"So geht Freiheit" - Wie aus Angst und Verzweiflung die Chance deines Lebens wird - Manuel Schönthaler - E-Book

"So geht Freiheit" - Wie aus Angst und Verzweiflung die Chance deines Lebens wird E-Book

Manuel Schönthaler

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Beschreibung

Hast du dich auch schon einmal gefragt, wie eigentlich Freiheit geht? In diesem Mutmachbuch erzählen ein Kabarettist, Seriengründer, Cryptoinvestor, Aussteiger, Präsident einer Männerakademie und Überlebenskünstler sowie eine Muse, reisende Liebesforscherin, Energy Mentorin, Emotionslehrerin, Seelenaktivistin und Self-Made-Minimalistin, wie sie zu diesen außergewöhnlichen Berufungen gekommen sind. Denn auch sie haben einmal etwas „ganz Normales“ gemacht. Einer war Bankkaufmann, Informatiker oder Werkzeugmechaniker, die andere Pädagogin, IT-Managerin oder Studentin. Doch sie alle haben eines gemerkt: dass Job, Haus und ein schickes Auto kein echtes Glück bringen. Darum haben sie sich entschieden ihren eigenen nachhaltigen Weg in die Freiheit zu kreieren, um endlich so zu leben, wie sie es wirklich wollen. Diese 12 Menschen nehmen dich mit in ihre Fußstapfen und erzählen dir, wie sie auf ihrem ganz persönlichen, oft auch steinigen und ungeraden Weg, ihre Erfüllung gefunden haben. Sie möchten dir Mut machen, dass auch du es schaffen kannst, trotz Unsicherheit und Zweifeln dein ganz großes Glück im Leben zu finden. Ergänzt wird das Buch von Gedichten, wertvollen Tipps und Tools zur eigenen Persönlichkeitsentwicklung und Traumaheilung. Mit einem Vorwort von Prof. Dr. Franz Ruppert zur gesunden Autonomie.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
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Seitenzahl: 583

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Wie aus Angst und Verzweiflung die Chance deines Lebens wird

1. Auflage Oktober 2022 (Version 4)

Impressum

Texte/Interviews:

© 2022 Copyright by Manuel Schönthaler und den jeweiligen AutorInnen & GästInnen

Gedichte:

© 2022 Copyright by Lucila Pappalardo

Coverdesign/-foto:

© 2022 Copyright by Manuel Schönthaler

Herausgeber:

#justfuckindoit LLC 7901 4th St N STE 300 St. Petersburg, Florida USA 33702 [email protected]

Verlagslabel:

#justfuckindoit

Satz/Layout:

Manuel Schönthaler

Lektorat:

Swenja Weber

Übersetzung:

Swenja Weber, Andrea Erhard

Korrektorat:

Swenja Weber, Andrea Erhard, Manuel Schönthaler

Transkription:

Veronika Stamos, Andrea Erhard, Manuel Schönthaler

Druck/Distribution:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN Softcover:

978-3-347-73111-0

ISBN Hardcover:

978-3-347-73112-7

ISBN E-Book:

978-3-347-73113-4

Disclaimer

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Alle Angaben in diesem Buch wurden vor Drucklegung sorgfältig geprüft, jedoch übernimmt die #jusEuckindoit LLC keine Haftung für deren Richtigkeit und Vollständigkeit. Für die Inhalte der einzelnen Texte sind die jeweiligen AutorInnen verantwortlich, ebenso für die Einlösung der Aktionsangebote, die nur für zwölf Monate ab Veröffentlichung der jeweiligen Auflage gewährleistet wird. Alle Änderungen bleiben vorbehalten, der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

„Der Weg des Herzens ist der Weg des Mutes.“

(OSHO)

Inhaltsverzeichnis

Vorwort von Franz Ruppert zur gesunden Autonomie

Einleitung von Manuel Schönthaler

Gedicht „Ja zum Leben“

Über emotionale Manipulation und gesunde Autonomie meine innere & äußere Reise in die emotionale Freiheit

von Manuel Schönthaler

Gedicht „Wanderung“

„Bleib’ doch einfach mal [dort] sitzen.” Vom Zauber der Einfachheit.

Manuel Schönthaler im Gespräch mit Walter Quiring

Gedicht „Hol dir den Genuss zurück“

Vom Suchen, nicht Finden und dennoch Ankommen

von Veronika Stamos

Gedicht „Eine freie Seele“

Kopf versus Herz - wie mein innerer Lausbub mir den Weg zu meinen Träumen öffnete

Manuel Schönthaler im Gespräch mit Markus Langer

Gedicht „Im Herzen Kind sein“

Wie mich meine Intuition zurück zu innerem Frieden und wahrer Freude führte

von Lucila Pappalardo

Gedicht „Richtung: Hier und Jetzt“

Gedicht „Zeit für Einsamkeit“

„Und wenn ich alles verliere, wird in dieses Vakuum etwas treten, was noch viel näher an meinem wahren Selbst ist, als das, was ich jetzt so liebe.“

Manuel Schönthaler im Gespräch mit Bastian Schaller

Gedicht „Fülle“

Angst – ein Geschenk der Evolution oder mein Weg von der Kulturwirtin zur Landwirtin

von Andrea Erhard

Gedicht „Lebe ganz groß“

„Ich brauche da keine großen Studien. Ich lerne mich da nicht allzu lang ein, ich fang' einfach an und und leg' los“

Manuel Schönthaler im Gespräch mit Flo Goette…

Gedicht „Du bist aus Träumen gemacht“

Auswandern ohne Startkapital?! Wie mir mein Mut half, einem System der Angst zu entkommen und meine persönliche Freiheit zu finden.

von Leon Hirschring

Gedicht „Wunder“

Eine andere Art von zu Hause sein…

Manuel Schönthaler im Gespräch mit Dr. phil. Lilian Katharina Seuberling

Gedicht „Liebe dich so sehr“

Die Erforschung der menschlichen Intelligenz und warum Emotionen uns zum Erfolg führen vom emotionalen Tiefpunkt in die emotionale Freiheit

von Winnifred Lachner

Gedicht „Tanzen“

„Leute, wenn das stattfindet, ich glaub, ich heule!“ Mein Weg von hinter der Bühne auf die Bühne.

Manuel Schönthaler im Gespräch mit Tina Reimer

Gedicht „Das Göttliche“

„Human Design“ und „Echt Du! Echt jetzt!“

Ehrliches Mitteilen und innere Aufstellungen

„So geht Freiheit“ Workbook & Onlineprogramme

Nachwort von Manuel Schönthaler

AutorInnen-Kurzbiografien

Vorwort zur gesunden Autonomie

von Prof. Dr. Franz Ruppert

Im Jahr 2011 hatte ich die Idee, zum ersten Mal in meinem Leben einen Verein zu gründen. Mit diesem wollte ich meine psychologische Theorie, die ich in den letzten zehn Jahren entwickelt hatte und die traumatherapeutische Praxis, die damit verbunden ist, weiterverbreiten. Im Wesentlichen sollte dieser Verein die Aufgabe haben, internationale Kongresse zu organisieren. Wie sollte nun dieser Verein genannt werden? Ich überlegte, was den Menschen, mit denen ich therapeutisch arbeitete, am meisten fehlte und kam auf den Gedanken: den Menschen fehlt so etwas wie eine gesunde Autonomie. Die meisten waren in destruktiven Beziehungsmustern verstrickt, entweder mit ihren eigenen Eltern, dem Partner oder den eigenen Kindern.

Solche verstrickten Beziehungen wiederholten sie dann auch in ihren Freundschafts- und Arbeitsbeziehungen. Obwohl sie sich über ihre jeweiligen Beziehungspartner beklagten und unendlich darunter litten, konnten sie nicht einfach damit Schluss machen. Offenbar war es noch bedrohlicher für sie, alleine zu sein als aus einer toxischen Beziehung auszusteigen. Zuweilen machte ich auch den Fehler, diesen Menschen zu sagen, sie sollten die Beziehung abbrechen. Das führte aber eher dazu, dass sie mir böse wurden und die Beziehung zu mir abbrachen, um damit weiterhin in ihrer Mutteroder Partnerbeziehung zu verharren.

So kam ich zu dem Entschluss, den neu zu gründenden Zusammenschluss „Verein zur Förderung einer gesunden Autonomieentwicklung von Menschen e.V.”1 zu nennen. Und gleich unser erster internationaler Kongress, den wir 2012 veranstalteten, trug den Titel: „Gesunde Beziehungen“. Wie aber kann man die „gesunde Autonomieentwicklung“ eines Menschen fördern? Mehr als zehn Jahre später weiß ich dazu noch viel mehr zu sagen als damals. Es geht zum einen darum herauszufinden, wann und warum ein Mensch den Bezug zu sich selbst aufgegeben hat bzw. wegen der traumatisierenden Umstände, in die er geraten war, aufgeben musste. In vielen Fällen geschieht dies bereits vorgeburtlich. Weil dieser Mensch, der mit einem ungeheuer großen Potential an Lebensfreude, Lebensenergie und voller Gefühle von Liebe und Verbundensein-Wollen die Erfahrung machen muss: du bist gar nicht gewollt. Du sollst gar nicht da sein. In der Regel bedeutet dies, dass ein Mensch bereits in der Gebärmutter die Ablehnung seiner Mutter spürt. Seine Mutter will nicht schwanger sein mit ihm, sie will nicht seine Mutter werden. Zuweilen versuchen solche Mütter auch, dieses Kind, das in ihnen heranwächst, auf die eine oder andere Form abzutreiben.

Wer das Glück hat, einen solchen Abtreibungsversuch zu überleben, hat nicht nur Todesängste ausgestanden, er hat als Überlebensstrategie auch den Bezug zum eigenen Lebendigsein abgespalten. Er überlebt quasi außerhalb seines Körpers. Körper und Psyche entwickeln sich von nun an nebeneinander her. Der Anteil, der ab jetzt das Überleben organisiert, versucht weiterhin eine Beziehung mit der eigenen Mutter aufrecht zu erhalten. Dazu fühlt und überlegt er, was er seiner Mutter geben muss, damit sie ihn und sein Dasein dennoch akzeptiert. Er macht sich der eigenen Mutter zu Diensten. Diese wiederum nutzt dieses Angebot als Überlebensstrategie für sich, weil Mütter, die ihre Kinder ablehnen, in der Regel auch selbst traumatisiert sind und ihrerseits schon keine Mutter hatten, die sie wollte, liebte und schützte. So kehrt sich das Mutter-Kind-Verhältnis um und die Welt steht Kopf: das Kind versorgt seine Mutter mit seiner Lebensenergie und seinem Lebenswillen. Es befürchtet, dass seine Mutter aus seinem Leben verschwindet, wenn es sie nicht am Leben erhält.

Was ist also in solchen Fällen zu tun? Die bedingungslose Liebe des Kindes zu seiner Mutter muss von dem Menschen anerkannt werden, der dieses liebeshungrige Kind in sich mit aller Gewalt zu unterdrücken versucht. Dadurch kann der Schmerz darüber, von der eigenen Mutter nicht gewollt zu sein, endlich in seiner ganzen Wucht zum Ausdruck gebracht werden. Auch die beiseite geschobenen Gefühle von Todesangst und ohnmächtiger Wut können auf diesem Wege innerlich aufgelöst werden. Es darf dabei durchaus zum Ausdruck gebracht werden, dass man seine Mutter wegen ihrer Ablehnung zuweilen am liebsten umgebracht hätte. Wer sich das eingesteht, muss seine Wut und Aggression nicht länger auf Andere und Unschuldige verschieben.

Über solche Prozesse, die häufig nicht in einer einzigen „Selbstbegegnung“ zu leisten sind, steht das eigene Liebespotential wieder vollumfänglich zur Verfügung. Es kann sich nun auf die eigene Person richten. Ich liebe mich bedingungslos. Ich muss um meine Daseinsberechtigung weder kämpfen noch mich dafür rechtfertigen, dass ich lebe. Auch die Daseinsscham, die zuvor so viel Leid verursacht hat, ist dann wie weggeblasen. Ich lebe gerne und schaue so gut es geht auf die Befriedigung meiner ganz natürlichen Lebens- und Liebesbedürfnisse. Damit werde ich im guten Sinne beziehungsfähig und kann konstruktive Beziehungen mit anderen Menschen gestalten. Ich kann mich ihnen emotional öffnen und kann auch klar „Nein“ sagen, wenn andere über meine Grenzen gehen wollen. So werde ich im guten Sinne „autonom“, d.h. ich lebe mein Leben nach meinen eigenen Gesetzen. Damit bin ich ein friedvoller Mensch, der anderen auch aus vollem Herzen ihre gesunde Autonomie wünscht. Andere Menschen zu beherrschen, sie zu kontrollieren und mit ihnen Krieg zu führen, interessiert mich nicht mehr im Geringsten.

Ich will nur noch leben, lieben und geliebt werden. Ich bin innerlich frei.

Prof. Dr. Franz Ruppert

Prof. Dr. Franz Ruppert ist 1957 in Bayern geboren, er lebt in München und ist seit 1992 Professor für Psychologie. Er hat ein eigenes Institut für Fort- und Weiterbildung und eine Praxis für Psychotherapie. In 30 Jahren beruflicher Tätigkeit konnte er die Identitätsorientierte Psychotraumatherapie (IoPT) schrittweise entwickeln. Dieses hocheffektive Therapieverfahren wurde bislang bereits in 10 Büchern dargestellt. Diese sind in 13 verschiedene Sprachen übersetzt. Er ist international tätig und einer der bekanntesten und führenden Traumatherapeuten weltweit. Sein Buch „Ich will leben, lieben und geliebt werden“ ist ebenfalls bei tredition erschienen.

1 Link zum Verein: www.gesunde-autonomie.de. Dort kannst du mit deiner Spende helfen oder eine Unterstützung zur eigenen Selbstbegegnung beantragen. In den offenen Gruppen kannst du die Arbeit mit der von Franz Ruppert entwickelten Anliegenmethode aus der identitätsorientierten Psychotraumatheorie (IoPT) kennenlernen. Termine: www.franz-ruppert.de/terminkalender.

Einleitung

von Manuel Schönthaler

Was bedeutet eigentlich Freiheit?

Die Antwort auf diese Frage ist wahrscheinlich so vielfältig wie die Menschen auf dieser Erde. Deshalb versuchen die zwölf AutorInnen dieses Mutmachbuches auf den folgenden Seiten mit ihrer ganz persönlichen Geschichte mögliche Perspektiven dazu aufzuzeigen. Ohne, dass einer davon den Anspruch erhebt, mit absoluter Gewissheit sagen zu können, was Freiheit für dich bedeuten kann. Denn wie verwegen wäre es, wenn wir behaupten würden zu wissen, was nun Freiheit genau ist und wie sie geht. Es gibt so unendlich viele Formen der Freiheit, einige davon, wie die emotionale Freiheit, innere Freiheit, Entscheidungsfreiheit, Freiheit des Ortes, Berufes oder der Lebensführung, finanzielle Freiheit, Angstfreiheit, Traumafreiheit oder die künstlerische Freiheit werden die AutorInnen in diesem Buch aus ihrer Erfahrung beleuchten.

Wie es zu diesem Mutmachbuch kam

Ich hatte schon seit einigen Monaten die Idee, meine eigene Geschichte in einem Buch niederzuschreiben, um Menschen Mut zu machen, ihren eigenen Weg zu gehen. Diese Idee entstand aus meiner Arbeit im #jusEuckindoit-Podcast heraus, in dem ich seit August 2020 Geschichten von Menschen erzähle, die ihren ganz eigenen Weg gegangen sind. Die einfach mal gemacht haben, auch wenn andere gesagt haben: „Das geht doch nicht!“. Geschichten vom mutigen Vorausgehen, die oft mit Angst und Zweifeln begannen, aber aus denen großartige Chancen wurden. Genau mit diesem Format habe ich selbst begonnen, meine eigene Traumahistorie aufzuarbeiten, ohne anfangs zu wissen, dass ich selbst überhaupt traumatisiert bin.

Zum Ende meiner letzten Weiterbildung sagte mein damaliger Kollege Pete zu mir: „Warum schreibst du denn nicht einfach die Geschichten aus deinem Podcast2 in ein Buch?“ Die Idee gefiel mir, doch sie war mir zu einfach, denn ich wollte ja etwas Neues schaffen und nicht nur bereits erzählte Geschichten niederschreiben. Und womöglich war die Zeit noch nicht dafür reif. Erst ein paar Monate später dann, als ich Lucila in einem Projekt in Portugal kennenlernte, das mich gefunden hatte, nachdem ich bei Tina ins Mentoring gegangen war, reifte die Buchidee weiter. Auf Madeira, wo ich mit Winnifred im März 2021 in einer Villa intensiv an unseren inneren Blockaden und Traumata arbeitete, wurde in mir der Wunsch lebendig, jetzt mein erstes eigenes Buch zu schreiben. Das Gefühl war da noch, dass das auf einer kleinen Insel mit einem Berg auf den Azoren geschehen würde.

In Portugal führte ich das erste Interview mit Prof. Dr. Franz Ruppert über emotionale Manipulation und später auf Madeira ein zweites zum Thema Mutterliebe, als gerade Winni zu Besuch war. Nach meiner Rückkehr nach Deutschland lernte ich dann Bastian und Walter auf einer Vereinsveranstaltung persönlich kennen, mit denen ich bereits seit einiger Zeit ein Podcastinterview führen wollte. Über das Netzwerk der beiden war auch Leon verbunden, von dem ich bis dahin noch gar nicht viel wusste aber allein seine Energie fühlte sich stimmig für mich an. Flo wurde mir von meinem zweiten Podcastgast empfohlen, mit dem ich dann später auch ein Gespräch im Podcast führte, als ich im Sommer 2021 meine Wohnung in Deutschland auflöste.

Zu dieser Zeit lernte ich auch Markus kennen, der ein großer Podcastfan von mir ist und mich schließlich nach Kreta in seinen Wohnwagen einlud, in dem ich dann das Buchprojekt startete, nachdem wir uns persönlich kennenlernten. Er fragte mich dort, ob ich jemanden kennen würde, der seine Biografie schreiben könnte - und so entstand der Kick-Off für dieses Buchprojekt. Veronika war ebenfalls bei mir im Podcast zu Gast und ergänzte das Projekt, nachdem eine andere Autorin ausgestiegen war. Ihre Verbindung zu Kreta war genau die, die es brauchte, sodass alles genau richtig zusammenfließen konnte. Andrea stieß dann als letzte Autorin zum Projekt, sie hatte bereits einen Text zum Thema Angst in der Schublade liegen, der ganz kurzfristig einen Ausfall kompensierte und darauf zu warten schien, den Weg in dieses Buch zu finden. Lilian kannte ich als Partnerin von Stephan, mit dem ich im Dezember 2019 die Pilotfolge für den #jusEuckindoit-Podcast drehte und die auf ihrer Reise nach Peru beide später dort bei mir zu Gast waren.

Trauma & Autonomie

Zumal ich in der Zeit auf Kreta immer tiefer an meine eigenen Themen herankam und gerade selbst dabei war, den Weg in meine eigene Autonomie als digitaler Nomade zu finden, wuchs hier beides zusammen. Denn seit Beginn meiner eigenen Reise mit dem Rucksack tastete ich mich an die traumatische Wurzel meiner psychischen Probleme heran, die ich bis dahin noch gar nicht sah. Franz Ruppert spielte dabei mit seiner wertvollen Arbeit eine entscheidende Rolle, denn mit ihm löste ich Anfang 2021 im Zelt in Portugal mit einer Zahnbürste, einer Kaugummidose und meinem Reisepass den Anliegensatz „Ich fühle mich nicht genug gesehen“ auf, der sich auf den Urschmerz fehlender Mutterliebe zurückführen ließ. Damit tragen wir alle irgendeine Form von Trauma in uns, denn jede Form der Nichtpassung des eigenen Bedürfnisses mit dem jeweiligen Angebot zu dessen Befriedigung führt über die Zeit zu einem Bindungstrauma. Es entsteht in den frühesten Lebensjahren in der Beziehung mit den eigenen Eltern, insbesondere der eigenen Mutter als früheste Bindungsperson. Die Entwicklungspsychologie sowie Franz Rupperts Arbeit3 liefern hierzu den notwendigen Kontext.

Dabei tragen wir alle das Bedürfnis nach Nähe und Distanz genauso wie nach Dauer und Wechsel4 in uns. Das heißt, wir benötigen genauso die Liebe unserer Mutter oder der uns nächsten Bindungsperson wie die Autonomie und Freiheit, um unser Leben nach unseren eigenen Bedürfnissen zu gestalten. Dabei ist eine Verlässlichkeit des Bindungsangebotes genauso wichtig, wie der Umgang mit und das Bedürfnis nach Veränderung. Je ausgeglichener dieses Pendel also in diesem Nordstern schwingt, desto leichter fällt es uns zu leben, zu lieben und geliebt zu werden. Durch traumatische Erlebnisse, in denen diese Bedürfnisse in ihrer Tiefe erschüttert wurden, wird dieses Pendel jedoch in die eine oder andere Richtung aus dem Gleichgewicht gebracht. Deshalb tun sich manche Menschen besondersschwer damit, sich zu verändern/Veränderung auszuhalten oder im Kontakt/in Bindung zu bleiben, während damit das Nähe-Distanz-Verhältnis gestört ist. Trauma hat also eine entscheidende Auswirkung auf eine gesunde Autonomie.

Mission & Vision

Meine Mission ist es deshalb, Menschen wie dir Mut zu machen, deinen eigenen Weg zu gehen und zurück zu dir selbst zu finden. Dein Trauma zu identifizieren und zu überwinden, um endlich ein Leben in emotionaler Freiheit und gesunder Autonomie zu führen. Die Vision: innerhalb von zehn Jahren eine Million Menschen in mehr als zehn Sprachen Zugang zur Traumaheilung zu ermöglichen, um das dadurch verursachte Leid auf der Welt zu verringern.

Warum dieses Buch?

Ratgeber gibt es viele, geschrieben und diskutiert wird auch viel, aber Therapiemethoden und Coachings helfen erst dann, wenn du erst einmal an dem Punkt angelangt bist, dass du dein eigentliches Problem in der Tiefe auch erkannt hast. Doch wie ich aus meiner eigenen Geschichte weiß, kann das Jahre oder gar Jahrzehnte dauern. Wir haben aber nur dieses eine Leben, und wie ich seit meiner Arbeit mit Tina weiß, ist die eigentliche Frage: „Wie willst du‘s wirklich haben?“. Dieses tiefe „Gesehenwerden“ und damit die ur-eigentliche gesunde Bedürfnisbefriedigung sind wir aber seit unserer Geburt traumabedingt nicht mehr gewöhnt, da wir sie uns in jahrelanger nicht-traumasensibler Erziehung durch Eltern, Schule und Gesellschaft aberziehen haben lassen. Ich möchte deshalb mit diesem Buch einen Beitrag dazu leisten, dass sich das wieder ändert und wir zurück zu uns selbst und unserem höchsten Selbst finden.

Wer ich glaube zu sein

Ich glaube jemand zu sein, der in der Tiefe verstanden hat, worum es in diesem Leben eigentlich geht: wieder wir selbst zu sein, uns selbst zu spüren und mit uns in echtem Kontakt zu sein, es uns selbst recht zu machen und nicht mehr das Glück im Außen zu suchen, wo es schlicht nicht zu finden ist. Der Narzissmus in unserer Gesellschaft5 hat uns so weit von uns selbst entfernt und belohnt uns tagtäglich für den eigenen Selbstbetrug6, sodass ich es aufgrund meiner eigenen traumatisierten Kindheit als meine heutige gesellschaftliche Verantwortung betrachte, einen gemeinnützigen Beitrag dafür zu leisten, dass Menschen weniger leiden und wieder mehr lieben. Sich selbst und andere. Für eine liebevollere Welt mit mehr echter Nähe und tiefer Verbundenheit anstatt innerer und äußerer Spaltung durch Hass, Gewalt und Krieg. In meiner heutigen Identifikation als Coach, Mentor und Traumaheiler fühle ich mich dazu befähigt, in diese Rolle zu schlüpfen und bin intrinsisch motiviert, durch Bücher und Projekte wie dieses meinen Teil dazu beizutragen.

Gemeinnützige Initiative

Dieses Buch ist Teil einer gemeinnützigen Initiative, die sich zum Zweck der gesunden Autonomie-Entwicklung für emotionale Freiheit engagiert und sich künftig als Verein manifestieren will. Die Einnahmen des Buchverkaufes fließen direkt in einen Finanzierungstopf, mit dem weitere Projekte ermöglicht werden sollen, die Menschen auf der vorgenannten Mission unterstützen, zurück zu sich selbst und damit zu mehr Autonomie im Leben zu finden. Damit die Vision von einer Million gesund-autonomen Menschen auf der ganzen Welt Realität werden kann, benötigen wir also deine Unterstützung: wenn du uns helfen magst, dann erzähle deinen Freunden, Bekannten, Familie und Kollegen von diesem Buch und dem Projekt. Du kannst uns durch den Kauf und die Weiterempfehlung dieses Buches, aber auch durch deinen finanziellen Beitrag und deine tatkräftige Unterstützung in diesem Projekt dabei unterstützen, dieses Ziel zu erreichen und die Welt zu einem besseren Ort zu machen.

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„#jusEuckindoit LLC mein Beitrag für gesunde Autonomie“

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[email protected]

Mehr zur Initiative:

www.jusEuckindoit.de/gesunde-autonomie.

2www.jusEuckindoit.de/podcast

3 vgl. „Wer bin Ich in einer traumatisierten Gesellschaft“ (F. Ruppert, 2018)

4de.wikipedia.org/wiki/Riemann-Thomann-Modell

5 vgl. „Die narzisstische Gesellschaft“ (Hans-Joachim Maaz, 2013)

6 vgl. engl. Dokumentarfilm „The Wisdom Of Trauma“ (Dr. Gabor Maté): thewisdomoftrauma.com

Ja zum Leben

Ja zu allem, was mir widerfährt und nicht gefällt.

Ja zu den Prozessen, die ich durchlaufe

und mit dem Verstand nicht begreifen kann.

Ja zum Vertrauen in meinen Weg, das mir hilft,

den Urteilen anderer keinen Glauben zu schenken,

denn sie stimmen nicht mit dem überein, was ich fühle.

Ja zu den Zeiten, die so gar nicht

nach meinem Geschmack sind.

Manchmal vergehen sie schneller, manchmal langsamer,

als ich es gerne hätte.

Sie sind wie sie sind und so akzeptiere ich sie.

Ja zu den Orten, Beziehungen und Situationen,

die ich hinter mir lassen darf, um auylühen zu können.

Ja zu meinem Leben und zu allem,

was ich dieser Welt zu bieten habe.

Ja zu meiner Geschichte, meiner Familie,

meinen „Fehlern” und meinen „Erfolgen”.

Ja zu allem.

So wie es war, so wie es ist.

Über emotionale Manipulation und gesunde Autonomie meine innere & äußere Reise in die emotionale Freiheit

von Manuel Schönthaler

Hast du dich schon einmal gefragt, warum dein Leben trotz maximalem Energieaufwand nicht so leicht läuft, wie du es dir eigentlich wünschst? Ich habe mich das dreiundvierzig Jahre meines Lebens gefragt, und erst nach vielen schmerzlichen Erfahrungen gesunde Antworten gefunden. Welche das waren und wohin sie mich heute gebracht haben, das erzähle ich dir in meiner Geschichte vom mutigen Vorausgehen in stürmischen Zeiten.

U-Bahn oder Klinik

Mit diesen drei Worten teilte mir meine damals dreizehnjährige Tochter unter großer Anspannung mit, in welcher emotionalen Notlage sie sich gerade befand. Ich war schockiert! Nicht allein wegen der Aussage, sondern weil mir schlagartig von einem Moment auf den anderen klar wurde, was in meinem eigenen Leben bisher schief gelaufen war. Der Mensch, den ich am meisten in meinem Leben liebe, machte mir bewusst, dass ich ihn komplett übersehen hatte. Ich war so sehr mit mir selbst beschäftigt, hatte mich so sehr in den Aufbau einer idealen Welt verrannt, dass ich gar nicht mehr wahrnahm, worin die wirklich wichtigen Bedürfnisse meiner Liebsten und vor allem mir selbst eigentlich bestanden.

Ich wurde jung Vater, war damals gerade einmal zwanzig und schrieb mein Abitur, als Cora-Lee das Licht der Welt erblickte. Der schönste Moment meines Lebens, den ich niemals vergessen werde. Gleichzeitig war ich noch so sehr mit mir selbst beschäftigt, dass ich noch gar nicht wusste, wohin ich in meinem Leben eigentlich selbst wollte. Gleichzeitig fühlte es sich aber komplett richtig an, unserer Tochter das Leben zu schenken und sie nicht abtreiben zu lassen, was aufgrund der völlig unerwarteten Schwangerschaft im Rahmen der Familienberatung im Raum stand. Für mich kam das nicht in Frage, da wir wie ich fand eine so gute Beziehung führten, dass eine solide Basis für eine junge Familie vorhanden schien. Eine der wichtigsten intuitiven Entscheidungen meines Lebens, die ich im vollen Vertrauen traf. Denn auch wenn ich damals noch gar nicht wusste, wo ich selbst eigentlich einmal hinwollte, so spürte ich doch, dass es genau so sein soll, dass sie jetzt auf die Welt kommt.

Und nun war ich plötzlich in einer der größten Umbruchphasen meines eigenen Lebens damit konfrontiert, dass meine geliebte Tochter sich selbst verletzte und sich nun das Leben nehmen wollte. Ich hatte mich gerade erst von ihrer Mama getrennt und war selbst dabei, mein Leben neu aufzubauen, als uns ihr Hilferuf erreichte. Wir saßen zu diesem Zeitpunkt gerade in der Küche der bisherigen Ehewohnung, nachdem ich gerade erst aus Berlin zurückgekommen war, wo ich mir ein neues Leben aufbauen wollte. Doch das war gescheitert, denn ich wollte im Außen lösen, was ich nur im Innen lösen kann. Meine Tochter hielt mir dazu nun einen schmerzhaften Spiegel vor. Wir entdeckten die tiefen Schnitte auf ihrer Haut, und plötzlich fiel die ganze heile Welt in sich zusammen. Von jetzt auf gleich, ganz ohne Vorwarnung.

Ich kann mich lebendig erinnern, was das für ein intensiver Moment war: er fühlte sich an wie eine Mischung daraus, ihre Geburt zu erwarten und ihren Tod zu befürchten. Nur dass sie diesmal selbst am Hebel dieser unrevidierbaren Entscheidung saß und meine Einfühlsamkeit das einzige Mittel war, um sie in ihrer Wahl zu beeinflussen. Mir wurde schlagartig bewusst, was die Jahre zuvor alles falsch gelaufen war, was ich alles versäumt hatte und wo ich mir selbst etwas vormachte. Ich wollte meine eigene Depression einfach nicht wahrhaben, verdrängte sie, bis es sich nicht mehr weiter verdrängen ließ. Ich erkannte in der Suizidberatungsstelle7, in der wir ein Gespräch für den Umgang mit Cora-Lee führten, dass ich mich jetzt um mich selbst kümmern durfte. Denn nur so konnte ich endlich in der Form für sie da sein, wie sie es wirklich verdient hatte. Es ging nicht darum ihr Leben zu retten, sondern es überhaupt erst richtig möglich zu machen.

Diesen Moment werde ich niemals vergessen: als ich später mit ihr am Münchner Gärtnerplatz das alles entscheidende Gespräch führte, in dem es darum ging sie davon zu überzeugen, dass Klinik der bessere Weg ist als der Sprung vor die U-Bahn. Ich gestand ihr an diesem Nachmittag, dass ich ganz genau weiß, wie sich Selbstmordgedanken anfühlen. So nahe fühlte ich mich seit ihrer Geburt nicht mehr zu ihr. Es war unglaublich befreiend das endlich einmal laut auszusprechen, auch wenn es der Moment war, in dem es um ihr Schicksal ging. Es ging aber mindestens genauso sehr um mein Eigenes.

Meine perfekte Welt fällt zusammen

Über die Jahre seit Cora-Lees Geburt hatte ich die perfekte FamilienweltFassade aufgebaut: Ausbildung mit Note Eins und besonderer Auszeichnung abgeschlossen, Karriere im Vertrieb gemacht und mich erfolgreich die Karriereleiter hochgearbeitet, Spitzenverdienst erzielt und schicke Firmenwägen gefahren, riesige Altbauwohnung in der Münchner Innenstadt mit Blick auf die Isar gehabt. Meine Ex-Frau hatte ich knapp drei Jahre nach der Geburt unserer gemeinsamen Tochter geheiratet, was den Anstrich der makellosen jungen Familie nach außen hin rund machte. Beruflich hatte ich große namhafte Kunden, wurde in strategische Unternehmensentscheidungen einbezogen und mehr oder weniger in meiner Kompetenz respektiert. Ich kam, wann ich wollte, und ging, wann ich wollte naja, so interpretierte ich es damals zumindest. So entstand jedenfalls eine Komfortzone, in der ich mich bequem ausdehnen konnte, um das Geld nach Hause zu bringen, das das schicke Münchner Stadtleben ermöglichte. Dazu kam dann noch ein kleiner Rassehund, der unsere junge Familie im Herzen verband. Vermutlich bekam er bereits mit, wo es bei uns hakte, da Tiere instinktiv auf solche Energien reagieren und wie Kinder die eigenen Ängste und Konflikte spiegeln.

Denn was dabei nicht nach außen drang, war meine innere Zerrissenheit. Das Damoklesschwert, das immer über mir hing, wenn ich mir meine Bettdecke über den Kopf zog und nicht mehr weiterwusste. So lag ich dann einen Tag oder zwei im Bett, darauf wartend, dass irgendjemand kam und mir meine unausgedrückten Bedürfnisse von den Lippen ablas. Doch stattdessen erlebte ich das Gegenteil und verlor mich immer weiter in dieser selbstgemachten Abwärtsspirale der tiefen Dunkelheit. Wir seien Meister darin, so zu tun, als ob alles in Ordnung sei und wir gar keine Probleme hätten. Das sagte uns der behandelnde Psychotherapeut in der Klinik, als wir dort nach der Einlieferung unserer Tochter in der geschlossenen Unterbringung über den weiteren Therapieverlauf sprachen. Das machte mich damals ziemlich perplex, da er damit einen offensichtlichen Selbstbetrug aufdeckte.

Schlagartig wurde mir bewusst, was in meiner Familie alles unter den Teppich gekehrt wurde und welche Rolle auch meine eigenen Eltern dabei spielten. Das wahre Ausmaß sollte mir aber erst in den folgenden Jahren bewusst werden. Doch bereits an dieser Stelle meiner Geschichte machte mir der Therapeut das Angebot, einmal ein Gespräch mit mir und meinem Vater zu führen. Er erkannte offensichtlich Zusammenhänge, die mir erst heute wirklich in der Tiefe bewusst sind. Wahrgenommen habe ich dieses Angebot jedoch bedauerlicherweise nie…

Auch wenn meine Ex-Frau und ich damals gerade selbst nach fünfzehn gemeinsamen Jahren unseres Lebens in der Trennung steckten, zogen wir jetzt doch gemeinsam an einem Strang. Das kam der Genesung von Cora-Lee glücklicherweise sehr zugute und brachte auch uns beide bis heute auf eine wertschätzende Ebene, auf der wir respekt- und würdevoll miteinander umgehen. Doch meine kleine perfekte Welt brach in diesem ganzen Chaos auf einmal zusammen. Nämlich genau dann, als ich selbst gerade alles aufgegeben hatte: meinen langjährigen sicheren Job, meine schicke Münch’ner Ehewohnung, meine Rockband, meine langjährige Ehe, damit meine kleine Familie und irgendwie auch meine Tochter. Ich stand vor dem Nichts: kein Job mehr, keine Wohnung, kein Hobby, keine intakte Familie mehr. Kompletter Neustart.

Nach der Rückkehr von einer gescheiterten Beziehung in Berlin, die ich gerade einmal zwei Monate physisch auf engstem Zwei-Raum ausgehalten hatte, zog ich kurzerhand in das freigewordene WG-Zimmer meines langjährigen Freundes aus Teenagerzeiten. Wir hatten bestimmt zehn Jahre lang kaum Kontakt und ich hatte das Zimmer und die Wohnung zuvor noch nie gesehen. Doch als feststand, dass ich dort einziehen konnte, sagte ich aus dem Bauch heraus zu. Mein gesamtes verbleibendes Leben passte zu diesem Zeitpunkt in einen kleinen Transporter. Ich war dankbar für die einzigartige Gelegenheit, die mir in dieser Phase meines Lebens irgendwie den Arsch rettete.

Die größte Verantwortung meines Lebens

Während also meine Tochter in der Klinik ihr Leben gerade neu sortierte und ich meinen Lebensmittelpunkt restrukturierte, begann die Suche nach einem Therapeuten für meine eigene Psychotherapie. In dieser Phase war ich selbst oft auf Achterbahnfahrt, hatte immer wieder Tiefs gefolgt von Hochs. An manchen Tagen fühlte ich mich kraft- und machtlos, sah keine Perspektive und Zukunft. An anderen Tagen schöpfte ich frischen Mut und Lust meine Zukunft neu zu gestalten. Es ist bis heute selbst für mich unglaublich, dass ich genau in dieser Zeit den bis dato höchst bezahlten Job mit der größten Verantwortung meines bisherigen Lebens angenommen hatte. Denn als ich für das Bewerbungsgespräch nach Frankfurt am Main flog, um dort den englischsprachigen Boss zu treffen, war ich mir selbst nicht einmal sicher, ob ich überhaupt irgendeine Chance darauf hätte. Ich war in einem ganz schlechten Kontakt mit mir selbst, spürte mich nicht gut und konnte demzufolge auch nicht beurteilen, wie ich nach außen wirkte. Nach dem Gespräch dachte ich: „Das war‘s, die nehmen mich nicht“. Doch überraschenderweise bekam ich einen Anruf mit einer Zusage.

Ich wurde also Sales Director Germany für ein renommiertes US-Unternehmen und war in kompletter Eigenverantwortung für den Aufbau des deutschen Marktes zuständig. Mein Einstiegsgehalt lag bei hundertzwanzigtausend Euro, später sollte ich sogar bis zu hundertsechzigtausend Euro verdienen. Ich lernte das Who’s who der deutschen IT-Sicherheitsbranche kennen, verhandelte Rahmenverträge mit den CIOs der deutschen Wirtschaft und stürzte mit hochrangigen Vertretern der Hackerszene in Rockkneipen in Amsterdam, Berlin, London oder Prag ab. Zweimal im Jahr flog ich geschäftlich in die USA, um dort in Orlando oder Washington an Konferenzen mit rund eintausend Securityvertretern internationaler Konzerne und Behörden teilzunehmen. Ich werde es nie vergessen, wie ich das erste Mal im Disney-Hotel in einem Konferenzraum mit circa zwanzig Amerikanern unterschiedlicher Dialekte an einem riesigen Eichentisch saß, um die Umsatz- und Wachstumszahlen des vergangenen und kommenden Jahres zu besprechen. Ich fühlte mich dort zwar wie ein Auszubildender, doch ich war jetzt hier als Director.

So lernte ich also mit den Firmenbossen in Fünf-Sterne-Hotels und erstklassigen Steakrestaurants das „Leben der anderen“ kennen, das mir bis dato völlig fremd war. Irgendwie fühlte ich mich dort wie ein Alien, doch mein Titel und Arbeitsvertrag bezeugten schwarz auf weiß, dass ich jetzt eine tragende Rolle beim Aufbau eines internationalen Unternehmens innehatte. Ich konnte es noch nicht so richtig glauben, denn meine innere Stimme erzählte mir etwas anderes. Als ich bei der ersten US-Konferenz mit den beiden anderen neuen Kollegen aus Großbritannien und dem mittleren Osten an einem Stehtisch in der Lobby stand, spekulierte unser Boss noch spaßhaft darüber, wer von uns dreien wohl als erster aussteigen würde. Nach außen hätte ich es zu diesem Zeitpunkt wohl nie zugegeben, doch innerlich spürte ich bereits jetzt ganz klar, dass ich das sein werde. Denn ich fühlte mich wie ein Fremdkörper im System, wie ein Spion im Feindesland, der nur mal kurz zu Besuch dort war, um zu schauen, wie es denn da so ist.

Und ich sollte recht behalten, denn nach knapp zweieinhalb Jahren erfolgreichen Geschäftsaufbaus und in die Höhe schießender Umsatzzahlen, aber weiterer innerer Entfernung aus einem narzisstischen System, das mir sowohl hier als auch in meiner Familie begegnete, sollte ich dort abgelöst werden. Auch wenn der Erfolg und das Wachstum eindeutig für mich und meine Leistung sprachen, so wurde ich doch zunehmend unbequem für die geld- und machtgierigen Firmenbosse. Die entschieden nämlich, trotz vertraglicher Vereinbarungen, mich am langen Arm verhungern zu lassen und einfach nicht zu bezahlen. Es fühlte sich an wie David gegen Goliath. Achtzigtausend Euro allein an Provisionen für Millionendeals mit namhaften deutschen und internationalen Großkonzernen standen offen. Doch die Bosse entschieden mich einfach zu kündigen, obwohl es jeglicher Rechtsgrundlage entbehrte und vor keinem deutschen Arbeitsgericht Bestand gehabt hätte. Doch die Vertragssituation war komplex und meine damalige Anwältin, die selbst gerade in einen Burnout steuerte, vertrat mich mehr schlecht als recht und verspielte unsere guten Chancen. Es fiel mir damals schwer, darin das Geschenk zu entdecken, doch heute kenne ich es und bin unglaublich dankbar dafür. Denn ich war an goldene Ketten gelegt, die ich selbst niemals hätte sprengen wollen.

Kein Anschluss unter dieser Nummer

Nach einer längeren Auszeit von rund einem Jahr, in der ich mir mit meinem damaligen Sportwagen eine gute Zeit auf deutschen Rennstrecken machte, sollte ich dann wieder Fuß in einem Unternehmen fassen. Lange suchte ich wieder nach einer Anstellung, in der ich ähnlich viel Verantwortung tragen, etwas aufbauen und annähernd so viel Geld verdienen konnte. Doch vergeblich, das Universum oder wer auch immer uns lenkt, hatte etwas anderes für mich vorgesehen. Denn mein selbstgewähltes Arbeitsamt-Sabbatical lief aus und ich musste dringend einen neuen Job annehmen, doch mein Ego wollte sich unbedingt genauso groß und bedeutend fühlen wie zuvor. Doch das gelang mir nicht, denn alle zur Verfügung stehenden Angebote waren irgendwie nicht das, was ich suchte. Nur ein einziger anderer US-Arbeitgeber, bei dem ich mich proaktiv über eine Branchenempfehlung bewarb, kam annähernd an die vorherige Stelle heran. Doch die Hürde dort war eine völlig andere und ich musste gegen meine inneren Dämonen kämpfen, die mich selbst sabotierten und schlecht vorbereitet in ein wichtiges Bewerbungsgespräch in London laufen ließen. Aus psychotherapeutischer Sicht handelt es sich bei diesen inneren Dämonen um emotionale Schutzprogramme aus unserer Kindheit, doch in der Wirkung auf mein Erwachsenenleben ist es nunmal das, was ich dabei erlebe. Denn egal, was ich versucht hatte im Außen zu lösen, es fiel immer wieder auf mich zurück, bis ich es auch im Innen erkannte.

Irgendwie war ich aber innerlich noch nicht bereit dafür, deshalb strengte ich mich im Außen so gut es mir eben möglich war an, meinen selbst gesetzten Ansprüchen gerecht zu werden. „Sicheres Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit“ war so ein Glaubenssatz aus meiner Vertriebszeit, den ich hier unter Beweis stellen wollte. Doch so ganz gelang mir das nicht, denn die Erwartungen und Ansprüche dieses potenziellen Arbeitgebers waren höher als meine damalige Schauspielerei es hergab. Und so entstand eine schier unüberwindbare Schlucht zwischen meinem inneren Anspruch und den selbst gesetzten äußeren Möglichkeiten. Ich durfte dabei schlicht erkennen, dass ich nach etwas suchte, das es so gerade eben nicht für mich gab. Und so bekam ich zwar eine zweite Chance für einen weiteren Vorstellungstermin, da der Arbeitgeber irgendwie meine wahre Größe spürte, jedoch sabotierte mein verletztes Ego auch diese Gelegenheit mit der eigenen Absage meinerseits. „Ich wäre dort ja nur ein einfacher Key-Account-Manager ohne regionale Verantwortung“, sagte mir mein verletztes Inneres. Ich stolperte also über meine eigenen Ansprüche und das, was ich tatsächlich dafür zu leisten bereit war.

Ich durfte jetzt die Erfahrung machen, innerhalb eines Jahres drei „Zweite-Wahl-Jobs” bei drei verschiedenen Arbeitgebern anzunehmen. Also erstellte ich mir zum ersten Mal in meinem Leben eine Vergleichstabelle mit unterschiedlichen Kategorien, in denen ich die Arbeitgeberangebote miteinander verglich, was mein Verstand zunächst für eine gute Idee hielt doch diese Rechnung machte ich dabei ohne meine Intuition. Dabei ergab sich ein Ranking, das sich für mich überhaupt nicht stimmig anfühlte. Doch ich blieb dabei und wollte daran glauben, dass ich so die beste Entscheidung treffen würde. Natürlich war das totaler Selbstbetrug. Kurz gesagt machte ich jetzt also alle drei Arbeitgeber der Reihe nach durch: zuerst probierte ich die Konzernstelle mit der Erkenntnis, die ich bereits vor meiner Bewerbung hatte. Nämlich die, dass ich nicht gut in einem Konzern funktioniere. Mein Chef liebte mich zwar und ich ihn auf gewisse Weise auch, doch wir beide merkten, dass es unter diesen Rahmenbedingungen mit uns beiden so einfach nicht klappt. Also schied ich in der Probezeit freiwillig aus und heuerte bei dem zweiten Arbeitgeber an, der nach diesem halben Jahr immer noch jemanden suchte. Schon das hätte mir zu denken geben sollen. Dort bemerkte ich dann bereits im Vorstellungsgespräch, dass hier etwas nicht stimmt ich spürte starke Inkongruenzen zwischen dem, was gesagt wurde, und dem, wie sich die Chefs dazu verhielten.

Doch ich glaubte weiter an meine Liste und unterschrieb den Arbeitsvertrag. Es wurde die kürzeste und qualvollste Stelle meines Lebens, aus der ich nach nicht einmal zwei Monaten wieder ausschied. Erneut mit Rechtsstreit und Psychospielchen. Nun brauchte ich dringend einen anderen Job und fragte bei einem befreundeten Ex-Kollegen an. Der war inzwischen Geschäftsführer einer deutschen Niederlassung, für dessen Mutterfirma ich bereits in meinem ersten langjährigen Vertriebsjob tätig war. Die Stelle wurde extra für mich kreiert und passte in das Konzept des Vertriebsaufbaus, doch spürte ich zu dieser Zeit bereits zwei Dinge: zum einen, dass ich unbedingt etwas Eigenes machen wollte, und zum anderen, dass die Energie dort einfach nicht passte. Mein Bauchgefühl sagte klar „Nein!“, doch ich entschied mich aus dem Kopf heraus gegen alle inneren Signale und fing aus meiner Not heraus dort an zu arbeiten. Es fühlte sich bereits bei der Zusage falsch an, mein Magen krampfte. Die einzig treibende Motivation, die ich dort für mich hatte: ich sollte mit einem attraktiven Zuschlag für einen selbst geleasten Firmenwagen unterstützt werden. Diesen rundete ich aufgrund des großzügigen Festgehalts selbstgefällig von einem Außendienstler-Diesel zu einem auf vierhundert PS getunten Allrad-Sportwagen auf.

Meinen vorherigen amerikanischen Sportwagen hatte ich bereits mit einem Oldtimer getauscht, als ich wieder einen Firmenwagen fuhr. Der Oldtimer stand für mich für Freiheit und Lebensfreude. Doch nur auf der Rennstrecke spürte ich mich zu dieser Zeit richtig, und das fehlte mir jetzt enorm. Das Adrenalin fehlte mir, die Aufregung, die Spannung in meinem Leben. Es war alles so eintönig geworden. Mein neuer Arbeitgeber war ein Verwalter und Perfektionist, und ich das mutige Rennpferd, das nicht aus seiner Box gelassen wurde, solange noch nicht alles perfekt war. Dieser Moment kam jedoch leider nie, weshalb ich mich nach nur ein paar weiteren anstrengenden Monaten endgültig aus diesem Nine-to-five-Hamsterrad befreite. Die Niederlassung wurde kurze Zeit danach wieder geschlossen, und ich machte jetzt endlich Nägel mit Köpfen. Ich begann eine Weiterbildung zum Businesscoach und Trainer, mit dem bis dato einzig denkbaren Ziel Vertriebstrainer zu werden. Denn das war das, was ich gerade denken konnte.

The Nine-to-five Game is Over

Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehen konnte, war, wie sehr sich mein Leben ab jetzt erst noch verändern würde. Denn was mit dem Einstieg in diese Weiterbildung alles angestoßen werden sollte, hätte an dieser Stelle wohl jegliche Vorstellungskraft gesprengt. Hättest du mir gesagt, dass ich rund drei Jahre später eine international tätige US-Firma gegründet haben würde, aus Deutschland ausgewandert wäre und ortsunabhängig als digitaler Nomade an den schönsten Orten dieser Welt leben und gerade mein erstes Buch schreiben würde, hätte ich dich wohl für verrückt erklärt. Doch genau so sollte es kommen, denn just in diesem Moment ist es genau das Setting, unter dem ich diese Zeilen hier schreibe. Aber zurück zum Anfang.

Nach den letzten drei gescheiterten Joberfahrungen latschte ich also mal wieder ins Arbeitsamt, um die letzten mir zustehenden sechs Monate Unterstützung zu holen und es dann endlich irgendwie zu schaffen. Die Beraterin dort erkannte zum Glück meine Situation und war sehr bemüht, mich adäquat zu unterstützen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits eine für mich geeignete Weiterbildung im Blended-learning-System herausgesucht, die aber dort nicht förderfähig war. Jedoch war klar, dass man mich dabei unterstützen wollte, die offensichtlichen Lücken zwischen meiner Grundausbildung zum Fachinformatiker und meiner tatsächlichen Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter zu schließen. Man legte mir dort eine einjährige Vollzeitweiterbildung nahe, die ganz neu entworfen wurde, und genau diese Hybridrolle abbilden sollte. Das klang hochinteressant, doch irgendetwas in mir konnte sich damit nicht so richtig identifizieren. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass es eher etwas war, was das Amt als Prestigeprojekt forcierte, als dass es mir das brachte, was ich wirklich brauchte. Also ging ich selbst auf die Suche und wurde im Verzeichnis der Agentur fündig.

Ich fand dort diese dreieinhalbmonatige Vollzeitweiterbildung zum Businesscoach und Trainer, die mich sehr ansprach. Sie wurde als Präsenzveranstaltung direkt im Münch’ner Zentrum und in Laufreichweite von meiner damaligen Wohnung im Westend angeboten. Ich bekam kurzfristig meinen Bildungsgutschein vom Arbeitsamt und ergatterte den letzten freien Platz im gerade beginnenden Kursdurchlauf zum November. Es fühlte sich alles absolut stimmig an. Endlich einmal wieder, nach den ganzen Misserfolgen der letzten Monate und Jahre. Voller Zuversicht begab ich mich also die nächsten Wochen hochmotiviert jeden Tag in die Räumlichkeiten des Institutes, um mich dort zum Trainer ausbilden zu lassen. Zumindest dachte ich mir das so. Was dabei tatsächlich passierte, war jedoch etwas ganz anderes. Meine Persönlichkeit begann sich zu entwickeln, und das rasant. Denn was ich dort über Kommunikation und Körpersprache sowie Psychologie und Persönlichkeitsmodelle lernte, hatte einen außerordentlichen Einfluss auf meine Wahrnehmung. Es lieferte mir unerwartete Erklärungsansätze für das, wonach ich bereits seit Jahren vergeblich suchte: meine Identität.

Ich lernte das Konzept der Hochsensibilität kennen und war plötzlich der Meinung, ich hätte den Heiligen Gral gefunden. Denn ein sensibler Mann, der mit mir in der Gruppe war und mit dem ich eine besonders intensive Verbindung hatte, brachte mir das Thema näher. Wir verstanden uns quasi blind. Er war wie ich eher ein sehr weicher Mann, zwar groß und stämmig, aber innerlich sehr warmherzig, einfühlsam und emotional offen. Wenn wir beide Blickkontakt miteinander aufnahmen, wusste der eine mehr oder weniger, was der andere dachte. So konnte nur ein kurzer Blickwechsel bereits mehr sagen als tausend Worte. Doch genauso gut wie wir uns non-verbal verstanden, genau so schnell grenzte sich einer vom anderen auch wieder ab. Das konnte schon auch einmal verletzend oder schroff wirken und die ohnehin nicht gute Laune des Einen auch die Stimmung des Anderen beeinflussen. Es war glaube ich für uns beide eine völlig neue Erfahrung, an die wir uns erst gewöhnen mussten.

In diesen dreieinhalb Monaten lernte ich meine scharfe Wahrnehmungsgabe also selbst intensiv kennen. Dabei durfte ich erstmals auch die großartige Erfahrung sammeln, dass ich für genau diese Gabe wertgeschätzt wurde. Damit hatte ich plötzlich eine Führungsrolle in der Gruppe inne und wurde in dieser als Mediator und Vertrauensperson gewürdigt. Das brachte auch große Verantwortung mit sich, denn nicht jeder in der Gruppe kam damit gleich gut zurecht. Es gab Teilnehmer, bei denen starke Spannungen spürbar waren, die mich aber aus heutiger Sicht zu dem vermutlich größten Wachstum bewegt haben. Ich versuchte also meine Kommunikationsfähigkeiten sinnvoll einzusetzen, doch das wurde nicht von jedem gleichermaßen gewünscht und brachte auch mich an völlig neuartige Grenzen meiner persönlichen Verantwortung und Führungsqualität.

Am stärksten kann ich mich daran erinnern, wie mir meine damalige Lieblingsdozentin Sandra, die mich in die Transaktionsanalyse8 einführte, sagte: „Ich wünsche dir, dass du dich gut um deine Psychohygiene kümmerst und einen Mentor findest, der dich begleitet.” Damals wusste ich noch nicht genau, was das bedeuten sollte, aber ich spürte, dass es wie ein Ritterschlag war und etwas ganz besonderes bedeuten sollte. Sie spürte offensichtlich mein großes Potenzial und verhalf mir auf ihre Weise dazu, weiter in meine wahre Größe zu finden. Das passte dann auch zur Coachingübung9, in der wir uns auf einer auf dem Boden aufgelegten Skala aufstellen sollten. Dort sollten wir uns so positionieren, wie sicher wir uns waren, dass wir uns nach der Weiterbildung selbstständig machen wollten. Ich war der Einzige, der sich zielstrebig auf die zehn stellte. Und genau so sollte es später auch kommen…

Der Weg des Herzens

Ich schloss also den Kurs mit Bravour ab. Dabei sollte der Abschlussworkshop zum Thema Kommunikation, in dem ich über die fünf Axiome von Paul Watzlawick10 referierte, noch einmal eine Hürde in puncto sozialem Zusammenhalt darstellen. Mein Unterbewusstsein entschied sich nämlich für das Thema einer von zwei Gruppen, in der genau die Menschen waren, mit denen ich während der Kurslaufzeit am allerwenigsten Kontakt hatte und dafür am allermeisten Triggerpotenzial bestand. Das führte zu zahlreichen Herausforderungen bei der Gestaltung unseres Abschlussworkshops, den wir nur gemeinsam als Team erfolgreich meistern konnten. So durfte ich also nicht nur meine Fachkenntnisse unter Beweis stellen, sondern war auch in meiner menschlichen Kompetenz gefragt, um der Gruppe als Mediator und Motivator zum Erfolg zu verhelfen. Als ich nach dem mündlichen Abschlusscoaching dann mein Zeugnis mit Stolz in Händen hielt, war das wie eine Legitimation für meinen Weg in die Freiheit. Doch de facto war ich zu dem Zeitpunkt alles andere als frei, da ich von den Zahlungen des Arbeitsamtes sowie den Kompensationszahlungen meines Ex-Arbeitgebers aus der Wettbewerbsklausel abhängig war, um meinen alten Lebensstandard zu halten.

Zeitgleich lebte ich in einer Scheinwelt-Beziehung, die ich nur führte, weil ich nicht allein sein konnte und tief in mir der Wunsch nach Partnerschaft und Bindung als vermeintliche Lösung meiner tieferen Probleme verankert war. Ich wollte mich verschmelzen, doch hatte damit zu kämpfen, in keinen wirklich tiefen Kontakt mit meiner damaligen Partnerin zu kommen. Wie ich heute weiß, hatten wir beide offensichtlich dieselben bindungstraumatischen Themen aus einem dysfunktionalen Familiensystem im emotionalen Rucksack. Doch davon wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nichts und machte gerade erst die allerersten Ausflüge in tiefere Verstrickungen meiner Ahnen und Vorfahren. Ich lernte dabei Familienaufstellung kennen und erfuhr am eigenen Körper, welche Macht und Wirkung Energiearbeit haben kann. Dabei löste sich in mir plötzlich etwas wie eine Lawine und ich konnte auf einmal spüren, dass ich mich aus dieser Partnerschaft lösen darf, um mich weiterzuentwickeln. Ich erkannte meinen Selbstbetrug und die heile Welt, die ich mir dort erneut vorspielte. Und kam in Kontakt mit meinen nicht integrierten inneren Anteilen, die mir meine wahren Bedürfnisse vor Augen führten. Ich wollte in emotionaler Freiheit leben, und dazu durfte ich eine gesunde Autonomie entwickeln. Diese Begriffe kann ich allerdings erst heute so benennen, aber sie treffen es genau auf den Punkt.

Auf der Suche nach neuer Inspiration war ich jetzt regelmäßiger Kunde im Buchhandel, wo ich mich mit allerlei Fachlektüre zu den erlernten Themen aus den Bereichen Psychologie, Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung eindeckte. Dabei fand mich eines Tages beim Stöbern das Buch von OSHO „Mut lebe wild und gefährlich”, das ich an nur zwei Abenden in der Badewanne geradezu aufsog. Es sprach mir direkt aus der Seele und lieferte mir zu diesem Zeitpunkt lange gesuchte Antworten, auf die ich so dringend zu warten schien. „Der Weg des Herzens ist der Weg des Mutes” ist mir aus diesem Transkript seiner Reden als zentrales Zitat hängen geblieben. Und mir war plötzlich schlagartig bewusst, dass ich nach Nepal ins Kloster musste, um zu mir selbst zu finden! Ich konnte die Puzzleteile im Außen förmlich zusammensetzen und es gab keinen Zweifel darüber, was jetzt für mich auf der Agenda stand. Derweil hatte ich mich mit dem Land, der Kultur oder dem Buddhismus bis dato noch nie beschäftigt. Doch ein Teil in mir spürte, dass ich dort das finden würde, wonach ich bereits so lange suchte: innere Freiheit.

Obwohl ich mich also gerade in den letzten verbleibenden Monaten meines finanziellen Sicherheitsnetzes bewegte und keinen großen Spielraum für gewagte Experimente mehr hatte, buchte ich kurzerhand eine Komplettreise in den Himalaya. Alleine. Denn mit meiner damaligen Partnerin war ich gerade in einer zähen Trennungsphase und ich hatte das dringende Bedürfnis, mich wieder autonom in meinem Leben zu bewegen. Oder erstmals? Ich realisierte nämlich, dass ich bis dato noch nie wirklich alleine in einem fernen Land auf eine Reise gegangen war, sondern bisher immer nur mit meiner eigenen Familie im Urlaub war. So vergingen also keine zwei Wochen von der Entscheidung bis zum Flug: ich startete zu meinem Geburtstag ein Crowd-Funding für meine Reisekasse, buchte das Reiseangebot für den Klosteraufenthalt, die Stadtführungen, das Trekking im Himalaya und die Übernachtungen samt Flügen für ein paar tausend Euro und holte mir an meinem Geburtstag übrigens passend zum ursprünglich geplanten Buchrelease am 21. März das Visum beim nepalesischen Generalkonsul in München. Vier Tage später saß ich nach ein paar kurzfristigen Impfungen für Tollwut und Hepatitis, die im Nachhinein gesehen völlig überflüssig waren, im Flieger. Ganz alleine mit einem großen Rucksack und ganz viel Mut im Gepäck.

Erst als ich in Qatar umstieg und sich die ethnische Zusammensetzung der Fluggäste und deren kulturelles Erscheinungsbild deutlich veränderte, wurde mir mitten in der Nacht am Abflugtermin nach Kathmandu klar, wofür ich mich hier gerade entschieden hatte. Es fühlte sich an wie der Trip meines Lebens, der mich in die innere Freiheit führen sollte. Als wir schließlich über das Annapurnagebirge einflogen und nach ewigen Warteschleifen und organisatorischem Chaos am Ankunftsflughafen landeten, realisierte ich endgültig die Tragweite meiner intuitiven Entscheidung. Ich war in einem Dritte-Welt-Land angekommen, das von Armut, Schmutz und Religionen geprägt war, die mir bis dato völlig fremd waren. Sie sprengten förmlich meine bisherige Vorstellungskraft und führten mich auch an den Rand meiner Komfortzone. Kühe mitten auf der Straße. Schotterpisten und riesige Schlaglöcher mitten in der Stadt. Autos, die in Deutschland kaum eine Zulassung bekämen und LKWs, die in ihrem überladenen Zustand kaum ein paar Meter weit ohne Polizeikontrolle fahren könnten. Hier alles völlig normal. Ich kam in meiner Unterkunft an, lernte dort kurz einige Reisegruppenteilnehmer kennen und folgte meiner ersten Tat im fremden Land: Haare ab.

Denn ich hatte beschlossen, mich für meinen Klosteraufenthalt auch äußerlich anzupassen und mir einen neuen Wohlfühllook zu verpassen. Ich trug jetzt Glatze und ließ meinen Bart wachsen, ganz wie die Mönche im Kloster, die ich nur wenige Tage später kennenlernen würde. Jetzt erst einmal schlafen, Eindrücke verarbeiten und mich bereit machen für die bevorstehenden Erfahrungen. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, den Vorhang aufzog und auf das gegenüberliegende Kloster blickte, setze urplötzlich genau jenes Gefühl ein, welches ich mir für diese Reise so sehr ersehnt hatte. Ich fühlte mich innerlich frei, und das trotz Ankunft alleine mit nur elementarem Gepäck in der großen Ferne. Es war unglaublich.

Try and Error

Nach dieser hochtransformativen Reiseerfahrung, über die ich wahrscheinlich schon allein ein ganzes Buch schreiben könnte, kam ich also wie neu geboren in meine alte Welt in München zurück. Meine Freunde erkannten mich teilweise nicht wieder, da ich mit einer inneren Ruhe und Zufriedenheit wiederkam, die ich so selbst nicht vorhersehen hätte können. Doch es begann auch schwer und anstrengend zu werden. Zwar war meine Ex-Partnerin inzwischen aus unserer gemeinsamen Wohnung ausgezogen, doch lebte ich weiterhin in einer Umgebung, die mir sämtliche alten Mangelthemen spiegelte. Laute Nachbarschaft mitten in der Stadt, hellhörige Wohnung, Erwartungsdruck aus dem Freundes- und Bekanntenkreis, Menschen, die nicht an meine Visionen glaubten und mir einreden wollten, ich wäre einem indischen Guru verfallen und würde jetzt völlig abdrehen. Doch das, was ich auf dieser Reise in mir gefunden hatte, konnte mir keiner mehr nehmen: emotionale Freiheit. Ein tiefes Gefühl von innerer Ruhe und Zufriedenheit, Dankbarkeit, Liebe und Verbundenheit für mich und mit mir selbst. Das, was ich dort in der Stille des Klosters und der Anmut der Achttausender des Annapurnagebirges erlebt hatte, hinterließ einen so bleibenden Eindruck, den ich niemals mehr vergessen werde.

Doch jetzt war ich wieder in meiner alten Realität angelangt und musste mich den Fragen jener alten westlichen Wohlstandsgesellschaft stellen: wie kann ich die Miete weiter bezahlen? Womit soll ich künftig Geld verdienen? Wie genau soll mein Coaching- und Training-Business eigentlich aussehen? Wo soll ich Kunden gewinnen? Und überhaupt, wie geht das überhaupt, sich selbständig zu machen und ein eigenes Business aufzubauen? Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der meine Mutter für den Lebensunterhalt in ihrem Angestelltenjob das Geld nach Hause brachte, das mein Vater durch seine erfolglose Selbstständigkeit in Form von Schulden wieder dem Gerichtsvollzieher übergab. Ein eigenes Unternehmen aufzubauen, als Mann die Familie aus der Selbstständigkeit heraus zu ernähren und dabei statt selbst hilfsbedürftig zu sein ein Leben in Fülle zu führen, das war mir bis dato völlig fremd. Zwar gelang es mir, wie bereits weiter oben geschildert, im narzisstischen Hamsterrad mit viel Anstrengung und großer Anpassung den Lohn für die Unterordnung zu verdienen. Doch wie es geht, aus intrinsischer Motivation ein Gewerbe aus voller Überzeugung aufzubauen, für das ich nachhaltig brenne und mich nicht permanent verstellen muss, dafür fehlte mir der Bauplan und die Erfahrung. Also probierte ich es einfach aus.

Ohne jeglichen Plan gründete ich also mein damaliges Unternehmen unter dem Markennamen „Highly Sensitive Life“, auf den ich wahnsinnig stolz war. Ich hatte weder einen Businessplan noch wirklich eine Idee, wie ich das alles aufziehen sollte. Doch fühlte ich mich zuversichtlich, dass es mit etwas Unterstützung von einem Businesscoach und einer ordentlichen Webseite schon irgendwie funktionieren würde. Kurz gesagt: das war der erste Selbstbetrug auf diesem Streckenabschnitt. Denn was ich völlig übersehen hatte, war die Notwendigkeit, zuerst meinen emotionalen Rucksack weiter zu leeren und dann mit Menschen zu arbeiten, die bereits das tun, was ich gerne täte. Ich erinnerte mich an die Aussage meiner damaligen Dozentin in Bezug auf den Mentor. Doch den hatte ich gerade nicht. Wo sollte der denn zu finden sein? Woran erkenne ich ihn? Und was genau soll der mir beibringen?

Also blieb ich bei meinen alten Leisten der IT, bastelte an meiner Webseite herum, die übrigens bis heute drei Jahre später noch nicht ganz fertig ist, und stellte fest: so wird das nix. Ein paar Familienaufstellungen, Selbsterfahrungen, Coachings und Therapiesitzungen später weiß ich, dass die innere Arbeit die wichtigsten Elemente meiner Entwicklung bis heute waren. Gleichzeitig fehlte aber der rote Faden, die Orientierung, das Businesskonzept und die Erfahrung von jemandem, der schon genauso lebt und arbeitet, wie ich es gerne möchte. Also habe ich es einfach selbst probiert. Ich tat mich mit einer geschätzten Kollegin aus meiner Coachingweiterbildung zusammen, veranstaltete erste gemeinsame Formate den ersten Workshop machten wir mangels Anmeldungen mit ihrem Freund - und startete jede Menge Projekte, die mich beschäftigt hielten. Aber sie alle hatten eines gemeinsam: sie brachten mir kein Geld. Was ich dabei lernte, war von unschätzbarem didaktischem Wert und auch Erfahrungswert, doch aus Businessperspektive hätte jeder Berater mir dazu geraten, das Handtuch zu werfen und wieder in meine Anstellung zurückzugehen. Denn ich lebte inzwischen von meinem verkauften Sportwagen, dessen Raten ich weiter an die Bank zurückzahlte und von dessen Geld ich nun mein Leben finanzierte. Ich blieb zuversichtlich. Oder war ich naiv?

Plötzlich schien sich mit dem ersten „Take A Look At Yourself”-Workshop in einer wundervollen Hütte im Wald alles zu verändern. Anfang Januar 2020 feierten wir unseren ersten Visions-Wochenend-Workshop mit sieben Teilnehmern aus unserem gemeinsamen Netzwerk in dieser hochenergetischen Location. Dort arbeiteten wir an unseren Zukunftsvisionen und verbrachten zusammen ein wundervoll erdendes und tief verbindendes Wochenende südlich von München, wo uns das wundervolle „Projekt Draußen“ erwartete. Ich war zuvor aus der Stadt in einer Halbtagestour dorthin gewandert, um die Reise auch innerlich physisch zu vollziehen, was eine hohe Symbolwirkung für mich hatte. Wir kamen tatsächlich mit einem kleinen Plus aus dem Wochenende heraus und ich generierte dort meinen ersten Langzeit-Coaching-Klienten, der mit mir später für eine fünfstellige Summe an der Verwirklichung seiner kühnsten Träume arbeitete. Doch was wir alle an dieser Stelle noch nicht auf dem Schirm haben konnten, das war der drastische Einschnitt in das gesellschaftliche Leben von uns allen, welches an meinem Geburtstag, dem 21. März 2020, erfolgen sollte: der erste deutsche Lockdown aufgrund der Corona-Pandemie.

Die Erkenntnisphase

Von nun an änderte sich alles. Das Coaching-Business in der bisherigen Form brach ein, obgleich es gerade erst gestartet war. Ich kündigte meine Wohnung in München und zog wieder zu meinen Eltern, da es sich in meiner alten Umgebung nicht mehr stimmig anfühlte und mir das Geld ausging. Und ich steckte mitten in der Teilzeit-Weiterbildung zum psychologischen Berater, die ich im Oktober zuvor begonnen hatte. Mein Ziel war der Abschluss zum Heilpraktiker für Psychotherapie mit der Idee, dann endlich ein anerkanntes Zertifikat zu besitzen, das mir die Legitimation für meinen neuen Wirkungskreis geben würde. Eine völlig neue Erkenntnisphase setzte hier ein, denn ich hatte alles daran gesetzt, meine Selbstständigkeit als Coach & Trainer aufzubauen. Doch plötzlich realisierte ich, dass es so etwas wie Planungssicherheit gar nicht gibt und Wandel einfach immer und überall passiert. So saß ich also an meinem Geburtstag zu Hause im Lockdown allein auf meiner teuren Ledercouch und spürte, dass sich irgendetwas komplett verändern würde, das ich noch überhaupt nicht in seiner ganzen Tragweite überschauen konnte. Gleichzeitig spürte ich große Unsicherheit in mir, denn ich lebte ja vom Geld des verkauften Autos, das der Bank gehörte, hatte meine Wohnung gekündigt und konnte mir überhaupt noch nicht vorstellen, wie ich das große Loch in meinem Geldbeutel jemals wieder stopfen sollte. Wovon sollte ich dann jetzt leben? Wie sollte ich während der Weiterbildung mein Business neu erfinden, wo ich doch gerade für die Prüfung lernen musste? Wie lange würde ich es bei meinen Eltern aushalten, bis mir dort die Decke auf den Kopf fällt? Wann würde ich als Coach endlich erfolgreich werden, um von meiner Berufung wirklich leben zu können? Bis wann würde meine finanzielle Reserve noch reichen? Denn zurück in mein altes Hamsterrad wollte ich unter gar keinen Umständen mehr, das hatte ich mir bereits mit dem Ausstieg aus selbigem fest geschworen.

Meine damalige Projektpartnerin Tam stellte in der Zwischenzeit ihre Coachingtätigkeit auf Online-Workshops um, wie es gerade so viele in der Branche taten. Der Markt wurde plötzlich mit digitalen Angeboten geflutet. Die meisten davon kostenlos. Das triggerte mich, da ich zum einen keine Lust auf Online-Coaching hatte, sondern lieber mit Menschen persönlich an tollen Orten arbeiten wollte. Zum anderen hatte ich das Gefühl, nicht genug Zeit dafür zu haben und etwas zu verpassen, wenn ich es nicht täte. Es fühlte sich so an, mich mit der Weiterbildung für das falsche Boot entschieden zu haben. Doch nun saß ich darin und war gefordert auf Kurs zu bleiben. So wie ich es auch zuvor bereits bei der Entscheidung dafür gespürt hatte. Denn ich hatte sowohl für die Entscheidung meine Wohnung zu kündigen, als auch für den Ausbildungsweg zum Heilpraktiker für Psychotherapie ein sogenanntes Tetra-Lemma gemacht. Das ist eine Übung aus der Aufstellungs- und Energiearbeit, in der man die Optionen auf Karten schreibt, sich darauf stellt und dann hineinspürt. Ich bevorzuge diese Übung in der verdeckten Variante, so dass der Kopf nicht weiß, was auf welcher Karte steht. Und es funktioniert, glasklar. So fühlte sich die Option „Wohnung kündigen“ nach Freiheit an, nicht aber die Variante „zu den Eltern ziehen“. Genauso war es für den Weiterbildungsweg, der sich schon bei der Entscheidungsübung mühsam anfühlte. Die Alternative wäre gewesen, ohne den Prüfungsweg weiterzumachen. Dazu hatte ich ein Bild von einer Nussschale im Kopf, in der ich gemütlich dahin gesegelt wäre. Doch mein Kopf wollte das damals nicht und entschied sich für den letzten verfügbaren Ausbildungsplatz in diesem Jahresdurchlauf, den ich als Selbstzahler über die Laufzeit abbezahlen wollte. Knapp siebentausendfünfhundert Euro waren das. Auf Pump.

Der Druck wurde also immer größer, anstatt kleiner. Das Lernen gestaltete sich auch nicht so geschmeidig, wie ich mir das erhofft hatte, da es eben auch Teilbereiche im Lernstoff gab, bei denen es mir nicht so leicht fiel mich zu motivieren. Denn mein Steckenpferd hatte ich bereits entdeckt, das waren die Persönlichkeitsstörungen. Irgendwie hatte ich dafür ein Faible und tat mir leicht, in den Fallübungen selbst ohne die Kenntnis aller relevanten Diagnosekriterien als Einziger zu erkennen, wenn es sich auch um eine komplexe Störung wie Borderline handeln könnte. Ich nutzte also die Zeit bei und mit meinen Eltern, um mich mit dem Lernstoff zu beschäftigen und mein neu erworbenes Wissen an sie weiterzugeben. So referierte ich dort über Innere-Kind-Arbeit, Angst- und Zwangsstörungen oder Entwicklungspsychologie. Es fiel mir leicht, über diejenigen Themen zu sprechen, bei denen ich mich aus mir bis dato noch nicht durchweg bewussten Gründen wohlfühlte. Denn im Kontakt mit Menschen, bei denen diese Themen auf Resonanz stießen, konnte ich durch deren emotionale Reaktion das abgerufene Wissen mit den dazu gemachten Erfahrungen verknüpfen und so dauerhaft in meinem System abspeichern. Hierzu sollte mir später das Human Design System11 noch valide Erkenntnisse über meine eigene „Konfiguration“ liefern, durch die mir diese Art des Lernens offensichtlich besonders lag. Gleichzeitig war mir durchaus bereits in Teilen bewusst, welche bearbeiteten Themen auch etwas mit meinem elterlichen Familiensystem zu tun hatten. So konnte ich Zwänge, Depression und Dependenz mit meinem väterlichen Familiensystem in Bezug setzen und lernte nach und nach, dass mir Narzissmus, Paranoia und Wahn aus dem Familiensystem meiner Mutter bekannt vorkamen.

Darüber kam ich dann auch mit meinen eigenen Themen immer wieder in Berührung. Denn meine Depression und Suizidalität hatte ich zwar in den letzten Jahren seit meinem Erwachen im Rahmen meiner eigenen Psychoanalyse wirksam therapiert, doch die zugrundeliegenden Ursachen kamen erst jetzt so nach und nach zum Vorschein. So machte ich dann auch noch eine Hypnosetherapie, weitere Aufstellungsarbeit und zahlreiche Coachings, um die energetischen Verstrickungen meines Familiensystems immer weiter aufzulösen. Das ermöglichte mir dann auch, im August 2020 meinen ersten eigenen Podcast12