Seitensprünge und Affären - Eric Schreiber - E-Book

Seitensprünge und Affären E-Book

Eric Schreiber

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Beschreibung

Sie sind gefährlich, sie sind prickelnd, und manchmal können sie das Leben von jetzt auf gleich völlig verändern: Seitensprünge sind etwas Verbotenes, Verschwiegenes, Aufregendes! Erzählt wird von Ehen und Partnerschaften, die vor modernen Herausforderungen stehen und im besten Falle an ihnen wachsen. Dabei geht es nicht nur um Sexualität mit einem Partner außerhalb der Beziehung, sondern auch um neue Perspektiven, die den eigenen Blick erweitern. Im Vrockhaus kann man zu dem Thema Seitensprünge (Ehebruch) lesen, es handele sich um außerehelichen Geschlechtsverkehr eines Ehegatten. Ganz nüchtern wird es auf den Punkt gebracht. Die Erklärung zu dem Wort Affäre lautet, es seien aufregende Angelegenheiten. Lassen Sie sich fesseln!

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Seitenzahl: 540

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Seitensprünge und Affären

Vorwort

Karin Schweitzer

Seitensprünge und Affären laufen wie ein rotes Band durch unser Leben, bei dem Einen mehr, bei dem Anderen weniger oder in Gedanken ... frei nach dem Motto: Denken immer, aber gegessen wird zu Hause.

Irgendwann nach dem Verliebtsein kehrt der Alltag ein und wir fragen uns: War es das oder kommt da noch mehr?

Wer nur fragt und nichts unternimmt, wird früher oder später einen Seitensprung wagen oder eine Affäre beginnen. Was ist so anders an einem Anderen? Warum tun wir so etwas? Weil es irgendwo da draußen noch was Besseres gibt?

Ganz egal, wie viele Partner du hattest – es gibt theoretisch immer noch einen besseren.

Es ist also sowohl sinnlos, den jetzigen Partner als den einzig Wahren anzusehen, als auch, sich auf keinen Partner richtig einzustellen, weil ja noch der einzig Wahre kommen könnte.

Tatsächlich kommt es viel weniger auf die Eigenschaften deines Partners an als auf die Qualität der Beziehung – sie kann aus jedem Partner den besten der Welt machen!

Und die Qualität der Beziehung ist umso besser, je mehr dir bewusst wird, dass dein Partner nicht der einzig Wahre ist, den du unbedingt brauchst, sondern derjenige, für den du dich aus freien Stücken entschieden hast.

Und Liebe, die will gepflegt werden, verschwende deine Liebe und sie wird vielfach in dein Leben zurückkehren. Manchmal braucht man nur bei sich selbst und seinen Gedanken zu schauen, um aus einer lustlosen wieder eine erfüllte Beziehung zu erschaffen. Nur Mut! Dein Partner wartet auf die Entdeckung seiner geheimen Wünsche. :-)

Späte Freuden

Erik Schreiber

Du weißt sicher, wie das ist. Du hast die Kündigung in der Tasche und du bist sicher, jeder weiß Bescheid. Doch niemand sagt etwas und du selbst hältst auch den Mund, weil es dir peinlich ist, gerade gefeuert worden zu sein. Und dann kommt da noch das Betriebsfest. Die eigene Laune ist gründlich verdorben. Da könntest du das Betriebsfest aufsuchen und noch ein paar anderen Leuten die gute Laune auf einen Tiefpunkt absenken. Das war meine erklärte Absicht.

Als ich ankam, war die Feier schon im vollen Gange. Aus der mitgebrachten Anlage, wahrscheinlich wieder von Udo Meier, dröhnte die übliche Musik, zum Mitklatschen aber anspruchsvoll, wie er immer sagte. Ich sah mich ein wenig um, machte eine innige Bekanntschaft mit Marians dickem Busen, als sie sich durch die Tür quetschen musste, durch die ich gerade hindurchging. Ihr Blick versprach vieles und ihr Ausschnitt, der den Busen mit Mühe hielt, versuchte dem gerecht zu werden. Ich knipste mit meiner kleinen digitalen Kamera ein paar Bilder. Marian lächelte vielversprechend. Vielleicht ergibt sich ja nachher noch eine Gelegenheit, das unausgesprochene Versprechen einzulösen. Im Großraumbüro war einiges zur Seite geräumt worden, um eine kleine Tanzfläche zu schaffen. Vor dem Fenster war die Bar aufgebaut worden und ich schlenderte dorthin. Der obligatorische Bitter Lemon würde mir allzu aufdringliche Mitarbeiter vom Hals halten, die mir unbedingt noch einen ausgeben wollten. Ich stellte mich ans Fenster. Das nächtliche Frankfurt mit den vielen Lichtern hatte schon immer etwas Faszinierendes. Blinkende Reklame, Fahrzeuge mit den Scheinwerfern auf der einen und Rücklichtern auf der anderen Seite der Straße brachten etwas wie Gleichklang auf. Dazu die vielen beleuchteten Fenster von Wohn- und Geschäftshäusern.

Die Betriebsfeiern der Rechtsanwaltskanzlei Vylmen und Partner, die die Stockwerke 28 und 29 des Hochhauses belegten, waren immer sehr ausgelassen. Im normalen Leben immer äußerst korrekt, aber auf der Feier locker. Manchmal zu locker. Ich war mir sicher, ich würde ein paar nette Fotos bekommen. Damit kann man doch etwas anfangen.

Ich suchte den Raum nach Van Vylmen ab. Er war nirgends zu sehen, aber auch Claudia seine Sekretärin war nirgends zu sehen. Ich glaube, ich würde beide in seinem Büro, eine Etage höher treffen.

Vorsichtig drückte ich mich an einem knutschenden Pärchen vorbei. Teresa Koch, vierfache Mutter und immer noch verheiratet und der Prokurist Peter Schulz, alleinstehender Trinker. Aber mir wurde gekündigt. Langsam ging ich die Treppe hinauf und schlenderte durch den leeren Flur. Bis zum 31. Dezember ist mein Büro auch hier. Fachanwalt für Scheidungsrecht, aber mit Aussicht auf einen neuen Fall.

Die Tür zu Van Vylmens Vorzimmer stand leicht offen. Hinter der Tür hörte ich so etwas wie klatschen in die Hände. Vorsichtig warf ich einen Blick hinein.

Claudia kniete auf dem Beistelltisch ihrer Sitzecke, den Faltenrock nach oben geschoben und ich konnte den knackigen Po sehen. Dazu sah ich aber auch gleichzeitig den behaarten Arsch meines Chefs. Seine Hose hing über den Knien, die Unterhose, eine dunkle Boxershorts nur knapp darüber. Das Jacket lag auf dem Sofa, das Hemd stand offen und der Schlips rutschte langsam vom Hals zu Boden. Das Klatschen kam von Van Vylmen. Seine Hände krampften sich an Claudias Gesäß fest und mit rhythmischen Bewegungen schob er seinen erigierten Penis von hinten in sie hinein. Claudia stöhnte laut und heftig, während ihr Chef ständig ein ‚ja, ja, ja‘ von sich gab. Ich gestattete mir ein paar wundervolle Fotos von den Beiden in ihrem schweißtreibenden Abendsport.

Ich ging in mein Büro, lud die Fotos auf meinen Laptop und betrachtete sie kurz. Ja, sie waren gut geworden. Ich druckte ein paar aus und versandte den kompletten Satz per E-Mail, weil ich auf meinem Rechner keine privaten Dateien aufbewahre.

Mit den Farbdrucken ging ich wieder zurück zum Sekretariat. Die Szene hatte sich verändert. Er lag, nur noch die Boxershorts um die Knöchel auf dem Boden und Claudia ritt auf ihm. Ihre dunklen, langen Haare hingen ihr wirr ins Gesicht, während Van Vylmen mit geschlossenen Augen den Ritt genoss und Claudias Busen knetete. Meine Kamera machte noch ein paar hübsche Fotos. Dann trat ich ein. Die beiden merkten in ihrer Hitze gar nicht, dass ich da war. Erst als ich mich leise räusperte und fragte, ob sie schon einmal einen Koitus Interruptus gehabt hätten, sprangen die Beiden auf, wobei Claudia heftig zu Boden geschleudert wurde. Mein Chef machte keinen guten Eindruck, als er mit seinem schlaffen Penis vor mir stand. Allerdings nur kurz, denn seine Boxershorts sorgten dafür, dass er wieder zu Boden fiel. Diesmal jedoch aufs Gesicht. Claudia hatte ihren Rock wieder richtig sitzen und drückte ihre Bluse vor den Busen, den BH locker in der Hand baumelnd.

„Ja verdammt noch mal, sind Sie völlig verrückt geworden?“ Der Kanzleigründer schrie aus vollem Leib, was ihn nicht gerade sympathischer machte. Im Gegenteil. Er hüpfte wie ein Känguru herum, um seine Unterhose über sein bestes Stück zu ziehen und fischte gleichzeitig nach seiner Hose.

„Ja, Herr Vylmen. Und wie Sie an Hand der Ausdrucke erkennen, habe ich sehr gute Arbeit geleistet, finden Sie nicht?“

Mit einer raschen Handbewegung entriss er mir die Ausdrucke. Ruck zuck lag der Ausdruck als Konfetti auf dem Boden.

„Das ist das letzte Mal, dass Sie gute Arbeit lieferten. Sie sind fristlos gefeuert.“

„Schon vergessen Herr Vylmen, Sie haben mir bereits gekündigt. Nur wenn ich doch gute Arbeit leiste, warum haben Sie mir mit der gegenteiligen Aussage gekündigt?“

Ich sah ihm zu, wie er versuchte in seine Hose zu kommen. Gleichzeitig knallte die Tür hinter uns ins Schloss. Claudia hatte das Büro verlassen, ohne ein Wort zu sagen oder einen weiteren Blick auf ihren Sexpartner zu verlieren. Na ja, auf mich auch nicht. Aber das machte mir nichts aus. Mit Claudia hatte ich privat bislang nichts zu tun gehabt, und jetzt würde sie mich nicht mal mehr mit ihren Hintern ansehen.

„Ich werde Sie fertig machen“, meinte mein ehemaliger Arbeitgeber, „Sie werden nirgendwo einen Job bekommen. Das garantiere ich Ihnen.“

Er lächelte gehässig, während er sein Hemd zuknöpfte.

„Das sehe ich aber anders“, meinte ich zu ihm.

„Machen Sie, dass Sie aus meinem Büro rauskommen. Ich will Sie nie wieder sehen. Nie wieder und wenn doch, werde ich Sie eigenhändig aus dem Fenster werfen.“

Eine lächerliche Drohung. Nicht nur ich, sondern auch er wusste es. Die Spezialfenster hier oben waren bruchsicher. Da musste mehr als nur ein Körper kommen, der mutwillig durch die Fenster geworfen werden soll, um diese zu zerbrechen.

Aber andererseits stand ich hier und wollte nur Zeit schinden. Es gab noch jemanden, der meine gute Arbeit liebte. Ich hoffte nur, sie würde schneller kommen. Eine körperliche Auseinandersetzung gegen den Mann wollte ich nicht. Also sah ich dem Mann beim Anziehen zu.

„Wissen Sie, ich habe noch ein paar Bilder, die könnte ich auch noch ausdrucken und wir können uns zusammensetzen, um sie anzusehen.“

„Ich drehe Ihnen den Hals um, wenn Sie nicht sofort verschwinden. Machen Sie, dass Sie hier heraus kommen.“

„Ich warte noch auf jemanden. Sie bekommen nämlich noch Besuch.“

„Was haben Sie gemacht?“ fragte er lauernd „wenn Sie meiner Frau ... “

In diesem Moment öffnete sich die Tür. Michelle Vylmen stand in der Tür. Sie musste wohl die letzten Worte ihres Mannes mit angehört haben. Denn sie fragte ihn ganz direkt.

„Wenn er mir was ... ?“

Die Frau sah atemberaubend aus. Sie trug schwarze kniehohe Stiefel über einer hautengen roten Hose, einen dicken Norwegerpulli und eine rote Mütze auf ihrem schwarzen langen Haar. Die Augen schwarz geschminkt und wirklich rote Lippen. Und wenn ich rot sage, dann meine ich rot.

„Liebling, ich weiß nicht, was du hier willst. Wir haben gerade eine kleine Betriebsfeier und da geht es etwas lustig zu.“

Er breitete seine Arme aus, als wollte er seine Frau in die Arme nehmen. Doch die drückte ihm nur ein paar Ausdrucke in die Hand, die sie zusammengerollt in der Hand gehalten hatte.

„Willst du dazu etwas sagen?“

„Liebling, das ist nicht so wie du denkst.“

Hilflos brach er ab und stammelte noch etwas, während ihm seine Frau über den Mund fuhr.

„Nenn‘ mich nicht Liebling. Und nach was sieht das hier wohl aus? Du steckst jedenfalls nicht in Arbeit, sondern in deiner Sekretärin. Eigentlich habe ich so etwas schon lange erwartet, schließlich war ich auch einmal deine Sekretärin.“

„Aber ... “, weiter kam er nicht.

„Ich will die Scheidung. Diese Sekretärin war nicht die erste, aber die letzte Frau in die du dich während unserer Ehe eingebracht hast. Und da dein bester Scheidungsanwalt gerade frei ist, wird er sicher den Job annehmen und unsere Scheidung in die Wege leiten.“

Michelle Vylmen sah mich liebevoll an. Wenn sie erst geschieden ist, gibt es nichts mehr, was uns trennt. Es lief wie geschmiert. Und der Alte ahnte nichts. Michelle drehte sich um, zeigte ihm die kalte Schulter während sie sich bei mir einhakte.

„Kommen Sie, wir haben Einiges zu besprechen.“

Dann drehte sie sich noch einmal um, sah ihren Mann an und überraschte mich zum ersten Mal, seit ich sie kenne. „Kannst du dich noch erinnern, wo in dieser Firma dein Platz ist, Partner?“

Tanga für Tiffany

Ulrike Zimmermann

Wochenblatt Rhein/Ruhr/Ch.: Tiffany 007

Harry Feldmann

Bottroper Strasse 126 a

Herne

Herne, 15.06.2006

Hallo Tiffany,

ich bin´s der Harry. Heute nach der Schicht habe ich dein Bild gesehen. Weißt ja wohl, das im Wochenblatt. Hat mich gleich umgehauen.

Eigentlich bin ich ja verheiratet, schon seit 20 Jahren, mit der Elli, aber weißt ja, 20 Jahre, Elli ist wie 20 Jahre Linsensuppe. Hauptberuflich fahr ich Bagger, seit 22 Jahren, aber privat, da geht die Post ab. Du und ich auf der Vespa, das wär´s doch. Gebildet bin ich auch. Jede Oper von Verdi und Puccini kenn ich auswendig, jedenfalls fast. Außerdem bin ich Kapitän, wenn auch nur im Kleinen. Im Moment führe ich eine Flotte aus 222 Papierschiffchen an, alle aus Zuckerwürfelpapier gefaltet. Das bedeutet exakte Arbeit und richtig viel Feingefühl. Wenn´s des aber wirklich wissen willst – für ein Treffen mit DIR würde ich meine ganze Sammlung aufgeben. Entdecke mich ganz – meine wilde, feurige Seite und meinen versteckten sensiblen Kern.

In der Hoffnung auf eine baldige positive Antwort.

Dein Harry

P. S. Du kannst mir ja ´ne SMS schreiben, geht am schnellsten.

16.06.2006

Is et denn wahr? Eine SMS von Tiffany. Das Treffen steht: Erwarte Dich am 17. Juni um 19:00 Uhr. Ludwigstrasse 12, liest er. Na, wenn das kein gutes Zeichen ist – Tag der Deutschen Einheit hieß doch das früher. Außerdem, das ist ja schon morgen!

Hat´s ja ganz schön eilig, die Kleine. Harry ist wild entschlossen; ein Mann, ein Wort. Adios Papierschiffchen – hallo Tiffany! Kurz entschlossen tippt er seine knappe Antwort: GEBONGT HARRY., ein und hofft, dass es mit der modernen Satellitentechnik klappt; man weiß ja nie so recht.

Ah, da eine große Schaufensterscheibe. Eine super Gelegenheit für unseren Baggerfahrer, um sich mal eingehend zu betrachten. Gar nicht übel, denkt Harry wohltuend, zieht den Bauch ein und gleichzeitig die Jeans auf Taillenhöhe. Eigentlich alles bestens, denkt er. Doch dann hat er Tiffany´s Bild wieder vor Augen.

Ja, ja, auf die inneren Werte kommt es an, sagen die Psychologen immer, aber ob sie wohl auf Feinripp steht? So eine Frau ist doch sicher ganz wat anderes gewohnt! Auf die inneren Werte können wir immer noch zurückkommen.

„Wat mach ich jetz bloß,“ grübelt Harry, wo krieg ich jetz wat orntlichet her?“ Woolworth, Karstadt?Nein bestimmt nicht. Ihm fällt der Laden beim Bahnhof ein, wo alle sich erstmal umgucken, bevor sie reingehen. Dort, ja dort will er sein Glück versuchen.

Harry schlägt den Blousonkragen hoch und vergewissert sich mit scharfem, aber unauffälligen Blick, von niemandem beim Eintritt im Erotikshop beobachtet zu werden.

„Was sitzt denn da für ein heißer Feger am Tresen!“ Leichte Schweißperlen machen sich auf Harry´s Stirn breit. „Frollein,“ sagt er verlegen, „verkaufen Sie hier auch Unterwäsche für besondere Gelegenheiten, also, ich mein, kein Feinripp, oder so.“

Lange rote Fingernägel, die mit kleinen Hampelmännern geschmückt sind, weisen ihm gezielt den Weg. „Dort hinten rechts”, säuselt die Einkaufsberaterin, „finden Sie alles, was Sie brauchen. Ich kann Ihnen gern was zeigen.“ Harry wird schwindelig bei all dem Angebot.

„An was hatten Sie denn gedacht?“, möchte die junge Damen wissen. „Soll es ein Slip sein oder vielleicht doch lieber ein Tanga? Vielleicht etwas in Lack oder bevorzugen Sie Leder?“

Harry spürt vermehrt Schweißperlen auf der Stirn. Was et so alles gibt, denkt er. Ein bisschen blass ist er ja und lange hält er es hier nicht mehr aus. Sein Blick zielt auf einen pinkfarbenen Tanga in Leopardenmuster.

„Haben Sie den auch in XXL?“ fragt Harry. Langsam faltet die Verkäuferin den Tanga auseinander und streift mit sanften Bewegungen darüber. „Unsere Kundschaft hört normalerweise bei „L“ auf“, erklärt sie mit unschuldigem Blick.

Vor Harry´s Augen schleicht sich immer wieder Tiffany´s Bild ein. Er, Harry Feldmann, persönlich im Dessous für besondere Gelegenheiten, ihm gegenüber immer wieder ... Tiffany. „Soll es ein Geschenk sein?“, nimmt er verschwommen die Stimme der Verkäuferin wahr. Ob es ein Geschenk sein soll! Wat ne Frage! Ein Abend mit Tiffany ist schließlich das Geschenk im Leben eines Mannes! „Natürlich, und was für eins!“ antwortet Harry gedankenverloren.

Die Verkäuferin sprüht einen Hauch von Moschus über den pinken Tiger, hüllt ihn in Klarsichtfolie ein, bevor sie ihr Werk gekonnt mit einer duftigen Schleife versieht.

„Da wird die Frau Gemahlin sich aber freuen“, begleitet die Verkäuferin ihre Arbeit mit einem vielsagenden Lächeln. Jäh erwacht Harry aus seinen Träumen. Gemahlin? Ehefrau? Elli ... nein, um Gottes Willen, wie konnte diese junge Dame ihm das antun? Schließlich weiß er doch wohl am besten, wie Elli mit geblümter Kittelschürze aussieht. Schlagartig wird ihm klar, dass er sich an Elli ohne Kittelschürze schon gar nicht mehr erinnern kann.

Will da etwa ein schlechtes Gewissen in ihm aufsteigen? Nein, ach was, immer nur Schicht und Linsensuppe, nee, nee. Elli redet in letzter Zeit immer von „Wellness“, sich was GUTES tun, soll das heißen. Dann kann er, Harry, ja mal mit ´nem Wellnessabend anfangen, man gönnt sich ja sonst nix. Ob er sonst noch Wünsche hat, möchte die Verkäuferin wissen.

„Nein, danke, is allet,“ antwortet Harry eilig.

Ein Geldschein wechselt den Besitzer. Drei Kästen Bier, denkt Harry kurz und lässt das Klarsichtpäckchen in die Aktentasche gleiten.

Er eilt zur Bushaltestelle. Ein bisschen muss er warten, er blinzelt in die Aktentasche und nach kurzer Überlegung verschwindet das Schmuckstück in der Alu-Brotdose. 28 Stunden noch, dann ist es soweit. Tiffany ... Eine gewisse Unruhe macht sich breit, aber immer schön kühlen Kopf behalten, sagt sich Harry, obwohl er die Spannung kaum noch ertragen kann.

Im Hausflur erwartet Harry der gewohnte Duft von grüner Seife und Kohlsuppe. Seitdem Ahmed mit Frau und 7 Kindern – wo die wohl alle schlafen – die Hausgemeinschaft teilt, droht eindeutig Knoblauchgeruch die Idylle zu zerstören. Tauschen sollte er seine Wohnung mit denen, weil das Wohnzimmer nach Osten raus sein sollte, von wegen Mekka, und so. Sogar die Frau vom Sozialamt war da gewesen. Von Völkerverständigung, Toleranz, wollt se wat erzählen. Nee, hat er, Harry Feldmann, gesagt, soll se doch den Perser in die andere Richtung legen, der Mekka sieht dat sowieso nicht. Harry ärgert sich immer noch bei den Gedanken an diese Geschichte, überhaupt, wo ham die eigentlich dat Geld fürn teuren Perser her? Passt doch gar nicht, PVC und Perser. Ach wat soll´s, denkt Harry. Wer will schon seine Gedanken an Knoblauch verschwenden, wenn in wenigen Stunden purer Moschusduft lockt?

Harry schließt die Wohnungstür auf.

„Du kommst aber spät“, dröhnt es ihm entgegen. „Kannst gleich dein verschwitztes Hemd ausziehen, woll? Sonst krieg ich die Waschmaschine nicht mehr fertig. Kommt doch Günther Jauch heut Abend. Pellkartoffeln mit Quark und Schnittchen hab ich geschmiert. Bierflasche muss noch auf. Kannst ja vorm Fernseher essen. Wer weiß, kann mich ja auch mal bei Wer wird Millionär melden. Is doch ´n netter, der Jauch.“

Eigentlich hört Harry gar nicht richtig zu, aber er antwortet pflichtbewusst: „Ja, Elli, ja. Kannste machen.“ In Wirklichkeit ist er mit seinen Gedanken bei Tiffany. Unter der Dusche schmettert er Arien aus der Aida. Wenn er bei Günther Jauch gewinnen würde, würde er mit Tiffany in die Arena nach Verona fahren und die Aida dort live genießen. Was für ein Traum. Bei dem Gedanken an den kommenden Abend und sein hübsches Päckchen in der Aktentasche steigert sich sein Gesang ins Fortissimo. Feurig und verwegen fühlt er sich in diesem Moment.

Anschließend macht er es sich im Wohnzimmer gemütlich, verputzt Leberwurstschnittchen, Kartoffeln und Quark, dazu ein kühles Helles. Es dauert nicht lange und er sinkt in den wohlverdienten Fernsehschlaf, während Elli noch in der Küche hantiert. Sie packt ein Stück Sülze, Remoulade und Pumpernickel mit Butter in eine frische Brotdose, die sie in Harry´s Aktentasche verstaut. Ein Blick auf die Uhr – „Ach, Jesses, is ja schon so weit, Günther Jauch ruft!“

Also, der Rest hat Zeit bis morgen, ab ins Wohnzimmer. Wie kann man dabei nur schlafen, denkt Elli und wirft einen mitleidigen Blick auf den – Gott sei Dank nur leise – schnarchenden Harry.

Die Eingangsfragen sind aber ganz schön kniffelig, findet Elli, aber eine große Blondine mit langen Haaren und einer überdimensionalen Oberweite, hat die Antwort in kürzester Zeit gewusst. Als Renate Hammermeister, ledig, freischaffende Künstlerin, stellt sie sich vor. Der Jauch muss ganz schön nach oben gucken. Die Kandidatin bewegt sich hüftschwingend auf ihren Stuhl zu und sitzt dort mit übereinander geschlagenen Beinen.

Mensch, denkt Elli, die kann ja vor Oberweite ihre Füße nicht sehen. Nun bin ich ja mal gespannt, ob dat stimmt, von wegen dummes Blondchen. Wie der Jauch die anguckt – ganz schön nervös, der Günther. Elli rät, wie immer, mit. Is dat spannend heute. Nix da mit Blondinenwitzen. Wer hat gesagt, dass die dämlich sind? Zwei Joker hat sie weg und jetzt ist sie bei der 500.000-Euro-Frage. Dat jibt et doch nich!

Vor lauter Aufregung hat Elli die ganze Tüte Chips geknabbert. Sie überlegt, ob sie Harry wecken soll. Ach ne, dann hat er wieder schlechte Laune. Sie leckt die letzten Reste Paprika von den Fingern. Spitze ist er wieder, der Jauch, so souverän, wie der die Fragen stellt, einmalig. Insgeheim muss Elli zugeben, dass sie der Hammermeister so viel Bildung doch nicht zugetraut hätte. Wenn nur die blöde Werbung nicht wäre. Da, endlich die 500.000-Euro-Frage. Wenn das Harry wüsste – ausgerechnet eine Opernfrage ist es! Günther Jauch runzelt die Stirn und fragt eindringlich:

„Im Jahr 1982 starb Michele, der Bruder von Giacomo Puccini, in welcher Stadt?“

A) Turin b) Rio de Janeiro

c) Buenos Aires d) Torre del Lago

Renate Hammermeister kann noch ihren Telefonjoker nutzen, denn, wie sie zugibt, kennt sie sich mit dieser Musik nicht so gut aus.

„Ich hätte da einen Bekannten, der ein Opernkenner ist, aber leider habe ich ihn nicht als Telefonkandidaten angegeben. Wie schade! Ich versuche es trotzdem und rufe den Herrn Koslowski in Essen an. Sie gibt die Frage weiter, aber Herr Koslowski ist sich leider auch nicht sicher. Opern sind nicht sein Spezialgebiet.

Spannend ist es! Wenn Renate diese Frage beantwortet, kann sie eventuell Millionärin werden! Elli fiebert mit. Harry, ja Harry wüsste die Antwort bestimmt, aber der schnarcht ja. Schließlich entscheidet sich die Kandidatin für Antwort „D“.

Nein, schon wieder Werbung, bevor die Auflösung kommt! Ausgerechnet D wie dämlich hat sie genommen, wenn das mal gut geht, denkt Elli. Endlich, endlich, der Jauch liest die Auflösung vor – Schade, D stimmt also doch nicht, weil Antwort B, Rio de Janeiro, richtig gewesen wäre. Renate Hammermeister lächelt charmant und bemerkt: „Dann hätte ich doch lieber B, wie blond und blauäugig nehmen sollen. Es war aber ein wundervoller Abend und die stolze Summe von 125.000 Euro wird mir sicherlich eine angenehme Zukunft ermöglichen. Ich werde das Geld gut investieren.“

Elli findet, dass der Jauch sich ein bisschen zu lange von seiner Kandidatin verabschiedet, die winkend von der Bühne schreitet. Da ist ja auch schon der quäkende Schlusston. „Harry“, sagt Elli, „lass uns im Bett gehen“, und rüttelt an seinen Schultern.

17.06.2006

Mürrisch steht Harry am nächsten Morgen auf. Lauter wirres Zeug hat er geträumt. Tiffany mit Tropenhelm, er im pinken Tanga in einem riesigen Papierschiffchen, das wie eine Gondel über den Canale Grande gleitet, auf der Brücke Elli in Kittelschürze mit Schrotflinte bewaffnet. Harry braucht dringend einen starken Kaffee. Der bringt ihn wieder auf die Beine und mit dem Zuckerstückchenpapier faltet er ein winziges Schiffchen auf das er ein T. malt. Langsam steigt Harrys Stimmung wieder, aber er ist den ganzen Tag abgelenkt, weil ihn seine Traumbilder verfolgen. Wie soll man da vernünftig Bagger fahren!

Inzwischen ist auch Elli aufgestanden. Seitdem ihre neunzehneinhalbjährige Tochter Viktoria-Emmanuela als Au-pair-Mädchen in Weymouth ist, kann sie morgens auch mal etwas länger liegen bleiben. Sie frühstückt gemütlich und beginnt danach mit der Hausarbeit. Fenster putzen ist angesagt. Elli ist stolz auf ihr Werk. Entschlossen begibt sie sich in die Küche und setzt ihr Tagewerk fort. Ach, da ist ja auch noch die Brotdose vom Vortag: Schnell abspülen, denkt sie und hebt den Alu-Deckel an. Sie stutzt und reibt sich die Augen. Was ist das denn? Ein Geschenk!? Vorsichtig nimmt Elli das Paket heraus. Elli ist aufgeregt und gleichzeitig gerührt. Ihr Harry! Hat er doch daran gedacht. Was für ein Schatz! Sie hatte schon befürchtet, Harry würde ihren zwanzigsten Hochzeitstag vergessen.

Verstohlen wischt Elli sich ein paar Tränen aus dem Gesicht. Sie begutachtet den pinkfarbenen Leoparden-Tanga. Es dauert nicht lange und Elli beginnt Vorbereitungen zu treffen. Unter dem Stapel Opernschallplatten verbergen sich nicht nur andere musikalische Köstlichkeiten, sondern damit auch gleichzeitig viele wunderbare Erinnerungen. Ein Bett im Kornfeld von Jürgen Drews – mein Körnsken hat Harry sie damals immer genannt, einige Monate später – Ganz in Weiß von Roy Black, sechs Monate später wurde Viktoria-Emanuela geboren. Da, noch ein toller Hit – Sexbomb vom Tiger persönlich. Elli hat die Welt um sich vergessen und überlegt, wie sie ihr Heim in die richtige romantische Atmosphäre verwandeln kann.

Natürlich, oben in Viktoria-Emmanuelas Zimmer ist doch die rote Herzchen-Lichterkette. Die kommt heute unbedingt ins Elternschlafzimmer. Was noch? Was machen die Frauen im Film? Die verteilen doch immer Rosenblätter auf dem Bett. Macht das nicht zuviel Schmutzwäsche? Auf alle Fälle muss das Bett bezogen werden. Was für ein Glück! Im Wäscheschrank steht ja noch das Pülleken Piccolo, das sie beim Doppelkopf mit Roswitha, Hildegard und Gudrun gewonnen hat. Der muss kalt gestellt werden. Ne große Flasche wär sowieso nix, da würde Harry gleich einschlafen, aber das darf er nicht. Was ist aber nun mit der Deko für das Bett? Elli entscheidet sich für kleine rote Papierherzchen und kleine weiße Plastikschwäne, die unten im Buffet stehen. Noch etwas Maiglöckchenduft auf die Kissen und Elli ist rundum zufrieden.

Was aber soll mit ihr selbst passieren? Elli bringt den Piccolo in den Kühlschrank und gönnt sich eine kurze Denkpause. Wie soll sie sich zur Feier des Tages herrichten? Das kleine Schwarze? Nein, eindeutig ungeeignet. Sie hat 5 Kilo zugenommen, seitdem sie vor vier Jahren zum letzten Mal mit Harry in der Oper war und sie hat Angst um den Reißverschluss. Das grüne Strickkleid mit dem Papageienmuster auf der Brust? Nein, Elli findet, sie sieht aus wie eine Wurst. Außerdem kommt der Tanga nicht zur Geltung. Sie wagt kaum daran zu denken, aber wie wäre es denn mit dem lila Negligee, aus Nylon, das ihr Tante Martha zur Hochzeit geschenkt hat und das sie noch niemals eingeweiht hat? Es fällt weich und fließend, und wenn sie es geschickt anstellt, fällt Harry auch sein mit Liebe ausgesuchtes Geschenk auf. Dieser Schelm, nie hätte sie ihm das zugetraut.

Elli entschließt sich zu einem Probelauf. Sie findet sich richtig chic, verführerisch, aber – halt – da stimmt doch was nicht! Ein Blick in den Spiegel sagt die ganze Wahrheit. Die Pantoffeln im rot-grau-schwarzen Schottenmuster aus Wolle passen irgendwie nicht zur restlichen Kleidung. Wieder mal ärgert sich Elli über ihre Füße. Warum nur ist sie mit Schuhgröße 44 gesegnet worden? Wieder ist Elli den Tränen nahe, dieses Mal aber vor Enttäuschung. Barfuss? Bei der Größe, nein. Wieder dient Ihre Tochter als rettender Engel. Sie stöbert in Viktoria-Emmanuelas Schrank und findet ein paar rote High-Heels, die sie sich mal für eine Faschingsfeier gekauft hat. Zum Glück tragen Mutter und Tochter die gleiche Schuhgröße. Jetzt noch ein wenig von Viktoria-Emmanuelas Make-up, ein bisschen Lidstrich hier, ein bisschen Wimperntusche da und, um das Ganze etwas farbig zu gestalten, ein kräftiges Pink auf die Lippen. Elli ist fix und fertig gestylt.

Mein Gott, war das anstrengend! Trotzdem, ein Blick in den Spiegel verrät ihr, dass sich die Mühe gelohnt hat. Elli ist stolz und verlegen zugleich und ihre Wangen färben sich leicht rosa. Jetzt noch eine Begrüßungspose einstudieren, mit rauchiger Stimme „Hallo Harry“ hauchen und nichts kann mehr schief gehen. „Strangers in the night“ von Frankyboy hat sie zum Üben aufgelegt.

Nach 20 Minuten ist Elli mit dem Ergebnis vollkommen zufrieden. Für gewöhnlich kommt Harry um 16:10 h nach Hause, bis auf gestern, denn er fährt immer mit dem gleichen Bus. Elli stellt den Wecker auf 15:45 h und tauscht das lila Negligee erst noch mal gegen die geblümte Kittelschürze aus. Die letzten Handgriffe im Haushalt sind erledigt und die Zeit reicht noch für ein bisschen Talk-Show, zum Entspannen und um ihre Fingernägel Pink zu lackieren.

Auch bei Harry hat sich das Blatt wieder zum Guten gewendet. Der Bagger läuft wie geschmiert. Zwischendurch reibt er das Papierschiffchen mit Daumen und Zeigefinger in der Hosentasche – das bringt Glück. Er wird Elli einfach sagen, dass er mit Herbert und Ewald einen Extra-Skatabend mit Extra-Hauptpreis einlegen will. Das kommt schon mal vor und Elli freut sich immer über die Preise. Neulich war´s ne Schachtel Weinbrandbohnen und ein Stück Westfälischer Schinken. Gerade Sonntag haben sie die letzte Scheibe für den Strammen Max verbraucht. Hhm, ihm läuft jetzt noch das Wasser im Mund zusammen. Da meldet sich ein anderes Stimmchen: Denk an Deine Figur, Harry. Schließlich mag Tiffany bestimmt keinen Dickwanst!

„Hast ja recht,“ brummelt Harry und zieht den Bauch ein. Endlich, die Schicht ist vorbei und ihn trennen nur noch wenige Stunden von Tiffany. Hoffentlich ist der Duft seines Duschgels männlich genug! Nur weil das in der Werbung so gesagt wird ... Harry plagen leichte Zweifel. Ach, er hat auch noch Aftershave und riecht ohne all diesen Kram immer noch besser als dieser Ahmed mit seiner Knoblauchfahne.

Zuhause klingelt der Wecker. Tatsächlich war Elli nach all dem Wirbel bei Vera am Nachmittag eingedöst.

„Jetzt aber, ´ran!“ sagt sie sich. Ein Blick in den Spiegel, Lippenstift noch mal nachziehen, ein Stück Toilettenpapier zwischen die Lippen – machen die Filmstars doch auch so – und alles sitzt perfekt. Einmal durch die Haare, Kittelschürze aus, Negligee an. Der Leoparden-Tanga sitzt wie angegossen und das pink von Lippenstift, Nagellack und Dessous sind der Knaller! Elli richtet das Tablett mit Piccolo und Sektgläsern, die sie vorsichtshalber noch mal poliert, entscheidet sich für Sexbomb als musikalische Untermalung und tauscht die Puschen gegen rote High-Heels.

Der Countdown läuft ... Sie versteckt sich hinter der Wohnzimmergardine, um Harry abzupassen. Da, das ist er. Da das Fenster auf Kippe ist, hört sie, dass er „oh, wie so trügerisch“, pfeift. Das macht er immer wenn er aufgeregt ist. Kein Wunder, schließlich ist ja Hochzeitstag . Sie hat ihn durchschaut, ihren Harry!

Ein letzter Blick in den Spiegel, Musik an, noch einmal Maiglöckchenduft versprühen und ... Elli hört den Schlüssel an der Haustür ... kommt ihrem Harry zuvor, rückt mit der linken Hand leicht das Negligee zurück, öffnet die Tür, steht Harry in lange einstudierter Pose gegenüber und sagt mit einer Stimme, die der Enkelin von Zarah Leander gehören könnte: „HALLO HARRY!“

Harry entgleiten die Gesichtszüge und auch die Aktentasche. Was soll das? Holt ihn sein Traum der letzten Nacht wieder ein? War es eine Vorwarnung? Was macht Elli mit seinem pinkfarbenem Leoparden?

Ihm wird schwindelig. „Ich ... ich komm ja schon ´rein, ist ja gut,“ stottert Harry. Während Elli zum Sekttablett eilt, nutzt Harry die Gelegenheit, um eben mal oben im Bad zu verschwinden. „Von verschwitzt, schnell duschen, so geht das doch nicht“, hört Elli was. Oben im Bad angekommen, lehnt Harry sich erst einmal an die Tür. Wie konnte das nur passieren ... gerade heute ... nach all den Jahren. Das geht doch nicht!

Ein leichtes Vibrieren erschüttert Harry´s Hosentasche. „Das auch noch! Wenn ihn jetzt noch jemand zur Baustelle ruft ... was ist das bloß für ein Tag!“ Hastig greift unser Freund nach seinem Handy – 1 Mitteilung empfangen – lesen –

Lieber Harry, steht dort, ich habe fast alle Antworten gewusst und nutze meinen Gewinn für eine Reise nach Mauritius. Bin in Düsseldorf auf dem Flughafen, nehme den nächsten Flieger. Wenn ich dich früher kennengelernt hätte, hättest du mir bei der Opernfrage als Telefonkandidat helfen können. Dann hätte ich dich mitgenommen. So bleibe ich auf unbestimmte Zeit fort, während du Flottenkapitän bleibst. AHOI, Seemanns Braut ist die See.

Gruß Tiffany.

Harry verschwinden die Buchstaben vor den Augen, während es von unten Sexbomb schallt und Elli ruft: „Harryken, wat is jetz mit de Leopardenjagd. Dat Pülleken is jetz offen, der Korken hat jeknallt, jetz liegt alles nur noch an dir!“

„Das kann doch nicht wahr sein! Ich begreife gar nix mehr. Also doch Linsensuppe die nächsten 20 Jahre, wenn auch scharf gewürzt“, denkt Harry resigniert und stolpert die Treppe herunter.

Ein Röslein, jung und morgenschön

Karl Plepelits

Mein Traumland heißt Provence. Eine Reise dorthin ist für mich jedesmal so viel wie eine Reise in die Vergangenheit, sprich: in meine Jugend. Denn als ich noch frisch und unverdorben, grün und feucht (nämlich hinter den Ohren), kurz: ein wilder Knabe war, habe ich einmal die Sommerferien bei meinen französischen Verwandten nahe Nizza verbracht und die Freuden (und Leiden) meiner ersten Liebe erlebt. Und seither kann ich nicht aufhören, von der Provence, ihren Schätzen, ihren Schönheiten, ihren Geheimnissen zu träumen.

4. April 2009

Samstag vor dem Palmsonntag. Aufbruch zu einer Reise in mein Traumland, diesmal als Reiseleiter in einem steirischen Touristenbus.

Am Abend in Nizza: Gedankenschwerer Bummel über die weltberühmte Promenade des Anglais – nicht allein, wohlgemerkt, und auch nicht mit der ganzen Reisegruppe, sondern nur mit meiner süßen, jungen Freundin. Könnte sie meine Gedanken lesen ... Glücklicherweise kann sie es nicht. Zu meinem Leidwesen haust nämlich in ihrer Brust ein Dämon, der uns das Leben gelegentlich ganz schön schwer macht. Iago in Shakespeares Othello nennt ihn das grünäugige Monster.

Aber gut: Sie trägt ja das harte Los einer heimlichen Geliebten. Schließlich bin ich ein verheirateter Mann, ein altgedienter Ehekrüppel – so altgedient, dass mir das Ehejoch mittlerweile zu einer unerträglichen Last geworden ist. Seit Jahren trage ich mich mit dem Gedanken, mein Ehejoch abzuschütteln, und bin auf der Suche nach einer, die mir ein neues, leichteres, erfreulicheres Joch auferlegen könnte.

So landete ich vor einiger Zeit bei Rosi. Und sie ist ja auch wirklich, um mit Meister Goethe zu sprechen, ein zartes Röslein, jung und morgenschön (meine Neider behaupten: viel zu jung und morgenschön, bedenkt man mein Alter; aber das lässt mich kalt). Trotzdem bin ich mir noch immer nicht sicher, ob sie auch wirklich die richtige Rose für mich ist. Denn zu behaupten, sie sei völlig frei von Dornen, wäre eine gewaltige Übertreibung. Und gerade jetzt, während unseres Bummels durch Nizza, sind meine Zweifel stärker denn je.

Denn da erblüht vor meinem innern Auge aus den Tiefen der Vergangenheit, als ich noch ein wilder Knabe war, ein andres Röslein, zart und jung und morgenschön. Ich lief gar schnell, es nah zu sehn, sah‘s mit vielen Freuden. Knabe sprach: Ich breche dich. Röslein sprach: Ich steche dich, dass du ewig denkst an mich, und stach den wilden Knaben. Und die Wunde heilte nicht, ans Röslein dacht‘ er ewiglich, mit Schmerzen und mit Tränen. Und so denkt er heute noch, er, der längst kein Knabe ist, an das zarte Röslein.

5. April 2009

Palmsonntag. Wir erreichen unser Standquartier für eine ganze Woche, ein urgemütliches Familienhotel im Stadtzentrum von Aix-en-Provence, und werden mit großer Herzlichkeit empfangen. Der einzige Nachteil: Für unseren Bus gibt es keinen Parkplatz. Und daher ist es eine meiner vordringlichsten Aufgaben, die so freundliche Dame an der Rezeption nach der nächsten günstigen Parkmöglichkeit zu befragen und ihre Beschreibung Seppi, meinem Fahrer, zu verdolmetschen.

Während ich ihn danach zum Bus begleite, zeigt er sich von ihrem Charme und ihren Reizen restlos hingerissen. Er schwärmt von ihnen wie ein verliebter Jüngling. Und ehe er wegfährt, erklärt er mit Bestimmtheit, sich dieses Klasseweib unbedingt aufzwicken zu wollen, und fordert mich auf, ihm dabei behilflich zu sein. Denn natürlich sei er am Anfang ohne mich aufgeschmissen, weil er ja kein Französisch könne und sie offenbar kein Deutsch.

Ja, auch dies gehört zu den Pflichten eines Reiseleiters: den Herrn Chauffeur bei Laune zu halten, auf welche Weise auch immer. Im Übrigen kann ich nicht umhin, ihm im Stillen beizupflichten. Allein ihr Lächeln, während ich mir als Letzter mein Gepäck schnappe, um endlich mein, das heißt, unser Zimmer zu beziehen, ist in der Tat umwerfend. Mich jedenfalls wirft es buchstäblich um. Und damit habe ich schon wieder etwas, was Rosi besser nicht ahnt.

Seppi muss ich an diesem Abend enttäuschen. Es bietet sich einfach keine Gelegenheit, und dies, obwohl nach dem Abendessen für die Gäste des Hotels eine Art Empfang gegeben und anschließend zum Tanz aufgespielt wird. Beim Empfang selbst ist Seppis heimlich Angebetete zwar dabei, doch ein intimeres Gespräch zu dritt ist leider nicht möglich. Und im selben Moment, wo der gemütliche Teil mit Musik und Tanz beginnt, ist sie verschwunden; und ihr auf der Stelle nachzusausen wäre bestimmt kein guter Auftakt für Seppis Absichten. Überdies ist meine Anwesenheit gerade jetzt unumgänglich. Weiß ich doch, wie sehr mein Röslein schon darauf lauert, von mir zum Tanz aufgefordert zu werden.

Doch zu meinem Bedauern (und zweifellos zu Rosis Verdruss) ist die Zeit des Lauerns noch nicht vorbei. Während ich mich nämlich unauffällig auf sie zu bewege, stürzt sich plötzlich eine mir unbekannte Dame auf mich, packt mich mit beiden Händen und beginnt mit mir beschwingt, um nicht zu sagen: ekstatisch zu tanzen.

Im ersten Moment bin ich so perplex, dass ich all dies willenlos mit mir geschehen lasse, und mit der Zeit beginne ich an diesem merkwürdigen Treiben durchaus Gefallen zu finden, zumal meine ekstatische Tänzerin nicht nur ausgesprochen apart und unglaublich charmant ist, sondern sich auch noch als Kollegin entpuppt, nämlich als Reiseleiterin einer am selben Abend angekommenen deutschen Gruppe, die genau wie wir eine volle Woche in diesem Hotel zu logieren gedenkt. Zugleich muss ich freilich ständig daran denken, mit welchen Gefühlen uns wohl meine Rosi zuschauen mag.

Nun ja, irgendwann hat meine deutsche Kollegin doch genug von mir. Und nun stürzt sich sofort wieder jemand auf mich. Nein, nicht Rosi. Sondern der gute Seppi, der erstens dringend zu wissen begehrt, wer denn diese flotte Biene gewesen sei, und mich zweitens drängt, mit ihm doch an die Rezeption zu eilen, um zu sehen, was sich machen lässt.

Nun gut, wir eilen an die Rezeption. Unterwegs beantworte ich ihm seine Frage nach der „flotten Biene“. Von dieser zeigt er sich nämlich ebenfalls mordsmäßig beeindruckt.

Und dann: Diese Enttäuschung! Anstelle von Seppis heimlich Angebeteter finden wir einen griesgrämigen Alten vor. Madame sei schon außer Dienst; morgen Früh um acht sei sie wieder zu sprechen.

Ich tröste Seppi mit der Bemerkung, er habe ja noch eine ganze Woche Zeit, und schiebe ihn unverweilt zurück in den Tanzsaal, um dort endlich Rosi zu suchen, zum Tanzen aufzufordern und während des Tanzens auch sie zu trösten. Er lässt sich aber nicht zurückschieben, ohne mir noch ein weiteres Versprechen abzunehmen, nämlich ihn für alle Fälle jener flotten Biene vorzustellen.

Zurück im Tanzsaal, kann ich weder Rosi noch die flotte Biene entdecken. Also gut, lieber Seppi, hab Geduld! Geduld bringt Rosen (und mir die Rosi). Ich muss jetzt schnell hinaufschauen, ob sie vielleicht im Zimmer ist. (Seppi ist nämlich als Einziger in unser Geheimnis eingeweiht.) Du musst verstehen, dass ich ein klein wenig beunruhigt bin. Ich komm dann gleich wieder zurück. Ist das okay?

Es ist okay, und ich sause davon, um nachzusehen, ob sich Rosi vielleicht tatsächlich ohne mich ins Zimmer zurückgezogen hat. Und ich bin in Wahrheit nicht bloß ein klein wenig, sondern zutiefst beunruhigt.

Die Zimmertür ist unversperrt. Ich trete ein, und was sehe ich? Röslein liegt im Bett und schmollt. Hierauf beginnen bittere Vorwürfe auf mich niederzuprasseln, und ich kann nur demütig mein Haupt senken. Doch beim Senken des Hauptes fällt mir ein, dass ja noch eine Pflicht meiner harrt. Seppis wegen müsse ich noch einmal kurz weg, murmle ich mit vernehmlich klopfendem Herzen. Sie möge darob nicht böse sein.

Sie ist aber böse und droht mit schlimmen Konsequenzen, sollte ich sie abermals mit anderen Frauen betrügen.

Ich haste hinab in den Tanzsaal, suche Seppi, erfahre, die flotte Biene sei noch immer verschollen, erkläre ihm, gleich wieder fortzumüssen, weil ich sonst Zoff bekäme, wünsche ihm noch einen schönen Abend und haste zurück in meine quasi-eheliche Zweisamkeit mit Rosi. Von einem schönen Abend kann hier freilich auch weiterhin nicht die Rede sein. Und ich beginne mich ernstlich zu fragen, ob das neue Joch, mit dem ich mein altes Ehejoch zu vertauschen gedenke, auf diese Weise wirklich ein leichteres und erfreulicheres wäre.

Montag, 6. April

Rückkehr von den Besichtigungen des Tages. Gemeinsames Abendessen. Und ich voller guter Vorsätze. Aber wie lautet das Sprichwort? Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert. Denn der liebe, gute Seppi hat nicht vergessen, dass ich ihm am Vorabend zwei Dinge schuldig geblieben bin.

Also gut. Ich versuche meiner lieben Rosi schonend und zugleich unauffällig klar zu machen, dass ich zu meinem größten Bedauern an der Rezeption noch eine Kleinigkeit zu erledigen habe. Sie möge sich nur ein klein wenig gedulden. Und ohne ihre Antwort abzuwarten, haste ich auf den ungeduldig wartenden Seppi zu.

Und da steht sie ja, die heiß Ersehnte, und blickt uns mit ihrem umwerfenden Lächeln erwartungsvoll entgegen. Mich aber erfasst unversehens die wilde Panik.

„Was soll ich denn sagen?“, flüstere ich Seppi zu.

„Ich bitte dich, Andreas, dir wird schon was einfallen“, flüstert er zurück. „Du bist ja sonst auch nicht auf den Mund gefallen.“

„Hm, soll ich sagen, du würdest sie gern an die Bar einladen?“

„Na siehst du? Es geht doch. Ja, ja, so wird sie schon anbeißen.“

Inzwischen sind wir auch schon bei ihr angelangt. Reichlich verlegen, erwidere ich ihre herzliche Begrüßung und ihr strahlendes Lächeln und weiß nicht weiter.

Womit könne sie uns denn helfen?

Ich zögere, deute auf den übers ganze Gesicht strahlenden Seppi und stammle, das sei mein Chauffeur.

„Oh, ich weiß. Ich erinnere mich.“

„Ja, also ... Na, um es kurz zu machen: Er würde Sie sehr gern an die Bar einladen.“

„Mich? Oh là là! Habe ich da einen heimlichen Verehrer?“

„Ja, ja, er bewundert Sie sehr. Er würde Sie gern ein wenig näher kennen lernen.“

Sie blickt von mir auf ihn und von ihm auf mich, errötet lieblich und murmelt: „Charmant, charmant!“

„Das Problem ist nur ... Er kann nicht Französisch. Er braucht mich als Dolmetscher. Würde es Ihnen viel ausmachen, wenn ich …“

„… mit an die Bar komme?“ ergänzt sie, da ich weiterzusprechen zögere, und errötet noch lieblicher. „Aber nein, ganz im Gegenteil. Nur …“ Sie blickt auf die Uhr. „… das geht leider erst, sobald der Nachtportier eingetroffen ist. Das dauert noch zirka eine Viertelstunde. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, so lange noch zu warten?“

Ich übersetze für Seppi. Und er, voller Begeisterung: „Sag ihr: Wir warten mit Vergnügen.“

Ich übersetze ihr Seppis Worte, und sie bedankt sich formvollendet, blickt erneut vom einen zum anderen und errötet erneut. Und ich finde, dass das Erröten sie noch anziehender erscheinen lässt. Doch zugleich denke ich mit wachsender Verzweiflung an Rosi, die wahrscheinlich mit wachsendem Ingrimm im Zimmer auf mich wartet und sich betrogen, verraten und verkauft vorkommen muss.

Doch siehe da: Wer steht da plötzlich vor mir und begrüßt mich überschwänglich? Es ist die flotte Biene. Ob ich Französisch könne und ihr nicht ein bisschen helfen möchte? Dieser Herr – und sie deutet auf einen Begleiter – habe irgendein Problem in seinem Zimmer, und ihr Französisch sei leider nicht so toll.

Diesen Auftrag erledige ich natürlich sehr gern, zumal ich dabei aufs Neue das Vergnügen habe, mit der charmanten Dame an der Rezeption zu sprechen. Denn ein Vergnügen ist es, so viel steht fest.

Hierauf erinnere ich mich an Seppis zweiten Auftrag und mache ihn unverzüglich mit der flotten Biene bekannt. Das freilich ist eine sehr leichte Aufgabe. Hier ist ja kein Dolmetscher vonnöten. Es bedarf also lediglich einer kurzen Vorstellung, und schon entspinnt sich zwischen den zweien ein lebhaftes, wenn auch äußerst kurzes Gespräch; denn der Herr, dessentwegen sie da ist, wartet sichtlich ungeduldig.

Endlich trudelt der Nachtportier ein, und Seppi kann seine heimlich Angebetete – ich meine: die, für die er einen Dolmetscher braucht – mitsamt besagtem Dolmetscher an die Bar abschleppen.

Ja, und wozu dürfe er sie einladen?

Antwort: Zu einem Calvados.

Also bestelle ich in Seppis Namen für alle drei einen Calvados. Und der schmeckt so köstlich und belebt so wunderbar die Sinne, dass es bei dem einen nicht bleibt. Eine gewisse Belebung der Sinne tut im Übrigen durchaus Not. Denn am Anfang wissen wir alle drei nicht recht, worüber wir reden sollen, Seppi am allerwenigsten. Erst unter dem wohltuenden Einfluss des Calvados kommt die Unterhaltung allmählich in Gang. Und da erfahren wir unter anderem, dass seine heimlich Angebetete Jacqueline heißt und von ihrem Mann getrennt lebt. Und seit sich auch ihr Vater, natürlich wegen einer jüngeren Frau, aus dem Staub gemacht habe, führe sie gemeinsam mit ihrer Mutter das Hotel. Nur müsse sie im Moment ganz allein zurecht kommen; ihre Mutter sei verreist.

Nun, alles gut und schön. Aber von wirklichem Aufzwicken, wie es Seppi doch eigentlich vorhat, kann nach wie vor keine Rede sein. Zwar macht er Jacqueline im Laufe des abends immer tollere Komplimente – o ja; aber ich muss sie ihr übersetzen. Und damit ist ihre ursprünglich geplante Wirkung zweifellos verpufft, und es sieht ganz so aus, als würde ich ihr diese Komplimente machen. Und das ist weder in meinem noch in seinem Sinne.

Sobald ich also mein drittes Glas geleert habe, frage ich ihn im Flüsterton, ob ich ihn jetzt vielleicht mit ihr allein lassen solle.

„Um Himmels willen, nein!“, flüstert er, sichtlich entsetzt, zurück und bestellt mir im selben Atemzug ein viertes Glas.

Leider kam mir bei meiner Frage die liebe Rosi wieder in den Sinn. An sie hatte ich nämlich schon lange nicht mehr gedacht. Und damit ist mit einem Schlag meine ganze gute Laune verflogen. Denn inzwischen kann ich mir lebhaft ausmalen, wie sie mich empfangen wird. Wie lange soll denn das hier noch weitergehen?

Doch bald darauf scheint auch Seppi unversehens die ganze Lust an dieser Unternehmung verloren zu haben, und er macht dem Ganzen ein rasches, schmerzloses Ende. Immerhin ist er Kavaliers genug, Jacqueline für den nächsten Abend wieder einzuladen; nur heute sei er leider schon total geschafft. Er zahlt, sie bedankt sich für die freundliche Einladung, und das war‘s dann. Aber natürlich begleiten wir sie noch nach Hause. Das ist zwar nur ein Katzensprung in den ersten Stock bis zu einer Tür, auf der statt einer Nummer „Privé“ zu lesen ist. Sie lässt sich aber allem Anschein nach trotzdem sehr gern begleiten. Erstens sind wir ja Kavaliere, nicht wahr, zweitens ist sie vom Calvados bereits unverkennbar angesäuselt, und drittens erweckt sie durchaus den Eindruck, als täte es ihr leid, jetzt allein in ihre einsame Wohnung zurück zu müssen.

Nachdem wir sie dort unter vielem Getue, Gewinke und beschwipstem Gekicher abgeliefert haben, trennen sich unsere Wege. Seppi erklärt, noch etwas Bewegung und frische Luft zu brauchen, dankt mir für meine Hilfe und eilt beschwingten Fußes in die Tiefe, dem Ausgang zu. Und ich? Ich bleibe einsam und verlassen zurück, und an die Stelle meiner Beschwingtheit tritt grenzenlose Verzagtheit. Wie sagt Faust? Der Menschheit ganzer Jammer fasst mich an.

Mit schrecklichem Herzklopfen und weichen Knien stehe ich schließlich vor unserer Tür – und finde sie versperrt. Ich klopfe leise und warte. Wer klopfet, dem wird aufgetan. Aber nein: Diese biblische Prophezeiung bewahrheitet sich nicht. Ich klopfe eine Spur kräftiger und rufe leise: „Rosi! Schatz!“ Nein: Mir wird mitnichten aufgetan. Aha, da ist sie offenbar noch ausgegangen. Also: Hinunter zum griesgrämigen Nachtportier, den Schlüssel holen. Wie? Der ist nicht da? Dann ist sie also doch nicht ausgegangen? Ergo dessen ist sie doch im Zimmer und hat mein Klopfen nicht gehört. Also: Wieder hinauf!

Vor der Tür angekommen, klopfe ich um eine Spur kräftiger und rufe um eine Spur weniger leise. Aber nein: Aufgetan wird mir nicht. Ich klopfe noch kräftiger, rufe noch weniger leise: Derselbe Erfolg. Schließlich hämmere ich an die Tür, dass es weithin dröhnt, und rufe noch lauter als zuletzt.

Ah! Jetzt höre ich es drinnen rascheln, knacken, quietschen. Und dann höre ich Rosis Stimme, und die klingt mindestens so griesgrämig wie die des Nachtportiers vorhin. Indes, was mich meiner Fassung beraubt, ist nicht so sehr der Klang ihrer Stimme als vielmehr der Inhalt ihrer Rede. Rosi knurrt nämlich – Homer würde es so formulieren: Rosi spricht die geflügelten Worte: „Was hab ich gestern gesagt? Ich hab gesagt, wenn du mich noch einmal betrügst, hat das Konsequenzen.“

„Aber“, beginne ich. Und dann bleibt mir die Sprache weg.

Und wieder höre ich Rosis Stimme. Diesmal ist ihr Klang freundlich. Und sie spricht die geflügelten Worte: „Also dann: Gute Nacht. Du wirst schon irgendwo ein warmes Plätzchen zum Schlafen finden. Da bin ich überzeugt.“

Nun aber reißt mir endgültig die Geduld, und meine bisherige Fassungslosigkeit verwandelt sich in Wut, Empörung, Erbitterung.

„Du“, rufe ich ihr zu, „mach sofort auf, oder du kannst was erleben.“

Als Antwort höre ich sie zornig kreischen. Und sie kreischt die geflügelten Worte: „Geh doch zu deiner neuen Flamme!“

„Was? Von wem sprichst du?“

„Na, von dem Frauenzimmer, mit dem du gestern so intim getanzt hast. Heute hast du ja schon wieder mit ihr geschäkert. Und wie du mit ihr geschäkert hast! Gerade, dass du ihr nicht um den Hals gefallen bist.“

„Wie kommst du denn auf so einen Unsinn?“

„Verkauf mich doch nicht für blöd! Ich hab euch ja beobachtet. Und damit ist für mich auch klar, wo du so lang gesteckt bist. Und? War‘s wenigstens schön?“

„Red doch nicht so einen Quatsch! Mach sofort auf!“

„Fällt mir nicht im Traum ein. Gute Nacht. Und schöne Grüße.“

Während ich noch entgeistert die Luft anhalte und nach Worten ringe, höre ich es hinter der Tür wieder rascheln, knacken, quietschen. Die Audienz ist offenbar beendet.

Ich bin wie vor den Kopf geschlagen, weiß nicht, wie mir geschieht. Doch dann kehren Wut, Empörung, Erbitterung zurück und wühlen mich bis ins Innerste auf. Ich stürme hinunter an die Rezeption und ersuche den griesgrämigen Nachtportier in vermutlich nicht allzu verbindlichem Ton, mir einen Zweitschlüssel oder sonst eben den Hauptschlüssel auszuhändigen, damit ich in mein Zimmer könne.

Da wird der noch griesgrämiger. Einen Zweitschlüssel gebe es nicht, den Hauptschlüssel dürfe er nicht aus der Hand geben, und überhaupt sei dieser zu nichts nütze, falls, wie nur zu wahrscheinlich, der Schlüssel innen stecke.

Ja, dann müsse er mir eben ein anderes Zimmer geben.

Oh, er bedaure sehr, aber das Haus sei voll. Es sei kein einziges Zimmer frei.

Und in diesem Moment reißt mir ein zweites Mal die Geduld. Grußlos lasse ich ihn stehen und stürme hinauf in den ersten Stock. Meine letzte Rettung!, sage ich mir immer wieder vor. Meine letzte Rettung! Jacqueline soll mir helfen! Jacqueline kann mir vielleicht helfen! Jacqueline wird mir sicher helfen! Schließlich ist sie, wenn auch ganz ohne Absicht, mitschuldig an meinem Schlamassel. Und wenn sie mir mein Zimmer wirklich nicht aufsperren kann, und wenn das Haus wirklich voll ist, so wird‘s doch bestimmt bei ihr selber eine Couch geben, wo ich meine müden Glieder ausstrecken kann. Schließlich muss ich morgen wieder meinen Mann stehen. Und übrigens: Hat sie nicht erwähnt, dass ihre Mutter verreist ist? Also wird sich schlimmstenfalls in deren Wohnung irgendeine Schlafgelegenheit finden.

Unter solchen Gedanken stürme ich auf eben die Tür zu, vor der wir, Seppi und ich, erst kurz zuvor in ausgelassener Stimmung standen und uns von Jacqueline verabschiedeten, spüre, wie mein Herz im Rhythmus eines Höllentanzes hämmert, zögere, fasse mich, zögere erneut, fasse mich erneut und klopfe schließlich zaghaft an.

Mit verhaltenem Atem lausche ich und höre doch nur das höllische Hämmern meines Herzens. Doch nein: Ich höre es leise rascheln. Ich höre leise Schritte. Ich höre, wie die leisen Schritte näher kommen. Ich höre, wie sich der Schlüssel im Schloss dreht. Ich höre die Klinke leise knacken. Die Tür geht langsam auf. In ihr erscheint, gleich einer Göttin, Jacqueline im Ornat einer Göttin – nein: im Bademantel. Ihr Gesicht beginnt zu strahlen wie das einer Göttin. Sie ergreift mein Handgelenk, zieht mich mit unerwarteter Kraft hinein, schließt die Tür. Und im nächsten Moment – ich glaube zu träumen – im nächsten Moment hängt sie an meinem Hals.

„Ich habe ja gewusst, dass du kommen wirst“, haucht sie. „Ich habe es gewusst. Ich habe es so sehr gehofft.“

Mir bleibt vor Verblüffung die Luft weg. Meine sämtlichen Glieder sind gelähmt. Aber ich spüre, wie meine Wut, meine Empörung, meine Erbitterung dahin schmelzen wie Schnee in der Frühlingssonne. Mit ungläubigem Staunen registriere ich, dass Jacqueline keinerlei Anstalten macht, mich wieder von sich zu stoßen, und in einer plötzlichen Aufwallung von Erleichterung und Dankbarkeit und sinnlichem Begehren werfe ich meine Arme um ihren köstlichen Leib, beginne sie stürmisch zu küssen. Und sie? Sie stößt mich noch immer nicht von sich. Nein, sie erwidert meine Küsse. Sie erwidert sie mit unerhörter Leidenschaft.

Nun, meine Sorge, wo ich in dieser Nacht meine müden Glieder ausstrecken kann, ist mittlerweile absolut gegenstandslos geworden. Trotzdem komme ich in dieser Nacht ausgesprochen wenig zum Schlafen – ich meine: zum Schlummern. Denn Jacqueline und ich, wir wissen einander auf wunderbare Weise wach zu halten. Und im Übrigen haben wir eine Menge zu lachen. Sie lehrt mich, mich über Rosis merkwürdiges Verhalten totzulachen, und ich lehre sie, sich über Seppis listige Annäherungsversuche totzulachen. Doch im Grunde sind wir den beiden zutiefst dankbar. Ohne Rosis merkwürdiges Verhalten und ohne Seppis listige Annäherungsversuche hätten wir uns wohl nie gefunden.

Dienstag, 7. April.

Seppi überrascht mich mit der Mitteilung, er habe bei seinem gestrigen Abendspaziergang noch einmal die flotte Biene getroffen. Und, um es kurz zu machen: Er habe sie sich aufgezwickt.

Mir verschlägt es den Atem. „Heißt das ... Soll das heißen, du lässt jetzt die Finger von Jacqueline?“

„Aber sicher. Was fang ich mit zwei Weibern an?“

Und ich spüre, wie mir ein gewaltiger Stein vom Herzen fällt.

Und Rosi? Nun, sie tut, als wäre nichts geschehen, und ist über meine Zurückweisung abwechselnd untröstlich und fuchsteufelswild. Doch ihre Auftritte lassen mich mittlerweile völlig kalt. Gott Amor hat mir ja inzwischen ein neues Röslein geschenkt, zart und jung und morgenschön, und gewährt uns zwei unvergessliche Liebesnächte.

Wie? Nur zwei?

Mittwoch, 8. April

Das Tagewerk ist getan. Die Mägen knurren. Das Hotel wird gestürmt. An der Rezeption steht Jacqueline und teilt, freundlich lächelnd, Schlüssel aus. Aber sie ist heute Abend nicht allein. Neben ihr steht eine ältere Dame und teilt, freundlich lächelnd, ebenfalls Schlüssel aus. Und hoppla! An wen erinnert die mich? An wen erinnert mich ihr Lächeln? An wen erinnern mich ihre Bewegungen? Oder kennen wir uns gar? Aber das ist doch nicht möglich. Wieso sollten wir uns kennen? Und doch: Ihr Anblick lässt mich nicht los.

Plötzlich fällt ihr Blick auf mich. Und siehe da: Ihre Augen weiten sich, der Mund bleibt ihr offen stehen, ihre Wangen beginnen zu glühen, als sähe sie eine himmlische Erscheinung vor sich. So starren wir wie unter einem Zauberbann einander eine kleine Ewigkeit an.

Schließlich murmelt sie: „André?“ Und im selben Augenblick läuft es mir heiß und kalt über den Rücken. Mir steht das Herz still. Ich glaube das Gleichgewicht zu verlieren und muss mich an der Theke festhalten. Denn diese Stimme kenne ich, und ich fühle mich sogleich in meine Jugend zurückversetzt, als ich während meines Besuches bei meinen französischen Verwandten meine erste Liebe erlebte. Oh, wie war ich damals verliebt! Ich war regelrecht verrückt vor Verliebtheit. Nie wieder habe ich ein Röslein so geliebt wie damals die süße Chantal. Und oh, wie hart war die Trennung, die uns das Schicksal auferlegte! Ich glaubte sie nicht zu überleben. Chantal ist in meinem gebrochenen Herzen stets lebendig geblieben. Sie hat sich dort eingenistet, hat kein anderes Röslein hineingelassen.

Ja, es ist eindeutig Chantals Stimme. Und es ist auch eindeutig Chantals Gesicht, stark verändert zwar und irgendwie doch nicht verändert.

„Chantal?“, stammle ich.

„Ich hätte nie gedacht ...“, haucht sie, und ihre Augen stehen voller Tränen.

Auch mir kommen die Tränen. Meine Zunge ist gelähmt.

Schweigen.

Plötzlich höre ich Jacqueline flüstern: „Oh là là! Maman! Du bist ja ganz ... Du, ich komme hier schon allein zurecht.“

Da erwacht Chantal aus ihrer Erstarrung. Wortlos verlässt sie die Rezeption, fasst mich ohne weitere Umstände an der Hand, führt mich wortlos zur Treppe und diese hinauf in den ersten Stock bis zu der mir schon so wohl bekannten Tür mit dem Schild „Privé“, schließt diese auf, tritt mit mir im Schlepptau ein, und wir fallen einander aufschluchzend in die Arme.

Sie hebt ihr verweintes Gesicht, blickt mir lange in die Augen.

„Bist du wirklich mein André?“, haucht sie.

„Bist du wirklich meine Chantal?“, stammle ich.

Und im nächsten Augenblick vereinigen sich unsere Lippen zu einem wundervollen Kuss. Sodann fasst sie mich wieder an der Hand und führt mich in ihre Privatgemächer, drückt mich in einen Fauteuil, setzt sich mir gegenüber auf eine Couch, blickt mir stumm in die Augen. Unsere Augen füllen sich erneut mit Tränen. Schließlich springe ich auf, setze mich zu ihr auf die Lehne der Couch, nehme ihren Kopf zärtlich in meine Hände, küsse ihre tränennassen Wangen und versuche mit meinem Taschentuch ihre Tränen zu trocknen.

Daraufhin beginnt sie mich zärtlich zu küssen. Ihre Küsse werden zusehends inniger und leidenschaftlicher. Und da beginnt sich auch bei mir die Leidenschaft in einem geradezu unerhörten Ausmaß zu regen. Und schon beginnt uns unsere Leidenschaft vollends zu überwältigen, und schon versinkt für uns die ganze Welt – da reißt uns erschreckendes Gekreische jäh aus unserer Verzauberung.

Erschrocken lassen wir voneinander ab, erstarren zu zwei Salzsäulen – liegenden, umgeworfenen Salzsäulen, wohlgemerkt. In der Tür steht, die Hände auf den Mund gepresst, die Augen aufgerissen und, wie gesagt, wild kreischend, Jacqueline und starrt auf uns nieder, als wären wir zwei Schreckgespenster. Das Gekreische verstummt zwar schon im nächsten Augenblick. Doch dafür herrscht nun betretenes Schweigen, und es sind lediglich die gedämpften Geräusche zu hören, die Chantal und ich beim hastigen Anziehen unserer Kleider verursachen.

Danach wird das Gekreische von einer veritablen Schimpfkanonade abgelöst, und ich kann nur hilflos zwischen Jacqueline und Chantal hin- und herblicken.

Chantal starrt mich zuerst mit erstaunten Augen an. Doch dann kommt sie mir unverhofft zu Hilfe. Sie bittet Jacqueline mit tonloser Stimme, sich zu uns zu setzen. Diese sieht sie einen Augenblick verblüfft an und tut dann wortlos wie geheißen. Chantal blickt ein paar Mal zwischen ihr und mir hin und her und beginnt in scheinbar völlig sachlichem Ton (aber wenn man genau hinhört, merkt man, wie sehr ihre Stimme vor verhaltener Erregung vibriert): „Ihr seid also ein Liebespaar?“

Schweigen.

„Das wusste ich ja nicht. Keiner von euch hat mir diesbezüglich die leiseste Andeutung gemacht.“

Und Jacqueline: „Du brauchst mir gar keine Vorwürfe zu machen, Maman. Ich bin doch kein kleines Kind mehr, und du hast überhaupt kein Recht.“

Sie verstummt abrupt.

Und Chantal: „Aber Jacqueline, Kind, ich mache dir doch keine Vorwürfe. Ich habe bloß gemeint, dass ich keine Ahnung hatte, dass ihr zwei.“

Den Rest des Satzes ersetzt sie durch heftiges Kopfschütteln und wirft mir einen merkwürdigen Blick zu.

Und Jacqueline: „Aber bitte, so was hängt man doch nicht an die große Glocke. Und überhaupt bist du eben erst angekommen, und wann …“

Wieder verstummt sie mitten im Satz.

Und Chantal, sich nach mir umwendend: „Aber du – warum hast du mich nicht rechtzeitig aufgeklärt? Denn hätte ich das geahnt ...“

Und nun weiß sie offenbar nicht weiter.

Nun, was Chantals Frage betrifft, so weiß ich sehr wohl eine Antwort, spreche sie aber nicht aus, und zwar aus dem einfachen Grund, weil ich Jacqueline liebe und ihr darum nicht wehtun möchte. O ja, ich liebe Jacqueline. Aber dies ist eine kleine, eine gewöhnliche Liebe, so wie ich auch Rosi und all die anderen Frauen vor ihr geliebt habe – ausgenommen einzig und allein Chantal. Und wenn nun eine kleine, gewöhnliche Liebe und eine große, starke, reine Liebe aufeinander treffen und in Widerstreit geraten, welche der beiden wird dann wohl den Kürzeren ziehen? Keine Frage: Die kleine, gewöhnliche (wobei das Alter überhaupt keine Rolle spielt). Genauso ist es mit dem Mond: Am nächtlichen Himmel strahlt er, dass es eine Freude ist. Aber in dem Moment, wo die Sonne aufgeht, verblasst er.

Die Antwort auf Chantals Frage lautet also: Weil im selben Moment, da ich deiner ansichtig wurde, meine Liebe zu Jacqueline verblasste.

Ich hüte mich jedoch, meine Erkenntnis auszusprechen. Ich zucke nur mit den Schultern und mache dazu ein hilfloses Gesicht.

Jacqueline weiß übrigens ebenfalls eine Antwort, und sie zögert ganz und gar nicht, sie auszusprechen: „Aha. Das soll wohl heißen: Weil ich halt ein Schuft bin und ein Windhund und ein Filou, der jedem Weiberkittel nachrennt.“

Richtige Peitschenhiebe sind das, und sie treffen mich mitten ins Herz. Unter ihnen zucke ich zusammen, weigere mich aber nach wie vor, zu antworten und Jacqueline meinerseits wehzutun.

An meiner Stelle antwortet ihr Chantal. „Meine Liebe, du tust André unrecht.“

„Na toll! Du verteidigst ihn auch noch, diesen Filou.“

„Jacqueline, ich verbiete dir, so über André zu sprechen.“

„Ah, du meinst, ich darf einen Filou nicht Filou nennen?“

„Jacqueline, hör zu.“

Und sie erklärt ihr in kurzen, trockenen Worten, wie die Dinge stehen. Der Erfolg ist, dass Jacqueline in bittere Tränen ausbricht. Zuletzt drückt sie mir „zum Abschied“, wie sie es nennt, einen tränenfeuchten Kuss auf die Lippen und erklärt mit den Worten Edith Piafs, sie bereue nichts: „Non, je ne regrette rien.“

Ich aber weiß, dass meine jahrelange Suche nach einer Frau, die mir ein neues, leichteres, erfreulicheres Joch auferlegen könnte, für immer zu Ende ist. Meine Wunde ist endlich geheilt. Denn ich habe mein wahres Röslein wieder gefunden. Und ich schwöre: Für mich ist es noch immer genauso jung und morgenschön, wie es einst für den wilden Knaben war.

Ein perfekter Plan

Astrid Plötner

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