Sie zogen mit dem Stern - Luise Rinser - E-Book

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Luise Rinser

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Beschreibung

»Soll's das sein, wo wir den neuen König finden? Das da? Ist das ein Königspalast? Das ist ein ganz gewöhnlicher Schaf- und Kuhstall. Der Stern schwindelt.« In diesem Stück überlässt Luise Rinser der jungen Generation das Wort. Der Königssohn Melchior macht sich gegen den Willen seines Vaters auf, dem Stern zu folgen, der ihm den Weg nach der Geburtsstadt des Jesuskindes weist. Unterwegs trifft er auf Kaspar und Balthasar, ebenfalls Söhne von Königen, und zu dritt ziehen sie gen Bethlehem. Doch bei der Ankunft müssen sie erfahren, dass die Heilige Familie auf der Flucht vor den Häschern des Herodes ist – und bereits eine Tagesreise entfernt. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

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Seitenzahl: 27

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Luise Rinser

Sie zogen mit dem Stern

Eine Bubenweihnacht

FISCHER Digital

Inhalt

VorwortEs spielenErste SzeneZweite SzeneDritte SzeneVierte SzeneFünfte SzeneSechste SzeneSiebente Szene

Vorwort

Nehmen wir an, jene Könige, die wir als die Heiligen Drei Könige kennen, hätten Söhne gehabt; Söhne, die zur Zeit des aufgehenden Sternes noch im Bubenalter standen: Wäre es da nicht denkbar, daß diese jungen Königssöhne mit ihren Vätern in die unbekannte Ferne ziehen wollten, um den Messias zu finden? Aber die Väter hätten gewiß ein solches Ansinnen zurückgewiesen angesichts der langen und gefährlichen Reise.

Eben diese drei jungen Königssöhne stahlen sich – in unserem Spiel – heimlich davon und folgten dem Stern, der sie durch viele Mühen und Enttäuschungen führte und ganz zuletzt zu Maria und Joseph und zum göttlichen Kind.

Das ist der Inhalt, oder, wie man auch sagt, die Fabel des Spiels; wie man sieht: eine ganz und gar ungeeignete Fabel für jene, die rasch ein Theaterstück brauchen.

Das Spiel, das Luise Rinser schrieb, kann man nicht wie ein Theaterstück aufführen. Man kann nur das Glück oder die Gnade haben (wie einer für das, was ihm unverdient zufällt, eben zu sagen pflegt) drei Buben zu finden, die so echt sind, daß ihr Spiel echt wird.

Vermutlich ist das auch der Grund für das völlige Fehlen von Hinweisen für den Bühnenbildner und den Regisseur und den Geräusche-Macher: Diese äußeren Zutaten setzt ja doch nur jener richtig ein, der das Inwendige dieses Spiels spürt und sichtbar machen kann. Ich meine, es werden nicht viele sein.

Wer aber ein Bild von diesem Spiel sieht, wenn er die Augen schließt und darüber nachdenkt, der wird auch die Kraft haben, es Form und Gestalt werden zu lassen und ihm zuletzt einen äußeren Rahmen zu geben, der es zusammenhält und verschönt.

Edmund Johannes Lutz

Es spielen:

DER KÖNIG MELCHIOR

 

DER LEHRER

 

DER ASTRONOM

 

DER KLEINE MELCHIOR (DER MOHR)

 

DER KLEINE BALTHASAR

 

DER KLEINE KASPAR

 

KÖNIG HERODES

 

DER DIENER

 

MARIA

 

JOSEPH

 

DER ENGEL

 

DAS KIND

Erste Szene

MELCHIORS LEHRER:

Und wenn du auch des Königs Sohn bist, Melchior: du mußt lernen, in der Heiligen Schrift zu lesen. Du liest schlecht. Beginne von vorn. 5. Psalm, Vers 2.

MELCHIOR:

„Du Bethlehem, im Lande Ju … Juda, bist kei … keineswegs die geringste … die geringste unter Ju … Judas Fürstenstädten …“

LEHRER:

Weiter, weiter!

MELCHIOR:

„Fürstenstädten; denn aus dir wird … wird …“

LEHRER:

Wird, wird! Was wird? Wer wird? Wohin schaust du denn? Liest du den Psalm vom Fenster ab oder vom Abendhimmel? Willst du mich zornig machen?

MELCHIOR:

„Denn aus dir wird der Fü … Fürst hervorgehen … gehen …“ – Da! Da ist er wieder, der Stern mit dem Schweif!!

LEHRER:

Stern mit Schweif? Da ist doch nichts, gar nichts. Der blanke Himmel, leer wie …

MELCHIOR:

Doch! Dort! Da ist er doch, golden, mit einem Schweif aus Funken. Und er bewegt sich, er ist ungeduldig wie jemand, der wartet.

LEHRER:

Vielleicht bist du krank? Komm, laß mich fühlen, ob du Fieber hast.

MELCHIOR: heftig

Laß mich! Geh weg! So kann ich doch den Stern nicht seh’n. Er wartet.

LEHRER:

Ich versteh’s nicht, was in dich gefahren ist. Du warst doch sonst so freundlich wie ein Löwenjunges. Komm, setz’ dich, lies, beruhige dich.

MELCHIOR:

Wie soll ich lesen, wenn ich weiß: er wartet.

LEHRER:

So laß ihn warten. Wenn er dich meint – ich sehe keinen, ich seh’ nur lila Abendlicht wie jeden Tag um diese Zeit – doch wenn er dich meint, dann wird er warten, bis die Stunde zuende ist. Sterne haben Zeit und viel Geduld wie ganz alte Männer. Lies!

MELCHIOR: seufzt. Dann rasch und ungeduldig

„Denn aus dir wird der Fürst hervorgehen, der mein Volk …“

Die Tür wird stürmisch aufgerissen.

ASTRONOM:

Wo ist der König? Ist der König nicht hier?

LEHRER:

Hier ist kein König, hier ist Unterricht. Was störst du uns, Sterngucker? Wo brennt’s?

ASTRONOM:

Brennt! Ja, es brennt. Wo brennt’s?! Am Himmel. Der Stern brennt. Er ist da!

MELCHIOR:

Siehst du! Der Stern! Der Stern!

ASTRONOM:

Im Fernrohr. Ungewöhnlich deutlich. ’s ist eine tolle Konstellation. Wo ist der König? Ich muß es dem König sagen.

MELCHIOR:

Ich such’ den Vater. Komm, wir geh’n.

Im Abgehn jubelnd.

Der Stern – der Stern!

LEHRER:

So sind denn heute abend alle verrückt geworden. Und das wegen eines einzigen Sterns. Sonst steht der Himmel voller Sterne und keiner achtet’s. Es muß ein hitziges Fieber sein, das alle anpackt, wie ein Tiger das Lamm anspringt, so heftig; ’s ist schlimm, ’s ist schlimm. Was mich anlangt:

mir soll kein Stern den Kopf verwirren, und fiel’ es ihm auch ein, wie eine gelbe Melone hier durch’s Zimmer zu rollen und mit einem saubern buschigen Katzenschweif zutraulich zu wedeln. – Nun – ist der Schüler fort, was soll der Lehrer noch hier? Soll ich den Stuhl da Psalmen lehren? Ich geh’ auch. Ich werde nachschau’n, was unsre Sternverrückten treiben. Hoffentlich steckt’s nicht an.

Zweite Szene

Tumult. Hundegebell. Kamelschreie. Rufe: Der Stern! – Wo? – Dort überm Tor! Ob er kein Unheil bringt? Mich ängstigt das. Wer weiß, bedeutets Krieg. Still – der König will sprechen!

KÖNIG:

Fürchtet euch nicht, mein liebes Volk. Es ist kein Spuk, kein Teufelszeichen. Es ist die goldne Taube, die Gott uns sendet, zu verkünden das Sinken des schwarzen Wassers unsrer Traurigkeit. Fühlt ihr es nicht, wie Friede herweht von diesem Stern gleich einem Morgenwind? Dies ist Verheißung eines Glücks, das nicht von dieser Erde ist. Ihr werdet’s später besser versteh’n. Nun danket alle Gott und ehret ihn mit Schweigen.

Pause. Leise Musik vom Stern her.

Und nun werde ich dem Ruf des Sterns folgen und euch für eine Weile verlassen, bis ich das Kind gefunden habe, das er verkündet, den neuen König der Menschen.

Klatscht in die Hände.

Kameltreiber, ihr richtet zwanzig Kamele, wählt die besten. Hängt ihnen Futtersäcke um und Wasserschläuche, dazu fünf Schläuche Wein. Spart nicht mit Proviant. – Mir ahnt, ’s wird eine weite Reise sein und ich weiß nicht, wohin sie führt. – Doch eilt euch. Ich will reiten, sobald das erste Morgenlicht den Weg uns finden läßt.

MELCHIOR: