Sonnenblende – Sonnenwende - Monika Kühn-Görg - E-Book

Sonnenblende – Sonnenwende E-Book

Monika Kühn-Görg

3,8

Beschreibung

„Die Geschichte von jemand, der auszog, auf Teneriffa sein Glück zu suchen“ 20 Jahre Leben im ewigen Frühling mit all seinen positiven und negativen Aspekten – erlebt und aufgeschrieben von Monika Kühn-Görg Sonnenblende Die Sonne erzeugte zu Beginn nur Euphorie, und alle negativen Aspekte wurden ausgeblendet. Sonnenwende Im Laufe der folgenden 20 Jahre gewannen allmählich die negativen Aspekte die Oberhand. Durch diese Erkenntnis setzte eine Wende ein, die schließlich zur Rückkehr in die alte Heimat führte.

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Seitenzahl: 306

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Inhalt

Vorwort

Die Sehnsucht

Die Träume

Die Verwirklichung

Der Alltag

Die Integration

Die alte Heimat

Neue Aufgaben

Veränderungen

Die Bauphase

Unsere Tochter wird erwachsen

Der Finca-Alltag

Reisen nach Venezuela

Die Arbeit mit den Gästen

Die Jahre eilen dahin

Behördliche Ausländerfeindlichkeit

Die kanarische Natur

kanarisch kulinarisch

Wir halten die Stellung

Wir suchen einen Käufer

Kein Käufer, das Reisen geht weiter

Der Abschied

Schlusswort

Vorwort

Die ewige Sehnsucht nach Wärme und Sonne, nach Palmen und Meer, die die Menschen in den kühleren Klimazonen befällt, hat auch mich dazu bewogen, Anfang 1984 mit meiner Familie nach Teneriffa auszuwandern.

Die anfängliche Euphorie war schon schnell mit den Problemen des Alltags verflogen, ganz besonders, als wir uns darauf einließen, ein sogenanntes Finca-Grundstück zu kaufen, um dort Tourismus auf dem Land zu betreiben.

Die nachfolgenden Zeilen berichten vom Auf und Ab des täglichen Lebens auf einer Insel mitten im Atlantik, der schönen Natur dieses Archipels, den netten kanarischen Nachbarn und dem schwierigen Umgang mit den Behörden, der an Diskriminierung grenzte. Dies führte dann letztendlich dazu, dass die Illusionen schnell verflogen waren und wir zum Schluss nur noch wegwollten. Doch trotzdem sollte der Aufenthalt 20 Jahre dauern.

Monika Kühn-Görg

1 – Die Sehnsucht

Sie schaute in die Sonne und musste niesen, mindestens achtmal. Das Licht der Sonne war so ungewohnt für das kleine Mädchen von wenigen Monaten. Doch schnell brachte die Mutter sie in den dunklen Tunnel zurück. Es war das Jahr 1942. Die Menschen der kleinen Stadt suchten Schutz vor den Bombenangriffen in diesem ehemaligen Eisenbahntunnel.

Im Juni dieses Kriegsjahres war das Kind an einem Sonntag zur Welt gekommen. Es war also ein Sonntagskind und wurde von seiner Mutter sehr geliebt, obwohl sie es zuerst gar nicht haben wollte. Der dazugehörige Vater hatte sich aus dem Staub gemacht und die Vaterschaft nicht anerkannt. Es war ein österreichischer Soldat, der sich als Verwundeter im örtlichen Lazarett aufgehalten hatte. In seiner Heimat existierten Frau und Kinder, von deren Existenz die Mutter des kleinen Mädchens nichts wusste. Das änderte sich, als die Mutter schwanger wurde und dies dem Vater des Mädchens brieflich mitteilte. Der Antwortbrief stammte nicht von ihm, sondern seiner Frau und wurde noch zu allem Übel von den Großeltern des Mädchens abgefangen. Man kann sich vorstellen, bei der strengen Moral, die damals in einer Kleinstadt herrschte, was der Mutter für eine schlimme Zeit bevorstand. Die Vaterschaft wurde vehement bestritten, und die Mutter stand nun so da, als ob sie es mit mehreren Männern getrieben hätte. Doch sie ließ sich nicht in die Irre führen und wollte kämpfen. Ein Vaterschaftsprozess wurde angestrengt. Dazu musste sie, als das Kind zwei Jahre alt war, eine Reise nach Wien zum erbbiologischen Institut unternehmen. Zum damaligen Zeitpunkt war ein Vaterschaftstest nicht mit einer Haarprobe abgetan, sondern eine aufwändige Angelegenheit. Obwohl die Blutgruppe die des Vaters war, reichten die anderen Erbmerkmale nicht aus, den leiblichen Vater zu überführen. So fuhr die Mutter denn unverrichteter Dinge wieder nach Hause zurück. Dort waren ihre Eltern, die ihrer Tochter keine Vorwürfe mehr machten und auch ihr Enkelkind inzwischen liebevoll in ihr Herz geschlossen hatten. Der Krieg ging zu Ende und man musste nicht mehr im Tunnel leben. Doch die Monate in der Dunkelheit hatten dem Kind die Liebe zum Licht und der Sonne gegeben. Das sollte sie ihr ganzes Leben begleiten.

Nun begann für die Menschen eine schwierige Zeit, denn der Krieg hatte vieles in der Stadt zerstört. Auch das Haus der Großeltern war stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Es wurde notdürftig wieder hergerichtet, sodass man wieder darin wohnen konnte. Doch an Nahrungsmitteln gab es in der Familie keinen Mangel, denn ein kleiner Bauernbetrieb lieferte alles Nötige zum Leben. Das Haus der Familie lag mitten in der Stadt, die Felder zum Bewirtschaften aber außerhalb. Das alte Fachwerkhaus aus dem Mittelalter war umgeben von Stallungen mit einem Innenhof, in dem sich in der Mitte ein Misthaufen befand. In den Stallungen lebte ein Ackergaul zum Arbeiten auf den Feldern, eine Kuh als Milchlieferant, ein Schwein als Fleischlieferant und Hühner als Eierlieferanten. Auf den Feldern baute man Getreide, Raps und Kartoffeln an. Das Getreide wurde zu einer wasserbetriebenen Mühle gebracht und man hatte Mehl zur Verfügung.

Die kleine Stadt an der Ahr hatte für jedes Stadtviertel ein Backhaus, in dem die Einwohner nach Absprache ihr Brot backen konnten. Für das kleine Mädchen war es immer ein Ereignis, am Brotbacktag teilnehmen zu dürfen, denn es wurden auch süße Sachen gebacken. Der selbst geerntete Raps wurde zur Ölmühle gebracht und man hatte genügend Öl für den Eigenbedarf. Die Ernte der Kartoffeln ging weit über den Eigenbedarf hinaus und man konnte diese verkaufen. Das Gemüse wurde im nahegelegenen Garten angebaut. Die Milch von der Kuh wurde auch zu Butter und Käse weiterverarbeitet und so manches Mal musste das Kind das Butterfass drehen. Das Schwein wurde einmal im Jahr geschlachtet. Das Ereignis fand das Mädchen ganz schrecklich. Deshalb wurde es an diesem Tag nicht gesichtet. Doch das Fleisch und die Wurstsuppe am nächsten Tag mochte es genießen. Der Rest wurde in Gläser eingeweckt und der Schinken geräuchert. Die Familie war mit allem versorgt und litt keine Not, wie so viele andere Familien in dieser Nachkriegszeit. Dann gab es da noch die Weinberge, die Haupterwerbsquelle waren. Die geernteten Trauben wurden in der Winzergenossenschaft zu Wein verarbeitet und weiter vermarktet. Dies war eine der wenigen Quellen, aus denen Geld floss. Man hatte zwar alles zum Leben, doch waren auch Anschaffungen wie Kleider, Schuhe oder Möbel zu tätigen. Manchmal durfte das Kind ganz stolz hoch oben auf dem Ackergaul sitzen. Sie verlebte eine ungetrübte und glückliche Kindheit.

Ich war ein verträumtes Kind, das manchmal nichts um sich herum wahrnahm und nur in seinen Träumen gefangen war. Als ich etwa acht Jahre alt war, wurde meine Mutter schwer krank. In den Kriegsjahren, bevor ich geboren war, hatte sie sich infolge einer Rippenfellentzündung eine Lungenerkrankung zugezogen. Diese Krankheit schien ausgeheilt, doch die offenbar noch nicht ganz zugeheilten Löcher in der Lunge brachen infolge der schweren Arbeit in der Landwirtschaft wieder auf. Meine Mutter musste sich einer schwierigen Lungenoperation unterziehen und kam danach in ein Sanatorium. Sie war über ein Jahr von mir getrennt. In dieser Zeit kümmerte sich meine liebevolle Großmutter um mich. Doch die Trennung von meiner Mutter belastete mich sehr, was sich auch in der Schule bemerkbar machte. Wenn wir meine Mutter besuchten, welches eine Reise mit der Eisenbahn mit sich brachte, konnte ich sie nicht direkt an ihrem Krankenbett sehen. Nur unten vom Park konnte ich meiner Mutter oben am Fenster zuwinken. Als ich dann wieder mit meiner Mutter vereint war, wurden auch meine Leistungen in der Schule besser, was nicht zuletzt an meiner neuen Lehrerin lag. Ich war immer noch verträumt und träumte davon, Malerin oder Schriftstellerin zu werden. Lesen war für mich zur Leidenschaft geworden. Manchmal habe ich am Abend so lange im Bett gelesen, dass meine Mutter die Sicherung herausdrehte. Doch das störte mich nicht, da las ich eben mit der Taschenlampe unter der Bettecke weiter. Neben dem Bett lag immer ein Stift mit Schreibblock, da ich einmal gehört hatte, dass einen das nachts die besten Einfälle heimsuchen. Doch der Block blieb leer, da ich doch in der Nacht einen gesunden Schlaf hatte. In der Schule schrieb ich die besten und phantasievollsten Aufsätze. Auch Gedichte für alle Lebenslagen habe ich verfasst. Die zeigte ich meiner Lehrerin, die mich dafür besonders mochte und dabei vergaß, dass ich im Rechnen eine ziemliche Niete war.

Doch ich ging gerne zur Schule und war traurig, dass diese nach acht Jahren zu Ende war. Meiner Mutter wurde empfohlen, mich doch weiter zur Schule zu schicken, um nach dem Abitur Lehramt zu studieren. Doch meine alleinstehende Mutter war finanziell von ihren Eltern abhängig. Eine weiterführende Schule kostete damals Schulgeld. Obwohl mich meine Großeltern sehr liebten, waren sie der Meinung, dies würde sich bei einem Mädchen nicht lohnen, da es ja sowieso heiraten würde. So ging ich denn mit 14 Jahren nach der achten Klasse mit einem guten Zeugnis von der Volksschule ab.

Ich begann eine Lehre als Großhandelskaufmann in einer Weinhandlung. Aus war es mit den Träumen von Malerin oder Schriftstellerin. Mit diesem Schritt war abrupt die Kindheit beendet, obwohl ich mit meinen 14 Jahren noch ein echtes verträumtes Kind gewesen war. Das erste Lehrjahr ist mir sehr schwergefallen und ich bin öfters heulend nach Hause gekommen. Doch irgendwie habe ich die drei Lehrjahre durchgehalten, meine Abschlussprüfung bestanden und konnte dann ans Geldverdienen denken.

Ich trug immer eine Sehnsucht nach fernen sonnigen Ländern in mir drin, die damals für mich unerreichbar waren. Ich wollte unbedingt aus meiner Kleinstadt hinaus und mich in der Welt umschauen. Zum damaligen Zeitpunkt hatte ich eine Freundin, die genauso dachte wie ich. Der Transporter unserer Weinfirma lieferte den Ahrwein in ganz Deutschland aus. So vereinbarte ich, dass meine Freundin Marlene, unsere Fahrräder und ich auf einer Tour nach Heidelberg mitgenommen werden sollten. Die Rückfahrt sollte etappenweise mit unseren Fahrrädern stattfinden. Alles klappte super. Übernachtet wurde in Jugendherbergen, doch wir kamen auf dem Rückweg nur bis Frankfurt. Dort wurde mir aus dem Fahrradschuppen der Jugendherberge mein Fahrrad gestohlen. Das war ein Riesenschock, denn das Fahrrad war noch ziemlich neu. Ob die Versicherung der Jugendherberge einspringen würde, stand noch in den Sternen. Auf jeden Fall saß ich heulend und deprimiert im Aufenthaltsraum der Frankfurter Jugendherberge herum.

Dort befand sich eine Gruppe junger Amerikaner. Ein schwarzer Jugendlicher kam auf mich zu und fragte mich in gebrochenem Deutsch, warum ich denn so traurig sei. Als er den Grund erfuhr, fragte er mich, was denn so ein neues Fahrrad koste. Das war für ihn, als man für eine D-Mark vier Dollar bekam, offensichtlich nicht viel. Er bot mir an, mir ein neues zu kaufen, damit ich nicht mehr so traurig sei. Seine anderen Kameraden sagten mir, er käme aus einem wohlhabenden Elternhaus und dieser Betrag sei kein Problem für ihn. Ich fand das schon eine tolle Geste und habe es auch bis heute nicht vergessen. Doch darauf konnte ich beim besten Willen nicht eingehen, denn ich stellte mir vor, was meine Mutter sagen würde, wenn ich mit einem anderen Fahrrad nach Haus käme, welches mir dann ein schwarzer Amerikaner gekauft habe. Die Schlüsse, die sie daraus ziehen würde, konnte ich mir gut vorstellen.

So sind wir denn mit der Bahn nach Hause gefahren und haben das noch vorhandene Fahrrad aufgegeben. Doch die Sache ist trotzdem gut ausgegangen, da wir noch die Rechnung des Fahrrades hatten und aufgrund dessen hat die Versicherung der Jugendherberge den Schaden übernommen.

Meine Freundin und ich waren nun auf den Geschmack gekommen. Wir wollten nun jedes Jahr eine solche Reise unternehmen. Im nächsten Jahr ging es mit den Fahrrädern nach Westerland und dann weiter nach Dänemark. Im Jahr später nach Österreich und Italien. Diese Reise wurde per Zug und auch per Anhalter realisiert. In Österreich wollte ich unbedingt meinen leiblichen Vater ausfindig machen. Ich wusste von meiner Mutter, wie er hieß und dass er aus Bruck an der Leitha stammte. Dort erkundigten wir uns beim Einwohnermeldeamt nach der Adresse und tauchten dort auf. Doch als dort eine Frau erschien, verlor ich den Mut. Vielleicht wollte ich mir auch die Enttäuschung ersparen, die ich bei der Gegenüberstellung mit meinem Vater gehabt hätte, wenn er von mir nichts wissen wollte. Eigentlich bedaure ich es bis heute, dass ich doch nicht einen Schritt weiter gegangen bin.

So gingen die Jahre dahin und ich lernte meinen Mann kennen. Der träumte genau wie ich von fernen Ländern. Wir schworen uns, dass wir gemeinsam nach Australien auswandern würden. Die überschauliche Welt in der Kleinstadt kam uns allzu eng und spießbürgerlich vor. Mein Mann war aus der damaligen DDR geflüchtet, kurz bevor in Berlin die Mauer gebaut wurde. Er war schon einige Zeit zur See gefahren und kannte schon etwas von der großen weiten Welt. Eine Schwester seiner Mutter wohnte in unserem Ort und so hatte es ihn dorthin verschlagen. Er arbeitete dort auf einer Großbaustelle. Die ganzen Ahrberge wurden unterhöhlt, um dort für den Ernstfall einen riesigen Atombunker anzulegen, in dem sich die Politiker aus Bonn in Sicherheit bringen konnten. Hier wurde auch der Tunnel mit einbezogen, in dem ich als Kleinkind die Dunkelheit ertragen musste und sich fast die ganze Stadt vor dem Bombenhagel schützte.

Doch die weite Welt rückte erst einmal in den Hintergrund, denn wir heirateten 1964 und bekamen ganz schnell unseren Sohn Martin. Mutter sorgte dafür, dass ich trotz Kind weiter berufstätig sein konnte. Ich arbeitete zu dieser Zeit im Büro des Spielcasinos unseres Ortes. Mein Mann bekam dort eine gut bezahlte Anstellung im Spielbetrieb. So waren wir denn finanziell gut abgesichert und konnten uns ein Haus bauen. Jetzt konnte die Sehnsucht nach fernen Ländern gestillt werden.

Wir machten 1972 eine Reise nach Thailand. Wir waren fasziniert von der fremden Kultur, den exotischen Pflanzen, den Menschen. Einfach alles saugten wir gierig in uns auf und waren von dem Moment an vom Fernweh infiziert, welches uns bis heute nicht losgelassen hat. Als wir von Thailand wieder in die Heimat zurückgekehrt waren, kam uns dort alles grau und farblos vor. Doch ich hatte in Thailand alles mit meiner Videokamera festgehalten und zu Hause konnten wir die Reise noch einmal erleben.

Wir hatten uns aus Thailand etwas mitgebracht, welches uns unser ganzes Leben an diese Reise erinnern sollte. Seit langem hatten wir uns schon ein zweites Kind gewünscht und dies hatte dann in Thailand endgültig geklappt. Somit war unser zweites Kind „Made in Bangkok“. Wir freuten uns sehr auf dieses Kind, war es doch ein Wunschkind. Im Gegensatz zu unserem Sohn, der doch etwas unplanmäßig zur Welt kam und uns als junge Eltern mit 21 und 22 Jahren auch etwas überforderte, waren wir jetzt für ein Kind bereit. Das soll natürlich nicht heißen, dass wir unseren Sohn nicht liebten. Wie so oft im Leben, wenn sich eine Schwangerschaft überraschenderweise ankündigt, ehe noch die mentale Bereitschaft und die finanziellenVoraussetzungen vorhanden sind, ist man zuerst über diese Schwangerschaft nicht erfreut. Doch in unserem Fall war es doch ganz anders, als damals bei meiner Mutter. Wir hatten uns beide und sind an unserer Aufgabe gewachsen. Der Vervollständigung sei noch erwähnt, dass meine Großeltern zum Zeitpunkt, in dem sie Urgroßeltern werden sollten, schon nicht mehr lebten. Meine Großmutter war schon während meiner Lehrzeit verstorben und mein Großvater starb kurz nach unserer Hochzeit. So hat meine Mutter denn das Erbe angetreten, das alte Fachwerkhaus wurde verkauft und wir haben zusammen ein neues Haus gebaut. Danach war ich mit meiner Familie der Lebensmittelpunkt für meine Mutter. Als sie zum ersten Mal Oma wurde, war sie gerade einmal 43 Jahre alt.

Jetzt war ich also mit Anfang 30 zum zweiten Mal schwanger und die Voraussetzungen für dieses Kind waren in jeder Hinsicht sehr gut. Als es dann eine Tochter wurde, war die Freude grenzenlos. Doch zuerst konnte sich die Familie nicht über diese Tochter freuen, da ich bei der Geburt fast verblutet wäre und von unserem Kreiskrankenhaus mit Blaulicht in die Uni-Klinik nach Bonn gebracht wurde. Die ersten Tage auf der Intensivstation hing mein Leben am seidenen Faden. Mir war in diesen Stunden die Tragik der Situation nicht bewusst. Ich war nur glücklich, jetzt eine Tochter zu haben. Doch ich konnte mein Kind nicht in meinen Armen halten, da das Baby sich noch weiterhin im Kreiskrankenhaus befand. Nur auf einem Foto konnte ich es bewundern. Von dieser Geburt erholte ich mich hinterher aber trotzdem ganz schnell und konnte dann ganz glücklich meine Tochter Bianca in die Arme schließen. Auch hier stand mir meine Mutter tüchtig zur Seite, sodass ich nach der Mutterschutzfrist dann noch halbtags weiter arbeiten konnte.

Unsere Sehnsucht nach exotischen fernen Ländern hielt indes unvermindert an. Dank meiner Mutter mussten wir auf nichts verzichten, denn ich wusste die Kinder bei ihr in guter Obhut. So wurde dann eine zweite Reise geplant, die uns nach Sri Lanka führen sollte. Auch dort nahmen uns die fremde Kultur und die vielen exotischen Eindrücke vollkommen gefangen. Es sollten noch viele Reisen in ferne Länder unternommen werden. Danach reisten wir nach Mexiko, um auch dort die Menschen und deren Kultur kennenzulernen. Besonders die Stätten der Mayas haben uns sehr beeindruckt. Inzwischen hatte ich angefangen, mein Hobby, das Filmen zu vervollkommnen. Bald schon konnte ich meine Reiseberichte in der Volkshochschule einem interessierten Publikum vorführen.

Weitere Reisen führten uns nach Ost- und Westafrika, wo wir Safaris unternahmen und die vielfältige Tierwelt bestaunen konnten. Die Afrikareise war gekoppelt mit einem Aufenthalt auf den Seychellen und die Traumstrände, die wir dort genießen konnten, waren die schönsten, die wir je erlebt haben. Auch eine Indonesienreise, wobei wir Penang, Java, Bali und Singapur besuchten, wurde unternommen. Auch dort waren wir wieder berauscht von der geheimnisvollen Exotik der Inseln.

So verlebten wir in unserer Ehe glückliche, erfüllte und ereignisreiche Jahre. Jedes Jahr im Sommer besuchten wir die Eltern meines Mannes in der DDR und konnten uns so immer ein Bild von der Situation dort machen. Als mein Schwiegervater starb, versprachen wir meiner Schwiegermutter, sie mit 60 Jahren zu uns in den Westen umsiedeln zu lassen. Wir kauften eine Eigentumswohnung und richteten diese für sie ein. Mit ihrem restlichen Hausstand konnte sie nun ganz legal den Weg in den Westen antreten. Da sie immer gearbeitet hatte und ihr Mann bei der Wehrmacht Offizier gewesen war, bekam sie eine ansehnliche Rente und konnte nun ein gutes und bequemes Leben genießen. War sie doch bisher vom Schicksal nicht so verwöhnt worden. Als junge Frau musste sie mit 2 kleinen Kindern aus Schlesien flüchten, landete dann in Halle, wo sie auch ihren Mann wiederfand, doch sie war auf der falschen Seite Deutschlands gelandet. Nun war sie also bei uns, und wir konnten ihr ein schönes Leben bereiten.

Wenn wir auch viele Fernreisen unternahmen, so vergaßen wir doch nicht unsere Familie. In den Sommerferien wurden dann zusammen mit den Kindern interessante Reisen unternommen. Dabei waren dann Ziele wie Marokko, Tunesien oder Griechenland angesagt. Doch die Fernreisen wurden trotzdem nicht vergessen. Nun hatte ich auch noch eine Schwiegermutter, die meine Mutter in Bezug auf Kinderbetreuung etwas entlasten konnte.

Dann stand eine Veränderung an, die unser Leben komplett umkrempelte. Mein Mann bekam ein gutes Stellenangebot bei den damals neu eröffneten Hollandcasinos. Er arbeitete zuerst an der Küste und besuchte seine Familie einmal pro Woche. Später wurde in der Nähe von Aachen das nächste Spielcasino eröffnet und wir zogen um nach Holland. Unser Wohnort lag nahe der Grenze zu Aachen, sodass unser Leben sich mehr in Deutschland abspielte und die Kinder in Aachen zur Schule gingen. Meine Schwiegermutter kam mit unserem Wegzug gut zurecht, da sie ja noch eine Schwester vor Ort hatte. Bei meiner Mutter sah es anders aus, denn sie war völlig geschockt, dass wir nicht mehr in ihrer Nähe wohnten. Das Haus war für sie viel zu groß und ein Teil musste weitervermietet werden.

Jetzt stellte ich fest, so ganz auf mich allein gestellt, was meine Mutter an Hilfe für mich all die Jahre geleistet hatte. Ich habe damals überhaupt nicht nachempfinden können, was nun das Alleinsein für meine Mutter bedeutete. Doch wir hatten mit den beiden Müttern ein Problem, sie verstanden sich nicht gut, was wohl auf Eifersucht zurückzuführen war. Das hatte sich schon deutlich herauskristallisiert, als wir noch in unserem Heimatort lebten. Ich mochte meine Schwiegermutter sehr und auch meine Mutter liebte ich. Um niemand zu verletzen, musste ich dauernd einen Seiltanz veranstalten und saß oft zwischen den Stühlen. Der Umzug hatte mich dieses Problems enthoben. Wir luden die Mütter oft zu uns ein, aber immer getrennt.

Darüber hatten wir unsere Fernreisen nicht vergessen, denn wir leisteten uns eine Indien-Rundreise, die uns komplett begeisterte. Dieses Land mit seinen monumentalen Baudenkmälern schlug uns in seinen Bann, besonders das Taj Mahal hat einen unvergesslichen Eindruck hinterlassen. „Eine Träne der Liebe, auf der Wange der Zeit“ hat ein indischer Dichter dieses Bauwerk einmal genannt. Treffender kann man dieses Grabmal für die Lieblingsfrau des Großmoguls nicht bezeichnen.

Doch eines Tages wurde meine Mutter sehr krank und starb dann, erst 58 Jahre alt, an Krebs. Das hat mich ganz stark mitgenommen, da ich ihr nicht zur Seite stehen konnte, weil die Familie zu versorgen war. Außerdem war ich wieder berufstätig, zwar nur halbtags, doch ich hatte meine Verpflichtungen. Als ich dann die Situation zu Hause geklärt und Urlaub genommen hatte, um mich einige Zeit ganz meiner Mutter zu widmen, war sie in der Nacht davor ganz allein verstorben. Dieses Schuldgefühl, nicht dagewesen zu sein, wenn man mich brauchte, begleitet mich bis zum heutigen Tage.

Unser Sohn war immer, genauso wie ich, ein verträumtes und sensibles Kind gewesen. Auf dem Gymnasium, welches er in meiner Heimatstadt besuchte, war er ein guter Schüler mit vielen Erfolgserlebnissen, die sein Selbstbewusstsein stärkten. Doch nach dem Umzug nach Holland und dem Wechsel in ein Aachener Gymnasium klappte der Anschluss in der Schule nicht mehr. Die Jahrgänge in Aachen waren viel weiter im Lehrstoff als in seiner bisherigen Schule. So war es unausweichlich, dass er ein Schuljahr wiederholen musste, was sehr an seinem Selbstbewusstsein nagte. Aber auch dann klappte es nicht mehr so richtig, denn er hatte die Lust an der Schule verloren. So wurde denn beschlossen, dass er nach der mittleren Reife die Schule verlassen sollte, um eine Ausbildung zu machen. Unsere Tochter war charakterlich das genaue Gegenteil von ihrem Bruder, aufbrausend, eigensinnig und widerspenstig. In der Grundschule kam sie schlecht zurecht, passte nicht auf, konnte sich nicht konzentrieren und wusste nie, welche Hausaufgaben zu machen waren. Sie war ein echter Teufelsbraten, der mich manchmal zur Verzweiflung brachte.

Doch wir träumten trotz der Alltagsprobleme weiter von schönen Sonnenländern. Wir wussten nur noch nicht, wie wir dies in Einklang mit den Interessen der Familie bringen konnten. Ein paar Jahre später starb dann auch meine Schwiegermutter ganz plötzlich. Sie hatte sich nachts ins Bett gelegt und wachte nicht mehr auf. Aber sie war auch schon schwer erkrankt, denn als Diabetikerin war sie erblindet, und das Leben stellte sich für sie nicht mehr lebenswert dar. Diese traurige Tatsache machte uns aber klar, dass wir, außer unseren Kindern gegenüber, nun keine Verpflichtungen mehr hatten. Der Traum, in einem sonnigen Land zu leben, nahm wieder Gestalt an.

Mein Mann hatte einen Arbeitskollegen, der den gleichen Traum träumte, wie wir. Unser Traumland war zur damaligen Zeit Australien. Er war schon dort gewesen und kannte sich ein wenig aus. So flogen wir denn gemeinsam nach Australien und hatten uns die Gegend um Brisbane als zukünftigen Aufenthaltsort auserkoren. Da wir durch die Erbschaft meiner Mutter, finanzielle Mittel hatten, konnten wir uns vorstellen, diese in ein kleines Motel im Touristenort Surfers Paradies zu investieren. Dort wurden dann die Vorverhandlungen geführt. Wir waren damals der Meinung, das ist genau das Leben, welches wir uns für die Zukunft vorstellen.

Zurück in Deutschland, wollten wir nun alle Formalitäten in die Wege leiten, die für eine Ausreise nach Australien notwendig waren. Doch die australische Auswanderungsbehörde in Köln machte uns einen Strich durch die Rechnung. Schon damals haben die australischen Behörden sehr genau ausgesiebt, wen sie in ihr Land lassen und wen nicht. Unsere Kenntnisse und beruflichen Fähigkeiten waren nach Meinung der dortigen Behörden in Australien nicht gefragt. Obwohl wir bereit waren, in Australien unser Vermögen zu investieren, indem wir es in den Kauf eines Motels hineingesteckt hätten und auch 1 bis 2 Arbeitsplätze geschaffen hätten, wurde unser Antrag auf Einwanderung nach Australien abgelehnt. Das war nun eine große Enttäuschung für uns, da wir uns fest zu diesem Schritt entschlossen hatten. Doch heute weiß ich, dass wir niemals für den Rest unseres Lebens in Australien geblieben wären. Als wir nun 1982 unsere Träume von einem Leben in einem sonnigen Land platzen sahen, mussten wir uns zuerst wieder in der Realität zurechtfinden. Doch zuerst war uns einmal die Sorge genommen, wie werden unsere beiden Kinder in der fremden Welt zurechtkommen. Unsere Tochter war gerade mal 9 Jahre alt und unser Sohn gerade 18 Jahre alt. Eigentlich ein denkbar schlechtes Alter zum Wechseln in ein fremdsprachiges Land.

Um unser Fernweh weiter zu stillen, entschlossen wir uns Ende 1982 das Weihnachtsfest und den Jahreswechsel zusammen mit unseren Kindern auf den Malediven zu verbringen. Jetzt konnten die Kinder verstehen, warum ihre Eltern stark vom Fernweh geplagt waren. Es war ein wunderschönes Gefühl, mit der Familie dem Winter zu entfliehen und einzutauchen in die tropische und bunte Welt der Malediven. Wir bewohnten auf einer kleinen Insel zwei sogenannte palmengedeckte Rundalows. Von dort aus hatten wir einen direkten Zugang zum Strand. Eine halbe Stunde brauchte man, um einmal die Insel zu Fuß zu umrunden. Um unsere Tochter brauchten wir uns keine Sorgen zu machen, wenn sie einmal verschwand. Auf der kleinen Insel konnte sie nicht verloren gehen, und auch der Strand fiel lange seicht ins Meer ab. Das größte Vergnügen für uns und die Kinder war es, mit dem Schnorchel auf dem Wasser zu liegen und die bunte Unterwasserwelt zu beobachten. So etwas Schönes und Farbenprächtiges hatten wir alle noch nicht gesehen. Für meine Filmkamera hatte ich mir extra ein Unterwassergehäuse gekauft.

Die nächste von Einheimischen bewohnte Insel ließ sich leicht mit einem Boot erreichen. Dort war man schon daran gewöhnt, dass ab und an Touristen zu Besuch kamen, doch offensichtlich keine Kinder. Die dunkelhäutigen Kinder der Insel schienen noch nie ein weißes Kind gesehen zu haben, denn sie bildeten staunend einen Kreis um unsere Tochter. Die Mutter eines der Kinder nahm uns mit in ihre Hütte und zeigte uns, wie und wo ihre Kinder schliefen. Unsere Tochter wurde reichlich mit schönen bunten Muscheln beschenkt. Doch als die Kinder anfingen, sie anzufassen und zu zwicken, da wollte sie unbedingt die Insel wieder verlassen. Doch trotzdem sind die Eindrücke dieser Reise unseren Kindern und uns bis heute im Gedächtnis geblieben.

Wieder zu Hause, holte uns der Alltag schnell ein. Unser Sohn ging von der Schule ab und besuchte in Bad Reichenhall eine Hotelfachschule mit Internatsunterbringung. Wir sehnten uns immer noch nach einem Platz im sonnigen Süden, an dem wir leben konnten. Es musste doch eine Möglichkeit geben, diesen Platz endlich zu finden. Da kam uns der Zufall zu Hilfe. Freunde hatten uns dazu überredet, doch mit ihnen zusammen das Weihnachtsfest 1983 und den Jahreswechsel auf der Insel Teneriffa zu verbringen. Sie mussten uns nicht lange überreden. Wir mieteten uns ein Appartement für 4 Personen, während unsere Freunde ein Haus in einer sogenannten Urbanisation gemietet hatten.

Wir kamen dort an und waren komplett begeistert. Mit dem Mietauto machten wir viele Entdeckungsreisen auf der Insel. Schließlich kamen wir zu dem Entschluss, dort ein Ferienhaus zu erwerben. Ein geeignetes Objekt war schnell gefunden. Es gehörte einem Schweizer Ehepaar. Wir verstanden jetzt überhaupt nicht mehr, wie wir auf die Idee gekommen waren, nach Australien auszuwandern. Sonne, Wärme, Strand und Palmen konnte man auch hier finden. Man war dann trotzdem noch irgendwie in Europa, obwohl die kanarischen Inseln geographisch näher an Afrika liegen als an Spanien. Doch vorerst sollte es nur als Ferienhaus genutzt werden, und an einen Umzug war noch nicht gedacht.

2 – Die Träume

Wieder zurück in Deutschland, waren wir immer noch entschlossen, uns ein Haus auf Teneriffa zu kaufen. Im Juni machten wir dann beim Schweizer Konsulat in Zürich den Kaufvertrag für unser Haus. In den Sommerferien sind wir dann erneut nach Teneriffa gereist, um stolz unser Haus im Süden in Besitz zu nehmen. Nun waren wir also Hausbesitzer auf Teneriffa.

Das Haus lag in einer Siedlung im Süden der Insel mit ca. 200 Häusern. Diese Siedlung verwaltete sich selber, ähnlich wie ein Haus mit mehreren Eigentumswohnungen. Deshalb waren die Eigentümer der jeweiligen Häuser auch selbst verantwortlich für die Infrastruktur, wie Straßen, Elektroleitungen, Abwasserkanäle und Wasserleitungen. Die Gemeinde, zu der diese Urbanisation gehörte, war in diesem Fall nicht zuständig. Solche Gebilde gibt es oft in Spanien. Dies zog wiederum nach sich, dass pro Haus monatlich eine Umlage zu zahlen war. Es gab eine Verwaltung und einen Hausmeister, der die ganze Siedlung in Ordnung hielt. Einmal im Jahr wurde aus dem Kreis der Eigentümer ein Vorstand gewählt, der dann ehrenamtlich agieren konnte. Da die Bewohner der Siedlung vorwiegend deutschsprachig waren, war die Organisation und die Verwaltung ohne Sprachprobleme zu bewältigen. Dies brachte aber auch eine Ghettobildung mit sich und die Kontakte zu Einheimischen hielten sich in Grenzen, was dem Erlernen der spanischen Sprache nicht förderlich war. Sehr wenige Häuser waren das ganze Jahr über bewohnt. Die meisten Häuser dienten ihren Eigentümern als Winterdomizil.

Auch wir waren ja zunächst einmal von der Nutzung des Hauses als Feriendomizil ausgegangen. Wir genossen den Blick von unserer großen Terrasse auf das in der Sonne glitzernde Meer. Der Pool der Siedlung, dessen Wasser um diese Zeit herrlich angenehm warm war, wurde, besonders von unseren Kindern fleißig genutzt. Wir unternahmen mit dem Mietauto unzählige Ausflüge über die Insel. Wir waren auf alles neugierig und sogen die Eindrücke gierig in uns auf. Besonders das Hochgebirge mit dem höchsten Berg Spaniens von 3.700 m Höhe, hatte es uns angetan. Um diese Jahreszeit blühten im Gebirge die seltensten endemischen Pflanzen, sozusagen ein riesiger natürlicher Steingarten. Wir waren sehr erstaunt über die ausgedehnten Kiefernwälder, die wir auf der Insel antreffen konnten. Es wurden sehr viele Wanderungen unternommen. Doch das war eigentlich nicht nach dem Geschmack unserer Kinder. Sie wollten eigentlich immer nur zum Strand. Doch da ist die Auswahl auf Teneriffa nicht so groß. Da gab es im Süden den Strand von Los Cristianos, der feinsandig ist und damals noch nicht so überlaufen war. Doch der längste Strand im Süden ist el Medano, den wir am schönsten fanden. Es ist ein langer feinsandiger Strand, der im Winter aber häufig von den Passatwinden heimgesucht wird, aber jetzt im Sommer gut zu genießen war. Im Südwesten der Insel luden uns die Strände von Los Gigantes und Puerto Santiago ein, die mit schwarzem Sand vulkanischen Ursprungs bedeckt sind.

Je weiter der Urlaub fortschritt, je mehr waren wir der Meinung, dass wir uns auch für immer hier wohlfühlen konnten. Unsere Tochter war 9 Jahre alt und wir dachten, für ein Kind in diesem Alter dürfte der Wechsel von der deutschen in die spanische Schule kein Problem sein. Für unseren Sohn kam eine Umsiedlung nicht in Frage, da er zu diesem Zeitpunkt die Hotelfachschule besuchte und nicht mehr zu verpflanzen war. Danach sollte sich eine Ausbildung im Hotelfach anschließen. Für uns war jetzt nur noch die Frage wichtig, wie sollten wir finanziell unsere Existenz auf der Insel gestalten? Die kleine Erbschaft von meiner Mutter half uns bei unseren Plänen. Es wurde damals im Süden viel gebaut und wir entdeckten in Los Cristianos in einer guten Lage eine Appartementanlage.

Hier wurden Wohnungen zum Kauf angeboten. Kurz entschlossen machten wir die Kaufverträge für 4 Appartements, die wir dann an Touristen vermieten wollten. Dieser Mietvertrag sollte unsere Existenzgrundlage auf Teneriffa darstellen. Wir waren Anfang 40 und wollten nun endlich unseren Traum zur Realität werden lassen. In diesem Alter hatten wir noch Mut und Energie genug, unser Leben komplett umzukrempeln. Doch unsere Entscheidung barg auch große Risiken. Was wäre, wenn die Baufirma pleite ging und die schon angezahlten Appartements nicht zu Ende gebaut würden? Doch wir schoben diese Bedenken beiseite. Es war sowieso nichts mehr an unserem Entschluss zu ändern. Auch unsere kleine Tochter machte uns Sorgen. Wie würde sie die Umsiedlung in ein fremdsprachiges Land verkraften? Sie war in der Grundschule kein erfolgsverwöhntes Kind, was wohl auch auf den Lehrer zurückzuführen war, der sie dann für die Hauptschule empfahl. So dachten wir, auf Teneriffa kann es schulisch nur noch besser werden, und wir sollten recht behalten.

So brach denn bei uns, nach unserer Rückkehr aus unserem Urlaub total die Hektik aus. Unser Umzug nach Teneriffa sollte im Januar 1984 stattfinden. Zuerst einmal mussten wir einen Käufer für unseren Bungalow in Holland finden. Dann war der Kauf eines kleinen nicht aufwändigen Hauses geplant. Wir wollten nicht alle Brücken komplett abbrechen, sozusagen mit Netz und doppeltem Boden. Die Verwirklichung unserer Pläne in dieser Hinsicht klappte. Wir fanden einen Käufer, der den von uns erwarteten Kaufpreis zahlte und auch ein kleines altes Haus nahe der deutschen Grenze. Das sollte von nun an unsere Fluchtburg sein. Auch sollte es noch ein zu Hause für unseren Sohn darstellen, der ja in Deutschland verbleiben musste. Diese Entscheidung sollte sich auch in späteren Jahren als richtig und wichtig erweisen, bot doch das Haus uns und unseren Kindern immer eine Möglichkeit, dort Unterschlupf zu finden.

Es gab noch so viele Dinge zu regeln. Unsere Arbeitgeber mussten benachrichtigt werden, dass wir ab Ende des Jahres nicht mehr zur Verfügung standen. Unsere Sachen mussten sortiert werden. Was geht nach Teneriffa und was passt in unser kleines Häuschen in Holland? Ende des Jahres zogen wir zuerst einmal in unser kleines Haus um, derweil der Container schon auf See in Richtung Teneriffa schaukelte. Wir verabschiedeten uns von unseren Freunden, die uns alle versprachen, uns auf Teneriffa zu besuchen. Das Weihnachtsfest und den Jahreswechsel feierten wir in unserem Häuschen in Holland.

Im Januar 2004 machten wir unser Haus winterfest und packten unsere Koffer. Mit dem Auto sollte die Reise nach Teneriffa gehen. Das Auto wurde, soviel wie möglich war, vollgepackt. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt einen Nymphensittich und einen Wellensittich, die auch mit auf die Reise gehen sollten. So sind wir denn mit einem total vollgepackten Auto und 2 Vogelkäfigen auf die Reise gegangen. Joki, den Nymphensittich, konnten wir unterwegs aus dem Käfig lassen und so saß er nun beim Fahrer auf dem Lenkrad. Unser Vogel konnte viele Melodien pfeifen, beispielsweise „Du bist verrückt, mein Kind“ oder den River-Kwai-Marsch. Dies pfiff er dann fleißig vor sich hin, während uns unser Auto in den Süden trug. Diese kuriose Situation habe ich mit meiner Filmkamera festgehalten. Wenn wir durch spanische Ortschaften kamen, haben sich die Einheimischen fast den Kopf verdreht, denn einen Vogel auf dem Lenkrad hatten sie noch nie gesehen. Wir waren sehr erwartungsvoll eingestimmt und freuten uns auf unser neues Leben. Bei Eis und Schnee waren wir von Holland über Belgien und Frankreich unserem Ziel immer näher gekommen. Im südlichen Spanien konnten wir uns schon an den milden Temperaturen erfreuen. Unser Ziel war Cadiz, welches wir nach zwei Tagen erreichten.

3 – Die Verwirklichung

Von Cadiz aus sollte uns die Fähre in 2 Tagen zur Insel Teneriffa bringen. Doch zuerst einmal wurde in Cadiz übernachtet. So hatten wir denn Zeit, uns die Stadt einmal anzuschauen und uns ein wenig auf das spanische Leben einzustimmen. Am nächsten Tag begaben wir uns dann voller Erwartung auf die Fähre. Die zweitägige Fahrt über den Atlantik vermittelte uns das Gefühl, wie weit doch die Kanaren vom spanischen Festland entfernt liegen. Eigentlich haben die Inseln geographisch wenig mit dem Mutterland gemeinsam. Sehr viel näher liegt die afrikanische Küste, welche auch vorwiegend das Klima beeinflusst. Das milde Klima, welches das ganze Jahr über auf den Inseln herrscht, das war genau der Grund, warum wir dort in Zukunft unser Leben verbringen wollten.

Da ich den Aufenthalt auf einem Schiff nicht gut vertrage, war ich denn auch nach 2 Tagen froh, als das Schiff im Hafen von Santa Cruz de Tenerife einlief. Es war ein wunderbares Gefühl, als wir bei Sonnenschein und milden Temperaturen mit dem Auto die Fähre verließen und in den südlichen Teil der Insel fuhren. Wir waren einfach nur glücklich und malten uns unsere Zukunft in den rosigsten Farben aus. Wir betraten ja nicht komplett Neuland, denn wir kannten die Insel schon und wussten, was uns erwartet.

Der Weg zu unserem Haus war uns bekannt und so erreichten wir nach einer Stunde Fahrzeit unser neues Domizil. Unsere Siedlung mit 200 Häusern war sozusagen wie ein Dorf, jeder kennt jeden. So wurden wir denn als Neuankömmlinge sofort erkannt und eine Frau, die unsere Ankunft beobachtet hatte, riet uns, jetzt das Alte abzuschütteln. Das nahm unsere Tochter wörtlich und schüttelte sich wie ein nasser Hund.

Dann wurde das Auto entladen. Wir richteten uns in unserem Haus und unserem neuen Leben ein. In unserer Siedlung war das Eingewöhnen nicht schwer. Von überallher bekamen wir Tipps, wo man was gut einkaufen konnte. Besonders wichtig war es für uns zu wissen, wo deutsches Brot zu erwerben war. Dafür haben wir auch lange Wege in Kauf genommen. Wir konnten uns mit den Essgewohnheiten auf alles Mögliche einstellen. Doch wenn man einmal deutsches Brot gewöhnt ist, kann man darauf nicht mehr verzichten. Es wäre für mich die größte Strafe, wenn ich immer nur weißes Brotessen müsste, ganz abgesehen davon, dass es der Gesundheit nicht zuträglich ist.

Wir lernten schnell ein sogenanntes Supermarkt-Spanisch. Dabei war es erforderlich, die spanischen Zahlen zu beherrschen und einige Höflichkeitsfloskeln. Ganz wichtig war vor allen Dingen, den Wert der spanischen Pesete blitzschnell im Kopf in Mark umzurechnen, um so ein Preisgefühl für die Dinge des täglichen Lebens zu bekommen. Wir hatten uns da ein gewisses Rechenmodell zurechtgelegt, welches gut funktionierte.

Unsere 4 Appartements in Los Cristianos, die uns als Existenzgrundlage dienen sollten, waren dann auch