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Seelenheil ist ein Buch, welches die Geschichte unserer verstorbenen Frau / Mutter / Oma enthält. Zudem melden wir uns als Familie zwischendurch zu Wort und schreiben das Ende des Buches - ihren Tod!
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Seitenzahl: 113
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Endlich!!
Vor - Vorwort
Wir als Familie bringen dieses Buch heraus, weil es uns und unserer lieben Verstorbenen sehr wichtig war / ist.
Ihr, weil es ihr größter Wunsch war und uns, um mit der Trauer und dem Verlust besser umgehen zu können und sie nach ihrem Tode noch besser kennenlernen zu dürfen.
Wir haben hiermit ein Stück von ihr nicht nur mitten in unserem Herzen, sondern auch noch in den Händen und können es jedem zeigen, der uns wiederum wichtig ist.
Die letzten Tage waren so intensiv, wie keine andere Zeit in unserem gemeinsamen Leben. Wir besitzen ein Skript, ein paar wenige einzelne Blätter, die wir nach dem Tode hier und dort fanden und einige persönliche Briefe und Gedichte. Aus diesem ganzen Material fertigten wir dieses Buch, welches hoffentlich nicht nur uns, sondern auch den Lesern gefällt.
Wir als Familie möchten dieses gute Stück der Palliativ Station des Heinsberger Krankenhauses widmen. Das Personal dort hat uns in der schwierigsten Zeit begleitet. Hat uns niemals weggeschickt, uns niemals das Gefühl gegeben, unerwünscht zu sein. Wir dürften uns 5 Tage und 4 Nächte in ihren Räumen „ausbreiten“, um unserer geliebte Frau - Mutter - Oma zu begleiten. Die richtigen Worte, zur richtigen Zeit, eine Umarmung oder auch nur ein Lächeln im Vorbeigehen, das war es, was uns geholfen hat. So viele nette Menschen auf einen Haufen, die täglich mit dem Tode arbeiten und trotzdem so voller Leben und Liebe sind!
Wir danken Euch!!
Aber nun folgen die Zeilen, die ich auch erst nach dem Tode von G. W. zu sehen bekam.
Zwischendurch und am Ende werde ich mich nochmal zu Wort melden. Aus Wahrung der Privatsphäre, verwende ich das ganze Buch über den Zweitnamen und ihren Rufnamen werde ich immer mit einem G. abkürzen, denn auch so hat sie ihre Gedichte unterschrieben.
Vorwort
Mein Name ist G. Marie W., ich werde versuchen alle Zeilen und Worte so gut es geht nieder zu schreiben. Mein Leben war von Missbrauch, Zerstörung in der 1. Ehe, Erziehung eines behinderten Jungen, eine 2. Ehe, die glücklich war und zum Ende meines Lebens und meiner Krebserkrankung steht, bestimmt.
Darum widme ich dieses Buch meinen Ehemann Jürgen, der an meiner Seite war und meinem Sohn Stefan, der ein wundervoller Mensch ist.
Die Sonne am Himmel
Du bist wie die Sonne am Himmel
Warm und weich ist Dein Herz.
Du bleibst auch deshalb in meinem
Auf immer und ewig fest.
Du raubst mir oft meine Sinne,
doch dem geb ich mich gerne hin.
Du bist wie die Sonne am Himmel.
Lass uns schweben auf Wolken dahin.
Für immer und ewig zusammen.
Nur das hat für uns einen Sinn.
Du bist wie die Sonne am Himmel
Die Sonne strahlte goldgelb auf das staubige, seit Monaten nicht mehr geputzte Fenster des katholischen Jugendheims ihrer Heimatstadt. Warm und wohlig war es G. ums Herz, obwohl sie ein kummervolles, aufreibendes Leben führte.
Traurigkeit und Angst überschattete ihre Seele, von ihrem Körper ganz zu schweigen, der meist mit Schmerzen jeglicher Art befallen war. Es war Freitagabend, wie immer war dieser Abend der Anonymen Alkoholiker Gruppe gewidmet.
Dort trafen sich Alkoholiker und ihre Angehörigen zu einem wöchentlichen Meeting. Hier tauschten sie sich aus, gaben sich Ratschläge, spendeten sich gegenseitig Trost, um manchmal die nächste Woche überstehen zu können. In ganz schlimmen Situationen gab es immer eine Telefonnummer, die man anrufen konnte. Es ist nicht immer leicht, das Richtige zu sagen. Frage und Antwortspiele dagegen waren ein Klacks. Feingefühl, aber auch Härte waren hier gefragt.
G. (wir nennen sie ab hier nun einfach Marie) war nun schon seit 10 Jahren mit einem Alkoholiker verheiratet. Höhen und Tiefen, Schmerz, Qual und Leid begleiteten sie in dieser Ehe, die sie nicht beenden konnte. Die Angst um sich und ihre Kinder war zu groß. Alles verlieren zu können, vielleicht sogar ihre Kinder.
Plötzlich stand ein Mann im Flur, um die vierzig, stark angetrunken, etwas unsicher. Mit hilfesuchenden Augen blickte er hin und her, um jemanden zu finden, der ihn davon abhielt, wieder zu gehen, der ihn hinderte fluchtartig dieses Gebäude der Ungewissheit zu verlassen.
In diesem Moment rauschte Marie mit Schwung aus der Küche, mit Kaffeekannen in den Händen haltend und stürzte an dem Mann vorbei, sich kurz seitlich umdrehend, um zu sehen, in welcher Verfassung er sich befand. Es war ein neues Gesicht, ein Fremder, der noch nie da war. Schnell stellte sie die Kannen ab und ging mit schnellem Schritt geradewegs auf ihn zu. Er schaute Marie mit trüben Hundeaugen an. Freundlich begrüßte Marie ihn, fragte nach seinem Namen, bevor die Auskunft und der Grund er Gruppe besprochen wurde.
Zögernd und lallend antwortete er: „Ich heiße Jürgen. Wollte mal hören, was hier gemacht und geredet wird!“ „Ich heiße Marie!“, erwiderte sie und schaute ihm dabei fest in die Augen. Warmherzig erklärte sie diesem Jürgen, knapp und präzise, wie so ein Treffen ablief und dass er auch ganz ruhig bleiben kann und auch die Möglichkeit bestand, dass er sich erst einmal alles in Ruhe anhört.
Plötzlich, aus heiterem Himmel, fing ihr Herz an schneller zu schlagen, die Beine begannen zu zittern, so als würde der Boden unter ihren Füßen wegrutschen. Schnell drehte sie sich um und ging weg, ließ diesen Jürgen einfach so dort stehen.
Fassungslos über sich selber stand sie im Nebenraum am Fenster. „Was ist das?“ fragte sie sich. So etwas hatte sie noch nie erlebt. Dass ein fremder Mann so ein Gefühl in ihr auslösen konnte. Normalerweise hielt sie immer genügend Abstand, aber dieses Mal war es anders. Sie begann zu träumen, ohne zu merken, dass die anderen bereits kamen. Was für ein Mann – groß, graue Schläfen, eine liebevolle Ausstrahlung, mit stahlblauen Augen, die sie immer noch ansehen - in ihren Gedanken. Welche eine Verwirrung löste er in ihr aus? Das kannte Marie überhaupt nicht. Jetzt musste sie sich aber auf das Meeting konzentrieren, denn immerhin leitete sie dieses. Die Vorstellungsrunde war gemacht. Wer wollte, konnte nun erzählen, was ihn bedrückte.
Durch das laute Geplapper der anderen war die Wirklichkeit wieder schnell da, doch Marie konnte heute keinen klaren Gedanken fassen und entwich wieder in die andere Welt.
Sie hörte nichts mehr von dem, was gesprochen wurde, sie flog in diesem Traum weg von Angst und Qual. Ein leichtes sanftes Lächeln legte sich auf ihr Gesicht, ihre Wangen waren leicht gerötet und ihre Augen halb geschlossen. Sie fühlte sich wohl in dieser anderen Welt, in die sie so oft entfloh. Fast am Ende des Meetings berührte Marianne, die auch wöchentlich kam, ihre Schulter und fragte: „Hey, wo bist Du mit Deinen Gedanken? Geht es Dir nicht gut?“
Mit einem Schreck erwachte sie aus ihrem Tagtraum, in dem sie mit Jürgen, in einem langen, weißen Kleid, mit Blumenkranz im Haar, über eine große Wiese lief, die mit bunten Blumen übersät war und nie enden wollte. Erschrocken und mit hochrotem Kopf antwortete sie: „Es ist alles in Ordnung!“
Nach den Aufräumarbeiten im Jugendheim stand Peter, Maries Mann, grimmig im Flur, böse schauend, nichts sagend und wartete auf sie. Doch Gerda lächelte, zwar mit groß aufgerissenen Augen, unsicher in ihrer Stimme und fragte: „Können wir jetzt nach Hause fahren?“ Er antwortete nur mit einem einfachen „Ja!“
Ihre Kinder musste sie für die Zeit immer alleine zu Hause lassen, dies machte sie manchmal unsicher. Ob auch alles in Ordnung war bei den Beiden. Ihn belastete dies gar nicht. Sein grimmiger Blick und die heruntergezogenen Augenbrauen waren angsteinflößend. Schnell ging Gerda den Korridor entlang, an den anderen vorbei, auch an diesem Jürgen. Wieder klopfte ihr Herz zum Zerspringen.
Im Auto sitzend, hinausschauend in die dunkle Nacht, dachte Gerda über sich und ihr Leben nach. Die Autos und Straßenlaternen zogen nur an ihr vorbei. Wieder kam die Angst, was kommt nun zu Hause auf sie zu. Sie wollte so gerne einen Mann zum Anlehnen, keinen der immer Streit suchte, um mit seinen Problemen fertig zu werden.
Als das Auto vor ihrem Haus, welches sie 1980 bezogen hatten, anhielt, stieg sie aus und ging ohne ein Wort hinein. Peter kam auch gleich und geradewegs ins Wohnzimmer. An seinem Gesichtsausdruck konnte man erkennen, dass er wiedermal keine gute Laune hatte und eine Auseinandersetzung im Anzug war. Nach so vielen Jahren, konnte sie in seinem Gesicht lesen, war er ärgerlich oder nicht. Irgendjemand hatte ihm wohl im Meeting etwas gesagt, was ihm nicht passte. Das war fast ein Verbrechen, wenn jemand so etwas wagte. Er selber war allerdings in solchen Momenten nicht in der Lage, demjenigen Paroli zu bieten. Dies nahm er grundsätzlich mit nach Hause.
Da die Kinder schon schliefen, versuchte Marie einem Streit aus dem Weg zu gehen. „Ich bin müde, es war ein langer Tag. Lass uns ins Bett gehen!“
Sie gingen auch gleich nach oben, doch auf der Treppe zeigte Peter, was er wollte. Wenn nicht im Streit, dann reagierte er sich so ab. Ein Tauschmanöver kam also heute nicht in Frage, sonst würde der Streit doch noch stattfinden. Er war schon verärgert genug, weshalb auch immer. Türen schlagen und Beleidigungen, ließen sie merken, dass das Unvermeidliche geschehen musste. Traurig und angewidert zugleich.
Tränen rannen über ihr Gesicht, denn wie fast immer, war es nur ein Akt, um SEINE Befriedigung und Lust zu stillen. Als es endlich vorbei war, Peter hatte sich schon schlafend zur Seite gelegt, spürte Marie wieder diese große, schwarze Leere in sich, aber auch, an dieser Situation schuldig zu sein. Das macht sie sehr oft, denn es hieß immer, Frauen sind für das Seelenheil ihrer Männer verantwortlich und zuständig. Trotzdem fühlte sie sich schmutzig, nicht geliebt und oft ausgeweidet, wie ein Tier. Einsam und alleine versteckte sie sich unter ihrer Decke und weinte haltlos, bis die Erschöpfung und der Schlaf über sie kam. Unruhig, von Alpträumen geplagt, wachte sie am Morgen mit verquollenen Augen, müde und schwach auf. Aber ihre beiden Söhne, Stefan und Daniel forderten sie. Der Älteste, Stefan, ging schon in den Kindergarten und der Kleine, ihr Sorgenkind, der mit einer Behinderung geboren wurde, brauchte viel Zeit und Pflege. Stefan dagegen war ein gesunder Junge – blonde Haare, zierliche Figur, ein Junge zum Anfressen, aber seine Art unnahbar. So klein wie er war, spürte er alles und sah sehr viel!
Beim Frühstück sitzend, Klein Daniel, der sie fröhlich anlächelte und vor sich hin brabbelte, war ihre Traurigkeit erst mal verflogen. Er schaffte es immer, ihr ein Lächeln zu entlocken. Als dann auch noch ein Sonnenstrahl ihre Nase küsste, tauchte plötzlich wieder das Gesicht dieses Mannes auf. Auf einmal fühlte sie sich frei, aber warum? Durfte Marie in diesem Augenblick an diesen Fremden denken? Was hatte er mit seinem Blick, mit seinen trüben vom Alkohol gezeichneten Augen bei ihr ausgelöst. Sie kannte diesen Jürgen doch gar nicht, wusste auch überhaupt nichts von ihm, weder wo er wohnt, noch ob er Familie hatte oder Kinder. Im Innersten aber war dieses Gefühl da, einem liebenswerten, zärtlichen Mann begegnet zu sein. Könnte sie denn einfach so alles wegwerfen?
Der Morgen verging sehr schnell, mit Arbeit eingedeckt und immer die Angst im Nacken, wenn Peter nach Hause kommt. Wie wird er sein, gut gelaunt oder nicht? Schnell holte sie um 12 Uhr Stefan aus dem Kindergarten und fing dann an zu kochen. Gegen 14:30 Uhr ging die Haustüre auf, Marie war mit den Kindern in der Küche, denn das Essen musste pünktlich fertig sein. Unruhig klapperte sie mit den Töpfen.
Stefan guckt auch sofort um die Ecke und schaute seinen Vater an. Dieser aber beachtete ihn gar nicht, stellte seine Tasche ab und setzte sich mürrisch an den Tisch. Er aß in Windeseile und verließ fast ohne ein Wort zu sprechen das Haus. So konnten die anderen in Ruhe zu Ende essen und sogar Stefan aß seinen Teller fast leer. Er war nämlich ein schlechter Esser. Nach dem Abwasch gingen sie etwas spazieren und zu den Großeltern. Die durften natürlich auch von allem nichts merken. Aber im schauspielern war Marie fast ganz groß und die Kinder sagten auch nichts. Die waren fröhlich, denn sie waren gerne dort. Am späten Nachmittag gingen die drei dann wieder nach Hause. Marie versorgte die Kinder, badete sie und sie aßen zusammen zu Abend. Als Peter dann nach Hause kam, waren die Kinder schon im Bett. Er verhielt sich ruhig, lächelte sogar ein wenig. Wer weiß, wo er war? Dann würde er sie heute in Ruhe lassen. Sie saßen beide im Wohnzimmer, vor dem Fernseher und keiner sprach ein Wort. Marie wollte gar nicht wissen, wo Peter den ganzen Nachmittag gewesen war. Gegen zehn Uhr ging sie ins Bett, er blieb noch auf und schaute den laufenden Film zu Ende.
Die halbe Nacht lag sie wach und schwelgte in Phantasien, ob sie aus dieser Ehe ausbrechen sollte und was aus den Kindern werden würde. Was würde mit dem Haus passieren, nein das kann sie auf keinen Fall machen, auch bei allen Beleidigungen, die sie ertragen musste. Denn dass sie nichts taugt und nichts wert ist und kalt ist, wie ein Fisch, hörte sie ja oft genug. Existenzangst ist eine schlimme Angst, die hatte sie auch zu genüge. Würde sie das alles schaffen – immer wieder diese Gedanken bis sie einschlief. Die nächste Woche war jedoch anstrengend, mit Pflichten die da waren. Arztbesuche, Krankengymnastik mit Daniel, Schwimmen, Haushalt und anderen Dingen bis spät in die Nacht. Sie wollte bloß nicht ihre Kinder vernachlässigen, dies war für sie eine große Aufgabe, denn ihre Kinder waren ihr ein und alles. Obwohl sie auch oft ungehalten und ungerecht war, dann war Stefan oft der Prellbock für ihre Unzulänglichkeit. Er konnte nichts für all ihre Probleme. Manchmal dachte sie dann, dass all