Skandal am Hochzeitstag - Anni Lechner - E-Book

Skandal am Hochzeitstag E-Book

Anni Lechner

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Beschreibung

Sandra Rippold, Tochter eines Bauunternehmers, soll Xaver Huber, den Sohn eines anderen Bauunternehmers, heiraten, um die Geschäfte der beiden Väter zu vereinen. Doch an ihrem Hochzeitstag taucht auf einmal ihr ehemaliger Verlobter Michael auf und bringt alles durcheinander. Kann sie ihm noch vertrauen, obwohl er sie vor 3 Jahren schon einmal vor dem Altar verlassen hat? Oder sollte sie sich doch für Xaver entscheiden und damit auch ihre Eltern und Schwiegereltern glücklich machen? Dieser und zwei weitere spannende Romane „Sträube dich nicht gegen die Liebe“ und „Ich gehe meinen eigenen Weg“, sind in diesem Buch enthalten.

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Seitenzahl: 347

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Anni Lechner

Skandal am Hochzeitstag Sträube dich nicht gegen die Liebe

Anni Lechner: Band 5, Skandal am Hochzeitstag ... und zwei weitere spannende Romane

Copyright © by Anni Lechner

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Verlagsagentur Lianne Kolf.

Überarbeitete Neuausgabe © 2017 by Open Publishing Verlag

Covergestaltung: Open Publishing GmbH – Mathias Beeh

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Erlaubnis des Verlags wiedergegeben werden.

eBook-Produktion: Datagroup int. SRL, Timisoara

ISBN 978-3-95912-212-2

Skandal am Hochzeitstag

"So bräucht es der Mesner mit dem Läuten auch ned übertreiben!", meinte der Bauunternehmer Thomas Wimmer mit einem ärgerlichen Blick auf den Glockenturm der Kirche. Die Witwe Balleis, die neben ihm ging, lächelte nur darüber, während ihm der Sandnerbauer mit einem schadenfrohen Grinsen Antwort gab.

"Lass die Glocken ruhig läuten, Wimmer. So eine Hochzeit ist halt nun einmal ein Freudentag."

"Du musst den Wimmer verstehen, Sandner. Ihm taugt halt die heutige Hochzeit absolut ned", warf die Witwe amüsiert ein.

"Was soll das schon wieder heißen?", fuhr Thomas Wimmer auf.

"Immerhin heiratet doch deine Konkurrenz zusammen. Einzeln waren die Baufirmen Rippold und Huber bloß ein Stückerl größer als deine eigene. Aber jetzt, wo sie zusammenkommen, bist du bloß noch ein Krauter gegen sie!", antwortete Sandner anstelle der Witwe.

"Dir geb ich gleich einen Krauter, Sandnerbauer. Glaubst du etwa, dass ich mich vor den zusammengeheirateten Firmen fürcht? Nein, die Größ einer Firma hat gar nix zu sagen. Auf ihren Ruf kommt's an, und auf die Qualität ihrer Arbeit. Was das betrifft, steh ich hinter keinem anderen zurück!"

"Jetzt übertreibst du aber, Wimmer. Bei meinem neuen Kuhstall hab ich deinen Maurern genau auf die Finger schauen müssen, damit sie mir keinen Pfusch andrehen konnten."

"Glaubst du, die Maurer vom Huber wären besser gewesen? Sonst hättest du deinen Stall doch von ihm bauen lassen und ned von mir! Du bist doch immerhin sein Schwager."

"Du hast mir den billigsten Preis von allen gemacht. Selbst der Huber hat gemeint, dass ich ein Depp wär, wenn ich dich ned nehmen tät", antwortete der Sandner lachend.

Wimmer machte ein Gesicht, als hätte er auf eine Zitrone gebissen. Er hatte dem Sandner extra einen Dumpingpreis geboten, um die verhasste Konkurrenz bei ihrer eigenen Verwandtschaft auszustechen. Seine Hoffnung, dadurch neues Renommee und neue Kunden zu gewinnen, hatte sich jedoch nicht erfüllt. Daher wurmte es ihn, dass Sandner auf seine Kosten so billig zu einem neuen Stall gekommen war. Noch mehr aber ärgerte er sich über die heutige Heirat der beiden Firmenerben Sandra Rippold und Xaver Huber junior, die den Zusammenschluss seiner Konkurrenz besiegelte.

Unterdessen hatten sie das Kirchenportal erreicht und traten ein. Als Verwandte des Brautpaares erhielten die Witwe Balleis und der Sandnerbauer ihre Plätze ganz vorne zugewiesen, während für Wimmer nur ein Platz im hintersten Eck übrig blieb. Den ganzen Gottesdienst hindurch starrte er immer wieder zur Tür, so als würde er auf jemanden warten. Die Zeremonie ging jedoch ohne jede Störung vonstatten und nach dem letzten Amen machten sich die geladenen Gäste auf den Weg zum Täuberwirt, um dort mit dem Brautpaar zu feiern. Vorher traten sie jedoch noch auf das Brautpaar zu, um ihm zu gratulieren.

Wimmer konnte sich schlecht ausschließen und stellte sich zähneknirschend in der Schlange an, die an Sandra und Xaver vorbeidefilierten.

Den Brauteltern Margot und Walter Rippold sowie Xaver Huber senior und dessen Ehefrau Elisabeth war die Freude über diese Hochzeit sichtlich anzusehen. Xaver Huber junior schien sich hingegen nicht so wohl in seiner Haut zu fühlen. Immer wieder griff er sich an den Hemdkragen, als wäre ihm dieser zu eng geworden, und sah seine wunderschöne, aber bleiche Braut mit sichtlicher Scheu an.

Die beiden waren ein stattliches Paar, er groß und breit gewachsen, mit einem kurzen blonden Haarschopf und einem offenen, ehrlichen Gesicht, und sie schlank und gut gebaut, mit langen braunen Haaren und einem fein gezeichneten, ebenmäßigen Antlitz, aus dem zwei dunkle Augen seltsam fern und abwesend blickten. Sie beantwortete die Glückwünsche der Leute auch mehr mechanisch, ohne sie eigentlich zu registrieren.

Endlich kam auch Wimmer an die Reihe. Er haspelte irgendetwas herunter, was als Gratulation gelten konnte und kam dann, wie der Zufall es wollte, wieder neben die Witwe Balleis und den Sandnerbauern zu stehen.

"So eine Hochzeit ist doch etwas Schönes", stichelte der Bauer sofort los.

"Ich weiß ned, was daran so schön daran sein soll? Der Trampel von einem Xaver sieht aus, als tät er am liebsten davonlaufen und sich verstecken. Und was die Braut betrifft, hat sie bei der Beerdigung ihrer Großmutter ein fröhlicheres Gesicht gemacht als heut. Sie wird wohl grad an den Koller Michael denken, mit dem sie vor ein paar Jahren so gut wie verlobt war. Immerhin hat sie ja ned einmal ein richtiges Brautkleid an, sondern ist im Dirndlkleid vor den Altar getreten", biss Wimmer zurück.

"Du wirst so ein unguter Patron sein. Die Sandra und der Xaver heiraten deshalb in Tracht, weil alle zwei im Trachtenverein sind. Außerdem ist der Koller Michael schon seit drei Jahren fort. Den hat die Sandra längst vergessen!", wies ihn die Witwe Balleis zurecht.

"Außerdem, was heißt der Trampel vom Huber?", sekundierte ihr der Sandnerbauer, der nichts auf seinen Verwandten kommen lassen wollte. "Ein Bursch von über eins neunzig hat nun einmal ned die Figur eines Balletttänzers. Und ein bisserl Nervosität wirst du ihm bei seiner eigenen Hochzeit wohl noch zugestehen!"

*

Nachdem Wimmer seine nicht ganz aufrichtig gemeinten Glückwünsche ausgesprochen hatte und wieder gegangen war, stieß Huber senior seinen Sohn mit dem Ellbogen an.

"Der Wimmer schaut aus, als wenn's ihm heut sein ganzes Kraut verhagelt hätt. Allein das Gesicht zu sehen, ist mir die ganze Hochzeit schon wert!"

"Eine Hochzeit ist eine ernste Angelegenheit, Vater. Da soll man ned scherzen!", antwortete Xaver. Er sah dabei etwas besorgt auf die junge Frau, die ihm erst eben angetraut worden war.

"Wird dir der Trubel ned allmählich zu viel?", fragte er besorgt.

"Nein, es geht schon", antwortete sie, ohne ihn dabei anzusehen. Wie sie es sagte, tat Xaver weh, denn es lag keine Liebe in ihren Worten, ja nicht einmal Kameradschaft. Dabei hätte diese Heirat für ihn die heiß ersehnte Erfüllung eines lange gehegten Traumes sein können. Wie oft hatte er sich vorgestellt, wie es wäre, wenn er Sandras Liebe erringen und sie ihm freudig in die Arme fliegen würde. Doch so wusste er nicht einmal, ob ihr Herz noch immer an Michael Koller hing. Dieser weilte zwar schon seit Jahren in der Ferne, und nicht einmal seine Tante Hanna erwartete ernsthaft, ihn so bald wieder zu sehen. Doch ob fern oder nah, stand Michael wie eine unüberwindbare Mauer zwischen ihm und Sandras Herz.

Dabei sah Xaver wirklich nicht übel aus. Groß, breitschultrig und stark genug, um Eisenstangen mit bloßen Händen biegen zu können, besaß er eine sanfte Art, die ihn überall beliebt machte. Sein Haar war vielleicht eine Spur zu brav geschnitten, und seine blauen Augen blickten mehr träumerisch denn feurig in die Welt. Doch wer ihn kannte, wusste, dass man sich hundertprozentig auf ihn verlassen konnte.

Dies war auch Sandra Rippold bekannt. Sonst hätte sie dem stetigen Drängen ihrer Eltern, Xaver zu heiraten, auch nicht nachgegeben. Wenn schon Michael nicht mehr zu ihr zurückkam, dann war ihr Xaver noch der liebste. Irgendwann hätte sie doch einmal heiraten müssen, schon damit ihr Vater einen Nachfolger für sein Baugeschäft erhielt. Sandra hatte lange gehofft, dass Michael dieser Mann sein würde. Auch jetzt konnte sie sich nicht völlig von dem nagenden Gefühl befreien, dass sie ihn und seine Liebe mit dieser Heirat verriet.

Sandra wappnete sich mit ihrem ganzen Stolz gegen diese Empfindung. Immerhin hatte Michael seit mehr als anderthalb Jahren nichts mehr von sich hören lassen, und auch vorher nur sehr sporadisch geschrieben. Xaver war hingegen ein anderer Typ, bodenständig, stets bemüht, ihr alles recht zu machen, und mit so einem faszinierenden Mann wie Michael verglichen, leider auch sehr, sehr langweilig. Sandra dachte an den berühmten Spatz in der Hand und beschloss, die Taube Michael endgültig zu vergessen.

Endlich hatte auch der letzte Hochzeitsgast sein Sprüchlein aufgesagt. Für einen Augenblick blieb das Brautpaar sich selbst überlassen. Xaver schien nicht recht zu wissen, was er jetzt tun sollte, während Sandra sich an einen stillen Ort sehnte, wo sie ihre Ruhe vor all diesen lärmenden Leuten und ihren gut gemeinten Anzüglichkeiten hatte.

Ihre Freundin Lucy Ameter, eine Cousine Xavers, trat auf sie zu und zupfte ihr Brautsträußchen zurecht. "Was machst du denn plötzlich für ein böses Gesicht, Sandra? Du siehst ja aus, als wenn du den armen Xaver am liebsten ungespitzt in den Boden rammen würdest", fragte sie lachend.

"Was willst du von mir?", meldete sich Xaver, der seinen Namen gehört hatte, zu Wort.

"Nix, ich hab bloß die Sandra was gefragt", antwortete ihm Lucy und sah die junge Braut dabei spitzbübisch an. Sandra erinnerte sich, dass Lucy die einzige Verwandte war, die nicht so tat, als wenn zwischen ihr und Xaver überraschend die große Liebe ausgebrochen wäre, und zwang sich zu einem Lächeln.

"Ich hab eben an den Wimmer Thomas von Hochwalden gedacht", erwiderte sie leise.

"Ach so, da muss dir ja das Gesicht einfrieren. Der sah ja aus, als würde er euch alles Schlechte der Welt wünschen. Aber kommt jetzt. Beim Täuberwirt wartet das Mittagessen auf uns, und die Leut können ned eher damit anfangen, als bis ihr mit am Tisch sitzt!" Lucy hakte sich bei Sandra unter und drehte sich zu ihrem Vetter um, der wie angenagelt dastand.

"Das gilt auch für dich, Xaver!"

"Ich komm ja schon", rief Xaver wie aus einem Wachtraum aufgeschreckt und stiefelte hinter den beiden her.

*

Die Tafel des Täuberwirts wurde im weiten Umkreis gerühmt. Doch bei diesem Hochzeitsmahl hatte er sich selbst übertroffen. "Man muss halt auch schauen, für wen man kocht", erklärte er dem Sandnerbauern, der gerade den Kalbsbraten über den Schellenkönig gelobt hatte.

"So, ich hätt gedacht, dass ein Wirt immer das Beste auftischt, was er zu bieten hat?" Thomas Wimmer ärgerte sich sichtlich, wie großartig der Wirt dieses Hochzeitsmahl aufzog.

"Du brauchst es ja ned zu essen, wenn es dir ned passt", antwortete Täuber gereizt und ging zum nächsten Tisch weiter. Wimmer schickte ihm ein Brummen nach, machte sich dann aber seinen Worten zum Trotz mit gutem Appetit über den Braten her.

Dem Brautpaar schien es hingegen nicht besonders zu schmecken. Xaver brachte nur ein paar Bissen über die Lippen, während Sandra den Teller gänzlich unberührt zurückschob. Ihre Mutter sah es und warf ihr einen warnenden Blick zu.

"Reiß dich zusammen, Dirndl. Die Leut schauen doch zu." Sandra nickte, ohne jedoch etwas zu essen. Dafür nahm sie ihr Weinglas und trank es durstig leer. Der Täuberwirt winkte der Bedienung Evi, es sofort wieder zu füllen.

Für Sandra war die nächste Stunde eine nicht enden wollende Quälerei. Sie war es leid, wie auf dem Präsentierteller sitzen zu müssen und spürte, dass es Xaver ebenso erging. Für einen Augenblick fühlte sie Mitleid mit ihm, das jedoch rasch wieder verschwand. Immerhin war er selber schuld an seiner Lage. Er hätte sich ja der Ehe, die von ihren Eltern betrieben worden war, widersetzen können. Sandra wusste, dass sie ungerecht zu ihm war, denn auch sie hatte irgendwann dem Drängen nachgegeben. Sie brauchte jedoch einen Sündenbock für die Schuldgefühle, die sie Michael gegenüber empfand, und da kam ihr Xaver gerade recht.

"Lach doch einmal, Sandra, das kostet nix und macht gute Laune!", riet Lucy leise genug, dass es niemand hörte.

"Fängst du jetzt auch noch damit an?", fauchte Sandra zurück. Ihre Freundin zuckte nur mit der Achsel.

"Wegen mir brauchst du kein frohes Gesicht zu machen. Aber der Xaver tät sich vielleicht darüber freuen."

"Der freut sich genug, schließlich bekommt er durch mich die Mitgift, die er haben will, nämlich die Firma meines Vaters!"

"Eine Heirat ist aber ned bloß ein geschäftlicher Akt, Sandra. Schließlich geht es vor allem um zwei Menschen, die sich gefunden haben und einander schwören, ihren weiteren Lebensweg gemeinsam zu gehen", redete ihr Lucy ins Gewissen. Sandra senkte den Kopf und war froh, als die leer gegessenen Teller endlich abgeräumt wurden. Dafür trat jetzt jedoch der Hochzeitslader in die Mitte und hob mit gewichtiger Miene seinen bändergeschmückten Stab.

"Grüß Gott, liebes Brautpaar, liebe Brauteltern, liebe Hochzeitsgäst. Wir haben uns hier versammelt, um die Hochzeit von Sandra Rippold und Xaver Huber zu feiern. Also trinken wir erst einmal auf das Wohl unseres Brautpaares. Wünschen wir ihnen, dass für sie immer die Sonne scheint und schon bald ein neuer Maurermeister Huber in der Wiege kräht."

Dröhnendes Gelächter antwortete auf Kurz' Worte. Auf Sandras Gesicht erschienen ein paar dunklere Flecken, die ihren Zorn über die in ihren Augen abgeschmackten Bemerkungen des Hochzeitsladers zum Ausdruck brachten. Auch Xaver schien sich ans andere Ende der Welt zu wünschen.

"Muss der Kurz so blöd daherreden?", brummelte er leise vor sich hin.

"Sei froh, dass ihr ned im Mittelalter geheiratet habt. Da hätten euch die Leut nackt ausgezogen und in eure Kammer getragen", spöttelte Lucy, deren Zunge stets locker saß.

„Sieh`s positiv, Xaver. Solang der Kurz dort vorne faselt, achten die Leut ned auf euch", setzte sie etwas versöhnlicher hinzu.

"Das ist aber auch der einzige Trost", bemerkte der Bräutigam grimmig und winkte der Evi, ihm einen neuen Maßkrug zu bringen. Sandra bestellte ebenfalls neuen Wein, während Lucy vorwurfsvoll mit dem Kopf schüttelte.

"Trinkt ned so viel, ihr zwei! Sonst stolpert ihr gleich beim Brauttanz übereinander."

"Oh Gott, den Brauttanz hab ich ja ganz vergessen", rief Sandra entsetzt. "Können wir ned darauf verzichten?", wandte sie sich an Xaver.

"Ich schon", antwortete dieser.

"Aber die Leut ned. Was meint ihr, was das für ein Gered gäb im Ort? Jetzt steht schon auf, ihr zwei. Der Kurz winkt schon der Musik zu, damit sie für euch aufspielen soll!" Elisabeth Huber war der Unmut über das Aufsehen, welches das Brautpaar bereits erregt hatte, deutlich anzusehen.

Xaver stand seufzend auf und bot Sandra den Arm. Die Kapelle begann zu spielen, und das Brautpaar musste sich wohl oder übel zu einem Walzer bequemen. Beide waren eigentlich keine schlechten Tänzer und hatten auch schon oft miteinander getanzt. Doch jetzt, als aller Augen nur auf sie gerichtet waren, überwog ihre Nervosität. Xaver trat Sandra vor Aufregung auf den Fuß, entschuldigte sich und geriet prompt aus dem Takt.

"Ich hab ja gesagt, dass er ein Trampel ist!" Thomas Wimmer rief es laut genug, dass es durch die Walzerklänge hindurch gehört werden konnte. Für einen Augenblick wandten sich die Leute ihm zu.

"Kannst du ned still sein, du Ungut!", fauchte ihn der Sandnerbauer an. Nicht nur er wunderte sich über das Feixen, das plötzlich auf Wimmers aufgequollenem Gesicht erschien. Der Ärger, den er den ganzen Tag über gezeigt hatte, war mit einem Mal wie weggeblasen. Er sah zum Eingang hinüber und schien sich dabei köstlich zu amüsieren. Die Leute folgten seinem Blick und sahen einen jungen, schlanken Burschen neben der Tür stehen und mit heißen Augen auf das tanzende Paar starren. Mit seinem am Kragen offenen Hemd und den Jeans, die er trug, war er alles andere als festlich gekleidet.

Eben fuhr er mit der Hand durch sein dichtes schwarzes Haar und setzte sich in Bewegung. Ein Aufseufzen ging durch die Menge, als er dem Brautpaar den Weg verstellte und die Hände nach Sandra ausstreckte. Diese sah ihn und schrie auf.

"Michael!"

"Ja, ich bin's. Komm, Sandy, ich glaub, das ist unser Tanz!" Ohne sich um den wie versteinert dastehenden Xaver zu kümmern, nahm Michael Koller Sandra in die Arme und schwebte mit ihr im Klang der Musik über die Tanzfläche.

"Michael, wie kommst du, wie bist du ...", rief Sandra ihm halb erschrocken, halb selig zu.

"Ned reden, Sandy! Tanzen!", unterbrach Michael sie lächelnd und zog sie so eng an sich, dass ihr dabei ganz warm wurde. Michael warf dem erstarrten Xaver einen triumphierenden Blick zu und tanzte mit Sandra auf den Ausgang zu.

"Komm, Sandy, wir haben uns viel zu erzählen", erklärte er und entführte sie zur Tür hinaus. Sandra folgte ihm wie hypnotisiert zu seinem Leihwagen, den er am Flughafen gemietet hatte, und setzte sich auf den Beifahrersitz. Michael vollführte einen Kavaliersstart und war schon weg, als die ersten Hochzeitsgäste ihre Überraschung überwunden hatten und an die Fenster eilten.

*

"Tu doch was, Walter!", rief Margot Rippold, als ihre Tochter mit Michael Koller verschwunden war. Ihr Mann saß wie erschlagen auf seinem Platz und ballte die Fäuste, dass die Fingerknöchel weiß hervorstachen.

"So eine Blamage! Dass ausgerechnet uns das passieren muss“, stöhnte er, ohne auf den Einwand seiner Frau zu achten.

"Also, ich hätt die Sandra für gescheiter gehalten!", warf Elisabeth Huber ein.

"So ein ungezogenes Ding. Unseren Buben bei der eigenen Hochzeit mitten auf dem Tanzboden stehen zu lassen, bloß weil so ein windiger Hund daherkommt!" Xaver Huber senior schäumte vor Wut. Sein Kopf nahm eine bedrohlich dunkle Farbe an, und der Blick, mit dem er Walter Rippold bedachte, ließ nicht an Deutlichkeit zu wünschen übrig.

"Kann ich denn was dafür? Hätt sich euer Xaver ein bisserl bei unserem Dirndl angestrengt, dann wär's ihm ned davon. Aber der Trampel ist ja so leidenschaftlich wie ein altes Paar Socken", wies dieser die Beschuldigung zurück.

"Hätt er deiner verzogenen Tochter vielleicht den Romeo spielen sollen, du Depp? Außerdem hat er dazu ja auch kaum Zeit gehabt, wo er doch im letzten Vierteljahr in deinem Geschäft mitarbeiten hat müssen, nachdem du dir den Knöchel gebrochen gehabt hast."

"Die paar Minuten für ein Busserl und ein bisserl mehr hätt er schon gehabt, wenn er wollen hätt. Aber er hat unsere Sandra wie einen Einrichtungsgegenstand behandelt, der ihm heut frei Haus geliefert wird!", verteidigte Rippold seine Tochter.

"Wer ist denn zu mir gekommen und hat gemeint, dass die zwei doch heiraten sollten, damit unsere Geschäfte zusammenkommen? Da hat unser Xaver ned an eine himmelstürmende Lieb glauben können. Es war wie eine Abmachung unter Geschäfstleut und ist von der Sandra auch nie anders gehalten worden. Wenn der Xaver einmal zärtlich werden hat wollen, ist sie doch gleich auf ihre Kammer und hat hinter sich zugesperrt. Wie kannst du also meinem Buben die Schuld geben, dass deine Tochter mit dem ersten besten Windhund fort ist?"

"Der Michael ist kein Windhund, Huber. Das lass dir gesagt sein." Da niemand anders für ihren Neffen sprach, fühlte sich Hanna Koller zu seiner Verteidigung aufgefordert.

"Dann wird wohl doch die Sandra hinter allem stecken! Wahrscheinlich hat sie den Koller selber gerufen, um unseren Xaver bis auf die Knochen zu blamieren!", erklärte Huber senior nicht sehr logisch.

"Ich hab doch gewusst, dass es auf dieser Hochzeit noch lustig wird", befand Thomas Wimmer in diesem Moment breit feixend und hätte sich dafür beinahe ein paar Ohrfeigen vom Sandnerbauern eingefangen. Auch Huber senior sprang auf und wollte seinem ungeliebten Konkurrenten an den Kragen. Seine Frau Elisabeth fasste ihn am Ärmel und hielt ihn zurück, was anhand seiner über hundert Kilo Lebendgewicht keine leichte Sache war.

"Ich bitt dich, Xaver. Fang mir jetzt keine Rauferei an hier vor alle Leut", flehte sie ihn an.

"Darauf käm's jetzt auch nimmer an. Immerhin habt ihr ihnen eure Familiengeschichten ned bloß brühwarm, sondern noch übersprudelnd serviert. Na ja, wenigstens haben die Leut jetzt was, worüber sie sich das Maul zerreißen können", warf Lucy spöttisch ein. Huber senior sah aus, als wenn er selbst jetzt am überkochen wäre.

"Kommt, wir gehen. Wir haben bei dieser Kasperlveranstaltung nix mehr verloren", herrschte er Frau und Sohn an und verließ mit der Miene eines gereizten Kaffernbüffels den Saal. Seine Frau folgte ihm, während Xaver noch schwankte, was er tun sollte. Bevor auch er gehen konnte, trat Lucy an seine Seite.

"Tut's arg weh, Großer?", fragte sie.

"Du siehst ja, dass ich vor Freud jodele und sing!", erwiderte Xaver mit einem bitteren Lachen.

"Ich hab die Sandra ja davor gewarnt, auf nüchternen Magen so viel zu saufen", meinte Lucy und schüttelte den Kopf über die Unvernunft ihrer Freundin.

"Die Sandra war ned vom Wein, sondern vom Michael berauscht. Warum muss dieser Kerl ausgerechnet heut kommen? Und wieso ist die Sandra mit ihm mitgegangen? Ich hätt sie für gescheiter gehalten", flüsterte Xaver ganz verzweifelt.

"Hoffen wir, dass ihr bald zu Bewusstsein kommt, was sie überhaupt angerichtet hat."

"Die werden wir so schnell nimmer sehen. Die ist mit ihrem Michael auf und davon!"

"Hoffentlich bist du ein schlechter Prophet, Xaver!" Lucy warf noch einen Blick auf die Leute im Saal, die heftig aufeinander einredend diesen Skandal durchhechelten, und zog ihren wie paralysiert wirkenden Vetter zur Tür hinaus.

*

Michael Koller fuhr mit raschem Tempo die Hauptstraße entlang und bog schließlich in einen schmalen Waldweg ein. Sandras Herz zog sich zusammen, als sie die Stelle erkannte, an der sie und Michael früher hier nach dem Kino oder dem Tanzen angehalten hatten, um Zärtlichkeiten auszutauschen. Michael parkte genau unter der alten Eiche und drehte sich zu ihr hin.

"Da sind wir", sagte er und sah sie mit einem siegesgewissen Lächeln an. Sandra ließ es zu, dass er sie an sich zog und voller Leidenschaft küsste. Irgendetwas in ihr sagte ihr jedoch, dass sie dabei war, Unrecht zu tun.

Sie nahm Michaels Küsse hin, ohne darauf zu reagieren und kämpfte verzweifelt gegen den Nebel in ihren Gedanken an, den der reichlich genossene Wein hinterlassen hatte. Schließlich hielt Michael inne.

"Ein bisserl mehr Freud und Feuer hätt ich schon von dir erwartet, nachdem wir uns so lang nimmer gesehen haben?", sagte er leicht beleidigt.

Sandra empfand seinen Vorwurf als ungerecht und richtete sich auf. "Michael, warum bist du ned eher gekommen?", fragte sie ihn mit traurigen Augen.

"Du bist gut. Ich hab doch erst vor drei Tag erfahren, dass du den jungen Huber heiraten willst, und mit Glück noch einen Flug nach München bekommen. Aber jetzt bin ich bei dir, und es kann dich niemand mehr zu etwas zwingen, was du ned willst!" Michael nahm sie erneut in ihre Arme, und diesmal beantworteten ihre Lippen seinen Kuss. Erst als Michaels Hände an ihrem Mieder nestelten, kam sie wieder zu sich.

"Lass das sein", erklärte sie ihm schärfer, als sie eigentlich wollte.

"Du bist gut. Drei Jahr hab ich von dem Augenblick geträumt, wo ich wieder mit dir zusammen sein kann, und du sagst, ich soll's lassen. Du magst dich ja mit dem jungen Huber amüsiert haben. Aber ich hab's dringend nötig", erklärte Michael und wollte weitermachen. Sandra stieß ihn jedoch zurück.

"Wenn du einen Tag eher gekommen wärst, dann würd ich ja alles für dich tun. Aber ich hab erst vor ein paar Stunden vor dem Herrgott das Ehegelübde abgelegt. Ich will mich ned noch am selben Tag dagegen versündigen."

"Wenn du meinst", erwiderte Michael und löste enttäuscht seine Hände von ihr. "Lass dir aber ja ned einfallen, mit dem jungen Huber unter die Decke zu schlüpfen, nur weil du den Irrtum begonnen hast, in der Kirch Ja zu ihm zu sagen."

"Ich bin dir stets treu gewesen, Michael, und will's auch weiterhin sein", beeilte sich Sandra, ihm zu versichern.

"Ich will's dir glauben", antwortete Michael großzügig.

"Und du, warst du mir auch treu?", fragte Sandra leise.

"Ja, ja, freilich! Meistens wenigstens. Weißt du, da, wo ich gewesen bin, waren die Frauen ned so nach meinem Geschmack. Da hätt ich mir ja sonst was holen können. Darum bin ich jetzt auch so scharf auf dich!"

"Du wirst es erwarten können", meinte Sandra mit einem gewissen Bedauern.

"So lang wird das ned dauern. Du sagst einfach zu dem Mehlpappengesicht von einem Huber Xaver, dass die ganze Heiraterei ein Irrtum war, und damit hat es sich."

"So schnell wird es mit einer Scheidung auch ned gehen", erwiderte Sandra, die von Michaels Tempo buchstäblich überrollt wurde.

"Du wirst doch ned etwa warten wollen, bis du geschieden bist? Das kann ja ein Jahr oder noch länger dauern", rief Michael entsetzt. Doch plötzlich kam ihm ein Gedanke, und er grinste Sandra verschwörerisch an.

„Weißt du was, wir schnappen uns morgen früh den Huber Xaver und fliegen mit ihm nach Las Vegas. Dort seid ihr schneller geschieden, als du piep sagen kannst.“ Michaels Idee klang verlockend, dennoch wagte Sandra einen Einwand.

„Ist das ned ein wenig zu rasch? Ich möchte den Xaver ned dadurch kränken, dass ich ihn schon einen Tag nach der Hochzeit wie einen alten Schuhkarton wegwerf.“

„Dass du mit deiner idiotischen Heirat mich gekränkt haben könntest, danach fragst du wohl ned? Wie hast du diesen Blödsinn eigentlich bloß anfangen können?", fragte Michael sichtlich gekränkt. Sandra berührte seine Wange und streichelte sie sanft.

"Es tut mir leid, Michael. Ich wollt ihn ja ned heiraten. Die Eltern haben mir zugeredet wie einer kranken Kuh, dass ich es tun soll. Nachdem du so lang nix mehr von dir hören hast lassen, hab ich halt geglaubt, du hättest mich vergessen."

"Ich hab dir doch immer wieder geschrieben!", erklärte Michael jetzt ganz als gekränkte Unschuld.

"Deinen letzten Brief hab ich vor anderthalb Jahren bekommen. Und auch davor hast du nur selten was von dir hören lassen", entgegnete Sandra leise.

"Du weißt doch, dass ich's mit dem Briefschreiben ned so hab. Aber ich hab dir in jedem halben Jahr mindestens einmal geschrieben. Vielleicht hat die Post meine Brief verschlampt. Oder es hat sie jemand unterschlagen!"

"Du meinst, die Mama oder der Papa könnten mir deine Briefe vorenthalten haben?"

"Immerhin wollten sie dich mit dem Huber Xaver verkuppeln", sagte Michael so treuherzig, dass Sandra ihm liebend gerne geglaubt hätte. Da jedoch sie es war, die die Briefpost vom Schließfach abholte, waren Michaels Worte zu leicht als Flunkerei zu durchschauen. Es gab Sandra einen leichten Stich, dies erkennen zu müssen.

"Bring mich jetzt heim, Michael. Ich bin so durcheinander, dass ich ein wenig Ruh brauch. Außerdem muss ich über einiges nachdenken."

"Meinetwegen. Aber vorher essen wir beim Ganserlwirt von Hochwalden noch eine Kleinigkeit. Ich hab nämlich den ganzen Tag noch nix zwischen die Zähn gekriegt, und auch du schaust so aus, als könntest du etwas Handfestes im Magen vertragen!" Sandra freute sich über die Fürsorge, die Michael ihr zukommen ließ. Dann dachte sie daran, dass genau dies sie an Xaver erinnerte, und spürte eine tiefe Traurigkeit in sich.

*

Sandra und Michael blieben länger im Ganserlwirt sitzen, als sie eigentlich gewollt hatten. Sandra fürchtete sich jedoch vor dem, was ihre Eltern bei ihrer Rückkehr sagen würden. Daher war sie fast schon so weit, Michaels Vorschlag anzunehmen und hier zu übernachten. Nur der Gedanke, ihn dann nicht mehr zurückweisen zu können, brachte sie dazu, in den sauren Apfel zu beißen, und ihn zu bitten, sie nach Hause zu fahren.

Es war bereits dunkel, als Michaels Leihwagen die Straße zu Sandras Elternhaus entlangrollte. Sie kamen dabei auch am Täuberwirt vorbei, wo noch wenige Stunden vorher eine erwartungsfrohe Menge Sandras Hochzeit gefeiert hatte. Die Parkplätze vor dem Gasthaus waren jetzt bis auf ein paar wenige Autos leer und die Fenster des Saales dunkel. Auch das elterliche Haus wirkte auf den ersten Blick wie ausgestorben. Sandra sah jedoch durch das Fenster hindurch einen Schatten und bat Michael, anzuhalten.

„Ich glaube, es ist besser, wenn ich allein ins Haus geh. Der Vater könnt sonst zornig werden und dir Worte sagen, die er später bereut", flüsterte sie ihm zu. Er dachte kurz nach und nickte.

"Gut, es wird wohl das Beste sein. Aber vorher gibst du mir noch ein Busserl, damit mir das Warten ned so lang wird!" Sandra erfüllte ihm diesen Wunsch und huschte dann auf das Haus zu. Wenn sie gehofft hatte, sich heimlich auf ihr Zimmer zu schleichen, sah sie sich getäuscht. In dem Augenblick, in dem sie die Tür hinter sich ins Schloss zog, flammte die Flurbeleuchtung auf, und ihre Mutter stand wie ein Racheengel vor ihr.

"Hat er dich ned gleich behalten können, der Grattler?", schrie sie Sandra mit sich überschlagender Stimme an.

"Mutter, ich ...", versuchte Sandra eine Rechtfertigung, doch Margot Rippold fiel ihrer Tochter sofort ins Wort.

"Es hat sich ausgemuttert. Diese Schand! Läuft meine Tochter auf ihrer eigenen Hochzeit mit ihrem Liebhaber davon. Ich wär am liebsten im Erdboden versunken."

"Mutter, es war ned so ...", begann Sandra aufs Neue, ohne wieder über den ersten Satz hinauszukommen.

"Grad gelacht haben die Leut. Der Wimmer Thomas hat sich schier nimmer eingekriegt vor lauter Freud. Wochenlang hat er davor gezittert, dass wir uns mit dem Huber zusammentun. Aber das ist jetzt vorbei."

"Der Huber wird gewiss Verständnis haben, oder wenigstens der Xaver."

"Einen Dreck werden die beiden. Der Huber ist schier geplatzt vor Wut. Und so ein Spiel, wie du es mit ihm getrieben hast, lässt auch ein so feiner Bursch wie der Xaver ned mit sich machen."

"Der Vater ...", versuchte Sandra einen weiteren Satz.

"Den Vater hast du mitten ins Herz getroffen. Schau ihn dir nur an, was du aus ihm gemacht hast", brüllte ihre Mutter und riss wutentbrannt die Wohnzimmertür auf. Walter Rippold saß, eine leere Cognacflasche vor sich auf dem Tisch, auf dem Sofa und stierte Sandra mit blutunterlaufenen Augen an.

"Was willst du denn noch hier?", fragte er lallend.

"Vater!" Sandra wollte auf ihn zugehen, wich aber instinktiv zurück, als er die Hand hob und damit ausholte. Sie hätte verstanden, wenn er zugeschlagen hätte. Doch Walter Rippold ließ die Hand wieder sinken und musterte seine Tochter mit einem Blick tiefsten Abscheus.

"Was willst du noch hier? Eine verheiratete Frau gehört zu ihrem Mann. Dort drüben ist jetzt deine Heimstatt, aber ned bei uns!" Dabei zeigte er auf die schmucke Villa am Hang, die erst im letzten Herbst von den Maurern der Baufirmen Rippold und Huber in gemeinsamer Arbeit errichtet worden war.

"Vater, ich kann doch nach dem, was heut geschehen ist, ned zum Xaver hinübergehen!", wehrte Sandra entsetzt ab.

"So, du ziehst wohl lieber mit deinem Galan herum, anstatt bei deinem Mann zu sein, wie du es heut Morgen vor Gott, dem Herrn, geschworen hast?"

"Vater, lass doch mit dir reden. Du hast doch den Michael selber einmal gern gemocht."

"So, hab ich das? Das muss aber schon lang her sein."

"Vater, du hast ihm doch geholfen, damit er sein Architekturstudium fertig machen hat können. Ich hab gedacht, dass du ihn gern als Schwiegersohn sehen würdest", flüsterte Sandra mit Tränen in den Augen.

"Ich hab nur einen Schwiegersohn. Und dem kann ich nimmer ins Gesicht schauen, nach dem Skandal, den du verursacht hast. Also red jetzt, was du noch von mir willst. Und dann verschwindest. In meinem Haus will ich dich nimmer sehen!"

"Vater, das kannst du doch ned machen!"

"Und ob ich das kann. Entweder gehst du jetzt zu deinem Mann hinüber, oder wir beide sind geschiedene Leut!"

Sandra erkannte, dass jedes weitere Wort vergebene Liebesmühe war, und drehte sich auf dem Absatz um. Ihre Mutter schien noch etwas sagen zu wollen. Sie verstummte jedoch sofort, als sie den strafenden Blick ihres Mannes auf sich gerichtet sah.

Sandra war so zornig, dass sie im Augenblick mit Michael an jeden Ort der Welt gefahren wäre. Er war jedoch bereits weitergefahren, und so stand sie allein vor dem Haus, ohne zu wissen, was sie jetzt anfangen sollte. Für einen Augenblick überlegte sie sich, doch zu Xaver zu gehen, um mit ihm über die Situation zu reden. Sie fürchtete jedoch, dass er es als eine zusätzliche Demütigung auffassen könnte, und ließ den Gedanken wieder los. Es blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als zu Michaels Tante zu gehen und diese zu bitten, ihr wenigstens bis morgen Obdach zu gewähren. Gerade als Sandra losgehen wollte, löste sich ein Schatten von der alten Linde am Weg und trat auf sie zu.

"Lucy?", rief Sandra verblüfft, als sie die Freundin erkannte.

"Ich bin`s. Ich hab vorhin gesehen, wie du heimgekommen bist, und hab mir gedacht, ich komm lieber her und wart auf dich, bevor du weitere Dummheiten machen kannst."

"Willst du mir auch noch Vorwürfe für das machen, was heut geschehen ist?", fragte Sandra bitter.

"Ist das noch nötig?", gab Lucy spöttisch zurück.

Sandra senkte den Kopf. "Eigentlich ned. Ich wollt dem Xaver ja ned wehtun. Aber ich hab nun einmal den Michael lieb."

"Das hast du eigentlich auch schon gewusst, als du dem Xaver versprochen hast, ihn zu heiraten." Für einen kurzen Augenblick lag eine ungewohnte Schärfe in Lucys Stimme. Sie lachte jedoch gleich wieder und fasste Sandra am Arm.

"Komm mit. Ich hab versprochen, auf dich aufzupassen, und das tu ich jetzt."

"Wem hast du das versprochen, und wo willst du mich hinbringen?", fragte Sandra verblüfft.

"Ich bring dich zur Balleis Maria", antwortete Lucy, ohne auf den ersten Teil der Frage einzugehen.

"Zu der? Die wird nix tun, was meinen Vater verärgern könnt!"

"Jetzt sei still und komm mit. Die Maria hat versprochen, dass sie dich vorerst aufnimmt."

"Versprochen, wieso und wem?" Doch erneut erhielt Sandra keine Antwort auf ihre Frage.

*

Unterdessen fuhr Michael im flotten Tempo nach Hochwalden zurück. Er hatte nur für einen Augenblick daran gedacht, seine Tante aufzusuchen. Da er jedoch genau wusste, dass sie ihn mit Vorwürfen überschütten würde, schob er dieses Zusammentreffen lieber so weit wie möglich hinaus. Vielleicht war es eh besser, wenn er diese Nacht in Hochwalden blieb. Morgen konnte er dann Sandra abholen und mit ihr über seine weiteren Pläne reden.

Bei dem Gedanken an Sandra schnalzte er genießerisch mit der Zunge. Hübsch war sie ja schon immer gewesen, doch jetzt war sie zu einer wahren Schönheit herangereift. Wenn nur diese saudumme Heirat mit Xaver Huber nicht wäre.

Am Ortsrand von Hochwalden bog Michael nach links ab und hielt schließlich vor der Baufirma Wimmer an. Er läutete an der Tür und stand kurz darauf Thomas Wimmer gegenüber. Der Bauunternehmer grinste bei seinem Anblick wie ein Honigkuchenpferd und begrüßte ihn überschwänglich.

"Ja, Servus, Michi! Das freut mich aber, dass du noch bei mir vorbeischaust. Komm herein und erzähl, wie`s dir mit der Sandra ergangen ist. Magst du lieber einen Wein oder soll's ein Bier sein. Einen guten Enzian hätt ich auch."

"Grüß dich, Wimmer", antwortete Michael ganz verwirrt von dem begeisterten Empfang durch einen Mann, der vor drei Jahren nicht einmal auf seinen Gruß geantwortet hatte. Er ließ sich von dem Bauunternehmer ins Wohnzimmer führen und nahm Platz, während Wimmer die Enzianflasche und zwei Gläser aus einem Wandschränkchen holte und auf den Tisch stellte.

"Auf dein Wohl, Michi. Und darauf, dass du noch rechtzeitig gekommen bist!", rief er, nachdem er eingeschenkt hatte, und schaute den jungen Mann dabei erwartungsvoll an.

"Na ja, ganz rechtzeitig war's ja grad nimmer. Schließlich sind die zwei schon zusammengegeben worden", antwortete Michael mit leicht säuerlichem Gesicht.

"Sie hat dir wohl deswegen Vorwürf gemacht, was?"

"Ned direkt Vorwürf, aber sie hat sich geziert, mit mir ..." Michael erkannte, dass er Dinge sagte, die dem anderen eigentlich gar nichts angingen, und verstummte mitten im Satz. Mit einem etwas gekünstelt wirkenden Lachen nahm er das Enzianglas in die Hand und prostete Wimmer zu. Dieser kam auf ihn zu und schlug ihm auf die Schulter.

"So sind's halt, die Frauenzimmer. Solang`s ledig sind, sind's schier ned zu bremsen vor lauter Leidenschaft, aber sobald's einen Ring am Finger haben, glauben's, dass sie für dasselbe, das sie vorher auch getan haben, gleich in die Höll kommen", spottete Wimmer mit einem hässlichen Lachen.

Michael verzog ärgerlich das Gesicht, als er es hörte. "Musst du so gschert daherreden? Du bist doch schließlich ein verheirateter Mann!"

"Nimm's doch ned gleich krumm, wenn ich dich ein wengerl necken will. Immerhin war ich es, der dir von der geplanten Hochzeit geschrieben hat. Es war eh schwer genug für mich, deine Adresse herauszukriegen. Wenn ich ned zufällig jemand von eurer Geschäftsleitung gekannt hätt, würdest du noch immer in Indien Fabriken bauen und die Sandra heut ihre Hochzeitsnacht mit dem Hubertrampel feiern."

"Ich bin dir ja auch dankbar dafür, dass du mich informiert hast, Wimmer. Aber du solltest die Sandra aus dem Spiel lassen. Sie ist ein ehrliches Madl, das der Hochzeit nur deshalb zugestimmt hat, weil ihr ihre Alten so zugesetzt haben. Sie muss jetzt zuschauen, dass sie schnell wieder geschieden wird. Und dann heiraten wir."

"Mich tät's für dich freuen, Michi. Ich hab immer große Stücke auf dich gehalten. Aber komm jetzt. Wir trinken noch einen Enzian und machen dann ein Flascherl Wein auf. Dann erzählst du mir von Indien und was du dort gemacht hast."

"Ich will ja ned so sein", meinte Michael lachend. "Dankeschön für dein Schreiben hab ich dir ja schon gesagt. Du hättest mir aber ned auch noch das Reisegeld zu schicken brauchen. Ich hab mir nämlich in den letzten Jahren einiges sparen können." Das Letztere klang so selbstbewusst, dass es Wimmer hochriss.

"Du hast Geld?", fragte er mit glitzernden Augen.

"Für mich langt's, Wimmer. Deswegen bin ich ja auch damals fort aus St. Helena. Ich hab keine Lust gehabt, länger als kleiner Angestellter beim Rippold herumzufretten. Dem Chef war's auch ned so recht, dass die Sandra und ich uns so gut wie einig waren. Er hat mir schließlich ins Gesicht gesagt, dass er sich einen anderen Schwiegersohn vorstellt als so einen Hungerleider wie mich."

"Das war aber ziemlich grob vom Rippold!"

"Für mich war es ein Glück. Ich hab damals eh schon lang einmal in die Welt hinaus wollen und bin nur wegen der Sandra so lang geblieben."

"Und, wie viel hast du dir zusammengespart?", fragte Wimmer neugierig.

Michael nannte ihm die Summe und sah mit heimlicher Zufriedenheit, wie der andere erblasste.

"Sapperlot, dass es das gibt? Die müssen dich ja wie einen Minister bezahlt haben!", rief Wimmer voller Neid.

"Ich weiß ned, wie viel Gehalt so ein Minister bekommt. Aber mir hat das meine gereicht!", meinte Michael lachend und ergriff das Enzianglas, um auf Wimmers gestammelten Glückwunsch anzustoßen.

"Was willst du denn mit deinem vielen Geld eigentlich anfangen?", fragte Wimmer nach einer Weile.

"Ich hab mir gedacht, dass ich beim Rippold als Kompagnon einsteig!"

"Du wirst doch ned so blöd sein und dem Mann, der dich in die Ferne getrieben und dein Dirndl gezwungen hat, einen anderen zu heiraten, ned auch noch dein Geld nachtragen wollen?", rief Wimmer entsetzt.

"Aber wenn ich die Sandra heirat, dann muss ich's doch tun!"

"Und dich dem Rippold voll und ganz ausliefern? Michi, ich hätt dich für gescheiter gehalten. Was bist du für den Rippold schon mehr als ein besserer Hilfsarbeiter. Bei dem kommst du auf keinen grünen Zweig. Also, wenn du auf mich hören willst, so nimm dein Dirndl und geh mit ihr in die Welt hinaus. Ein Kerl wie du macht dort im Handumdrehen sein Glück."

"Ja und der Rippold?"

"Der wird sich auf die Dauer doch nimmer halten können. Den machen die zwei Huber fertig, das sag ich dir. Du hast den alten Huber ja ned gesehen, aber ich. Der wird ned eher aufgeben, bis der Rippold am Ende ist - und er selbst wahrscheinlich auch. Dir müsst's ja auch recht sein, immerhin hat er seine Tochter, deine Braut, wie einen gebrauchten Betonmischer an den Huber verkaufen wollen. Außerdem, wenn du dein Geld wirklich anlegen willst, dann kannst du es auch bei mir tun. Ich könnt eine kleine Spritze gut gebrauchen", setzte Wimmer hinzu und goss sich einen weiteren Enzian zur Stärkung ein.

"Warum, hast du etwa Probleme?", wunderte sich Michael.

"Nein, das ned direkt. Aber weißt du, meine Alte ist derzeit krank und hängt viel in den Heilbädern herum. Das kostet ein Heidengeld, sag ich dir. Dazu haben mich der Huber und der Rippold in letzter Zeit durch ihre Absprachen gezwungen, mit den Preisen so weit runterzugehen, dass es mir schon ins Fleisch schneidet. Gott sei Dank ist das jetzt wenigstens vorbei. Aber ich könnt trotzdem noch etwas Geld gebrauchen, um laufend flüssig zu sein." Wimmer schenkte nach und sah Michael gespannt an.

"Ich möcht nix übers Knie brechen, Wimmer. Das wirst du sicher verstehen", antwortete dieser mit sichtlichem Zögern.

"Aber wenn du so reich bist, kannst du mir ja wenigstens das Geld, das ich dir geschickt hab, wieder zurückgeben", meinte Wimmer mit leicht säuerlichem Ton.

"Aber freilich. Darum bin ich ja eigentlich auch zu dir gekommen!", erwiderte Michael und zog einen reichlich zerfledderten Umschlag aus der Gesäßtasche seiner Jeans. Wimmer nahm ihn entgegen und zählte das Geld mit zitternden Händen nach.

"Kann das stimmen?", fragte er vorsichtshalber, als er damit fertig war.

"Selbstverständlich. Es ist ja auch der Brief dabei, in dem du geschrieben hast, wie viel du mir geschickt hast!"

"Dann wird's schon seine Richtigkeit haben", entgegnete Wimmer seufzend und steckte das Geld weg. "Willst du eine Quittung haben?", fragte er gewohnheitsmäßig nach.

"Hast du eine von mir?", lachte Michael zurück.

"Nein, wieso?"

"Dann ist jetzt keiner von uns dem anderen noch etwas schuldig", erklärte Michael zufrieden und trank seinen Wein aus.

"Ich glaub, du hast mir ein kleines Räuscherl angehängt. So kann ich nimmer Auto fahren. Du hast doch nix dagegen, wenn ich meinen Karren vor deinem Haus stehen lass?"

"Nein, gewiss ned. Also dann gut Nacht. Es hat mich gefreut, dass du bei mir vorbeigeschaut hast. Wir sehen uns sicher noch! Und überleg dir das mit der Beteiligung. Mein Angebot steht!"

*

An seinem ersten Abend in der Heimat hatte Michael noch über Wimmers Angebot gelacht und darauf gehofft, bald als Juniorchef bei der Firma Rippold einsteigen zu können. Doch schon am nächsten Morgen trieb ihm ein Telefonat mit Sandras Vater einen Großteil seiner Flausen aus. Er hatte kaum seinen Namen genannt, als ihm Walter Rippold schon alle Flüche der Welt entgegenschleuderte und ihn in Grund und Boden verfluchte.

Ein Anruf bei seiner Tante erwies sich auch als nicht ergiebiger. Hanna Koller brüllte zwar nicht wie Rippold, aber jedes Wort von ihr stellte einen Vorwurf dar. Als Michael sie bat, Sandra eine Nachricht zu überbringen, erklärte ihm seine Tante kühl, dass sie nicht die Kuppelmutter für ihn spielen würde, und legte auf.

Mehrere weitere Anrufe verliefen ebenfalls erfolglos. Schließlich fuhr Michael nach St. Helena hinüber, nur um zu erleben, dass die meisten Türen vor ihm zugeschlagen wurden. Erst von einem ehemaligen Arbeitskollegen, der sich über seinen Chef geärgert hatte, erfuhr er, dass Rippold seine Tochter aus dem Haus gewiesen hatte.