daß diese Zeichnungen Tausende von Jahren überdauert haben.

Unterhalb des Gilf Kebir entdeckt Almásy im Bereich des fast 2.000 Meter hohen Uwenat und im Arkenu-­Gebirge zusammen mit Sabr, seinem arabischen Begleiter, mehr als achthundert weitere prähistorische Felsbilder in Wohn­höhlen, vergleichbar mit den Kunstwerken von Altamira oder Lascaux. Das Alter dieser Zeichnungen schätzt man heute auf bis zu 15.000 Jahre. Der Afrikaforscher Leo Frobenius, den Almásy 1933 dorthin und ins Tal der Bilder führte, wer­tete diese Entdeckungen aus, schrieb sie sich dann jedoch auch selbst zu, was zu einigen Streitereien führte.

Die Zeit für Forschung und Abenteuer näherte sich aber ohnehin ihrem Ende. Und die Freundschaften. Sein ehemaliger Sponsor, der englische Baronet Sir Robert Clayton-­East Clayton war bereits 1932 gestorben – nicht an der im Film kolportierten Bruchlandung, sondern an der Infektion durch eine Wüstenfliege im Gilf Kebir. Und seine Frau, die nie Almásys Geliebte war, starb ein Jahr darauf in der Nähe ihres Gutes in England bei einem my­steriösen Flugunfall – sie fiel aus dem Cockpit ihrer Maschine.

Almásy war zwischen 1936 und 1939 Fluglehrer in Ägypten. Es kursiert die Anekdote, Al Maza, der Name des internationalen Flugplatzes von Kairo leite sich von seinem Namen her. Von da an allerdings wird sein Leben undurchschaubar. Er publizierte seinen Forschungsbericht Recentes Explorations dans le Desert Libyque und kehrte dann nach Budapest zurück. 1938/39 schrieb er die deutsche Fassung seiner 1934 in Ungarn herausgekommenen Unbekannten Sahara. Das Buch erschien – von seinem Kollegen Von der Esch lektoriert – bei Brockhaus in Leipzig.

Am Horizont aber hatte es lange schon zu grollen begonnen. 1931 hatte Italien die Oase Kufra erobert, um sich eine strategische Achse über Tripolis und Cyreneika Richtung Äthiopien zu schaffen. Großbritannien versuchte erneut, seinen Einflußbereich in Ägypten und Sudan zu stabilisieren. Frankreich sah sich als Herr über den Tschad und das Tibesti-Gebirge. Und der Zweite Weltkrieg tat ein übriges. Heute gehört der Berg Uwenat je zu einem Drittel zum Sudan, zu Ägypten und Libyen, ist umgeben von Minenfeldern aus dem Zweiten Weltkrieg und militärisches Sperrgebiet.

Flugschein Nr. 1 von 1936 des Ägyptischen Fliederclubs für den Flugpionier L.E. Almásy

Almásy als königlich-ungarischer Honved-Offizier. Der Ausweis ist ein ärztlicher Flugtauglichkeitsschein des königlichen Luftfahrtamtes mit dem Stempel von Almásys militärischer Einheit.

Mit dem Auto durch die Libysche Wüste ...

Spuren hat diese Zeit auch in der Höhle der Schwimmer hinterlassen. Eingeritzt dort finden sich die Namen von Almásys ehemaligen Forscherfreunden und späteren Gegnern, Offizieren und Soldaten der Long Range Desert Group, jener allierten Patrouille, die das Hinterland Ägyptens vor einem Einmarsch der Achsenmächte be­schützen sollte und Rommel in gezielten Aktionen in den Rücken fiel. Als Gegengewicht hatten die Italiener in Libyen die Auto Compagnia Sa­hara gegründet. Auf Drängen des Deutschen Afrikacorps wurde ihr 1940 ein Sonderkommando zugeteilt, an dessen Spitze man den vom verbündeten Ungarn ausgeliehenen Oberleutnant der Reserve László Almásy stellte, nachdem man ihn zum Hauptmann der Luftwaffe ernannt hatte. Und damit beginnt eine weitere Geschichte.

Bei seinem bekanntesten Einsatz, der geheimen Operation Salam, gelingt es Almásy im April/Juni 1942, zwei deutsche Agenten hinter die englischen Linien zu schmuggeln. Ausführlich beschrieben ist dies in Paul Carells Buch Wüstenfüchse. Es gibt im englischen Kriegsarchiv aber auch ein von Almásy verfaßtes „Fahrtenbuch“ dieses Einsatzes, das die Engländer erbeutet und übersetzt haben. Und es gibt auch einen Zeugen von der anderen Seite, Almásys ehemaligen Kollegen W.B. Kennedy Shaw. Er schreibt in seinem 1945 erschienenen Buch:

„Ich hatte Almásy zum letzten Mal in der Offiziersmesse des Westarabischen Corps in El Fasher im Sudan im März 1935 gesehen. Als er und ich zusammensaßen und über die Position der ‚verschollenen‘ Oase diskutierten, zeichnete Mike Mason eine Karikatur von Almásys scharfem, wachen Profil auf den Rücken eines Briefumschlags.

Alle Regierungen, die an der Libyschen Wüste inte­ressiert waren ­– Briten, Ägypter, Italiener – fragten sich, ob Almásy ein Spion war, der für die an­dere Seite arbeitete. Die italienischen Behörden in Kufra waren schlampig, und als die Franzosen die Oase eroberten, fanden sie in den Archiven, die man unglaublicherweise nicht verbrannt hatte, genug Beweise, um Almásy in ein Lager zu stecken, wenn nicht an die Wand zu stellen. Trotzdem aber bezweifle ich, daß er wirklich ein von den Italienern bezahlter Agent war, jedenfalls trauten nicht einmal sie ihm; sie schafften es jedenfalls, ihm nach seiner Rückkehr von der Expedition 1933 nach Kairo, durch einen kleveren Trick ­– der in den Akten in Kufra dargelegt wird – eine Kopie seiner Karten und seinen Bericht zu stehlen.

Die Situation für Almásy aber wurde 1938 noch schlimmer, als er Hansjoachim von der Esch auf seinen Fahrten durch die Wüste zwischen Sollum und Alexandria mitnahm, wo sie besonderes Augenmerk auf die Zisternen mit Regenwasser richteten, die – mit Ausnahme der Brunnen in der Nähe des Meeres – die einzigen Wasserquellen in diesem brachen Land sind. Daß von der Esch ein deutscher Spion war, daran hatte niemand den geringsten Zweifel, obwohl man ihn als Neffe des von den Nazis ermordeten Generals von Schleicher wohl kaum als Freund dieses Regimes bezeichnen konnte.

Uns ärgerte es jedenfalls sehr, als wir im Frühling 1942 zur Kenntnis nehmen mußten, daß Almásy seinen britischen und ägyptischen Freunden den Rücken kehrte und sich auf Gedeih und Verderb mit den Hunnen einließ. Obwohl man ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen muß: In den Jahren vor dem Krieg hatte er aus seiner Bewunderung für Dikaturen kein großes Feder­lesen gemacht. Im Winter und Frühling dieses Jahres bekamen wir kaum In­formationen. Bekannt war nur, daß Almásy sich in Libyen aufhielt und dem Afrikacorps zugeteilt war, aber nicht genau, was er dort tat.

Eines frühen Morgens dann im Juni sah ein arabischer Wachposten auf dem Flugfeld von Charga, der immer noch beim Aufwachen war, ein Auto auf sich zukommen. Der Wagen hielt, ein Offizier lehnte sich aus dem Fenster und sprach ihn auf Arabisch an: Er wollte wissen, wo genau in der Oase die Straße nach Assiut begann. Der Araber zeigte sie ihm, und das Auto fuhr davon. Es war ein britisches Fabrikat, und zweifellos dachte der Wachtposten, daß der Offizier Engländer war. Diese verrückten Fremden fuhren ohnehin immer kreuz und quer durch die Wüste und manche sprachen arabisch. Er kehrt mit seinen Gedanken zum Frühstück zurück.

Den nächsten Morgen um etwa die gleiche Zeit fuhr dasselbe Auto wieder an ihm vorbei, zurück von Assiut, und verschwand in westlicher Richtung in der Wüste. „Nun“, dachte der Wachtposten, „das ist etwas merkwürdig. Ich erzähl’s wohl besser dem Mudir.“ Er berichtete es ihm, und der Mudir verfaßte einen Report durch die üblichen Kanäle, bis er endlich jemanden in Kairo n die Hände fiel, der sich fragte, ob wirklich ein britisches Auto in Charga zu diesem Zeitpunkt gewesen war, und der sich die Mühe machte, es herauszufinden.

Dann geschahen noch mehr Sachen, und es sah bald so aus, als würden Zwei und Zwei Vier ergeben. Zuerst waren da Hinweise von „vertrauenswürdigen Quellen“, daß Almásy aktiver werden könnte. Zum zweiten hatte ein S.D.F. Offizier auf seinem Weg von Wadi Halfa nach Kufra in der Nähe des Wadi Sora auf der westlichen Seite des Gilf drei Autos passiert. Sie hatten ihm zugewinkt und er zurück. Später jedoch, als er dieses Treffen in Kufra erwähnte, kamen einige Zweifel auf, wer sie gewesen sein könnten, weil keine S.D.F. Patrouille zu diesem Zeitpunkt und an diesem Ort unterwegs gewesen war. Drittens war da noch der Hund. Es war ein lästiger Köter, der die ganze Nacht hindurch kläffte, so daß die Nachbarn in diesem Vorort von Kairo sich beschwerten, zuerst bei seinem Herrchen, dann bei der Polizei. Die nahm sich der Sache an und war mit dem Identitätsnachweis der Hundehalter nicht ganz zufrieden. Sie holten weitere Erkundigungen ein, und um es kurz zu machen, die Herren Reichert und Vollhardt [eigentlich John Eppler und Hans-Gerd Sandstede], deutsche Spione, fanden sich in einem Gefängnislager wieder. Dort wurden sie denn auch gesprächig, und zwar sehr.

Aber davon erfuhren wir, lange nachdem alles vorbei war. Das „Sonderkommando Almásy“ hatte seine Basis im Frühjahr 1942 in Jalo und war ähnlich wie die L.R.D.G. in sechs kleinen Patrouillen organisiert. Im Juni hatte Almásy mit zwei oder drei Autos sich an Kufra vorbeigeschlichen, war durch den Gilf und quer durch die Wüste nach Charga gefahren und weiter nach Assiut, wo er Reichert und Vollhardt ablieferte. Während sie nach Kairo fuhren, kehrte Almásy sicher nach Jalo zurück. Obwohl Reichert und Vollhardt nichts erreichten, war das Ganze eine gute Leistung, 900 Meilen quer durch Feindesland, ein Beweis, wie gut sich Almásy auf die Wüste verstand. Die einzige Stelle, wo ein Auto nördlich vom Wadi Firaq den Gilf passieren kann, ist die Schlucht (El Aqaba), wo sich ein sandiges Tal, das an manchen Stellen nur wenige Meter breit ist, von der Ebene im Westen zum Plateau hinaufwindet. Clayton hatte es 1931 entdeckt, aber Almásy und Penderel waren die ersten, die den Paß ein Jahr später befuhren. Es zeugt sowohl vom Sachverstand wie von Almásys Charakter, daß er, stolz auf seine Entdeckungen, diese Route benützte, und sobald uns diese Nachricht erreichte, sandten wir von Kufra ein paar Leute aus, um das Nadelöhr zu verminen; später postierten wir dort auch eine Wache. Aber es war zu spät; frische Spuren zeigten, daß er nach Osten durchgebrochen und wieder zurückgekehrt war. Das war, denke ich, das Ende seiner Aktivitäten.“

Die Spuren menschlicher Anwesenheit im Gilf Kebir sind auch heute noch rar – Pisten gibt es kaum, weil nur ein paar Geologen, nicht aber das Milität in sein labyrinthisches Gewirr vorstößt. Mit wenig Mühe entdeckten wir noch die Wagentrassen aus den 30er Jahren, erkennbar an ihrer Spurweite; die Vertiefungen im Sand halten sich lange, wie auch die ledrige Haut und die Hörner der wegen der seit Jahrzehnten anhaltenden Dürre verendeten Muff­lonschafe, die Almásy gejagt hatte. Am Fuße des Gilf finden sich noch die rostigen Benzinkanister in den Depots der Long Range Desert Group und Reste von anderen Biwaks; Stefan Kröpelin fand sogar noch Gegenstände im Gelände, die Almásy liegen gelassen hatte. Um den Paß aufzuspüren, ist ein Satellitennavigationsgerät vonnöten; dahinter aber öffnet sich eine Weite, die Almásy für eine ganze Luftlandeflotte geeignet erschienen war. Weder die unzähligen Tafelberge noch die Dünentäler dort tragen einen Namen; die Trockenheit begann schon zur Zeit Almásys, der bereits damals keine Wasserstelle mehr fand.

Auch wir waren über den Aqaba-Paß gefahren und wieder zurück. Ich bekam Shaws Bericht erst nachher in die Hände und erfuhr erst später, was es dort mit den Minen auf sich hatte: Almásy hatte sie bei seiner zweiten Fahrt entdeckt und beiseitegeräumt; die Information über ihren Standort hatte er, einer Anekdote zufolge, den Engländern über Kriegsgefangene in Kufra zugespielt, ein Zeichen ungetrübter Kameraderie, die auch noch spätere Briefwechsel mit seinen ehemaligen Kollegen belegen. Almásys Route waren wir weiter gefolgt, jedoch unfreiwillig; eine Patrouille des ägyptischen Militärs hatte uns ein paar Kilometer vor der Grenze (und den von Sand überwehten Minen) angehalten, unter Arrest genommen, und zunächst nach Uwenat geführt. Die von Almásy entdeckten Felszeichnungen hielten die dort seit ein paar Wochen stationierten Soldaten für Graffiti von Schmugglern, die sich damit die Zeit vertrieben, bis die Sonne tief genug stand, um ungesehen über die Grenze zu kommen.

Von hier aus wurden wir in Etappen wie die Spione damals nach Assiut gebracht und vor einen Untersuchungsrichter gestellt. Auf dem Weg dorthin sahen wir die letzte Spur von Almásys Tätigkeit. Er war auf seiner Hinfahrt auf ein Depot der L.R.D.G. gestoßen, hatte das meiste Benzin abgezapft und Sand in die Ölbehälter der Motoren geschüttet. Der Bedford steht noch aufgebockt im Sand, als hätte man die Reparatur gerade erst aufgegeben.

Was genau Almásys Rolle im Zweiten Weltkrieg war, wird vielleicht nie restlos geklärt werden. Sicher jedenfalls ist, daß er das Eiserne Kreuz verliehen bekam, jedoch nur zweiter Klasse, was ihn für den Rest seines Lebens geärgert haben soll. Nach Budapest zurückgekehrt, bekam er das Angebot, einen „Reiseroman“ zu schreiben. Darauf publizierte er, politisch und ideologisch seltsam konturlos, in ungarischer Sprache sein Buch Mit Rommels Armee in Libyen. Politische Anspielungen enthält es angeblich keine einzige; und die geschilderten Wüstenabenteuer haben mit dem wirklichen Kriegsgeschehen kaum etwas zu tun; der Titel geht wohl auf den Verlag zurück. Was seine Beziehung zu Rommel betrifft, ließ unlängst Rommels Neffe in Rom verlauten, daß Almásy mit seinem Onkel eine intime Liaison gepflegt hätte.

Nach dem Krieg wurde er von den Sow­­jets inhaftiert, der Kollaboration mit den Deutschen angeklagt und vor ein „Volksgericht“ gestellt, wobei der Titel seines Buches keine unwesentliche Rolle gespielt haben soll. Aber er hatte einflußreiche und untadelige Fürsprecher, von ungarischer und ägyptischer Seite. Aus dem Gefängnis wurde er „in einem jämmerlichen Gesundsheitszustand entlassen, vollkommen abgemagert, die Zähne zum Teil verloren“, wie es Almásys Bruder beschrieb. Die sowjetische Besatzung mißtraute ihm immer noch, und so setzte sich Almásy 1947 zu seinen Verwandten ins Burgenland ab und weiter – mit österreichischem Paß – über Wien und Rom nach Kairo, wo er wieder als Fluglehrer arbeitete. 1949 besorgte er in Paris ein leistungsfähiges Segelflugzeug, das er im Schleppflug nach Ägypten brachte. Im Jahr darauf war er neuerlich bemüht, eine Expedition auf den Spuren von Kambyses auf die Beine zu stellen. Erfolglos.

Sein Gesundheitszustand wurde schlechter, er litt an einer nicht ausgeheilten Amöbenruhr. So kam das Angebot zu spät, die Leitung des Desert Institut Cairo zu übernehmen. Totkrank kehrte er nach Österreich zurück, kam aber nur mehr bis Salzburg, wo er am 22. März 1951 starb und begraben wurde. Sein Grabstein wurde 1994 von ungarischen Fliegerkameraden erneuert. Auf ihm wird Almásy als „Pilot, Saharaforscher und Entdecker der Oase Zarzura“ gewürdigt. Eine ungarische Briefmarke aus dem Jahr 1995 zeigt diesen letzten österreichisch-ungarischen Entdecker vor einigen der von ihm gefundenen Felsmalereien. Ein Gedenkstein auf Burg Bernstein, wo Almásy zur Welt kam, nennt ihn mit dem Ehrentitel seiner Beduinenfreunde: „Abu Ramla“, Vater des Sandes.

Raoul Schrott /Michael Farin

Zu diesem Buch

Ladislaus Almásy hatte über seine Forschungsreisen schon verschiedene Artikel und Berichte in mehreren Sprachen (ungarisch, englisch, französisch und deutsch) publiziert, als 1934 als Veröffentlichung der Ungarischen Geographischen Gesellschaft im Budapester Verlag Franklin sein Buch „Az Ismeretlen Szahara“ („Unbekannte Sahara“) erschien. Als er 1938 vom Leipziger Brockhaus-Verlag den Auftrag erhielt, das Buch auch dem deutschen Publikum zugänglich zu machen, stand ihm offenbar sein Reisegefährte Hansjoachim von der Esch als eine Art Lektor zur Seite.

Daß Almásy das Manuskript nicht übersetzen ließ, sondern auf deutsch noch einmal selbst geschrieben hat, ist überliefert und läßt sich durch einen Vergleich der beiden Fassungen leicht erhärten. So unterscheidet sich der Text der einzelnen Kapitel – wie Frau Adrienne Kloss-Elthes im Auftrag des Ludwig-Boltzmann-Institutes für Kulturgeschichte in Salzburg festgestellt hat – man­chmal mehr, manchmal weniger, wie es eben ist, wenn man dasselbe noch einmal erzählt, und das Jahre später. Es wurden aber auch Almásys Einführung und zwei ganze Kapitel der ungarischen Ausgabe weggelassen. Dafür könnten Platzgründe ausschlaggebend gewesen sein, da gleich­zeitig drei neue Kapitel eingefügt wurden, die Reiseerlebnisse aus der Zeit nach 1934 zum Inhalt haben. (Diese lagen übrigens damals auf ungarisch auch schon in Buchform vor.) Ob die Streichung des Kapitels über die Tragödie der vor den Italienern geflohenen Bewohner von Kufra auch mit einer eventuellen Rücksichtnahme auf das mit Deutschland inzwischen verbündete Italien Mussolinis zu tun hat, ist fraglich. Man kann es vermuten, da die es sicher kein Ruhmesblatt in der italienischen Kolonialgeschichte war, hunderte Menschen hilflos in der Wüste herumirren und verdursten zu lassen, doch betont Almásy andererseits bereits 1934, daß nicht die Italiener verantwortlich zu machen seien, daß die Flucht nicht notwendig gewesen wäre und daß die in der Oase verbliebenen Menschen unter der Besatzung nicht zu leiden gehabt hätten.

Jedenfalls schien es uns von Interesse, diesen von Almásy in der ungarischen Ausgabe wiedergegebenen Bericht eines Augenzeugen erstmals auch in deutscher Sprache abzudrucken. Auch das weggelassene Kapitel über die Auffindung und Deutung der einzelnen urzeitlichen Felszeichnungen und Malereien haben wir in dieses Buch aufgenommen. Ebenso Almásys Einführung zur ungarischen Erstausgabe, da sie viel Autobiographisches enthält und einen Einblick in Beweggründe und Mentalität dieses Forschungsreisenden erlaubt. Dagegen haben wir Von der Eschs Geleitwort zur deutschen Ausgabe weggelassen, weil es außer dem Hinweis auf seine Ergänzungen zu Almásys Text, die in erster Linie die Übersetzung arabischer Quellen zum Zarzura-Problem betreffen und ohnehin in Anmerkungen gekennzeichnet sind, nichts Wesentliches enthält. Im übrigen ist die Bezeichnung „Bearbeiter“ für Hansjoachim von der Esch – als solcher scheint er in der Titelei des deutschen Ausgabe auf – wohl einigermaßen übertrieben. Wie sie zustandekam, ist heute nicht mehr nachvollziehbar, wie man auch nur vermuten, aber nicht belegen kann, ob und wie weit kleine, aber nicht unwesentliche Änderungen im Text eventuell auf ihn zurückgehen, zum Beispiel manche wertende Beifügung, etwa wenn aus der wertfreien Bezeichnung „Mischrasse“ in der deutschen Ausgabe eine „tieferstehende Mischrasse“ wird.

Die Anmerkungen in diesem Buch sind zum größten Teil aus der deutschen Ausgabe übernommen. Wenn „Der Verfasser“ dabeisteht, gab es sie auch schon in der ungarischen Fassung und wurden vom Lektor übernommen. Von der Esch hat seine zumeist erläuternden oder auf Quellen hinweisenden Anmerkungen mit dem Zusatz „Der Bearbeiter“ versehen, was hier weggelassen ist. Neue Anmerkungen in der vorliegenden Ausgabe sind kursiv gesetzt.

Die Schreibweise der geographischen und anderer, vor allem arabischer Namen wurde durchwegs aus Almásys Buch „Unbekannte Sahara“ von 1939 übernommen, stammt also – vor allem in ihren Abweichungen von der heute (z. T. auch damals)üblichen Praxis – vom „Lektor“ Hansjoachim von der Esch. Der Einheitlichkeit zuliebe wurde diese Schreibweise auch in den anderen Teilen des Buches angewendet und zwar nicht nur dort, wo es sich um Almásys deutsche oder aus dem Ungarischen bzw. Englischen übersetzte Texte handelt, sondern auch bei den Bildunterschriften und in der Einleitung von Schrott/Farin. Dies ist schon deshalb gerechtfertigt, weil es auch heute keine einheitliche Regelung gibt und Karten bzw. Atlanten diesbezüglich stark von einander abweichen (z.B. damals Uwenat und Uweinat, heute neben diesen Schreibungen vor allem auch Auenat). Eine Ausnahme machten wir bei der Bezeichnung „Gilf Kebir“, das Esch in den „Unbekannten Sahara“ zu „Gilf Kibir“ machte, während Almásy selbst in der ungarischen Ausgabe die damals wie heute allein übliche Schreibung „Kebir“ verwendete. Hier gingen wir soweit, auch die Schreibweise im Nachdruck der Brockhaus-Ausgabe vom Original abweichen zu lassen.

Während der Arbeit an diesem Buch erreichte uns eine Reihe interessanter Informationen. Unter anderem erhielt Michael Farin Kenntnis von einem Dokument aus dem englischen Kriegsarchiv, das den (übersetzten) Text eines von Almásy geschriebenen und in den Besitz der Engländer gekommenen Tagebuchs über das „Unternehmen Salam“ enthält, bei dem der inzwischen im Dienst der deutschen Abwehr stehende Wüstenexperte aus Ungarn zwei Agenten im Rücken der Engländer nach Ägypten schmuggelte. Da gerade Almásys Tätigkeit während des Krieges – nicht zuletzt durch Roman und Film „Der englische Patient“ – viel diskutiert wird, waren wir sehr erfreut, dieses Geheimdokument hier abdrucken zu können. (Das ungarische Buch „Mit Rommels Armee in Afrika“ bietet übrigens – anders als der Titel vermuten läßt – keinerlei Informationen über seine Einsätze, was andererseits verständlich ist, es erschien ja noch während des Krieges.) Michael Rolke machte uns dankenswerterweise auch darauf aufmerksam, daß es zur Operation Salam eine bemerkenswerte Photoserie gibt, die vor einem Jahr in der italienischen Zeitschrift „Storia militare“ veröffentlicht wurde. Herausgeber und Redaktion haben uns die erstmalige Publizierung dieser Bilder im deutschsprachigen Raum freundlicherweise gestattet. Woher sie stammen, geht aus dem begleitenden Artikel der Zeitschrift (siehe Bibliographie) nicht hervor, und wir konnten es auch nicht in Erfahrung bringen.

Das übrige Bildmaterial in diesem Buch stellt eine Auswahl aus Almásys Büchern dar, ergänzt durch Fotos aus den Büchern von Richard Bermann (alias Arnold Höllriegel) und Hansjoachim von der Esch (siehe Bibliographie). Die Aufnahmen machte Almásy selbst, von der Esch und Hans Casparius, Bermanns Freund und Teilnehmer der Expedition von 1933. Sie sind nicht mehr in jedem Fall einem der Fotografen zuzuordnen. In der Brockhaus-Ausgabe von „Unbekannte Sahara“ sind wohl die Aufnahmen des „Bearbeiters“ Von der Esch gekennzeichnet, nicht jedoch die Bilder von Casparius. Er war Jude!

Die Originale der abgebildeten Aquarelle mit Kopien einiger Felsmalereien im Gilf Kebir und Uwenat befinden sich wie die dazugehörigen Skizzenbücher und die abgebildeten Fotos und Dokumente zur Biographie im Besitz von Almásys Nichte, Frau Maria della Pace Kuefstein-Almásy auf Burg Bernstein im Burgenland. Ihr wie auch der nächsten Generation, dem Ehepaar Berger-Almásy, gebührt für die Übertragung der Rechte an Almásys Werk und für die Unterstützung bei den Vorbereitungen zu dieser Neuauflage der „Unbekannten Sahara“ ein besonderer Dank.

Zu bedanken hat sich der Verlag vor allem auch bei seinem Autor und Wüstenexperten Raoul Schrott, von dem nicht zuletzt die Anregung zu diesem Buch kam, und bei Michael Farin, der zusammen mit ihm ein Hörspiel über Zarzura vorbereitet. Er half mit wertvollen Tips und Informationen und vermittelte die Kenntnis des englischen Geheimdokuments sowie der Fotos dazu. Dr. Gene Sensenig von der Forschungsgemeinschaft Boltzmanninstitut/Steinocherfonds in Salzburg und Frau Adrienne Koss-Elthes haben ebenso zur Vertiefung des Wissens über Almásy und sein publizistisches Schaffen beigetragen wie Professor Steven Tötösy de Zepetnek in Toronto, Michael Rolke in Willstätt und Zsolt Török in Buda­pest, dessen Almásy-Biographie demnächst in Ungarn erscheinen wird.

Ihnen allen ist es zuzuschreiben, daß dieses Buch mehr werden konnte als der bloße Neudruck eines längst vergriffenen und vergessenen Werks, das allerdings an sich schon ein neuerliches Kennenlernen verdient.

Innsbruck, im August 1997

Michael Forcher, Haymon Verlag

Unbekannte Sahara

Almásys Buch von 1939

Karte von Almásys Reisen

Die Straße der Vierzig Tage

Im Zeitalter der Dampfschiffe und Eisenbahnen hat der Karawanenverkehr zwischen Ägypten und dem Sudan aufgehört. Die Entfernung zwischen den beiden Hauptstädten Kairo und Khartum kann heute bequem in fünftägiger Reise zurückgelegt werden. In vierundzwanzig Stunden durcheilt der Schnellzug das fruchtbare Niltal bis zum Stauwerk von Assuan, um dort seine Fahrgäste und Waren dem Nildampfer zu übergeben.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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